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IV.
Friedrich Hild an Karl Watler.

Frascati, 29. Juni.

Das schwarze Ungeheuer werde ich nicht skizzieren; es hat etwas Abstoßendes für mich; es hat sich mir auffällig in den Weg gedrängt und scheint meine Schritte zu belauern. Es nestelt sich in der Trattoria an mich, es knüpft Unterhaltungen an, es fragt, es ist mir unleidlich. Anselm mag sich Deine berühmte Ajaxgruppe mit Kienruß schwarz färben, Dein griechischer Held kann dann vortrefflich als Modell zu einem Neger dienen, ich habe das immer gesagt. Deinem Terrorismus, womit Du mich zwingen willst, Dir Abenteuer aus meinen Jugendtagen zu gestehen, bei Strafe, für eine phantasielose, kleine Seele gehalten zu werden, beuge ich mich nicht. Zur Strafe wirst Du nichts davon erfahren.

Die Damen von drüben waren heute am Nachmittag in meinem Atelier; ich konnte ihnen leider nichts zeigen als verschiedene Skizzen, von denen sie viel zu sehr entzückt waren, als es für den Ruhm ihrer Kunstkennerschaft wünschenswerth gewesen wäre. Die Gräfin ist in der That eine schöne, stolze, imponierende Dame von vollkommen vornehmer Haltung. Sie war ganz Huld und hat ihren Wunsch, ein ausgeführtes Staffeleibild von mir zu sehen, in einer Weise betont, daß ich schließen muß, sie beabsichtigt, mir eines abzukaufen. Sie ist in derselben Gegend daheim, in der auch »meine Wiege stand«. Vielleicht ist es mehr der Wunsch, einem Landsmann unter Arme greifen, was sie dazu verführt, als die Bewunderung meiner Leistungen. Jedenfalls wirst Du zu dieser Auslegung geneigt sein. Ich werde meine Skizze der Insel Capri mit den Pinien für sie ausführen. Zunächst liegt mir die Vollendung der Mädchengruppe am Herzen, aber woher das Modell zu der Brünette vorn auf der Steinbank nehmen? Ich habe alle Hoffnung, hier eines zu bekommen, aufgegeben – wie ich auch suche, es findet sich keine. Die Gouvernante mit ihrem ausdrucksvollen südlichen Kopfe wäre ein besseres Modell als Alles, was das ganze Albanergebirge an jungen Schönheiten beherbergt: anmuthiger, feiner, mehr tiefes inneres Leben unter dem Ausdrucke stiller Ruhe verschleiernd; mehr wahre helle Seele und Wärme des Gemüths und bewußten Frieden aus den braunen Augen blicken lassend, als alle die Dirnen im rothen Mieder und weißen Kopftuch, welche die spanische Treppe in Rom garniren und aus denen wir unsere Madonnen und Königinnen und Gott weiß was Alles machen. Und etwas Sphinxhaftes, etwas räthselhaft Verschlossenes liegt in ihren feinen, ruhigen Zügen, etwas, als sage sie selbstzufrieden: ich trage ein Geheimniß in mir, einen Schatz, eine Welt, und ihr Menschen alle werdet das Geheimniß nicht erfahren, und ihr alle mit einander werdet in diese Welt nicht blicken!

Als ich von der Schwierigkeit, ein Modell zu finden, redete und dabei unwillkürlich mein Auge auf dem Antlitze Charlottens haftete, fiel die Gräfin lächelnd ein:

»Sie sehen meine Begleiterin mit so prüfendem Auge an, als verlangten Sie nichts Besseres, wie die sie auf Ihrem angefangenen Bilde zu verewigen.«

»Sie halten mich sehr hochfliegender Wünsche fähig, Frau Gräfin«, versetzte ich; »aber wenn ich sie hegte, würde ich zu meiner Entschuldigung anführen dürfen, daß selbst eine so erlauchte Persönlichkeit wie der Kardinal-Großpönitentiar meinem Freunde W. eine ganze Stunde lang als Modell für sein großes, schönes Bild gesessen hat.«

»Nun, wer weiß«, antwortete die Gräfin scherzend, »wozu Sie Charlotte noch bringen, wenn Sie recht liebenswürdig gegen sie sind und ihr auf Ihrem Bilde eine recht hübsche Rolle zuertheilen – darauf käme viel an.«

Ich war einfältig genug, nichts weiter zu erwiedern als ein nichtssagendes Lächeln … offen gestanden, ich war fast ein wenig erschrocken bei der Idee … es war wenigstens gut, daß ich mich nicht verlocken ließ, mich bis zu einer Bitte zu versteigen, die doch sicherlich kühl abgeschlagen worden wäre und mir eine sehr verdiente Demüthigung zugezogen hätte. Auch sagte das Fräulein kein Wort zu dem Allen.

Den Kindern schenkte ich die Skizze eines Maulthieres in vollem Kopfputz, das sie außerordentlich bewunderten; nachdem sie sich eine Weile daran ergötzt, nahm Fräulein Charlotte es ihnen mit sanfter Hand aus den Fingern und steckte es zierlich gerollt zu sich.

Und dann dankten sie und nahmen Abschied, die Gräfin mit der imponierenden Herablassung einer großen Dame.

»Ich beabsichtige, den ganzen Sommer hier zu bleiben«, sagte sie, »und ich denke, wir halten gute Nachbarschaft.«

Gute Nachbarschaft! Soll das heißen: stürzen Sie sich morgen in Ihren Frack, machen Sie uns feierlich Ihre Aufwartung, wir werden Ihnen dann in der nächsten Woche die Ehre erweisen, Sie zum Thee einzuladen? Vielleicht heißt es das! Es ist überaus gnädig von einer solchen sich langweilenden Dame! »Da ich nichts Besseres zum Zeitvertreib habe, will ich Dir erlauben, mich ein wenig zu unterhalten; und machst Du's recht amüsant, zeigst Dich als einen gewandten, redefertigen, lebhaften Mann von dem gehörigen Takt, dann soll Dir die Hoffnung auf noch zahlreiche Tassen Thee blühen, vorausgesetzt, daß Dein Frack nicht zu altmodig ist.«

Ich fürchte aber das Letztere! Wo ist der gute alte Koffergründling, der Adelsbrief, den jeder europäische Chinese auf dem Rücken tragen muß, wenn er zu den Versammlungen der Kaste zugelassen sein will; das Diplom, das Dir am Ende aller möglichen Studien und Arbeiten um eine Lebenstellung die löbliche Schneider-Innung ertheilen muß, damit die Gesellschaft der »Gebildeten« Dich bei sich einläßt, wo ist es? Habe ich ihn hier oder ist er in Rom unter der Obhut der Donna Antonia zurückgeblieben? Ich weiß es im Augenblicke selbst nicht, werde dies aber sogleich untersuchen.

Grüße die Freunde und gieb Gennaro, unserm Vetturin, bei seiner nächsten Fahrt hierher die Briefe mit, welche etwa in meiner Abwesenheit bei Donna Antonia für mich eingelaufen sein sollten.

Dein Friedrich.



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