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I.

Eine der schönsten Villen des an »hesperischen Gärten« so reichen Frascati ist die Villa Falconieri Paul Heyse hat in »Villa Falconieri« 1887 diesem Schauplatz ebenfalls eine Novelle gewidmet, die freilich einen dramatischen Verlauf nimmt. – Anm.d.Hrsg., unmittelbar oberhalb der Stadt liegend. Wenn man durch das alte verfallene Gitterthor eintritt, hat man einen weiten Platz vor sich, auf dem rechts und links trocken liegende Wasserbassins alte verstümmelte Steinfiguren zeigen, mythologische Wassergötter, welche einst rauschende Springbrunnen emporschleuderten. Weiter zur Linken wird eine niedere Mauer sichtbar, welche ein sich jenseits derselben senkendes Terrain krönt, so daß man über diese Mauer fort eine prachtvolle Aussicht genießt auf die Hügelstadt Frascati mit einem Theile ihrer Villen, auf die weithin sich dehnende Campagna mit ihren Aquädukten und Ruinen und wechselnden Farben, auf einzelne hochliegende Punkte von Rom mit seiner fernen, aus blauem Duft ragenden Peterskuppel.

Dem Eintretenden gegenüber liegt das »Casino«, das Hauptgebäude der Villa, ein stattlicher Bau im Barockstyl mit einer kleinen, auf Pfeilern ruhenden Halle oder Loggia vor dem Eingang. Das Innere des Baues enthält weite kühle Säle und Gemächer – den Hauptsaal in der Mitte hat Carlo Maratta mit einem großen Deckengemälde, »die Geburt der Venus«, geschmückt, während an den Wänden allerlei seltsame Menschen in seltsamen Trachten, karrikaturenhafte Gestalten, die Blicke fesseln; es sind Angehörige der Familie Falconieri, die Pier Leone Ghezzi hier in dieser kecken Weise verewigte. Das Gebäude selbst aber ist von Bernini entworfen.

Die Villa Falconieri ist die älteste Frascatis; deshalb hat sie auch den unvergleichlichen Reichthum an prachtvollen uralten Bäumen, die Allee von schönen immergrünen Eichen, wie man malerischere nicht finden kann. Diese schmale, aber lange Allee zieht sich rechts vom Casino durch eine schattige Laubwelt die steigende Bergerhöhung empor.

An einem Juni-Nachmittag, als kaum die Zeit der Siesta vorüber war, stand an einem der Steinpfeiler des Gitterthors unserer Villa, sich lässig mit dem Rücken daran lehnend, ein kräftiger breitschulteriger Mohr in Dienertracht; er trug über den kurzen blauen Beinkleidern mit silbernen Kniebändern und der blauen Weste mit silbernem Tressenbesatz einen leichten hellen Sommerrock, in dessen Aermelausschnitt er die Daumen seiner schwarzen Hände gesteckt hatte. Ein Strohhut bedeckte das ergrauende wollige Haar; in den schimmernd weißen Zähnen hielt der schwarze und häßliche Mensch eine schwarze und häßliche Cigarre von jener langen, dünnen Art, die über Strohhalme gewickelt und weit abscheulicher als Stroh ist.

Er ließ seine Augen den an beiden Seiten von hohen Mauern eingefaßten Weg, welcher an der Villa vorüberführte, hinunterschweifen. Es konnte nichts Monotoneres geben, als diesen langweiligen, staubigen Weg zwischen den grauen alten Mauern. Freilich schauten grüne Lorbeer- und Korkeichenwipfel über die Mauern, aber dieser Anblick konnte unmöglich das Interesse des Mohren erregen, so malerisch und schön das Stück südlicher Vegetation, das weiter hinauf fast den ganzen Weg überwölbte und in ein Berceau umschuf, auch sein mochte.

Der Mohr muß Jemanden erwarten. Wohl schon seit längerer Zeit, denn er gähnt zuweilen und nimmt diesen Augenblick wahr, um die Asche seiner Cigarre abzustoßen und einen Seitenblick in das Innere der Villa zu werfen, wo unter der Loggia vor dem Gebäude eine kleine Gesellschaft sitzt, die aus zwei Damen und zwei Kindern im Alter von etwa sechs und acht Jahren besteht.

Von Zeit zu Zeit kommt Jemand des Weges daher; eine Frau mit einem Reisigbündel auf dem Kopfe, ein schwarzlockiger, zerlumpter Bursche, der pfeifend auf der Kruppe eines Esels sitzt, ein weißer Mönch aus dem nahen Camaldoli – Gestalten, welche der Mohr mit einem verachtungsvollen Blicke streift; und endlich eine Figur, die als unvermeidliche Staffage ebenso in unser Bild gehört, wie der Mönch, der Bursche auf dem Esel und die rothröckige Frau mit dem Reisigbündel – der deutsche Maler.

Der deutsche Maler ist ein kräftiger Mann, etwa im Alter von fünfunddreißig Jahren, mit einem schönen, offenen Gesichte, das von dunklem Vollbart umgeben ist, und das ein grauer Piemonteserhut beschattet, gekleidet in eine gelbe, weiß ausgenähte Blouse.

Er trägt den Feldstuhl und den großen grauleinenen Sonnenschirm unter dem Arm und den Malkasten am Messingbeschlag in der Hand.

»Ah, Signore Frederico!« sagt der Mohr, als der Maler in seine Nähe kommt – »wollen Sie bei der Hitze wieder nach Mondragone hinaufkeuchen? Ich dächte, wenn Sie altes Baumzeug malen wollen, Sie könnten es näher haben.«

Der Mohr spricht dies in ziemlich gutem Deutsch, nur mit starkem süddeutschem Dialekt.

»Freilich«, antwortet der Maler stehen bleibend und lächelnd; »aber ich hätte nach Euren Begriffen auch ganz in Deutschland bleiben können. Es giebt auch da altes Baumzeug genug, Selim.«

»Nun ja, es sind eben andere Sorten hier zu Lande, das weiß ich schon«, antwortete Selim; »was Sie aber da oben auf Mondragone suchen, von der Sorte, die wie zusammengeklappte Regenschirme aussieht, haben wir hier in unserer Villa auch … wir haben sie schöner, als sie irgendwo sonst zu finden sind. Weshalb malen Sie nicht die und sparen sich den langen Bergweg?«

»Und woher wisset Ihr, Selim, daß ich einen langen Bergweg machen und welche Baumsorten ich skizzieren will?« fragte der Maler.

»Nun«, sagte der Mohr mit einem schlauen und wie übermüthig aussehenden Lächeln, »ich sah Sie ja an der Arbeit neulich, als ich der Frau Gräfin über Taverna hinaus folgte …, wir geriethen bis in die Allee von den alten zusammengeklappten, wissen Sie, und da saßen Sie und pinselten, und da Sie mir mit dem Kopfe zunickten, sagte die Frau Gräfin zu mir: ›Kennst du den Herrn, Selim?‹ Sag' ich: ›Ja, Ew. Gnaden, von der Campanella her, wo der gute rothe Frascataner verschenkt wird; der Herr ist ein Landsmann von der Frau Gräfin und wohnt hier ganz dicht in unserer Nähe, in der Villa Piccolomini.‹ – ›Ein Landsmann?‹ sagt die Frau Gräfin darauf, ›weshalb kommt der Herr denn nicht in unsere Villa, wo doch schönere Cypressen sind, als diese hier‹, sagt die Frau Gräfin, und ich antwort': ›Ich will's ihm bei nächster Gelegenheit zu wissen thun, dem Signor Frederico, daß die Frau Gräfin es erlauben‹, und sie sagt darauf: ›Thu' das, Selim, sag' ihm, er werde unsere Villa zu jeder Zeit für sich offen finden.‹«

»Es ist sehr freundlich von Eurer Gräfin, Selim.«

»Sie können also zu allen Tageszeiten in unsere Villa kommen, Signor Frederico«, fährt der Mohr fort.

Signor Frederico blickt den Mohren wie ein wenig unschlüssig an. Lügt der schwarze Bursche, der seit einiger Zeit etwas zudringlich des Malers Bekanntschaft gesucht hat, oder hat die deutsche Dame, die für diesen Sommer die Bewohnerin der Villa Falconieri ist, ihm wirklich so freundlich und zuvorkommend die Erlaubniß gegeben, dort einzudringen und nach Belieben Studien zu machen?

Der Mohr wendet sich zum Gehen.

»Kommen Sie deshalb, Signor Frederico«, sagt er, »ich will Ihnen zeigen, wo Sie die schönsten Bäume finden, ohne daß Sie im Schweiße Ihres Angesichts zu steigen und zu klettern brauchen.«

Signor Frederico steht einen Augenblick wie zweifelnd, ohne sich zu rühren. Was hält ihn ab, der Einladung zu folgen? Es ist gewiß keine Gefahr dabei, dem Mohren zu folgen. Und doch scheint etwas seinen Fuß zu bannen, es scheinen unter seiner hohen, gebräunten Stirn sich Gedanken zu kreuzen, die erst zu Ende gedacht sein wollen, bevor er folgt; es ist fast, als sei unter diesen Gedanken einer, der lautet: laß dich von diesem häßlichen schwarzen Menschen nicht über die Schwelle des Thores locken, du weißt nicht, was jenseits auf dich lauert, in welches Labyrinth er dich führen will, was dich umgarnen soll unter den schönen dunklen Cypressen, in denen er nichts sieht, als – zusammengeklappte Regenschirme!

Aber der Mohr schritt voran, ohne sich um die Bedenklichkeiten des Malers zu kümmern, und der Maler schien den Entschluß zu fassen, sich um seine Bedenklichkeiten auch nicht mehr zu kümmern. Er folgte dem Mohren.

Sie gingen rechtshin über den Vorplatz, der so ausgedehnt war, daß der Maler nicht für nöthig hielt, die kleine Gesellschaft zu grüßen, welche unter der Loggia saß – sie schien ihn auch nicht zu beachten.

Und doch hatte sie ihn beachtet, die Kinder hatten es wenigstens. Als der Mohr mit seinem Begleiter die schöne, sanft aufwärts steigende Eichenallee erreicht hatte und darin emporschritt, kamen die Kinder ihm nachgelaufen und faßten, während sie neugierig den fremden Mann betrachteten, jedes eine der Hände Selim's.

Das ältere war ein blondlockiger hübscher Knabe von acht Jahren, der Selim fragte:

»Was wollt Ihr thun, Selim? was will der fremde Mann mit dem Kasten thun?«

»Er will Bäume abmalen«, versetzte Selim.

»Haben ihn die Bäume rufen lassen, daß er sie malen soll, Selim?«

»Wahrscheinlich«, versetzte der Mohr; »komm' mit und frag' sie.«

Die Kinder sprangen voran; so kam man zu einer Stelle, wo links von der Allee sich stark abschüssig ein grüner Anger in ein kleines Thal senkte; auf der halben Höhe stand eine Gruppe prachtvoller alter Cypressen.

Signor Frederico betrachtete die schönen Bäume. –

»Ich habe die oberen Partieen schon von meinem Fenster in der Villa Piccolomini aus ins Auge gefaßt«, sagte er; »es ist wahr, man kann sie nicht besser finden.«

Dabei wählte er sich die beste Stellung der Gruppe gegenüber aus und schlug auf dem gewählten Platz ein luftiges Zelt auf, das heißt, er spannte den großen Sonnenschirm aus, um ihn mit der Spitze des Stockes in den Boden zu stoßen, stellte den Feldstuhl darunter, öffnete den Malkasten, und nun konnte die Arbeit beginnen.

Signor Frederico ging dabei mit einer gewissen Hast zu Werke. Er mußte seine Skizze rasch beenden, um die Gruppe beim selben Stande der Sonne zu fixieren und keine falsche Beleuchtung hineinzubringen.

Die Kinder sahen ihm mit großem Vergnügen zu, während der Mohr seinen Mangel an Interesse für die Sache dadurch kund that, daß er langsam davon schlenderte.

»Das geht schnell«, sagte der Knabe nach einer Weile, »Charlotte kann auch malen, aber es geht nicht so schnell.«

»Charlotte … wer ist Charlotte? Bist Du Charlotte, kleine Hummel, und kannst auch malen?« fragte Signor Frederico, sich an das kleine Mädchen wendend, das dicht hinter ihm stand.

Die Kleine lachte, während der Knabe sagte:

»Charlotte? … weißt Du nicht, wer Charlotte ist?«

Auch er fand diese Unwissenheit sehr komisch und lachte mit seiner kleinen Schwester um die Wette; und dann liefen Beide davon, um sich einander zu haschen. Das Mädchen fiel bei diesem Spiel am Fuße der Gruppe über eine der Cypressenwurzeln – sie schrie auf, aber da Signor Frederico keine Notiz von ihrem Unfall nahm, hob sie den Kopf vom Boden auf und begnügte sich, statt weiter zu weinen, mit einem vorwurfsvollen Blick auf den Maler. Der Knabe setzte sich neben sie und zog ihren Kopf auf seinen Schooß.

»Wenn Ihr gerade so, wie Ihr jetzt seid, eine Weile still sitzen wollt, Ihr beiden Wildfänge, so werde ich Euch auf mein Bild malen«, sagte Signor Frederico.

Sie saßen eine Weile still; plötzlich sprangen Beide auf und kamen herbeigelaufen, um zu sehen, wie sie sich auf dem Bilde ausnähmen.

»Was wollt Ihr hier, Ihr kleinen Bösewichter … so geht's nicht! Wollt Ihr an Euern Platz zurück!«

»Charlotte, Charlotte!« rief der Knabe in diesem Augenblicke aus … »wir werden gemalt … sieh' einmal, welche Kleckse der fremde Mann aus uns macht; Hedwig ist ein weißer Klecks, und der blaue, das bin ich.«

Er lief einer jungen Dame entgegen, die jetzt aus der Allee den Rasenabhang herniederkam.

»Wo treibt Ihr kleinen Vagabunden Euch umher?« sagte sie – und dem Maler sich nähernd, fügte sie hinzu: »Ich hoffe, Sie entschuldigen die Zudringlichkeit der Kinder; ich komme, Sie von ihnen zu befreien.«

Der Maler blickte auf, und während er seinen Hut lüftete, sah er in ein auffallend hübsches Gesicht, das ihn freundlich anschaute. Die Form desselben war mehr rund als oval; das Haar war dunkel, zwei vollkommen schön gezeichnete Brauen wölbten sich über dunklen, mit langen seidenen Wimpern versehenen Augen; die Nase war feingebogen und die Hautfarbe von einem matten und doch klaren Ton.

Sie war sehr einfach in ein bis zum Halse geschlossenes Kleid von dunkelblauem Stoff gekleidet und ohne andern Schmuck, als eine dünne Goldkette, die ein blauemailliertes Medaillon trug.

»Ich habe die Kinder auf meine Skizze bringen wollen, aber sie sind mir davon gelaufen«, sagte der Maler. »Doch stören sie mich durchaus nicht. Sie sehen übrigens, von Ihrer gütigen Erlaubniß, in Ihre Villa dringen zu dürfen, habe ich sofort Gebrauch gemacht – ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.«

»O nicht mir haben Sie dafür zu danken«, versetzte das junge Mädchen, »ich bin nur die Gouvernante der Frau Gräfin Brechtal, welche sich hier eingemiethet hat – aber auch diese würde einen Dank ablehnen – es versteht sich ja von selbst, daß eine Villa den Fremden offen bleibt; es würde sehr wenig human sein, sie zu verschließen, und nun gar einem studierenden Künstler!«

»Nun ja, wenn ich besonders um die Erlaubniß angehalten hätte«, entgegnete Signor Frederico, »würde sie wohl nicht versagt worden sein; allein die Frau Gräfin ist in ihrer Gnade so weit gegangen, mir mit der Erlaubniß zuvorzukommen, bevor ich mich noch darum beworben …«

»Die Gräfin ist sehr gütig und nimmt Theil an allen Künstlern und besonders an allen Landsleuten, die darunter sind. Sie hat bereits mehrere Arbeiten von jungen Künstlern gekauft, während wir in Rom waren, im Frühjahr, und viele Ateliers besucht. Dürfte sie voraussetzen, daß ihr Besuch Ihnen willkommen wäre …«

»Es ist das allerdings vorauszusetzen!« erwiederte der Maler mit einem forschenden Aufblick zu dem jungen Mädchen, welcher dieses plötzlich erröthen ließ.

Er arbeitete fleißig weiter, ohne sich durch das Zusehen der Dame stören zu lassen.

»Belästigt es Sie, daß ich zusehe, wie unter Ihren Händen so rasch die Baumgruppe entsteht?«

»Nicht im Mindesten«, sagte Frederico.

Er fuhr fort, die schwarzgrünen alten Bäume zu fixieren und einen dunklen Farbenton neben den andern zu setzen – die lebendige Gruppe den Bäumen gegenüber, der bärtige Mann unter dem breiten Schirm, das hübsche und zierliche junge Mädchen, das ihm zur Seite stand, den Kopf halb unter den Rand dieses großen Schirms gebeugt, um zuzusehen, und die beiden Kinder, die sich an ihre »Charlotte« schmiegten, wären ein viel interessanterer Gegenstand für ein Bild gewesen, als die düsteren Cypressen, welche die Ehre genossen, gemalt zu werden. Und doch schien das Bild dieser Bäume, welches unter den Händen des Malers so rasch entstand, das junge Mädchen eigenthümlich zu fesseln. Sie blieb immer noch stehen und sagte nach einer Pause:

»Wir sind doch Landsleute, denk' ich? Selim wenigstens, der uns erzählte, daß er Ihre Bekanntschaft gemacht, behauptet es.«

»Ich weiß nicht«, versetzte der Maler, »ob Sie mich ganz als einen Landsmann anerkennen werden; ich bin seit je ein Weltbürger gewesen; ich habe allerdings eine Muttersprache, und das ist, wie Sie bemerken werden, das viel weniger schön und wohllautend als treuherzig klingende niederösterreichische Deutsch; aber ein Vaterland hab' ich nicht!«

»Das heißt, Sie haben daheim keine Angehörigen mehr und haben das Land, wo man Ihre und unsere Muttersprache redet, schon lange verlassen?«

»So ist es! Meine Heimat ist die Kunst; ich bin in ihr aufgewachsen.«

»Hier in Italien?«

»Beinahe ganz in Italien! Meine ersten Studien knüpfen sich an die Akademie in Venedig.«

»Man lebt gewiß sehr glücklich in einem so schönen Heimatlande, wie es die Kunst ist?« fragte Charlotte.

»Das Beste ist, daß man darin wenig bedarf. Die Bewohner desselben sind genügsame Leute. Wäre das nicht, so würden sie doch zuweilen sehr unglücklich sein; denn das Land ist, wie alle Bergländer, arm.«

»Sie sind doch damit zufrieden, weil Sie es ein – Bergland nennen. Bergländer sind immer schön!«

»Ein Bergland, ja – es liegt hoch –«

»Ueber dem Niveau des gemeinen Lebens!«

»Die Künstler glauben es wenigstens so in ihren stolzen Träumen; jedenfalls hat es reine Luft, und man kann sich auf seinen Hochpunkten sogar einbilden, man wäre dem Himmel ein wenig näher als andere Menschenkinder. Aber mitunter ist es kalt und unwirthlich da oben und man blickt mit einigem Neid in die versteckten gemütlichen Thäler voll Wärme und Behagen hinab, wo sich diese anderen Menschenkinder angesiedelt haben und heiterer sind als Unsereins!«

»Und sind Ihnen diese Thäler unerreichbar?«

»So ziemlich!«

»Weßhalb?«

»Weil«, antwortete der Maler lächelnd, »weil, wenn man drin wohnen will, man sich darin ankaufen muß – mit schnödem Geld, und das ist nicht das Ding, welches bei Künstlern und Weltbürgern vorzugsweise zu finden!«

Das junge Mädchen schwieg.

»Dürfen wir also kommen, Ihr Atelier zu sehen?« sagte sie nach einer Weile.

»Sie werden sehr willkommen sein!« entgegnete der Maler. »Aber ich kann Ihnen fast nur Skizzen zeigen. – Ich habe mir für die heißen Sommermonate ein paar Räume in der Villa Piccolomini gemiethet, und wenn die Damen die Gnade haben wollen, mir durch Selim ihren Besuch anzukündigen, werde ich daheim sein, um Ihnen die Honneurs bei der Besichtigung meiner Studien zu machen.«

»Ich will es der Frau Gräfin sagen; sie sowohl wie ich pfuschen ein wenig in Ihre Kunst, wir treiben Aquarellmalerei … und so werden Sie uns vielleicht einigermaßen fähig finden, Ihr berühmtes Talent zu erkennen und zu würdigen.«

»Mein berühmtes Talent?« fiel der Maler ein wenig überrascht ein … »wer in der Welt kann es genannt haben?«

»O, wir wissen es recht wohl«, entgegnete das junge Mädchen lächelnd – »habe ich Ihnen nicht gesagt, daß die Gräfin die Kunst liebt und mit Künstlern verkehrt hat?«

»Mit Künstlern in Rom?«

»Auch mit solchen in Rom!«

»Und die sollten mein Talent berühmt genannt haben?«

»Und groß, namentlich durch das, was sie geniale Pinselführung und hervorragenden Farbensinn nennen!«

»Nun, wahrhaftig«, antwortete der Maler, »das überrascht mich außerordentlich – es ist sehr selten, bei seinen guten Freunden eine solche Anerkennung zu finden!«

»Dann muß sie desto erfreuender sein«, sagte das junge Mädchen. »Aber jetzt kommt, Ihr Kleinen«, – fuhr sie zu den Kindern sich wendend fort, – »wir dürfen nicht länger lästig werden.«

Sie neigte zum Abschiedsgruße freundlich das Haupt und ging, an jeder Hand eines der Kinder, den Hang der Allee zu empor. Der Maler blickte mit einer gewissen Ueberraschung in seinen Zügen der feinen, elastisch dahin schreitenden Gestalt nach.

»Seltsam!« sagte er dann halblaut … »aber sie ist hübsch, diese Gouvernante Charlotte, die in Aquarell malt!«



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