Paul Schreckenbach
Die von Wintzingerode
Paul Schreckenbach

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XXII. Kapitel.

In den nächsten Wochen ging es auf dem Bodenstein zu wie in einem Bienenhause. Boten kamen und ritten wieder fort, größere und kleinere Geschütze wurden auf die Burg gebracht, Proviantfuhren und Pferdetransporte trafen ein, und hin und wieder meldete sich schon einer der verwetterten Kriegsgesellen, die Conrad Schmid im Auftrage des Herrn Barthold in Thüringen und Franken geworben hatte. Die Bauern des ganzen Gerichts und alle, die dem Ritter lehnspflichtig und Untertan waren, mußten Hand- und Spanndienste leisten, denn alle Wälle, Mauern und Gräben der Burg wurden nachgesehen und jede schadhafte Stelle sorgsam ausgebessert. Das war so recht ein Leben nach Herrn Bartholds Sinne, dieses tatkräftige Anordnen und Befehlen von früh bis zum Abend; er kam außer den Mahlzeiten keinen Augenblick zur Ruhe und sank abends oft todmüde auf sein Lager. Sehr entbehrte er dabei freilich die Hilfe seines Sohnes, denn Klaus war noch immer auf dem Scharfenstein. Seine Wunde hatte sich zwar geschlossen, und er war bereits imstande, sich zu erheben. Aber jeder Spaziergang im Zimmer ermüdete ihn noch derartig, daß Herr Barthold seine Anwesenheit auf dem Bodenstein noch nicht wünschte. Das aufregende und anstrengende Leben, meinte er, müsse für einen nur Halbgesunden Gift sein, und daß der pflichteifrige Klaus sich nicht schonen würde, wußte er nur zu gut. Darum trug er die Last lieber allein und trug sie freudig und ungebeugt. Trotz der schweren Gefahr, die über seinem Haupte schwebte, war er fast immer froh und guten Mutes, denn der Kampf war ihm das Liebste in der Welt, und schon die Vorbereitung darauf ließ ihn neu aufleben.

Einen großen Anteil an der gehobenen Stimmung seines Gemütes hatte auch der gute Fortgang seiner Sache in Heiligenstadt. Die Bürger waren von jeher ein unruhiges Geschlecht gewesen, die Geschichte der Stadt war reich an Fehden und Krawallen, schneller als an anderen Orten pflegte man hier zum Schwerte zu greifen. Es lebte in den Heiligenstädtern noch etwas von dem trotzigen Sinne ihrer Vorfahren, der alten Sachsen, denen nichts schlimmer deuchte, als Zwang und Gewalt leiden zu müssen. Barthold konnte sicher darauf rechnen, daß sich unter einer solchen Bevölkerung mancher finden müsse, der es wagen würde, mit ihm gemeinsame Sache zu machen.

Aber seine kühnsten Hoffnungen wurden noch übertroffen. Kurt Fiedeler, sein Vertrauter, kam Ende Februar auf den Bodenstein und legte ihm eine Liste derer vor, die bereit waren, um des Evangeliums willen sich mit dem Ritter in ein Bündnis zu begeben. Es waren ihrer zwar nicht allzu viel – Fiedeler war sehr vorsichtig zu Werke gegangen –, aber es waren durchweg angesehene Leute, auf die man zählen konnte. Sogar Mitglieder und Häupter mehrerer Rats- und Patrizierfamilien waren darunter, ein Strecker, ein Maul, je zwei Frohne und Kastorp. Am wertvollsten aber erschien die Teilnahme der hochansehnlichen Familie Listemann, denn die besaß ein Haus dicht an der Stadtmauer unweit des Bergtores, durch das man, wenn die Eigentümer im Einverständnis waren, zur Nachtzeit wohl in die Stadt eindringen konnte. Überwältigte man dann die Wachen und schlug das Bergtor auf, so konnte man das Martinsstift leicht überrumpeln, es lag ja nur wenige hundert Schritte davon. Dort aber mußte der Erzbischof jedenfalls wohnen. So eng die Gelasse des Stifts zum großen Teil auch waren, so gab es doch in der ganzen Stadt kein anderes Haus, das einen Reichsfürsten zur Not hätte beherbergen können.

Es war kein Zweifel – der tollkühne Gedanke des Ritters ließ sich verwirklichen. Nur Glück mußte man haben, und der Anschlag gelang. Aber das gehört ja schließlich zu jedem kriegerischen Unternehmen.

Während Fiedeler auf der Ofenbank sitzend von seinen Bemühungen und Erfolgen erzählte, rannte Barthold mit schnellen Schritten in dem Gemach auf und nieder. Das Herz hämmerte ihm in der Brust, er konnte kaum seine Erregung etwas unterdrücken. Die Aussicht, den bittergehaßten, mächtigen Feind in seine Gewalt zu bekommen und damit die gefährliche Fehde kurzerhand zu beendigen, wirkte berauschend auf ihn.

Als der Heiligenstädter seinen Bericht beendet hatte, blieb Barthold neben ihm stehen und faßte ihn mit so eisernem Druck am Arme, daß er einen Schrei nicht zu unterdrücken vermochte.

»Kurt Fiedeler!« rief der Ritter. »Das hast du gut gemacht! Weiß Gott, wenn der Schlag gelingt, soll's dein Schade nicht sein! Ha, wenn ich mir denke, der hochmütige Pfaffe hält als Gefangener seinen Einzug auf dem Bodenstein, wo er als Herr und Sieger einreiten wollte! Will's der Himmel, so fang' ich den Hohnsteiner gleich mit! Die sollen mir aber blechen, daß ihnen die Augen übergehn und sie ihr Lebtag nicht wieder an eine Fehde denken!«

»Schade, daß es noch nicht so weit ist, Herr!« sagte Fiedeler. »Kommt's aber dahin, und kriegt Ihr den Bunthe mit zu fassen, so erlaubt mir, daß ich den scheinheiligen Schuft mit den Ohren an den nächsten Baum nagele!«

»Wir wollen sehen, was sich tun läßt«, versetzte Barthold lachend. »Zunächst aber gilt es, weitere Vorkehrungen zu treffen. Nach Heiligenstadt komme ich noch nicht, die Männer sollen erst alle in meine Hand den Treueid abgelegt haben. Darum fordere sie auf, am – sagen wir am nächsten Montag, also heute über acht Tage, nach Reinholterode zu kommen. Dort habe ich einen Hof von denen von Uslar gekauft und einen treuen Mann zum Vogt eingesetzt. Abends acht Uhr werde ich eintreffen.«

»Kommt lieber am hellen, lichten Tage, Herr«, entgegnete Fiedeler. »Am besten zu Mittag. Wenn am Nachmittag oder gegen Abend die Männer zu den verschiedenen Toren wieder in die Stadt zurückkehren, so kann schwerlich jemand Verdacht schöpfen. Dagegen die nächtliche Abwesenheit so vieler Bürger wird leichter bemerkt und könnte da oder dort durch das Hausgesinde besprochen werden.«

»Da hast du recht«, gab Barthold nach einigem Besinnen zu. »Also gut, mittag zwölf Uhr. Sie sind alle meine Tischgäste.«

Am folgenden Morgen in aller Frühe wollte Fiedeler den Bodenstein wieder verlassen. Sein Leiterwagen mit den beiden schweren Gäulen stand schon angeschirrt im Hofe der Vorderburg. Er hatte eine Fuhre Korn hergebracht und kehrte nun mit den leeren Säcken heim. Daß er noch andere Geschäfte auf dem Schlosse besorgt hatte, konnte ihm kein Mensch ansehen, und es war dringend nötig, daß niemand in Heiligenstadt irgendwelchen Verdacht auf ihn warf. Selbst von des Ritters eigenen Leuten brauchte keiner zu ahnen, daß er der heimliche Vertraute ihres Herrn geworden war.

Darum grüßte er Herrn Barthold, der eben von der Hauptburg her in den Hof trat, nur ehrerbietig aus der Ferne und trieb dann seine Pferde durch Peitschenknall und lauten Zuruf zum Ziehen an. Aber er kam nicht weit, er mußte vor dem Tore halten. Denn die schmale Brücke, die ins Freie führte, stand gedrängt voll Menschen. Die Bauern, die zur Arbeit gekommen waren, und die Knechte der Burg hatten sich durcheinander schwatzend und schreiend dort aufgestellt und blickten angelegentlich nach etwas hin, was man von innen nicht sehen konnte.

»Was zum Henker ist denn hier los? Was gibt's da zu gaffen?« fragte der Ritter im Näherschreiten.

Der alte Jacob trat mit zornrotem Gesicht auf ihn zu. »Es hat sich einer erfrecht, hier etwas anzuschreiben.«

»Ei, laß sehen!« rief Barthold und trat auf die Brücke. Da war an einem der steinernen Pfeiler eine roh aus Holz geschnitzte Tafel mit einem Nagel befestigt, auf die eine ungeübte Hand mit Rötel die Worte geschrieben hatte:

»Hüt' dich, Bluthund vom Bodenstein, Die Rache Gottes bricht herein.«

Darunter standen drei Kreuze und das Bild eines Dolchmessers.

Herr Barthold entzifferte die Schrift und lachte laut. »Kindisch!« sagte er. »Reiß das Ding ab, Jacob, und wirf's in den Graben. Geht ruhig an Eure Arbeit, Leute. Das ist Unfug und hat nichts zu bedeuten.«

Aber der Ritter hatte sich getäuscht. Ein Feind, der tückisch aus dem Hinterhalt kämpfte, hatte sich damit angemeldet.

In der nächsten Nacht brannte die Mühle in Tastungen nieder, die Herrn Bartholds Eigentum war. Zwei Nächte später ging eine große Scheune des Gutes Kalt-Ohmfeld in Flammen auf. Mit größter Mühe wurden die übrigen Gebäude gerettet.

Der Ritter tobte und wütete und stellte alle möglichen Untersuchungen und Nachforschungen an, aber keine hatte ein Ergebnis. Er ließ in allen seinen Dörfern eine Belohnung von fünfzig Gulden ausklingeln für den, der ihm den Täter namhaft mache. Auch das war vergeblich. Der geheimnisvolle Feind ließ sich nicht einmal schrecken durch solche Maßregeln, denn in der Nacht, die diesem Tage folgte, heulte wieder die Sturmglocke von Tastungen, und vier Höfe, die dem Ritter gehörten, sanken in Asche.

Eine ungeheure Aufregung ergriff nun das ganze Gericht Bodenstein. Die Leute wagten kaum noch sich zur Ruhe niederzulegen, aus Angst, es möchte ihnen im Schlafe das Haus über dem Kopfe angezündet werden. Der Bauer fürchtet ja ohnehin kaum ein anderes Unglück so sehr wie eine Feuersbrunst.

Die Aufregung stieg noch, als man erfuhr, daß wieder eine Tafel mit einer Drohung gegen Herrn Barthold angeschlagen war. Diesmal hatte sich der Missetäter nicht bis ans Tor gewagt, sondern sein Geschreibsel an einem nahen Baume angebracht. Dort war zu lesen:

»Wintzingerod, der rote Hahn Wird bald auf deinem Dache stahn.«

Herr Barthold lachte nicht mehr, als er das las, sondern stieß einen schweren Fluch aus und schwur mit zum Himmel aufgereckter Hand, er werde den Hund rädern lassen, wenn er ihn erst habe. Er hatte eigentlich ins Dorf hinabreiten wollen, aber er kehrte auf der Stelle um und begab sich wieder in sein Gemach. Dort setzte er sich mit gefurchter Stirn in seinen Sorgenstuhl und brütete finster vor sich hin. Wer war der Feind, der aus dem Dunkel der Nacht die Krallen gegen ihn ausstreckte? Gewiß steckten die vermaledeiten Pfaffen dahinter. Aber wie sollte er die Mordbrenner finden und fassen?

Während er noch so in düsteren Gedanken da saß, öffnete sich die Tür, und Jacob Holstein trat in das Zimmer. Er stellte sich vor seinen Herrn hin und hub mit der Feierlichkeit, die er in ernsten Augenblicken gern an den Tag legte, zu reden an:

»Erlaubt, Gestrenger, daß ich, Euer alter und getreuer Knecht, etwas sage.«

»So sprich!« fuhr ihn Barthold an. »Aber ohne alles Gesalbe und Gefasel, das bitt' ich mir aus!«

Der Alte zog einen kleinen Gegenstand aus der Tasche, der in ein Tüchlein gewickelt war. Es war ein Feuerstahl in einer Form, die in der dortigen Gegend unbekannt war.

»Das Ding ist zehn Schritte von der Brandstätte in Tastungen gefunden worden«, sagte er triumphierend. »Hierzulande hat niemand solch ein Ding. Wenn der Gestrenge befehlen wollte, daß die Leute zusammenkommen und sich das Ding besehn, so weiß vielleicht einer, wem's gehört. So was merkt man sich, wenn man's bei einem sieht. Es ist ein seltenes Stück.«

Herr Barthold beschaute den Stahl von allen Seiten. »Wer gab dir das Ding?« fragte er.

»Ich hab' es selbst gefunden, denn ich trat zufällig darauf«, erwiderte der alte Knecht.

Der Ritter strich sich nachdenklich den Bart. »Nun, den Versuch kann man schon machen«, brummte er. »Viel verspreche ich mir nicht davon, aber vielleicht leitet es doch auf eine Spur. Zeige den Stahl zunächst allen unseren Leuten –«

»Das Hab' ich schon getan, es kennt ihn keiner«, unterbrach ihn Jacob.

»Dann reite hinunter mit Matthias und Lips oder Blasius und sage dem Heimbürgen Wendel, er solle Schlag neun die Bauern unter der Linde versammeln«, gebot Barthold. »Wir wollen in allen Dörfern ringsum den Stahl zeigen, ob etwa einer weiß, wem er gehört. Ich komme um neun selbst ins Dorf. Also mache dich fort. Hier hast du einen Gulden für das Ding. Er wird sich verhundertfachen, wenn wir den Schuft dadurch etwa fangen.«

Jacob Holstein brachte einige Dankesworte hervor und rannte dann, so schnell ihn seine Beine trugen, nach den Pferdeställen. Er befand sich in der größten Aufregung. »Lips und Blasius!« schrie er, »Ihr reitet mit mir sogleich ins Dorf hinunter. Der Herr will den Bauern den Stahl zeigen, den ich gefunden habe. Der Herr meint, der werde sicher auf die Spur der Halunken helfen. Da seht Ihr wieder. Ihr Ölgötzen, was für ein Mann ich bin! Meine alten Augen sehen zehnmal mehr als Eure jungen. Ihr findet niemals nichts, weil Ihr Schlafmützen und Maulwürfe seid!«

Einige Minuten später sprengte er den Schloßberg hinab, durchdrungen von dem Bewußtsein seiner ungeheuern Wichtigkeit. Den einen Arm hatte er in die Seite gestemmt, die Lippen fest zusammengekniffen und den Kopf stolz in den Nacken zurückgeworfen. Dazu bemühte er sich, aus seinen kleinen gutmütigen Äuglein nach allen Seiten Blitze zu schießen. Diese Haltung pflegte Herr Barthold anzunehmen, wenn er sehr gereizt und zornig war, und sie genoß Jacob Holsteins Bewunderung so sehr, daß er sie häufig nachahmte. Von fern, meinte er dann, könne ihn der oder jener wohl für den gestrengen Ritter selbst halten. –

Schlag neun Uhr kam Herr Barthold mit einem stattlichen Reitergeschwader die Dorfstraße heruntergeritten und lenkte sein Roß nach dem kleinen Platze, den sechs riesige, jetzt freilich kahle Linden umstanden. Dort war die ganze Gemeinde versammelt, vorn waren die Männer aufgestellt, die alten in der ersten Reihe, die jungen hinter ihnen. Die Mehrzahl der Weiber hatte es sich nicht nehmen lassen, gleichfalls zu erscheinen, und die liebe Dorfjugend war natürlich vollzählig zur Stelle und balgte sich außerhalb des Kreises herum, bis sie bei des Ritters Herannahen ein donnernder Zuruf des strengen Erbrichters und Heimbürgen Wendel zur Ruhe brachte.

Der Ritter drängte sein Pferd dicht an die vorderste Reihe heran und hob den Feuerstahl hoch empor, so daß er in der Sonne funkelte. »Ihr Männer!« rief er dann laut. »Dieses Ding ist von meinem Knechte Jacob Holstein auf der Brandstätte von Tastungen gefunden. Es ist ein Zündstahl. Möglich, daß damit das Feuer entfacht worden ist. Denn wer kein Feuer anbrennen will, bewahrt seinen Stahl und Zunder im Hause auf und trägt ihn nicht bei sich in der Tasche. Das Ding sieht fremdländisch aus, auf dem Eichsfelde habe ich solch einen Stahl noch niemals gesehen. Ich lasse ihn jetzt von Hand zu Hand gehen, vielleicht weiß jemand von Euch, wem er gehört. Wer etwas weiß, der soll's sagen ohne alle Scheu!«

Damit legte er den Stahl in die Hand des Schöffen Curt Grubing, der ihm am nächsten stand. Aber kopfschüttelnd gab ihn der Alte weiter, er kannte ihn nicht.

So wanderte das glänzende Ding von einer Hand zur andern durch den ganzen Haufen und sollte schon aus der letzten Reihe wieder nach vorn gegeben werden, als plötzlich eine Dirne laut aufkreischte. »Ach Gott, ach Gott, das Ding kenne ich!« schrie sie. »Ich weiß, wem's gehört.«

Es war Bertha, die halbwüchsige Tochter des Gemeindeschäfers, der eben auch herbeigekommen war und, weil er sich verspätet hatte, hinten unter den Weibern stehen geblieben war.

»So sprich, Mädchen!« rief Herr Barthold, und aller Augen wandten sich nach der Dirne, die blutrot vor Verlegenheit die Schürze vors Antlitz schlug und schwieg.

»Sprich nur, du brauchst dich nicht zu fürchten, ich befehle dir's!« rief der Ritter ungeduldig.

»Ach Vater, sagt Ihr's«, raunte das Mädchen dem hageren, verwitterten Manne zu, der neben sie getreten war.

»Das will ich«, sagte der Schäfer gelassen. »Zeig her das Ding.«

Er nahm den Stahl in die Hand, blickte ihn bedächtig prüfend an und schritt dann langsam durch den Haufen, der ihm willig Platz machte, auf Herrn Barthold zu. »Den Stahl, Herr«, begann er nachdrücklich, »hat meine Tochter vorigen Herbst beim Grummetmähen vor der Hahle gefunden. Ich habe ihn dann lange gebraucht, denn er ist ein sehr guter Stahl, und meiner war alt und abgenutzt. Da tritt einmal mein Nachbar, der Förster Geilhaus, in die Stube, wie ich gerade Feuer anmachen will. »Wo hast du meinen Stahl her?« fährt er mich an. »Den hat meine Tochter gefunden«, sag' ich. »Er gehört mir, gib ihn her!« schreit er und reißt mir das Ding aus der Hand, und fort war er. Dem Geilhaus ist er also, keinem andern.«

Herrn Barthold durchzuckte es wie ein Blitz. Ja, das war eine Spur, eine sehr deutliche sogar. Geilhaus war sein Todfeind, der ihm Rache geschworen hatte, er konnte sehr wohl auf diese Weise seinen glühenden Haß befriedigen wollen, da er ihm persönlich nicht ans Leben konnte. Nicht die Pfaffen in Heiligenstadt hatten die Brände anzünden lassen, sondern der verwilderte Mensch, der in seiner wahnwitzigen Rachsucht zu jeder Tat fähig sein mochte.

»Ist Arnold Geilhaus hier?« fragte der Ritter mit lauter Stimme.

»Er ist nicht hier!« klang es zurück. – »Er ist in seinem Hause!« rief gellend eine alte Frau. »Ich habe ihn vorhin erst gesehen.«

»So reitet hinüber, Jacob mit Lips und Blasius, und bringt den Kerl hierher!« befahl Herr Barthold.

Mit grimmiger Freude spornte der Alte sein Roß und ritt die Dorfstraße weiter hinab dem einzelnen Hause zu, das jenseits der Hahle stand. Daß es diesem Kerl endlich an den Kragen gehen sollte, war ihm ein wahres Vergnügen, denn nach seiner Meinung hatte der Wildschütz und Aufruhrprediger schon hundertmal den Tod durch Galgen oder Rad verdient.

Nach einigen Minuten kam er mit wütender Miene zurückgesprengt. »Der Hund weigert sich, sagt, er brauche Euch nicht zu gehorchen, er stehe auf Herrn Hansens Grund und Boden!«

»Zum Henker, was geht's dich an, was der Lump sagt! Warum bringst du ihn nicht?« schrie der Ritter.

»Er hat sich eingeschlossen, droht jeden niederzuschießen, der sich dem Hause nähert«, antwortete Jacob, und an Herrn Barthold heranreitend, flüsterte er: »Es liegen zwei Handrohre neben ihm, Herr, hütet Euch, reitet nicht zu nahe heran!«

»Alter Esel!« versetzte der Ritter. »Meinst du, daß ich mich vor einem Knechte meiner Vettern fürchte?« Er wandte sich um. »Macht eure Handrohre fertig!« gebot er den Büchsenknechten. »Und nun auf! Wir wollen den Dachs aus seinem Bau treiben.«

Er setzte sein Roß in Bewegung, und seine Knechte ritten hinter ihm her. Die ganze Menschenmenge, die auf dem Dorfanger gestanden hatte, wälzte sich mit die Straße hinab über die enge steinerne Brücke, die über den kleinen Hahlefluß führte.

Der Ritter machte etwa vierzig Schritte vor dem Hause Halt. Das schwarze, struppige Haupt des Försters blickte zum Fenster heraus. Er stierte den Ritter giftig an und schlug mit einem Mal ein scharfes, höhnisches Gelächter auf, so daß alle, selbst Herr Barthold, sich entsetzten.

»Reitet den Kerl der Teufel?« murmelte er vor sich hin, laut aber rief er: »Arnold Geilhaus, du bist dringend verdächtig, zu mehreren Malen Feuer an mein Eigentum gelegt zu haben. Komm heraus und verantworte dich vor mir!«

Geilhaus antwortete wieder mit einem brüllenden Hohngelächter und fletschte die Zähne wie ein Besessener. »Pack dich fort, Wintzingerode!« schrie er. »Landfriedensbrecher! Was hast du auf fremdem Gebiet zu suchen?«

»Ich zähle bis zwölf«, sagte Herr Barthold mit starrer Ruhe. »Bist du dann noch nicht heraus, so lasse ich dich ausräuchern.«

Das helle Kreischen einer Frauenstimme drang nach diesen Worten aus dem Hause heraus. »Verdammt!« knirschte der Ritter. »Er hat das Weib darin. Sorgt, daß sie ins Freie getragen wird, wenn wir brennen müssen.«

Er hob an zu zählen. »Eins, zwei, drei –«

»Hund!« brüllte Geilhaus. »Wenn ich dran glauben muß, sollst du's auch!« und er griff nach seiner Feuerwaffe.

Aber Herr Barthold war schneller. Er riß einem Knecht an seiner Seite das Feuerrohr aus der Hand – ein Blitz – ein Knall, und mit einem heiseren Laute brach Geilhaus zusammen.

Einige Augenblicke war es totenstill in der Runde. Nur von drinnen drang ein dumpfes Ächzen und das durchdringende Geschrei der Frau heraus.

»Tretet die Tür ein und seht, wie's mit dem Kerl steht!« gebot der Ritter. »Will und kann er noch beichten, so holt den Pfarrer.« Dann reckte er sich hoch in den Bügeln empor und rief: »Ihr alle seid des Zeuge, was hier geschehen ist!« wandte sein Roß und ritt nach dem Bodenstein. –

Am Abend trat der Pfarrer bei ihm ein. »Ich komme von Geilhaus, er ist vor einer Stunde verstorben«, begann er.

»Das ist das Beste, was ihm geschehen konnte«, versetzte Herr Barthold kurz. »Kam er wieder auf, so verfiel er dem Rade.«

Der Pfarrer neigte bejahend das Haupt. »Auch mir ist es unzweifelhaft, daß er der Täter war. Eure Knechte haben noch allerlei gefunden im Hause, Zunder und Schwefelfaden die Menge. Aber schlimmer als alles zeugt gegen ihn das hier.«

Er warf ein Jagdmesser, das in seiner Lederscheide steckte, auf den Tisch. »Das hat man bei dem Toten gefunden. Es war das einzige Stück, das Junker Klaus vermißte, als er wieder zu sich kam auf dem Scharfenstein. Ihr habt es ihm geschenkt, als er zwanzig Jahre alt wurde.«

Herr Barthold starrte mit funkelnden Blicken das Messer an und ballte die Fäuste. »So war also Geilhaus der Mordbube! Und dieser Mensch durfte durch eines Edelmanns Hände sterben! An den Galgen noch mit seinem Leichnam!«

»Laßt ihn in Ruhe, er steht vor seinem Richter«, sagte der Pfarrer. »Es ist auch in anderer Hinsicht sehr zu beklagen, Herr, daß Ihr ihn selbst gerichtet habt.«

»Wie meint Ihr das?« fragte Barthold.

»Beklagenswert, daß er ohne Geständnis gestorben ist«, fuhr der Pfarrer fort. »Nun kann niemand seine Schuld mehr feststellen, so sicher wir auch daran glauben. Täuscht Euch nicht, Junker, seine Frau, seine Brüder und Verwandten werden Euch als einen Mörder ausschreien und werden eine Klage vor den Kurfürsten von Mainz bringen. Der wird sie mit Freuden annehmen und Euch vor sein Gericht laden.«

Herr Barthold lachte. »Guter Pfarrer«, sagte er, »wenn ich mich dem Gerichte meines teuern Freundes Daniel stellen wollte, da wäre ich auf jeden Fall verloren. Es könnte mir gleich sein, ob der Pfaffe mich unter dem oder einem anderen Vorwande köpfen läßt. Darum besorgt Euch nicht. Wie wär's vielmehr, wenn wir ein Kartenspiel begännen? Wollen den alten Hoven dazu herüberholen lassen. Keine Ausrede, Pfarrer, Ihr haltet mit! Hedwig mag uns eine Kanne roten Würzweines bringen. Dabei wollen wir wenigstens am Abend die übeln Händel des Tages vergessen.«


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