Paul Schreckenbach
Die von Wintzingerode
Paul Schreckenbach

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XI. Kapitel.

Die Nacht des zwölften Dezember hatte sich auf den Bodenstein hernieder gesenkt. Der ganze Himmel war mit einem dünnen weißen Wolkenschleier überzogen, so daß die Scheibe des Vollmonds nicht zu sehen war und nur ein fahles, mattes Dämmerlicht verbreitete. Das riesige graue Bergschloß lag in vollkommenem Schweigen, denn die Burgbewohner hatten längst ihre Lagerstätten aufgesucht. Nur in der engen Wachtstube neben der Zugbrücke saßen Junker Klaus und einige Knechte beim trüben Scheine des Kienspanes und vertrieben sich die Zeit mit einem Kartenspiel. In der Vorderburg hielt Jacob Holstein mit ein paar handfesten Kumpanen Wache und stampfte mißvergnügt und leise fluchend durch den Schnee auf und ab. Der mißtrauische Schmid aus Nordhausen hatte es durchgesetzt, daß auch dieser Teil der Burg bewacht wurde, und Herr Barthold hatte ihm den Willen getan, obwohl er über seinen Argwohn spottete.

Das große Gemach im Obergeschosse des Kornhauses, wo das geheimnisvolle Werk der Multiplikation vor sich gehen sollte, wurde durch eine einzige Wachskerze erhellt, die an der Wand befestigt war. Das Zimmer bot einen höchst abenteuerlichen Anblick dar. In der Mitte des mächtigen Tisches stand auf einem niedrigen Dreifuß ein Becken mit glühenden Holzkohlen, darüber auf einem anderen höheren Dreifuß eine große eiserne Pfanne. Dahinein entleerte soeben Meister Schmid aus Nordhausen den letzten der gewichtigen Lederbeutel, die er mit Herrn Barthold eigenhändig herübergetragen hatte, während der Pole die riesige Flasche mit der roten Tinktur zu den übrigen Gläsern und Büchsen und Phiolen auf den Tisch stellte. Er und sein Gehilfe waren in weite faltige Gewänder gekleidet, die ihnen ein wunderliches, phantastisches Aussehen verliehen.

Herr Barthold sah aufmerksam zu, wie das glänzende Metall zu dem übrigen in die Pfanne rollte. Schmid aber, der seine Augen überall hatte, bemerkte wohl, wie die beiden Fremden beim Aufeinanderklirren der Goldstücke einen raschen, funkelnden Blick austauschten, ja daß ein Ausdruck des Hohnes oder der Schadenfreude über das gemeine Gesicht des polnischen Knechtes hinfuhr. Sein Mißtrauen flammte in ihm von neuem jäh empor. Am liebsten hätte er den Ritter mit den beiden Kerlen gar nicht allein gelassen, denn es war ihm plötzlich zumute, als drohe ihm eine Gefahr. Aber mehr als drei Personen dürften nicht zugegen sein, hatte der Pole fest und bestimmt von Anfang an erklärt, eines vierten Menschen Gegenwart würde auf den Verlauf der Handlung störend einwirken. So mußte er sich denn zum Gehen entschließen. Es war wohl auch eine Torheit, zu wähnen, daß diese beiden windigen Burschen einem Manne wie Barthold etwas anhaben könnten. Der Ritter trug ein Wams aus Elenleder und an der Seite den breiten, scharf geschliffenen Hirschfänger. So bewehrt brauchte der Mann, dessen ungeheuere Körperkraft im ganzen Lande bekannt und gefürchtet war, wohl von zehn solcher armseligen Polacken nichts zu besorgen.

Aber trotz alledem – wachen wollte er, diesen Kerlen sollte auf die Finger gesehen werden, so wahr er Conrad Schmid hieß! Und während er Barthold die Hand zum Abschiede reichte und Gottes Segen zum Werke wünschte, kam ihm eine Erleuchtung. Was war das für ein Unsinn, die Ausgänge der Burg vorn bewachen zu lassen, während Barthold mit den beiden Goldmachern hier hinten ganz allein war! Hier mußte man Wachen aufpflanzen, das Kornhaus mußte umstellt werden, daß keine Maus ungesehen heraus und hinein gelangen konnte.

Von diesem Gedanken beflügelt, rannte er die Treppe hinab und ließ, unten angelangt, die schwere Tür krachend ins Schloß fallen. Spornstreichs lief er dann zu Junker Klaus und log ihm vor, Herr Barthold habe befohlen, Jacob Holstein und seine Leute statt in der Vorderburg in aller Stille beim Kornhause aufzustellen. Ohne diese Lüge, das wußte er, wäre Klaus niemals von einem ihm selbst erteilten Befehle seines Vaters abgewichen.

So führte denn Schmid drei bewaffnete Knechte vor die Tür des Kornhauses und befahl ihnen aufs strengste, auch nicht durch das geringste Geräusch ihre Anwesenheit zu verraten und keinen Menschen aus dem Hause heraus zu lassen außer Herrn Barthold selber. »Und wir, mein alter Jacob«, setzte er dann fiüsternd hinzu, »wir gehen vorn zum Tore hinaus, um die Außenmauer herum, und stellen uns unter die Fenster.«

»Seid Ihr des Teufels, Herr?« knurrte der Alte, der an den tiefen Schnee da draußen und an sein Zipperlein dachte. »Was sollen wir vor der Burg? Meint Ihr, die Kerle könnten zum Fenster hinaus springen?«

»Ich meine gar nichts, mein guter Jacob«, sagte Schmid leise und scharf. »Herr Barthold hat befohlen, und da gehorchen wir, nicht wahr?«

Da gab es nun freilich keine Widerrede. Brummend folgte der Alte dem Voranschreitenden, und die beiden verließen die Burg, schlichen sich vorsichtig tastend und fühlend an der Mauer hin und blieben endlich im Schatten des ersten mächtigen Strebepfeilers stehn, um der Dinge zu harren, die sich vielleicht ereignen könnten.

Droben in dem Gemache war es zunächst ganz still, als Meister Schmid gegangen war. Auf einen Wink seines Herrn stellte der Knecht drei kleine Gläser von geschliffenem Glase auf den Tisch, der Pole nahm aus einem Wandschrank eine Flasche und reichte sie Herrn Barthold hin.

»Kennt Ihr die Flasche, Junker?« fragte er.

»Versteht sich. Das ist von meinem ältesten, besten Ungarwein, ich habe sie Euch auf Eure Bitte selbst gegeben. Was soll sie hier?«

»Ihr seht«, sagte der Pole, »vor Euern Augen gieße ich diesen Wein aus der Flasche in die Gläser. Und nun merket auf: Es ist ein alter löblicher Brauch, daß wir uns weihen, bevor wir das Werk beginnen. Wir ergreifen die Gläser, ich lösche das Licht. Dann spricht ein jeder von uns: »Im Namen der heiligen göttlichen Trinität« und leert sein Glas bis auf den Grund. Dadurch schützen wir uns vor dem bösen Feinde und vor den Dämonen des Abgrundes, die uns umlauern und das Werk zerstören möchten. Von da an darf kein Wort mehr geredet werden, nicht von Euch und nicht von meinem Knechte. Ich allein spreche das große Gebet der Kabbala und gieße dabei die Tinktur auf das Gold. Ihr möget derweile auf dem Armstuhl Platz nehmen, der für Euch heraufgebracht ist, denn die Sache mag wohl über eine Stunde währen. Habt Ihr das alles wohl aufgefaßt, und seid Ihr bereit?«

»Ich bin bereit«, antwortete Barthold.

»So laßt uns die Gläser ergreifen!« sagte der Pole, wandte sich dann um und löschte das Licht. Es war fast dunkel in dem Gemache, nur durchs Fenster fiel ein matter Schimmer, weil eben der Mond hinter einer Wolke hervortrat, und das bläuliche Licht der Holzkohle warf seinen zuckenden Schein nicht über den Tisch hinaus.

»Im Namen der heiligen göttlichen Trinität«, sagte der Pole und ließ den Inhalt seines Glases, während er es scheinbar zum Munde führte, in die Falten seines weiten Gewandes rinnen. Sein Diener tat desgleichen, Herr Barthold dagegen stürzte den Wein mit einem einzigen mächtigen Schluck hinunter und ließ sich dann schweigend in seinen Lehnstuhl fallen.

Der Pole trat nun an den Tisch heran, und indem er mit singender, eintöniger Stimme Worte in fremder Sprache murmelte, goß er langsam Tropfen für Tropfen der roten Flüssigkeit über das Gold in der Eisenpfanne. Dann goß er aus einer Phiole ein paar Tropfen auf die Kohlen. Eine helle rote Flamme flackerte empor, um gleich wieder zu verlöschen, dann wallte ein weißer Dampf aus dem Becken auf, und ein schwerer, süßer Wohlgeruch verbreitete sich in dem ganzen Gemach.

Herrn Barthold wurde es mit jeder Minute wunderlicher zu Sinnen. Eine tiefe, gliederlösende Müdigkeit, deren er sich nicht zu erwehren vermochte, kam über ihn. Es war ihm, als höre er in der Ferne eine liebliche Musik, das wunderbare Klingen kam näher und näher, wie auf einer Wolke fühlte er sich emporgehoben, weit hinweg über die Welt dem Himmel entgegen. Die Augenlider fielen ihm zu, sein Haupt sank ihm schwer vornüber auf die Brust, und seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge taten kund, daß er entschlummert war.

Der polnische Diener schlich sich, während sein Herr weiter murmelte, leise zu Barthold hin und beugte sich horchend über ihn. »Teufel, er schläft schon!« frohlockte er mit gedämpfter Stimme. »Unser Mittel hat gewirkt.«

Der Pole stellte sogleich sein Beten ein. »Dann wird er so bald nicht wieder aufwachen. Das Opium, das er im Leibe hat, genügt, um ein Pferd zu betäuben. So viel muß man auf einen Deutschen von Adel rechnen. Nun schnell ans Werk, laß uns die Zeit benutzen!«

Er zündete ein Licht an, und dann fischten die beiden Gauner die Goldstücke sorgfältig aus der Pfanne, taten sie in lederne Beutel und nähten diese kunstvoll in zusammengelegte Tücher ein. Die selbstgefertigten Geldkatzen knüpften sie sich fest um den Leib und nähten sie sich gegenseitig an ihre Wämser an. Sie arbeiteten dabei ohne jede Hast, denn daß Herr Barthold nicht erwachte, dessen waren sie sicher, und von einer anderen Seite drohte keine Gefahr. Mit der größten Ruhe befestigten sie sodann ihre Strickleiter an dem mächtigen Eichenkloben, der die Tischplatte trug. Darauf hoben sie das Fenster aus, ließen die Strickleiter hinab und schickten sich an, den Weg anzutreten. Mit katzenartiger Behendigkeit schwang sich zuerst Caminsky hinaus und flüsterte seinem Gesellen zu: »Wenn ich unten bin, hörst du einen Eulenschrei. Dann klettre mir nach.«

Unterdessen hatte Meister Conrad Schmid mit steigendem Mißvergnügen auf der Lauer gestanden. Oben blieb alles ruhig, man hörte nichts, auch nicht einen Laut. Hatte nicht doch der immerfort leise vor sich hinbrummende und schimpfende Jacob recht, wenn er das Wachehalten hier außerhalb der Burg für eine sündhafte Dummheit erklärte? Wenn die beiden Goldmacher da droben Schwarzkünstler waren, die, wie einst der Doktor Faust, auf ihrem Mantel durch die Lüfte fahren konnten, so vermochte er ihnen das ja auch nicht zu wehren, sondern mußte zusehn, wie sie hohnlachend über seinem Haupte dahinsegelten. Was wollte er also hier?

Als nun vollends ein scharfer Sturm einsetzte, der ihm schneidend um die Ohren pfiff, da hatte er das Wachestehn satt und erklärte dem alten Jacob, sie täten wohl am besten, wenn sie in die Burg zurückkehrten. Aber der alte Knecht weigerte sich entschieden. »Wenn es auch zehnmal ein Unsinn ist, daß wir hier stehn müssen, so hat es doch der Junker befohlen, und was mir befohlen ist, das tue ich«, sagte er hartnäckig.

»Nun, so bleibe allein stehen, du Dickschädel!« knurrte Schmid und wandte sich, zu gehen. Aber nach wenigen Schritten hielt er an und fuhr herum. Ein seltsamer Schreckenslaut aus Jacob Holsteins Kehle war an sein Ohr gedrungen. Der Alte war in die Knie gesunken und starrte entsetzt mit aufgehobenen Händen an der Schloßmauer empor. »Alle guten Geister – alle guten Geister loben Gott den Herrn! Herrgott schütze uns – das ist der Teufel!« – stammelte er.

Was da zwischen Himmel und Erde schwebte, war in der Tat geeignet, ein abergläubisches Herz mit Grauen und Entsetzen zu erfüllen. In dem ungewissen Mondesschimmer sah es aus, als klettere eine riesige Teufelsgestalt mit langem Schwanze gerade an der Mauer empor. Einen Augenblick durchfuhr auch den Nordhäuser Kaufmann ein furchtbarer Schreck, aber nur einen Augenblick. Dann hatte er erkannt, was hier geschah.

Mit eiserner Hand packte er den zitternden Knecht und zog ihn zu sich hinter den Pfeiler. »Schweig!« raunte er ihm zu. »Das ist der Pole, er will entfliehen. Laß ihn herunterkommen, den Hund!«

Caminsky kletterte vorsichtig weiter und weiter herab, und als er auf den untersten Sprossen angelangt war, klang hell und scharf ein Schrei aus seinem Munde, der täuschend einem Eulenrufe glich. Sogleich tauchte oben im Fenster eine zweite schwarze Gestalt auf und schickte sich an, die Leiter zu besteigen, während unten der Pole auf die Erde sprang.

»Verfluchter Schuft!« brüllte Schmid und stürzte mit gezogenem Messer auf den Polen zu. Aber er glitt im Schnee aus und fiel dicht vor seinem Gegner auf die Erde. Sofort riß dieser seinen Dolch aus dem Gürtel und wollte sich auf den Liegenden stürzen. Da sprang Jacob Holstein hinzu und spaltete ihm mit einem wuchtigen Schwerthiebe den Schädel.

Der Knecht, der oben auf der Leiter stand, wandte sich gerade in dem Augenblicke um und sah hinunter, als sein Gefährte tot in den Schnee rollte. Bei dem unerwarteten, schrecklichen Anblick verließ ihn die Besinnung, es wurde ihm schwarz vor den Augen, er ließ den Strick los und stürzte mit einem gräßlichen Schrei in die Tiefe. Mit dumpfem Aufprall fiel er dicht neben seinem toten Genossen auf eine hervorstehende Felsplatte und lag sogleich regungslos da. Er hatte das Genick gebrochen.

Nun wurde es droben lebendig. Die vor dem Kornhaus aufgestellten Knechte liefen an den Rand der Mauer und fragten hinunter, was es gäbe.

»Lauft sofort hinein ins Haus und seht nach Herrn Barthold. Ihm muß ein Unglück geschehen sein, die Hunde haben ihn vielleicht erdrosselt!« schrie Schmid hinauf. »Du Jacob bleibst hier, ich schicke dir auf der Stelle andere her.« Damit machte er selbst sich auf den Weg und eilte, so rasch er konnte, an die Zugbrücke, um Junker Klaus von dem Geschehenen in Kenntnis zu setzen.

Der starrte ihm einen Augenblick fassungslos vor Schrecken ins Gesicht und rannte dann, ohne ein Wort zu sprechen, nach dem Kornhause. Atemlos keuchte Schmid hinter ihm her. Ja, man mußte eilen, vielleicht war Herr Barthold noch zu retten. Höchstwahrscheinlich hatten ihm die Schurken von hinten eine Schlinge über den Kopf geworfen oder sonst ein schändliches, hinterlistiges Bubenstück an ihm verübt, denn wie hätten sie sonst entfliehen können?

Aber als sie schlimmster Ahnung voll in das Gemach stürmten, fanden sie Herrn Barthold friedlich schlafend vor. Die Knechte standen um den Lehnstuhl herum und wußten nicht, was sie mit dem gestrengen Junker anfangen sollten. Denn er war nicht zu erwecken, weder durch Schreien und Rufen, noch durch das kräftigste Rütteln und Schütteln. Der Ritter schlief, und zwar so fest und tief, wie er auch beim stärksten Rausche noch nie geschlafen hatte.

»Gott sei Dank, er lebt!« schrie Klaus und sank vor Freude weinend vor dem Stuhle seines Vaters in die Knie.

»Er lebt und schläft,« bestätigte Schmid noch immer pustend und keuchend. »Ach, diese schlauen Schurken – sie haben ihm einen Schlaftrunk beigebracht! Wie die Kerle das wohl angefangen haben! Aber da wird nichts übrigbleiben, als ihn hinüber in sein Bett zu tragen. Gott gebe, daß er morgen gesund wieder erwacht.«

So hob man denn Herrn Barthold behutsam auf und trug ihn die enge Stiege hinab und ins Schloß hinüber. In der Burg war bald alles auf den Beinen; Frau Käthe, die ohnehin nicht geschlafen hatte in der bedeutungsvollen Nacht, kam als erste herbeigelaufen und war so erschüttert, als sie das Geschehene erfuhr, daß sie zunächst kein Wort hervorbringen konnte. Dann fanden sich auch die anderen ein, die Töchter, die Knechte und Mägde, und es war ein Leben und eine Bewegung im Schloß, wie oft am hellen Tage nicht.

Was sich nun eigentlich begeben hatte, blieb allen ein Rätsel. Von Herrn Barthold war nichts zu erfahren, denn er war durch nichts zu erwecken. Man konnte ihn nur auf sein Bett legen und warten, bis er aus seinem todesähnlichen Schlafe erwachen würde. Die beiden anderen aber, die das Geheimnis hätten aufdecken können, waren kalt und stumm, ihre Leichname wurden soeben von den Knechten in den Burghof getragen und auf den Fels niedergelegt, der dort nackt zutage trat. Schmid gab Klaus einen Wink und sagte: »Wir können hier nichts weiter tun, Junker, aber draußen wollen wir den toten Gaunern unser Geld wieder abnehmen.«

Mit Hülfe einiger Knechte wurden die Toten untersucht und ihnen die Geldkatzen abgenommen. Als dann Schmid drinnen auf dem Tische der großen Halle vor den Augen des Junkers die Tücher auftrennte, kamen alle die Geldsäckchen zum Vorschein, die man den Betrügern anvertraut hatte. Zur größten Überraschung der beiden fand sich außerdem noch ein größeres Paket, dessen lederne Umhüllung mit starken Seidenfäden kunstreich verschnürt war.

»Was mag denn das sein? Sollten die Kerle anderswo mit mehr Glück gearbeitet haben? Das Ding fühlt sich ja verdammt schwer an«, brummte Schmid vor sich hin, während er mit seinem Messer die Schnüre zerschnitt. Aber mit einem Schrei des Erstaunens fuhren beide Männer zurück, als der Inhalt des Pakets vor ihren Augen lag. Da glänzten ihnen eine ganze Menge goldner Kleinode entgegen, Ketten, Spangen, Ohrgehänge, Ringe, die zum Teil mit blitzenden Steinen besetzt waren.

Der Nordhäuser Kaufmann stand eine Weile wie erstarrt, den funkelnden Blick auf den unerwarteten Fund gerichtet. Dann wandte er sich mit einem vor Erregung bleichen Gesichte zu Klaus und stieß mit heiserer Stimme hervor: »Das ist ein Schatz, Junker, ich sage Euch, ein Schatz, der viele Tausend wert ist! Sind die Steine echt, so ist Herr Barthold der reichste Herr im Lande. Denn das alles ist sein.«

»Das weiß ich doch nicht«, sagte Klaus, der sich kaum von seinem Staunen erholen konnte, und schüttelte bedenklich das Haupt: »All dieser Schmuck ist ohne Zweifel gestohlen von den beiden, vielleicht ist ein großer Herr von ihnen ausgeplündert worden. Man muß, denke ich, vor allererst nach dem Eigentümer forschen.«

»Ach Larifari, was Eigentümer!« schrie Schmid aufgeregt und erbost. »Das ist, nehmt mir's nicht übel, dummes Zeug und gesprochen wie ein Schwarzrock. Erstens einmal ist das alles erbeutet auf Eures Vaters eigenem Grund und Boden, ist also in ehrlicher Fehde Eures Vaters eigen geworden. Und dann – wo wollt ihr einen Eigentümer finden? Das weiß Gott allein, nachdem diese Schurken tot sind, in welcher Herren Ländern die Sachen zusammen gestohlen sind, ich sehe da niederländische und ich sehe auch welsche Arbeit an den Geschmeiden. Doch halt, eines müssen wir freilich tun als ehrliche Leute. Der Knecht dieser Hallunken ist mit meinen Knechten gestern nach Wintzingerode gekommen und hat dort mit den Pferden Einkehr gehalten und ist auch im Dorfe geblieben. Der Kerl wußte sicher, was seine Spießgesellen vorhatten, und lauert irgendwo auf sie. Schickt Knechte hinunter und laßt ihn festnehmen.«

»Das ist gut, da habt ihr recht!« rief Klaus lebhaft. »Ich werde auf der Stelle den Befehl geben!«

»Hoffentlich nützt es nichts, aber Ihr habt dann wenigstens Euer zartes Gewissen salviert«, sagte Schmid trocken.

»Warum sollen wir den Kerl nicht fangen?«

»Weil er ein verteufelt hellhöriger Bursche ist«, versetzte Schmid. »Die ganze Burg ist ja erleuchtet, als würde ein Bankett gefeiert. Auch wird die Stunde längst vorüber sein, die ihm seine Gesellen ungefähr bezeichnet hatten. Da müßte der schlaue Vogel viel dümmer sein, als er ist, wenn er sich nicht schleunigst aus dem Staube gemacht hätte.«

Die Voraussagung Meister Schmids, des welt- und menschenkundigen Kaufmanns aus Nordhausen, ging in Erfüllung. Die Schar, die man vom Bodenstein aussandte, kam beim Morgengrauen mit leeren Händen zurück. Holunger Bauern, so hörte man am Nachmittage, hatten einen herrenlosen Gaul gefangen, ein Holzförster hatte einen Mann auf seinem Rosse davonpreschen sehn. Das war alles, was man erkunden konnte, der Mensch war verschwunden.


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