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7.

Die Stadt erwacht.

Wohl scheint die Sonne schon lange über das Dachgewirre hin, lugt da und dort in eine der stillen Gassen und Straßen und blinzelt auch wohl durch dies oder jenes Fenster, hinter dem nicht gar zu dicke Vorhänge ihren lichten Strahlen den Zutritt verwehren, aber Morgen wird es gemeiniglich in der Stadt desto später, je später es Abend geworden.

Es gibt auch in der Stadt Leute, die nach des Tages Mühe und Arbeit bei Zeiten wieder aus den Federn kriechen, um aufs Neue dem Geheiße des Herrn nachzugeben: Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dir dein Brot verdienen! Es gibt aber auch solche, die erst gegen früh von Unterhaltungen und mehr oder minder ehrenhaften Gesellschaften heimkehren und dann bis Mittag oder darüber hinaus schlafen, aber der Großteil der Stadtleute beginnt den neuen Tag erst, nachdem die Leute schon längst munter sind.

Halbverschlafene Ladendiener öffnen die festen, eisenbeschlagenen Türen der Kaufläden, Dienstmädchen hasten hin und her, und da und dort wird ein Fenstervorhang in die Höhe gezogen und gähnende Gesichter lugen auf die so viel wie leeren Gassen.

Durch ein Fenster aber scheint die Sonne voll und unbehindert, und hinter dem sitzt der Gaberl und schreibt eine Übersetzung ins Lateinische. Die eigenartige Satzform des Akkusativ mit dem Infinitiv, die manche nicht recht begreifen und geistig verarbeiten können, macht ihm Vergnügen und reizt ihn zu immer neuer Übung.

Alles ist still und ruhig im ganzen Hause, und nichts stört ihn und zieht ihn von der Arbeit ab als das Gezänke einiger Spatzen, die auf dem gegenüberliegenden Dache herumhüpfen. Nicht einmal die Kostherrschaft ist noch munter. Nun ja, an Sonn- und Feiertagen wird's gewöhnlich etwas später; der Kostherr ist Zimmermaler, und an solchen Tagen lässt er gewöhnlich nur seine Gesellen pinseln. Nicht etwa, dass es von wegen des Kirchganges wäre – für ihn ist keine Kirche gebaut worden – aber er kann sich das leisten, er ist der Meister, während die zwei Gesellen schon vormittags noch arbeiten können, denn zu einer Unterhaltung können sie ja doch erst nachmittags gehen.

Er wird mit der Übersetzung fertig und nimmt darauf eine Zeichnung vor, bis es endlich Zeit wird, um zum Frühstück zu gehen.

Er konstruiert eine geometrische Aufgabe um die andere und wartet immer, bis die Berta, das achtjährige Töchterchen, daher getrippelt käme, um ihn zum Frühstück zu rufen, aber es dauert heute merkwürdig lange.

Vom nahen Kirchturme her schlägt es acht, und noch immer kommt niemand. Da packt er Zeichnung und Reißbrett ein und geht ungerufen in die Küche.

Alle sitzen schon um den Tisch herum und verzehren ihren Morgenkaffee, und er setzt sich an seinen gewöhnlichen Platz und beginnt sein Tischgebet zu beten; aber niemand rührt sich, ihm sein Töpflein vorzustellen.

»Es ist schon hübsch knapp an der Zeit«, meint er dann, einen Deuter gebend, dass man sich etwas beeilen sollte.

»Für Sie gibt's heute nichts«, bescheidet der Kostherr darauf und löffelt weiter.

»Warum – nicht?« fragt der Gaberl verwundert.

»Ihr Vater ist schon über zwei Monate mit dem Kostgelde im Rückstande, und ich finde die Kost nicht auf der Straße. Schreiben Sie ihm das! Sobald er Geld schickt, kriegen Sie wieder Ihr Essen.«

Dem Gaberl ist's, als begänne sich die ganze Küche mit all dem darin befindlichen Hausrate im Kreise um ihn zu drehen, und er weiß ein paar Augenblicke nicht, was er tun soll. Dann aber steht er langsam auf und geht in sein Zimmerchen.

Um die Zeit ist es also? Er will irgendeinen Entschluss fassen, aber es fällt ihm in diesem Augenblicke nicht das Mindeste ein. Heimschreiben? Ja, das wird er wohl tun müssen; aber was bis dahin anfangen? Hungern? Zum Direktor gehen und dem seine Lage klagen? ... Wenn aber sein Vater kein Geld hat, was dann? Wenn er solches hätte, würde er es wohl geschickt haben.

Er zieht die Joppe an, drückt das Hütlein auf den Kopf und geht zur Schulmesse; aber in währendem Gehen und auch in dem kleinen Kirchlein sinnt und strubelt er, was er nun anfangen und beginnen solle.

Ja, wenn er noch Kosttage hätte, wie das erste Jahr hindurch! Es wäre am Ende zum Durchfretten, wenn er täglich einmal, und zwar zu Mittag äße; aber die hat er nimmer. Am Anfang des zweiten Jahres hat ihn sein Vater bei dem Zimmermaler eingemietet mit ganzer Kost und Verpflegung, damit ihm das »Bettelngehen« niemand vorhalten und ihn deswegen kränken brauche, und im laufenden Schuljahr ist's ebenso. Was nun? Der Kostherr gibt nichts mehr zu essen.

Ein Gedanke fährt da überlings durch seinen Kopf wie das Aufleuchten des Blitzes durch die gewitterfinstere Sommernacht: Heim! ... Im nächsten Augenblicke drehen und tummeln sich schon eine Menge anderer um ihn als ihren Angelpunkt, und wie ein Rudel übermütiger Buben ein und dasselbe hinausschreien in die Luft, so schreien sie auch alle: Heim!

Ja, heim geht er; das ist in dem Falle das einzig Richtige.

Er hört nimmer, was der Katechet von der Himmelfahrt Christi verliest und was er darüber in der daran schließenden Exhorte sagt, er denkt und sinnt nur heim. Als alle die andern aus dem Kirchlein gehen, geht auch er, und hastet nachher scheu und flüchtig durch die Gassen dahin zu seiner Wohnung. Es soll niemand sein Vorhaben erraten und niemand ihn hindern.

In höchster Hast räumt er all seine Sachen in den Koffer und sperrt den ab. Nur eine Landkarte steckt er zu sich, die ihm als Wegweiser dienen soll in die Heimat.

Ohne Gruß und Wunsch verlässt er das Haus, in dem man ihm nichts mehr zu essen geben will, und eilt spornstreichs vor die Stadt hinaus. Es soll ihn kein Bekannter sehen, und keiner sein Vorhaben ahnen.

Erst als der Gaberl draußen steht auf der staubigen Landstraße, die sich zwischen wogenden Saatfeldern und üppig grünen Wiesen dahinzieht, dem Gebirge zu, wird er etwas ruhiger, und sein Gang wird langsamer. Im Gehecke des Flussufers schneidet er sich einen Stecken als Stütze und stapft dann leichten Herzens und leichten Sinnens dahin.

Eine Stunde etwa außerhalb der Stadt liegt ein behäbiges Kirchdorf, und als er durch dieses wandert, gehen die Kirchgänger gerade aus dem Hochamte.

»Wo aus, kleiner Herr?« fragt einer der Bauern.

»Heim.«

»Das hätt' mir ein kleines Kind auch gesagt.«

»Wie weit ist denn nach ... nach Steinbrunn?«

»Da musst schon einen andern fragen«, lehnt der Bauer jede weitere Erörterung rundweg ab, weil er meint, der Bub will ihn hänseln.

Und der Gaberl geht weiter. Aus einer Bäckerei steigt der Dunst von frisch gebackenen Semmeln, und sein Magen spürt, dass es um die Mittagszeit. Was tun? Einen Knopf Geldes hat der schon durch Wochen nimmer in der Tasche, und umsonst sind keine Semmeln zu haben ... Um eine bitten? Nein, nicht um alles; lieber verhungern. An einer Wasserpumpe stillt er seinen Durst und füllt den Magen für ein Zeitlein, dass diesen die Leere nicht gar so schmerze, und dann stapft er weiter.

Eine schier trostlose Ebene breitet sich vor seinen Blicken, nur weit, weit hinten am Rande des Gesichtskreises türmt sich in anheimelnder Bläue das Gebirge auf, seine Heimat. Vom schier wolkenlosen Himmel brennt die Sonne hernieder in aller Glut, kein Lüftchen regt und rührt sich, und kein Vogel piepst, und da überkommt ihn mit einem Mal ein Gefühl der Zagheit und des Verlassenseins, und es wird ihm schier zum Weinen. Kommt er heut' noch heim, oder überrascht ihn die Nacht auf seiner Wanderschaft? Verhungert er in der Fremde, oder hält er aus, bis er heimkommt? Warum haben andere seiner Mitschüler keinen ... solchen Tag?

Nach und nach beginnen ihn die Füße zu brennen, als steckten sie im ledigen Feuer, und er setzt sich am Ufer eines träge dahin schleichenden, trüben Bächleins nieder, zieht die Stiefel aus und steckt die Füße zur Kühlung ins laue Bachwaser.

So treibt er es bis gen Abend, bis ihn die Müdigkeit unweit eines Dorfes in den Straßengraben zwingt zu kurzer Rast, und die Bitternis ihm den Trotz als Weggefährten zuführt.

Zwei Männer gehen vorüber, und der eine lacht so spöttisch hin, wie ... halt recht spöttisch. Er findet gar keinen rechten und passenden Vergleich. Aber groß und stark wenn er wäre, mit einem Schlage streckte er den Spötter in den weißgrauen Straßenstaub.

»Dort liegt er!« grinst der eine und deutet nach ihm. »Wird auch einmal einer, für den sich das Land nicht genug zahlen kann.«

Was der andere darauf erwidert, hört er, der Gaberl, nimmer. Er springt auf und hastet und humpelt die Straße dahin und nimmt sich vor, nimmer zu rasten und zu verschnaufen, bis er die Hänge hinaufsteigt zu seiner Eltern Haus.

Dorf um Dorf und Ortschaft um Ortschaft durchzieht er, aber die Füße werden immer schwerer und ungelenker, und bei anbrechender Nacht kauert er sich doch wider seinen Vorsatz hinter ein am Straßenrande stehendes Gestrüpp, um zu rasten, und unvermerkt sinken ihm dabei die Augenlider zu, und der über Maß abgemühte und abgemattete Körper erzwingt sich mit Gewalt die ihm gebührende Ruhe.

Immer dunkler legt sich die Nacht über die Erde, aber der Schläfer hinter dem Gestaude merkt davon nichts mehr. Er hört nicht das Zirpen der Heuschrecken auf dem Rain und Feld, nicht das Lärmen und Singen der übermütigen Jugend im nahen Dorfe; er sieht auch nicht das Gegleiße und Geflimmer des Sternenhimmels über sich und merkt nicht, als gegen Mitternacht sich kohlschwarze Finsternis am Abendhimmel heraufschiebt, Stern um Stern verdeckend, und dass es aus dieser Finsternis zeitweise flammt und leuchtet wie das ledige Feuer. Er wird des Gewitters nicht gewahr, bis ihn ein brechsender Thorschlag aufschreckt aus seinem süßen, nur durch leises Frösteln getrübten Schlafe.

Im Augenblicke kennt er sich nicht aus, wo er ist und was es gibt; als er aber so weit sich entsonnen, dass er hart neben dem Straßengraben liegt, in wildfremder Ferne, und dass ein Wetter heranzieht mit Blitzen, Thoren und Regengießen, überläuft ihn helles Schauern, und er duckt sich mehr unter das Gestrüpp und fängt zu beten an. Blitz auf Blitz leuchtet nun in rascher Folge durch die rabenschwarze Gewitternacht, und Thorer um Thorer erschüttert Lüfte und Erdboden, aber der Kern des Wetters muss doch weiter rechts vorbeistreifen, denn es regnet nur ein kurzes Weilchen, und da nicht gar arg, aber zum Liegen und Schlafen ist es auch nimmer.

So sinnt und träumt er denn vor sich hin, bis das Gewittergewölke vorübergezogen und der junge Tag am Morgenhimmel emporsteigt in lieblichem Lichte. Die Lerchen wachen auf und fangen zu trillern und zu singen an, und er stößt den Stecken auf die feuchtweiße Straße und beginnt zu wandern.

Bei Sonnenaufgang betritt er das Bezirksstädtchen, und ein ganz anderer Mut überkommt ihn, als die Straße sich zwischen dunkelbewaldete Hügel hinein schlängelt und die Steinache daneben hernieder rauscht aus den Bergen.

Bis zu Mittag kann er daheim sein und zu essen kriegen.

Um halben Vormittag herum kommt er nach Steinbrunn, aber als er jählings den Pfarrer des Weges kommen sieht, biegt er hastig rechts vom Wege ab und schleicht sich zwischen den Feldern an dem Dorfe vorbei. Es braucht ihn keiner zu sehen und keiner zu fragen.

Im Gehänge oben jedoch steht er überlings einmal vor dem Isidori, der einen Pack Leinwand über die Schulter gehängt hat, und er schrickt zusammen, als wenn ihn jemand auf unrechtem Wege ertappt.

»Wieder einmal Vakanz?« lächelt der Weber in seiner süßlich-spöttischen Weise.

»Ja«, lügt er kurzweg und hastet vorüber.

Im Geldweberhäusel sitzen sie gerade bei der Mittagssuppe, als er in die Stube tritt, und die Mena fährt schnurgerade empor von ihrem Sitze, als sie ihn ersieht.

»Du rotgoldenes Herrgottl!« stößt sie heraus. »Was ... wie schaust denn du aus?«

»Was gibt's denn?« fragt der Christoph ganz erkommen und erschreckt.

»Davongegangen bin ich«, bescheidet der Gaberl und sinkt so schwerfällig auf die Bank nieder, wie wenn ein Stück Holz umfällt.

»Davongegangen?« dehnt der Christoph langmächtig heraus. »Z' ... wegen was denn?«

»Sie haben mir gestern nichts mehr zu essen gegeben, weil Ihr – hör' ich – nicht zahlt, und so bin ich davon und heim.«

»Gegangen?«

»Ja. Gestern vor Mittag bin ich fort und ... Hunger hab' ich, Mutter. Seit vorgestern abends hab' ich nichts mehr gegessen.«

Jeder Hand entsinkt bei der Rede der Löffel, und keines rührt mehr einen Brocken an.

»Geh' nur her und iss!« schafft die Mena, und der Gaberl setzt sich hin an den Tisch und isst mit einer Gier und einer Hast, bei deren Anblick den beiden Alten das Herz weh tut. Und als er gegessen, legt er sich zur Ruhe.

»Armer Bub!« bemitleidet die Mena, aber der Christoph schüttelt unwillig den Kopf.

»Deswegen wird's auch noch nicht so himmelweit gefehlt sein«, sagt er trotzig. »Geht halt einem nicht alles so haarfein nach Planen, wie er sich es austüftelt'. Wir müssen noch reden und sinnen darüber.«

Von da ab fällt kein Wort mehr über die Angelegenheit, bis sie beide selbander ins Feld gehen, die Ackererde aufzuscharren, damit mehr Nahrung für die Pflanzen und mehr Raum zur Entfaltung der Knollen werde.

»Dümmer hätt' sich die Sach' nimmer wenden können«, fängt der Christoph in währendem Gehen an. »Jetzt ist's nicht das und nicht das, und ein Haufen Geld ist doch hin.«

»Kann er denn nimmer weiterstudieren?«

»Können! Um sel würd' es am End' nicht sein, aber tu', wenn es nicht geht! ... Das Wissen sollt' halt einer gelernt haben, nachher blieb' viel hinten. Wenn wir gewusst hätten, dass der Malefizmensch daherkommt und mir den ganzen Verdienst wegstiehlt, nachher hätten wir uns anders besinnen können, nachher wär' der Bub nicht fortgekommen ...«

»Wirst doch auch zurück müssen«, rät sie.

»Nicht um wer weiß was«, beharrt er trotzig. »Bei mir hat die Elle mein Lebtag schon soundso viel gekostet, und jetzt steck' ich gerad' nicht zurück.«

»So geht dir die ganze Kundschaft weg«, stellt sie vor.

»Soll. Vielleicht kommen sie wieder alle. Es geht nicht alleweil gut und auch nicht immer schlecht. Ich weich keinem Pfuscher mit dem Preise der Arbeit.

Eine Zeitlang fällt daraufhin kein Wort, und jedes sinnt in seiner Weise fort. Der Mena kommt mitunter fast ein Ärger über sich und über ihren Mann. Er ist doch sonst nie so gewesen, allweil hübsch weich und gefügig und gutem Rate zugänglich, und seit der Mensch da ist, der Isidori, herrscht ihn nur mehr der ledige Trutz. Und sel nutzt und fruchtet nichts. Die Leute kümmern sich nicht um Grundsätze, sie tragen die Arbeit dorthin, wo sie weniger Arbeitslohn zahlen, und wer die Arbeit hat, der hat auch den Verdienst. Wenn er, der Christoph, gleich anfangs den Spieß umgekehrt und dem ungerufenen Wettbewerber das Fortkommen so sauer gemacht hätte wie nur möglich, nachher stünd' es vielleicht ganz anders. Aber er ist nun einmal so. Er drückt den Arbeitslohn nicht, sagt er, und er besteht zu Trutz auf dem alten Brauche. Dazu die vielen Zahlungen, die für den Buben geleistet werden mussten! Und wenn ein Kreuz sich zeigt, braucht man um das zweite und dritte nicht mehr zu suchen. Die Kuh ist erkrankt und hat geschlachtet werden müssen, und der Fleischbeschauer hat erkannt, dass das Fleisch ungenießber ist. Sie ist bei einem Haller weg gewesen und zur Anschaffung einer andern hat wieder Geld aufgenommen werden müssen. Sie haben für den Buben schon manches zu leihen nehmen müssen und sich erfolglos auf gelegentliche Abzahlung verlassen und vertröstet, und jetzt ... schulden sie dem Kostherrn des Buben in der Stadt wieder sounsoviel. Wo hernehmen?

»Die Sephi werden wir aus dem Hause geben müssen«, sagt sie nach diesem Sinnen.

»Wird eh' sein müssen«, gibt er zu. »Frag' dieser Tag' einmal herum, ob niemand ein Hütdirndl oder eine Kindsmagd braucht!«

»Und was fangen wir mit dem Buben an?«

»Was weiß ich?« stößt er unwillig heraus. »Vielleicht schickt sich überlings und unverhofft etwas. Ein Geschäft soll er lernen.«

»Aber was?«

»Mm!« macht er es, und das ist bis zur Heimkehr seine ganze Rede. Er ist zu keinem weiteren Schwatz mehr aufgelegt und strubelt unter dem Drucke der unerquicklichen Verhältnisse dumpf in sich hinein.

Als sie heimkommen, sitzt ein Gendarm auf der Gredbank und wartet augenscheinlich auf sie.

»Guten Abend!« grüßt er kurz und kühl. »Sie sind Christoph Seeböck?«

»Jawohl.«

»Sie haben einen Sohn, Gabriel Seeböck, der in der Kreisstadt studiert?«

»Richtig«, bestätigt der Christoph.

»Was ist's denn mit diesem?«

Dem Christoph beginnt es vor den Augen zu flimmern und zu flinseln, und ein Gedanke huscht überlings durch seinen Kopf. Am End' hat der Kund' was angestellt.

»Heimkommen ist er«, stößt er hastig heraus. »Er sagt, sie haben ihm nichts mehr zu essen gegeben, und deswegen ist er gegangen. Ist es leicht ... sonst etwas?«

»Ich weiß sonst nichts, als dass man an uns geschrieben hat, wir sollen nach ihm forschen, weil man in der Stadt nicht weiß, wo der Bursch hingekommen.«

»So ja«, nickt der Christoph, und wie ein schwerer Stein fällt es ihm vom Herzen. Sie suchen ihn bloß, weil sie ihn vermissen. »Na, der ist daheim«, bescheidet er nochmals, »und es braucht sich weiter niemand zu sorgen um ihn.«

»Dann ist alles in Ordnung.« Der Gendarm grüßt kurz und bündig und geht seines Weges weiter.

Der Christoph aber steht noch ein Zeitlein auf der Gred und schaut dem federbuschtragenden Menschen nach. Kümmern täten sie sich also doch, dass niemand in Verlust geriete? Na, wenn es sonst nichts ist, nachher ... nachher ist's soweit auch wieder recht. Von gut kann keiner sagen, denn es wäre besser, wenn der Bub in der Studie hätt' bleiben können. aber wer kann's jetzt anders machen?

Am nächsten Tage geht die Mena, um für das fremde Dirndl, die Sephi, irgendeinen Dienst zu erfragen. Sie weiß ohnehin beiläufig, wo man so einen Ehehalten brauchen könnte, und gleich im Rosenhofe hat sie Erfolg.

»Das Angebot kommt uns gerad' recht«, sagt die Bäuerin, die auf der Gred etwas schafft. »Vorgestern ist uns der Hütbub davongegangen, und das Vieh können wir nicht im Stalle stehen lassen. Kannst sie gleich heut' noch bringen. Und von wegen dem Lohn machen wir's nachher aus, wenn's dir recht ist. Der Bauer kann nicht recht aus, weil die ganze Stube voll Männer ist. Weißt, wegen dem neuen Bürgermeisteramt ist was kommen, die letzte Anfrag', hab' ich gehört, und da schreibt eben der Kalmann die Sach', und die Männer raten so und so.«

»Ist schon recht.«

»Verlassen kann man sich ja auf das Kind?«

»Ein Dirndl wie ein guter Gedanke«, versichert die Mena. »Ein paar Listen und Untugenden hat es im Anfang wohl gehabt, aber die haben wir ihm abgezogen. Wie gesagt: Wie ein guter Gedanke.«

»Du, dass ich frag': Was hat denn gestern der Schandarm bei euch gesucht?« fragt die Neugier der Rosenbäuerin auf einmal. »Mich geht's zwar nichts an, aber wir haben ihn hinaufgehen und warten gesehen und ... Schlechtes wird's ja nichts sein.«

»Beileib'!« verwahrte sich die Mena entschieden. »Eine zuwidere Sach' ist's, weiter nichts. Unsereins hat das Geld nicht so, dass es davon nehmen kann, was es braucht, und da haben wir halt das Kostgeld für den Gaberl nicht gleich auf den Tupf zusammenbracht. Deswegen hat ihm sein Kostherr am Christihimmelfahrtstag nichts zu essen gegeben, und der Bub ist daraufhin heim. Da hat halt der Schandarm nachgefragt, ob er wirklich heimkommen ist.«

»So ja«, macht es die Rosenbäuerin, und die Mena ist später kaum ein paar hundert Schritte vom Hofe weg, so hastet sie schon in die Stube und erzählt den versammelten Männern die brühwarme Neuigkeit: Des Geldwebers Bub ist ausgesprungen aus der Studie, und mit dem Pfarrerwerden ist's Mathäi am Letzten.

»Sel hab' ich mir von allem Anfang denkt, dass sie es nicht erschwingen werden können«, sagt der Rosenbauer darauf. »Das Zeug soll mentisch viel Geld kosten.«

»Sünd' und Sünd' für das wunderschöne Talent!« seufzt der alte Kalmann und hustet wieder eine Weile. »Aber ... so ein Kund' verdirbt auch bei einem andern Geschäft nicht.«

»Fein ausgesponnen wär's schon gewesen«, grinst der Schönberger im Eck oben. »Fein, sag' ich, aber ... aber ... nicht gangen ist's nach Wunsch. Der Vater hätt' halt die Rupfe machen sollen.«

»Du! Du!« erbittert sich auf einmal der Kalmann, und die Kielfeder zittert in seiner dürren, knochigen Hand. »Ich bitt' dich: red' nur von der Sach' nichts! Wer soll denn einem Kind das Heiratsgut geben? Fremde Leut' leicht? ... Der Vater ist sel schuldig, sag' ich, und dein Vater ist sonst ein recht achtbarer Mann – alles was recht ist – aber in dem Stück ist er ein alter Lump. Verstehst mich?«

»Erhört ist so etwas noch nie nicht worden«, billigt ein alter Bauer aus dem jenseitigen Gehänge, der Schober. »Wenn mir was nicht recht ist und das Kind folgt seinem Schädel: gut; da hast deine Sach' und tu' nach deinem Willen. Aber seine Sach' geb' ich ihm.«

»Mich geht die ganze Geschicht' nichts an«, lehnt der Lipp jede weitere Erörterung hastig und heftig ab. »Wenn einer was zu sagen hat, der soll's dem Vater sagen.«

»Nachher misch' dich auch nicht darein!« bedeutet der Kalmann und schreibt weiter, bis er das Schriftstück beendet.

»Jetzt kann doch nichts mehr fehlen«, rät der Kleebointner, als er unterschreibt.

»Es wird aber doch noch was fehlen«, meint der Lerchecker. »Wenn ich die Sach' angestellt hätt', ich hätt' gleich vorgesorgt. Bei der Geschicht' werden auch die kleinen Besitzer, die Häuselmänner, gefragt werden müssen, und Ihr habt keinem was gesagt. Passt nur auf, ob es nicht so ist; ich hab' schon davon läuten hören.«

»Die sind gleich beisammen«, sagt der Rosenbauer kurz entschlossen. »Heut' noch lass' ich ihnen einsagen.«

»Zum Geldweber brauchst nicht hinaufschicken«, rät der Kalmann, »zu dem komm' ich heut' noch hinauf ... von wegen dem Buben.«

»Wenn die ... die Kunden auch bei jedem Daunderlaun (Nichtigkeit) gefragt werden müssten!« brummt der Schönberger. »Hat oft einer nicht einmal so viel, als wir einem Inmann ablassen.«

»Wird sein müssen«, bestätigt der Kalmann. »Wenn einer ein paar Klafter Grund hat, zahlt er gerade so seine Steuer davon wie ein Großbauer von dem Seinen.«

»Wer wenig hat, zahlt wenig, aber zahlen muss er«, billigt der alte Zäuner die Rede. »Und die Zeit kann es mit sich bringen, dass ein Kleiner durch Zukauf auch einmal größer wird, wie ein Großer oftmals schon klein geworden. Ist alles schon vorkommen.«

»So machst es also!« rät der Zacherl. »Dass es keine Ausred' mehr gibt. Wir wollen eine eigene Gemeine, und es gehört uns eine.«

»Und noch eins!« erinnert der Rosenbauer. »Ehevor ein Bürgermeister in einer Gemeine ist, muss ein Schreiber sein, weil sich der zehnte all die Sachen nicht selbst schreiben kann. Ich mein' da, wir nehmen den Kalmann für das Amtl.«

»Da bin ich dawider«, hastet der Lipp trotzig heraus.

»Weißt leicht einen andern?« fragt der Schober etwas spitzig.

»Nicht gerad', aber ... mir passt er nicht ... von wegen der Red' vorhin«, drückt er heraus.

»Uns passt er«, sagt der Zacherl bestimmt. »Den Kalmann nehmen wir.«

»Was verlangt Ihr denn nachher?« wendet sich der Rosenbauer an den alten Schullehrer.

»Wenn ich aber nicht taug?«

»Schwatz!« stößt der Zäuner heraus. »Eines Mannes Red' ist keine Red', und ich hab' noch niemals einen anders reden hören, als wie er es verstanden hat. Tu' halt eine Red'!«

»Sechzig Gulden kriegt Ihr das Jahr über«, trägt der Rosenbauer an. »Und wer Bürgermeister ist, muss Euch freie Herberg' geben. Seid Ihr zufrieden?«

»In Gottes Namen, ja«, erklärt sich der Alte bereit, und es ist seiner Rede anzumerken, dass sie die Freude begleitet auf ihrem Wege nach außen. Er sagt sonst nichts mehr dazu, aber als er später die Hänge hinaufsteigt gen das Geldweberhäusel, nimmt er überlings einmal den abgeschabten, formlosen Hut vom Kopfe, faltet die Hände und beginnt mit dem zu reden, dem er in seinem einsamen Sinnen nachgespürt auf der unscheinbarsten Fährte wie nicht bald einer mehr in der ganzen Gegend.

»Nicht verlässt mich«, brummt er vor sich hin. »Und nicht bist anders, als ich dich allweil angeschaut hab'. Den Wurm lässt was wachsen, wovon er abbeißen kann, dem Gewild schaffst du Äsung, und einem alten, nichtswertigen Menschen, der nicht einmal zum Schulmeister getaugt nach dem Gesetz, schanzest in deiner Weis' ein Leibtum zu. Sechzig Gulden das Jahr und freie Herberg'! Was will einer mehr, und was kann er mehr verlangen? ... Ich dank' dir für die Gabe, hörst, recht vom Herzen dank' ich dir: du bist halt doch noch einer ...«

Da fällt ihn wieder der Husten an, und er setzt sich nieder und wartet, bis der Anfall vorüber ist.

Als sie damals im Bayerlande auf schier allen Höhen die Freudenfeuer angezündet ob der neuerstandenen Deutschen Reiche und der Schein davon so eigen herübergeleuchtet in die walddunklen Gaue, die ehedem auch einmal zum Deutschen Reiche gehört, hat er sich aufgemacht und ist hinauf zu Schüsselstein, allwo vor undenklichen Zeiten die Altvorderen ihre Opferfeuer angezündet, hat den ganzen Nachmittag über Holz zusammengetragen, bis er geschwitzt wie ein Schnitter zur Erntezeit, und dann hat er sein Freudenfeuer angezunden und sich am Schein und Glast desselben gefreut, bis ihn heftiger Frost zu Tale getrieben. Und seither hat er den argen Husten, der sich immer mehr und mehr verschlimmert.

Wird sich halt der Tod an ihn herangeschlichen haben selbesmal und ihm die eisige Hand auf die Schulter gelegt haben, dass ihn so ein Frieren angegangen. Was liegt auch daran? Die Zeit kommt, und einmal muss es ja sein.

»Lässt halt einmal Feierabend läuten!« brummt er, als er wieder aufsteht und bergwärts wandert. »Gesorgt hast derweil für meine letzte Zeit, und ich schreib' dir keine Stund' vor. Kennen tust mich besser, als ich dich kenn', und sel weißt auch, dass ich niemanden zurücklass', der mich ahnden (vermissen) täte.«

*

In des Kleebointners Inhäusel, beim Isidori, sitzen am nächsten Sonntage so ein Stücker zehn oder zwölf junge Kunden um den Tisch herum und auf den Schrägen, Knechte und jüngere Männer, und unterhalten sich da recht lebhaft.

Der junge Mooswinkler, der Staches, der beim Schober als Inmann ist, der Isidori und der Wolfgang, des Zäuners Bub, spielen Karten, und die andern zeigen einander Kunststücke, erzählen Dummheiten, treiben Scherz und Neckerei und wollen jeder der Stärkste und Flinkste sein.

»Ich hab' ein Spiel«, bietet der Mooswinkler.

»Ich hab' auch eins«, überbietet der Isidori.

»Schellen.«

»Herz.«

»Zum Schinder schon!« ärgert sich der Mooswinkler. »So oft ich spielen will, spielt er auch und allbot (immer) hat er mehr und gewinnt das Spiel.«

»Der muss einen Kreuzer im Geldbeutel haben, über den drei Messen gelesen worden sind«, witzelt der Wolfgang, ein bartloses Bürschchen mit siebzehn Jahren, das auch schon gern den Erwachsenen spielt.

»Können tu' ich es halt«, prahlt der Isidori und spielt aus.

Derweil fangen des Kronwitternen Ältester, der Josel, und des Staches Bruder eine Fingerhaklerei an; einer wie der andere zieht, dass Knöchel und Gelenke knacken, und keiner will nachgeben, bis des Florls Finger müde wird und schwach und nachgibt.

»Bist mir der rechte Spanbrenner!« tadelt der Staches den unterlegenen Bruder.

»Wenn der Josel halt besser zieht!« stellt der vor.

»Diesmal gehst aber in die Lüfte«, behauptet der Wolfgang und spielt aus, dass der Kartenbrief nur so klatscht auf der wurmstichigen Tischplatte.

»Meinst?« lacht der Isidori überlegen auf und sticht mit dem Herzkönig.

»Ja, wie ... wo nimmst denn die Karte noch her?« staunt der Mooswinkler und schaut mit weit aufgerissenen Augen und halbgeöffnetem Munde. »Ich mein', mit dem König hast ja vorhin gestochen.«

»Da hast wohl recht«, lacht der Isidori wieder. »Vorhin, beim andern Spiel.«

»Mir kommt's auch so vor«, sinnt der Wolfgang.

»Ich hab' mit der Dummheit wirklich nicht aufs Spiel gemerkt«, entschuldigt sich der Staches. »Ich kunnt' auf ein Gewisses hin nicht so sagen und nicht so, aber ... wenn es ihrer zwei behaupten ...«

»Ich werd' euch doch nicht beschwindeln«, verteidigt sich der Isidori. »Ich hab' ja sel gar nicht notwendig. Geld wie Mist im Haus.«

»Zum Prahlen ist keiner zu dürr!« witzelt Zacherls Bub.

»Da ist gar nicht geprahlt und groß gesprochen«, ereifert sich der Isidori. »Ich bin gerade ein Inmann, aber ... der Geldweber bin ich.«

»Was wär' denn nachher der Christoph oben am Schönberg?« gegenredet der Wolfgang.

»Der!« macht es der Isidori verächtlich. »Den kunnt' einer heut schier den Notweber nennen. Kein Arbeit und mehr Schulden wie ein Stabsoffizier! Gelt, ich hab' es ihm halt heruntergeputzt! Können muss es einer, und ein Geschäftsmann muss er sein ... Nun, was ist's denn?« mahnt er nachher den Mooswinkler. »Gibst zu oder nicht?«

»Diesmal lass ich mir's noch gefallen«, brummt er, »ein andermal hör' ich augenblicklich auf, wenn es wieder so kommt.« Er gibt Farbe zu und ordnet sich die Karten.

»Fehlt ja doch nichts«, behauptet der Isidori nochmals und zieht den Stich ein. »Ständ mir dafür, dass ich wegen dem Kreuzer falsch spielet.«

Der Wolfgang aber ist ein bissel auf der gesetzten Seite, kann allweil nicht begreifen, wo der Weber den Herzkönig hergenommen, zahlt und legt die Karten weg.

»Mir wird das Gespiel schon zuwider«, erklärt der Wolfgang. »Wenn ein anderer spielen wollt'?«

»Ein bissel tu' ich mit«, erklärt sich des Kleebointners Großknecht bereit und setzt sich statt des Wolfgang an den Tisch. Der aber geht von seinem Platze herunter und mischt sich unter die ledigen Kunden, die herunten ihr Wesen treiben.

»Geh her, wenn d' Hakeln magst!« fordert er gleich darauf den Josel. »Andere Flechsen hab' ich schon wie der Florl.«

»Na, du wirst weiter was zerreißen«, spöttelt der Josel, und sie legen die Finger ineinander und beginnen zu ziehen. Eine gute Weile pendelt das Zünglein hin und wider, und keiner vermag zu raten, wer der Sieger bleiben wird, der ältere Josel oder der jüngere Wolfgang; aber jählings kriegt der Letztere mehr Lung, zieht dem Gegner den Arm aus, und gleich darauf lässt auch dessen Finger nach.

»Das ist mir aber schon zu dumm«, ärgert sich der Josel.

»Der Gescheitere gibt nach, und der Stärkere wird Herr«, stichelt der Florl.

»Wer der Stärkere?« ereifert sich der durch die Niederlage gekränkte Josel. »Magst Fußhakeln?« fordert er gleich darauf den Wolfgang.

»Sel bin ich nicht so gewöhnt«, redet sich der aus. »Aber wenn d' gerad' willst, gehen wir's halt einmal an. Der Stärkere wird Herr.«

Sie legen oder vielmehr stützen sich auf der Stubenbühne zurecht und hakeln je den rechten Fuß in den des Gegners und stemmen und drücken und ziehen da aus Leibeskräften. Der Wolfgang ist ein kräftiger, zäher Kund', aber der Josel ist in dem Stück geübter und flinker, und ehe sich's dieser einmal recht versieht, schnellt er ihn, und in weitem Bogen fliegt er zur Erde. Wie er aber auf die Bühne aufschlägt, klirrt und knackt etwas wie zerbrochenes Glas. Einen Augenblick später aber schnellt er schon wieder empor und tappt nach dem Hinterkopfe.

»Höllseiten!« stößt er heraus. »Da, scheint mir, bin ich auf etwas gefallen ... Ein Glasl ist hin, und ich hab' die Scherben im Kopf. Zieht mir sie einer heraus.

»Ja, wie ... käm' denn dorthin ein Glasel?« wundert sich des Isidori Weib. »Meiner Treu!« bestätigt sie dann, als sie nachgesehen und die Scherben gewahrt. »Das hat gewiss wieder der Mistbub dort hingezerrt«, entschuldigt sie einen etwa zwei Jahre alten Kunden, der an der Kammertüre lehnt und still vor sich hinlächelt.

Derweilen machen sich ein paar an den Wolfgang heran, aber sie können vor dem starken Bluten nichts zur Entfernung der Glassplitter unternehmen. Sie führen ihn den hinaus zum Brunnentroge und waschen und werken, und am hilfreichsten zeigt sich Josel.

»Ich kann wirklich nichts dafür«, entschuldigt er sich ein um das andere Mal. »Wenn das Glasel nicht dortgestanden wäre, hätt' eh' nichts gefehlt.«

»Eh' nicht«, beruhigt der Wolfgang. »Wenn halt was sein will!«

Nach und nach hört das Bluten auf, und der Staches zieht einige Glassplitter aus der Haut des Hinterkopfes.

»Bis du einmal heiratest, derweil hat sich das Schrammerl längst wieder verwachsen«, vertröstet er scherzend. »Die Scherben sind heraußen, und die Wunde ist in acht Tagen wieder verheilt.«

Der Gruß aber, den die Torheit und der Übermut in die enge Stube des Webers geschickt, wirkt merklich abkühlend auf die jungnärrischen und unüberlegten Gemüter, und man begnügt sich fortab mit harmloserem Scherz und Treiben. Auf die unbeabsichtigteste Weise kunnt' ein Unheil geschehen, zumal wenn zu solchen Sachen kein rechter Raum und Platz vorhanden.

»Eine Dummheit!« ärgert sich der Josel in währendem Heimgehen. »Wenn der Kund' mit einem Aug', mit der Schläfe oder dem Genack auf das Glasel fällt, nachher ... ist wirklich ein Unglück fertig und ... ich könnt' so weit nichts dafür.«

»Die Stuben ist viel zu klein für uns«, sinnt der Xaverl, sein Bruder. »Wir müssen uns um ein ander Dorfort (Zusammenkunftsort) umschauen.«

»So kurzweilig ist's halt nirgend anders«, entgegnet der Florl.

»Ein Mundwerk hat der Isidori wie ein alter Scherenschleifer.« So des Zacherls Bub.

»Glaubst, dass mir das Mauldreschen und die Spottreden schon zuwider werden?« sagt der Josel. »Einem jeden weiß er einen Spitznamen, und ich mein', wenn unsereiner einmal nicht gerad' dort ist, kriegt er auch seine Wiedertauf'.«

»Kann eh' sein.«

»Wer schert sich aber um seine Sprüch'?« meint der Florl. »Von mir aus nennt er mich so oder so; ich bück' mich nicht darum.«

»Notweber!« erinnert der Xaverl. »Wem fiele so ein Nam' ein? Wenn das der Christoph wüsst'!«

Denselbigen Abend noch wird es aber schon in jedem Hause des Schönwinkels erzählt, dass jetzt der Isidori der Geldweber sei und der andere nur der Notweber, und bei manchem bleibt der Name hängen, teils weil er selbst ein wenig auf der spöttischen Seiten ist, teils auch, weil ihm der spaßige Name mit der Zeit zur Gewohnheit wird.

Notweber! Notweber! Es ist heutiges Tags nicht einmal soweit fehlgeschossen.


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