Paul Scheerbart
Tarub Bagdads berühmte Köchin
Paul Scheerbart

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Das fünfte Kapitel.

Piepsend schießen Schwalben vorüber – vorüber an dem reichen Said ibn Selm, der unter seinem kostbaren Zeltdache steht und eine lange Küchenrechnung liest.

Und er murmelt in seinen rechteckigen Bart:

»Die Gewürze werden zu teuer – viel zu teuer; die Tarub verbraucht zu viel – viel zu viel. Alles viel zu teuer – viel zuviel!«

Saids ältester Sklave, der Hausmeister, wagt es, mit dem Kopfe zu schütteln.

Said fragt erstaunt:

»Oh, mein Hausmeister, warum schüttelst Du mit dem Kopf?«

»Oh, Herr!« antwortet der alte Sklave treuherzig, »die Tarub ist die sparsamste Köchin, die ich jemals sah.«

»Das glaubst Du selbst nicht!« ruft zornig der Herr des Hauses – er wendet sich und geht ab.

Der Hausmeister steht einen Augenblick allein und denkt nach.

Dann klatscht er in die Hände, und es erscheinen hübsche junge Knaben mit Räuchergefäßen und kupfernen Waschbecken, mit prachtvollen Teppichen und großen gurkenförmigen Papierampeln, die ganz dunkelrot sind.

Unter dem kostbaren Zeltdache, das schräg von der Hauswand in den Garten hinuntergeht – wie ein schlaffes Segeltuch – auf Saids berühmter Estrade – soll gleich das üppige Abendessen eingenommen werden, zu dem Battany und seine Freunde feierlich geladen wurden.

Die viereckige sehr geräumige Estrade ist vorn offen und führt da in den Garten – rechts, links und hinten wird sie durch Teppiche abgeschlossen, die man zurückziehen oder leicht an die Seite schlagen kann, wenn Jemand durch will...

Die Knaben hängen flink vorn am Zelttuch die Ampeln auf, stellen die Räucher- und Waschgeräte in die Ecken, breiten die Teppiche, die sie mitbrachten, auf den Boden und verschwinden dann wieder – fast geräuschlos.

Der Hausmeister ist abermals allein.

Der Springbrunnen im Garten plätschert sehr laut und sehr lustig.

Es wird allmählich dunkler.

Und wie's nun so dämmerig ist, schiebt sich vorsichtig rechts durch die Teppiche ein reizendes weißes Gesicht durch – mit feuerroten Haaren, in denen weiße Rosen stecken – das ist die eitle Abla.

Und links erscheint ein gelbes Gesicht mit großen braunen Augen und schwarzen Haaren, in denen blaue Veilchen stecken – das ist die Sailóndula – ein Mädchen aus dem fernen Indien.

»st!« macht das Mädchen rechts.

»st!« macht das Mädchen links.

Und dann kommen sie Beide vor und umarmen den Hausmeister.

Der schaut erstaunt erst die Abla an – die so reizend aussieht in ihren Beinkleidern aus hellblauer Seide – ihr Oberkörper ist nur mit einem zarten, ganz dünnen, weißen Spitzenhemd umhüllt. Dann schaut er ebenso erstaunt die Sailóndula an, die einen weingrünen Seidenrock trägt, der nur bis zum Knie reicht. Die schlanken Beine des gelben Mädchens sind vom Knie ab unverhüllt.

»Kinder!« bemerkt dann bedächtig der Hausmeister, »wo habt Ihr denn die schönen Kleider her?«

»Die hat uns Said«, erwidert die weiße Abla, »beim Schneider Dschemil gekauft. Weißt Du auch warum?«

»Ach, wie soll ich das wissen?« versetzt der Alte.

Und nun erklären die beiden Mädchen flüsternd und hastig, daß sie zu den Gästen fürchterlich liebenswürdig sein sollen, damit die Gäste nicht zu viel essen...

Und kichernd erzählen auch die Beiden, daß sie einen Plan ausgeheckt haben: sie wollen dem Said, dem alten Geizhals, beim letzten Gericht einen Schlaftrunk geben... d. h. der gute Hausmeister soll dem Said den Schlaftrunk geben. Die Mädchen küssen den Alten – und er weiß sich nicht zu helfen – er verspricht Alles zu tun, was man von ihm verlangt...

Jetzt ist es aber ganz dunkel geworden.

Die Knaben stecken die Öllämpchen in den gurkenförmigen roten Ampeln an...

Wie die brennen – erscheint die Tarub.

Sie hat dunkelrote Rosen im schwarzen Haar, der Zopf liegt ihr auf der Brust. Ein gelbseidener Rock umhüllt ihren braunen breiten Körper bis zum Knie, und schwarzseidene Beinkleider umhüllen bauschig ihre dicken Beine.

Die sechs Arme der Mädchen sind ganz unbekleidet, doch die sechs Füße stecken in kleinen roten Lederpantoffeln.

Was jedoch tut die Tarub?

Oh – die schimpft gleich wieder.

Die muß immer schimpfen, sonst kann sie nicht leben.

Sie schimpft, daß das Räucherwerk noch nicht brennt.

Na – die Knaben beeilen sich, Myrrhen, Weihrauch, Sandarakholz und andre wohlriechende Stoffe vorsichtig anzuzünden.

Die Rauchwolken wirbeln empor.

Und die Gäste erscheinen.

Es kommen immer zwei zugleich, Arm in Arm – aber schweigend.

Abu Maschar kommt mit Abu Hischam.

Battany kommt mit Jakuby.

Osman naht am Arm des Kodama.

Die Mädchen kichern, wie diese beiden Dickbäuche feierlich eintreten.

Zuletzt erscheint Safur mit Suleiman.

Der Letztere hält eine Rolle in der Hand.

Die acht Freunde begrüßen die lachenden Mädchen – die Tarub mit ganz besondrer Hochachtung – die benimmt sich daher auch ganz königlich – die ist so glücklich und so stolz.

Die acht Freunde warten alsdann.

Said pflegt immer – seine Freunde warten zu lassen. Das ist so Sitte in seinem Hause.

Nach einer guten Weile aber kommt der Hausherr endlich zum Vorschein – er trägt einen schwarzen Seidenkaftan und einen schwarzen Seidenturban.

Zwei schwarze Knaben fächeln dem Hausherrn mit indischen axtförmigen Fächern Kühlung zu.

Die Gäste verbeugen sich.

Said lächelt.

Dann treten Alle zur Seite, und Suleiman geht dem größten Geizhals von ganz Bagdad – diesem unglaublichen Said ibn Selm – mit einer Ehrfurcht entgegen, mit der man in Bagdad gewöhnlich nur dem verrückten Kalifen zu nahen pflegt.

Suleiman hebt dabei seine Rolle hoch empor und spricht:

»Said ibn Selm, wir grüßen
Feierlich Dein festlich Nahn.
Said ibn Selm, wir lächeln
Selig, daß Du endlich kamst.

Deine Augen, Said, grüßen
Alle, die Dich heute sahn,
Wie zwei stille Märchenblüten
In der Hand des Bräutigams.

Immer kann man nicht verliebt sein,
Ewig währt kein einzger Wahn,
Aber heut muß ich Dich preisen –
So wie Du's noch nie vernahmst.

Said, milder Freund, wir ahnen,
Was wir heut von Dir empfahn.
Du verbreitest märchentrunken
Ach – die Lust des Bräutigams.

Wenn im Abenddunkel träumend
Deinen Garten wir durchschaut,
Konnte Nichts uns mehr beglücken
Als ein stiller Mondenschein.

Said, kannst Du darum zürnen,
Wenn ich überseltsam kühn
Dich mit Mondenschein vergleiche?
Ach – ich bin in Dich verliebt!

Said, sieh! in Deiner Nähe
Müssen wir vor Freude glänzen,
Denn wir fühlen vor Dir – horch' nur!
Einen neuen Mondesglanz.

Alle Blumen schließen schamhaft
Ihrer Kelche zarte Ohren,
Denn die Winde flüstern lüstern
Ach – von wilden Liebespaaren.

Tolles Jauchzen tönt nun selig
Durch des Gartens Blumenpracht –
Das sind lustverzückte Verse –
Die durchsprühn die Mondesnacht –

Und wir stehen träumend stumm,
Hör'n ein himmlisches Gedicht.


Ging der Mond schon auf? – Oh nein!
Said – wir – gedachten – Dein!«

Leise klagend flötet eine Nachtigall in Saids Blumengarten.

Said empfängt gerührt die Rolle, in die das Lobgedicht fein säuberlich hineingeschrieben.

Darauf setzt man sich im Halbkreis auf die Teppiche – der Hausherr in der Mitte mit dem Gesicht zum dunklen Sternenhimmel, vor dem die roten Ampeln schaukeln.

Links von Said sitzen vier Gäste.

Rechts von Said ebenfalls.

Feine weiße Tücher mit Fransen breiten flink die Knaben vor den Gästen aus.

Die Tarub erteilt leise die Befehle.

Alles gehorcht der Tarub.

Zuerst gibt's Tigriskrebse in buttergelben Porzellanschüsseln.

Wie die roten Schalen knacken und knistern, ertönt im Garten in der Ferne wunderbare Flötenmusik – denn ein Gastmahl bei Said ist ohne Flötenspieler nicht denkbar.

Und die Nachtigallen schlagen zuweilen ganz verständig dazwischen.

 


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