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Glaube mir!

Glaube mir, der Erde Kinder
Kennen ihr betrüglich Los,
Daß Gerechte mit dem Sünder
Ruhn in einer Mutter Schoß;
Wissen, daß die zarte Jugend
Und des Greises morsch Gebein,
Frechheit und demüt'ge Tugend
Modern unter einem Stein;
Wissen, daß des Frühlings Blüte
Aus dem Eis des Winters sprießt
Und Natur voll ew'ger Güte
Lieblich, was da lebt, umschließt.
Darum, willst du munter reisen,
Nie dem Wetter bloßgestellt,
Such die Schule nicht der Weisen,
Sondern jene auf der Welt;
Viele Weise hat's gegeben,
Welche arm gestorben sind,
Weil der Lacher stets im Leben
Vor dem Denkenden gewinnt.
Nur nicht Freude mußt du hoffen,
Keiner Stunde Lauterkeit,
Denn die steht nur jenem offen,
Der sich des Vollbrachten freut.
Wär' ich nicht bereits veraltet,
Nähm' ich wohl noch Lehre an,
Doch ich bin zu früh erkaltet
Für das Glück und seinen Wahn.
Weinen habt ihr mich gesehen,
Tränen tiefer Menschlichkeit,
Doch wie oft, wollt ihr's gestehen,
Habt denn ihr euch recht gefreut?
Wer nach Freuden mißt die Jahre,
Und die Stunden nach dem Glück,
Von der Wiege bis zur Bahre
Mißt er einen Augenblick.
Eines nur steht fest im Leben,
Nie bewältigt von der Zeit,
Kann es auch nicht Kränze weben
Welkender Vergänglichkeit:
Nach dem Ziele der Vollendung
Richte hoffend deinen Blick,
So erträgst du jede Wendung
Und entbehrst wohl auch das Glück.


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