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Beherzigung

Morgenstrahlen röten täglich
Jener Berge Gipfelwand,
Wolken ziehen, leichtbeweglich
Nach dem fernen Abendland.

Nächtlich übt der Erdbegleiter,
Mond, des reinsten Schimmers Pflicht,
Wandelsterne glänzen heiter,
Prunkend mit erborgtem Licht.

Alle leuchten, unbekümmert
Um des Menschen Lust und Harm,
Ob sein Schifflein liegt zertrümmert,
Ob ihn wiegt des Glückes Arm.

Wenig Herzen sind erleuchtet,
Viele blieben roh und kalt,
Manche Wimper ist befeuchtet
Von der Träne Schmerzgewalt.

Dieser gräbt aus Erdenschollen
Sich des Brotes kargen Teil,
Jener fährt zu Grubenstollen,
Suchend tiefverborgnes Heil.

Starke müssen Flammen schüren,
Schwingend Hammers Eisenwucht,
Schiffer Steuerruder führen,
Treibend sich von Bucht zu Bucht.

Fischer senken Netz und Angel
In des Meeres Tiefe ein,
Jahres Segen oder Mangel
Keltern Winzer sich zu Wein.

Strenges Urteil übt der Richter
Gleich der Milde sanftem Spruch,
Und der gottbegabte Dichter
Zaubert Welten in sein Buch.

Eines doch bedenke jeder,
Was er immer tut und treibt,
Ob mit Hammer oder Feder
Brot er schmiedet oder schreibt,

Daß die Mühsal des Erwerbens
Ihm sein bestes untergräbt,
Und am Tage seines Sterbens
Niemand weiß, ob er gelebt.


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