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Am Silvesterabend

Drei flügelschnelle Stunden
Noch bis auf Mitternacht,
Dann ist ein Jahr entschwunden,
Ein neues aufgewacht.

Im alten hat's geregnet,
Gedonnert und geschneit,
Und was uns sonst begegnet,
Ist nur Alltäglichkeit.

So ist es stets gewesen,
So wird es immer sein,
Wir stäupen alte Besen
Und flechten neue ein.

Es starben viele Leute,
Die andern leben noch,
Aus Mädchen wurden Bräute,
Es zog der Mann im Joch.

Zu Ochsen wurden Rinder
Und fraßen Heu und Stroh,
Zu Menschen wurden Kinder,
Und lernten wie und wo.

Die Gecken waren zierlich,
Die Dummen waren grob,
Gescheite stets manierlich –
Wer wundert sich darob?

Und Ströme Blutes floßen
Für Freiheit und für Recht,
So stolz sie auch vergossen,
Der Lohn war immer schlecht.

Verpönt ist nackte Wahrheit,
Nur bei der Wollust nicht,
Umnachtet Lebens Klarheit,
Ein Märchen die Geschicht'.

Die Hoffnung ist betrüglich,
Der Glaube schlecht bestellt,
Die Lieb' ist unbesieglich,
Bevölkernd alle Welt.

Drum glaub' und hoffe wenig,
Und liebe nur recht viel,
Denn wärst du auch ein König,
Es bleibt dein letztes Ziel.

Und bist du einst gestorben,
Was liegt denn auch daran,
Hast wenig, viel erworben,
Dein Erbe bringt es an.

So sei mir jeder Zeuge,
Daß ich die Welt verstand,
Und werft bei dieser Neige
Die Gläser an die Wand.


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