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Ausgleichung I

Weise leben, tüchtig handeln
Ist so schwer und ist so leicht,
Daß man unterm Tun und Wandeln
Selten doch das Ziel erreicht.

Mancher mag sich gerne bücken,
Wo er besser stünde grad,
Denkend nimmer, daß sein Rücken
Wird dem andern Brück' und Pfad.

Mancher zieht es vor, zu klettern,
Wo er klüger blieb im Tal,
Drum auch trifft in Sturm und Wettern
Sicher ihn ein schärfrer Strahl.

Weisheit trägt die Narrenkappe
Oft mit buntbemaltem Schild,
Toren sehn des Rahmens Pappe,
Aber nicht der Menschheit Bild.

So die Torheit borgt den Flitter
Von der Weisheit Feierkleid,
Doch der Kluge schaut durchs Gitter,
Klaffend viele Spannen breit.

Falter will mit Hunden hetzen
Hier ein blöder Ignorant,
Während dort in Fliegennetzen
Zappeln soll der Elefant.

Und es dünkt sich jeder nobel,
Der der Afterbildung Dieb,
Wenn auch überall der Hobel
An den Ästen stecken blieb.

Diesen ließ als Kind die Amme
Fallen auf der Schwelle Stein,
Und es grub die tiefe Schramme
Sich fürs ganze Leben ein.

Jener wand vom Mutterschoße
Sich verkehrt, voran den Fuß,
Und sein Haupt verfiel dem Lose,
Daß der Bauch nun denken muß.

So verteilt sind Geist und Gaben,
So des Geistes Element,
Daß den Mann, den Greis, den Knaben
Kaum die Kluft der Jahre trennt.

Und der Weise und der Dumme
Balgen sich und sind gehetzt,
Bis der Tod die Gleichungssumme
Unter ihre Tage setzt.


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