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»Und Sie haben doch wieder ein Rendezvous mit dem Obersten gehabt,« sagte Potemkin plötzlich, während ihm die Kaiserin von einem neuen Handelsprojekt auf dem Schwarzen Meer sprach. Er sprach immer sehr ceremoniell, wenn er sich die Miene gab, der Beleidigte zu sein.

»Schilt mich nicht, Gregor,« erwiderte Katharina II. sanft und beinahe verschämt, »ich wollte ihn noch einmal sehen, aber es ist mißlungen.«

»O! Ich weiß.«

»Still, still!« rief die Zarin.

»Zu welchem Zwecke wollten Sie ihn sehen?« fuhr Potemkin fort.

»Ich bin doch nur ein Weib,« sagte Katharina II., »und wenn ich schon den Hermelin trage, ein eitles schwaches Weib im Hermelin. Ich habe die Laune gehabt, diesen jungen Adonis zu begünstigen, sie ist vorüber, jetzt quält mich eine andere Laune.«

»Und diese wäre?«

»Nicht die Verschmähte zu sein,« sagte sie rasch; »ihn zu meinen Füßen vor Liebe sterben zu sehen und dann auszulachen.«

»Nun, das wäre noch zu erreichen,« gab Potemkin lächelnd zur Antwort.

»Glaubst Du, nun dann gönne mir diesen Triumph,« flehte die Allmächtige.

»Mehr als das, ich will dem Obersten, der Dich das schönste Weib der Erde nennt und so unbewußt schon liebt, sagen, daß er nicht ohne Hoffnung liebt,« erklärte der Günstling, der die Gefahr, die ihn bedrohte, geschwunden sah; »er wird heute noch zu Deinen Füßen liegen.«

»Und ich werde über ihn lachen, mein Wort, Gregor Alexandrowitsch, und Du weißt, das ist mir heilig.«

Die hübsche Witwe saß gegen Abend zum Sterben betrübt hinter ihren Schnapsflaschen und dachte an Arkadi, den Günstling der Zarin, den General.

Plötzlich ging die Thür auf, und er trat, von Maxim begleitet, ein. Sie hätte ihm an den Hals fliegen mögen, aber sie rührte sich nicht.

»Die Herren befehlen?«

»Zürnen Sie mir, Anastasia Nikitschna,« begann Arkadi, der sich hinter Maxim verschanzt hatte.

»Wie hätte ich das Recht, Ihnen zu zürnen,« gab Nastka kühl zur Antwort. Es war ihr nicht entgangen, daß Arkadi ziemlich kleinlaut war. »Steht es so,« dachte sie und war entschlossen, ihren Vorteil unbarmherzig auszubeuten. »Sind Sie bereits General, Herr Wuschitschinkoff?«

»Das nicht, aber Kapitän,« entgegnete Arkadi apathisch, als verstände sich das bei seinen Meriten von selbst.

»Kapitän – dieser Esel – ist das wahr?« schrie die Witwe aufgebracht; »er belügt uns, schäm' er sich, er Branntweinfaß!«

Die Beiden schwiegen, Maxim, weil er sich zusammennehmen mußte, um nicht zu lachen, und Arkadi, weil er ein Gewitter heraufziehen sah, vor dem er keine Rettung wußte.

»Ist er wirklich Kapitän geworden?« wendete sie sich zu dem Obersten.

»Ja, Frau Srebrna, er ist in der That Kapitän,« sagte Maxim.

»Durch die Gnade der Zarin?«

»Ja, durch Gottes Erbarmen,« sagte Arkadi; »geben Sie mir einen Schnaps, Frau Srebrna.«

»Also die Kaiserin hat wirklich Gefallen gefunden an diesem Branntweinfaß, diesem heiseren Raben, diesem Esel,« schrie die hübsche Witwe.

»Nein, Anastasia,« erwiderte Arkadi gerührt; »Sie denkt nicht an mich, und ich, ich liebe nur Dich, Alles war eine Prüfung.«

»Eine Prüfung? Wie?« sagte die Erzürnte starr »Ich wollte mich überzeugen, ob Du mich auch wirklich liebst, und da – da ersann ich dieses Märchen,« bemühte sich Arkadi zu erklären; »alles nur eine Prüfung, teure Nastka, welche Du glänzend bestanden hast, Du reines Gold, Du;« er wollte sie umarmen.

»Halt, Musje Arkadi,« sagte die hübsche Witwe kalt mit einem bösen Blick, der dem armen Kapitän kaum weniger Todesangst bereitete, als jener, der ihn zu den Füßen Katharinas niedergeschmettert hatte. »So rasch geht das nicht. Ich bin kein Kind, dem man Märchen erzählt, und was die Prüfung betrifft so könnte ich damit viel eher bei Ihnen beginnen So mir nichts, dir nichts kränkt man mich nicht.«

»Aber was willst Du denn dann eigentlich?« fragte Arkadi, der sich immer kleiner werden fühlte.

»Was ich will,« sprach die Witwe mit einer Entschiedenheit, welche jeden Widerspruch von vorne herein ausschloß. »Du hast mir meinen Teil gegeben, ich werde Dir jetzt Deinen geben. Du hast Dich an meiner Qual belustigt, jetzt sollst Du mir einmal ordentlich zappeln. Für die Prüfung sollst Du Deine Strafe erleiden. Ich verzeihe Dir, ja.« – »O! Göttliche Nastka!« schrie Arkadi, umschlang sie und küßte sie derb auf ihre vollen roten Lippen.

»Ich verzeihe Dir,« fuhr sie fort, nachdem sie sich den Mund mit der Schürze abgewischt, »aber unter der Bedingung, daß Du Dich ruhig von mir hauen läßt.«

»Hauen?«

»Ja, gehauen mußt Du werden,« entschied sie; »also wähle, eine tüchtige Tracht Prügel oder Trennung für immer.«

»Was soll ich thun, Maxim,« jammerte Arkadi; »ich muß ihr ihren Willen lassen.«

Der Oberst ging lachend davon, er sah noch, wie Nastka die Thür schloß und behaglich den Ärmel aufschürzte, dann begab er sich rasch in den Palast.

Katharina erwartete den Obersten diesmal in ihrem Schlafgemach. Sie lag in einem weißen duftigen Schlafrock auf einer türkischen Polsterottomane und lächelte seltsam, als er damit begann, sich vor ihr niederzuwerfen und ihren Fuß zu küssen. »Wie feurig auf einmal,« sagte sie; »was für ein Ereignis hat denn Ihre Gefühle so sehr verändert, wo nehmen Sie die Kühnheit her, mir so zu nahen?«

»Katharina,« rief Maxim, alle Etikette beiseite setzend; »ich war blind bisher und bin auf einmal sehend geworden, die Bewunderung für Dein Genie, Deine Größe hat mich geblendet, ich sah Deine Schönheit, Deine Reize, die nicht ihresgleichen haben, aber der Gedanke, Dich zu besitzen, schien mir zu vermessen. zu feenhaft: jetzt aber ist die Binde gefallen, ein Himmel voll Liebe und Seligkeit hat sich mir aufgethan, und ich fühle, wo Du bist, ist der Genuß, das Leben, die Freude; wo Du nicht bist, der Schmerz, die Qual, der Tod. Sage mir, daß ich Dich lieben darf, daß ich unter den Sklaven, welchen das Glück zu Teil geworden ist, zu Deinen Füßen liegen und Dir gehorchen, Dir dienen zu dürfen, Dir der am wenigsten Verhaßte bin.«

»Nun, Oberst, ich will aufrichtig sein,« sagte die Zarin, deren Herz bei den begeisterten Worten des schönen Mannes eine stolze Freude erfüllt hatte; »ich hasse Sie nicht.«

»Du liebst mich also?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Aber Du erlaubst mir, Dich anzubeten?«

»Ja, Oberst, beten Sie mich an,« sagte sie kokett.

Maxim umschlang das schöne Weib mit einer Leidenschaft, die, so ehrlich er auch gegen Angela war, doch etwas mehr als Komödie war.

Die Zarin war es, die sich endlich losmachte. »Genug,« sagte sie.

»Ich verstehe Dich nicht,« flüsterte Maxim; »hast Du mich zu Dir beschieden, um mich wieder fortzuschicken, wie einen Knaben?«

»Laß mich,« sagte sie; »ich will mich schön machen.«

»Bist Du's nicht?«

»Ich will Dich vollends wahnsinnig machen,« murmelte sie, erhob sich und schlüpfte in eine mit dunklem Pelzwerk verbrämte weite Jacke, welche auf einem Stuhle bereit lag. »Wie gefall ich Dir so?« fragte sie mit einem Blick, der Maxim für kurze Zeit die Besinnung raubte.

»Du bist wunderbar –,« sein Auge hing trunken an dem schönen majestätischen Weibe, dessen herrliche Büste in dem dunklen Pelzwerk noch blendender erschien. »Sei mein, Katharina, ganz mein, Du wolltest mich wahnsinnig sehen, ich bin es. Sei gnädig jetzt, erbarme Dich meiner.«

Beide, der treue Bräutigam und das grausame kokette Weib, hatten ihre Rollen vortrefflich studiert und die Komödie klappte bis jetzt ausgezeichnet; nun kam es aber doch ein wenig anders, als es der Oberst, und die Zarin, oder gar Potemkin und Angela dachten.

Die Leidenschaft des schönen Mannes ergriff die Sinne der Kaiserin, und als er sie auf die Ottomane niederzog und mit feurigen Küssen die höhnischen Worte erstickte, welche sie bereits auf den Lippen hatte, da, in dem Augenblicke, wo er erwartete, von ihr mit Füßen getreten und verlacht zu werden, zog sie ihn plötzlich an ihre Brust, und er mußte nun gute Miene zum bösen Spiele machen, das eigentlich garnicht so böse war.

Die schöne Despotin gehörte ihm, aber nur für einen seligen Augenblick, dann erwachte mit einem Male die neronische Natur in ihr, und sie wollte die Wollust, den schönen Mann, den sie liebte, zu verschmähen, eben so voll und ungeschmälert genießen, als jene, ihn zu besitzen.

»Was glaubst Du nun, Maxim Petrowitsch,« begann sie; »Du glaubst, daß ich Dich liebe?«

»Ich weiß es nicht,« stammelte er; »ich weiß nur, daß ich Dich anbete, daß ich nicht leben kann ohne Dich.«

»Das wäre sehr schlimm für Dich,« erwiderte Katharina II. mit schneidender Kälte; » denn ich liebe Dich nicht. Du warst ein Spielzeug, das mir Vergnügen machte, so lange ich es nicht besaß, und mir jetzt gleichgültig, morgen vielleicht schon widerwärtig ist.«

»Katharina,« schrie Maxim auf.

»Was willst Du noch?« fuhr sie, sich aufrichtend fort; »Du Wurm, der dazu da ist, sich unter meinem Fuße zu krümmen, Sklave! gut genug, mir eine Stunde zu vertreiben, nicht mehr! Aus meinen Augen, Du langweilst mich.«

»Jetzt bist Du mein, Du schönes Weib,« rief Maxim, sie umfassend, »und keine Macht der Welt soll Dich mir entreißen.«

Die Zarin stieß ihn von sich, zog ihr Pelzwerk über der blendenden Brust zusammen und klingelte. »Du sprichst im Fieber,« sagte sie mit einem Blicke, den sie dem Obersten gleich einem Dolch in das Herz stieß, kalt und vernichtend.

Auf den ersten Ton der Glocke waren vier Kosaken ihrer Leibwache eingetreten, welche auf einen Wink der Kaiserin den Obersten ergriffen und durch eine Reihe von Zimmern in ein vollkommen leeres kleines Gemach ohne Fenster führten. Hier stießen sie ihn hinein und schlossen die Thüre, in welcher sich ein kleines Schubfenster befand. Es ging jetzt auf und Katharina II. blickte hinein.

»Nun, Oberst, wollen wir sehen, ob es mir nicht gelingt, die Gluten Ihrer Leidenschaft ein wenig abzukühlen,« sprach sie; im nächsten Augenblicke stürzte von der Decke ein förmlicher Platzregen auf den armen verliebten Thoren nieder und aus allen Wänden sprangen kräftige Wasserstrahlen, welche gleich unsichtbaren Furien auf ihn losschlugen. Katharina aber sah zu und lachte.

Ihre verletzte Eitelkeit war befriedigt, sie hatte Rache genommen; und als sie zuletzt den Obersten gleich einem nassen Pudel entließ, sagte sie – nicht mehr mit jenem grausamen Spott, der ihn so vernichtet hatte, sondern mit liebenswürdiger Schalkhaftigkeit: »Lieben Sie mich noch?«

»Ich bete Sie an,« erwiderte Maxim, sich vor ihr niederwerfend, »und werde Sie anbeten bis zum letzten Atemzuge.«

Das gefiel der Kaiserin, und sie reichte ihm beim Abschied gnädig die Hand zum Kusse.

Am nächsten Tage hieß es, Oberst Urussow sei in Ungnade gefallen und habe seinen Abschied bekommen. Angela folgte ihm nach wenigen Tagen, um mit der Bewilligung der Zarin seine Frau zu werden. Ehe noch ein Jahr vergangen war, waren die jungen Eheleute mit einem schönen kräftigen Knaben beschenkt, und Potemkin, der Taurier, war sein Pate.


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