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VIII.

Pauloff hatte die Hand gegen seinen Vorgesetzten erhoben mit der offenkundigen Absicht, denselben zu töten. Das Kriegsgericht verurteilte ihn zum Tode. Frau von Mellin erwartete, daß er sie um Gnade bitten werde.

Drei Tage verstrichen. Pauloff bat nicht.

Es kam der Morgen, an welchem die Hinrichtung stattfinden sollte. Ein Offizier suchte, als der Tag graute, den Verurteilten auf und forderte ihn auf, um Pardon zu bitten.

Pauloff schüttelte den Kopf.

»Frau von Mellin selbst erwartet es,« sagte der Offizier, »ja ich darf beinahe sagen, sie hat mich hierher geschickt –«

»O! ich kenne diese Frau,« erwiderte Pauloff mit einem schmerzlichen Lächeln, »sie will nur sehen, daß ich mich vor ihr demütige, daß ich, wo möglich auf den Knieen um mein Leben bettle, um dann um so gewisser keinen Pardon zu geben.«

»Sie irren sich.«

»Ich irre mich nicht, ich danke Ihnen, aber ich irre mich nicht und ich werde nie und niemals um Gnade bitten,« schloß der Verurteilte.

Als die schone Amazone von seinem Entschlüsse Meldung erhielt, stampfte sie zornig mit dem Fuße und befahl dann, auf der Stelle zur Exekution zu schreiten.

Es war ein Frühlingsmorgen voll Licht, Duft und Frische, als Pauloff in der Mitte eines Detachements Grenadiere den Weg zum Tode ging. Auf den blühenden Zweigen der Kirschbäume zwitscherten Sperlinge und Finten, vom nahen Dorfe klangen freundlich hell die Kirchenglocken herüber.

Auf der Richtstätte erwartete Frau von Mellin, ganz in grünen, zobelbesetzten Samt gekleidet, den Rohrstock in der Hand, vor der Front ihres Regimentes den Verurteilten.

Bei dem Anblicke des schönen, geliebten, grausamen Weibes durchschauerte es Pauloff – aber er verlor keinen Augenblick seine Fassung.

Noch einmal trat der Offizier, welcher das Exekutionskommando führte, an ihn heran und forderte ihn leise auf, eine Gnade zu erbitten.

»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen«, sagte Pauloff, »und bitte Sie, nach meinem Tode Frau von Mellin und Iwan Nahimoff zu sagen, daß ich ihnen vergeben habe, aber ich bitte nicht um Gnade.« Zugleich warf er Rock und Mütze ab und trat festen ruhigen Schrittes vor den Sandhaufen.

Der Profoß verband ihm die Augen.

Das Exekutionskommando marschierte auf.

Sechs Mann traten vor, sechs Flintenläufe zielten auf Pauloff's Brust. »Feuer!«

Die Decharge knallte, exakt wie auf dem Exerzierplatze; aber Pauloff stand noch immer aufrecht.

Und ehe er noch verstehen konnte, was geschehen war, fiel die Binde von seinen Augen, und das schöne grausame, angebetete Weib lag unter Thränen lachend an seiner Brust.

So seltsam ist das weibliche Herz! So lange sie in Iwan Nahimoff den armen Leibeigenen, den gemeinen Soldaten, den Halbwilden sah, während ihr Pauloff als Ihresgleichen stolz und übermütig gegenüber stand, haßte sie den letzteren und glaubte den ersteren zu lieben. Wie sie aber einmal Nahimoff zu sich erhoben hatte, wie er durch seine Gaben sogar zu glänzen begann, war er ihr nicht mehr interessant und die Wagschale des unglücklichen, auf das tiefste gedemütigten Pauloff stieg.

Gerade in dem Augenblicke, wo sie ihn unter dem Fuße Nahimoff's sah, erwachte die Liebe zu ihm in ihrer Brust mit verdoppelter Gewalt, und sie war von da an entschlossen, ihm nicht allein das Leben, sondern auch ihr Herz und ihre Hand dazu zu schenken. Aber sie konnte es sich nicht versagen, seine Festigkeit, seinen Mut auf eine Probe zu stellen, welche er, so schwer sie auch war, glänzend bestanden hatte. »Sie lieben mich?« waren die ersten Worte, welche Pauloff stammelte, »und Sie haben mich so sehr gehaßt?«

»Ich habe Sie nie gehaßt,« flüsterte Frau von Mellin.

»Weshalb haben Sie mich dann so entsetzlich gequält?« sagte Pauloff.

»Nicht ich – Amor war es –.«

»Amor?«

»Ja – aber Amor mit dem Korporalstock.«


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