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Zweites Kapitel.

In den nächsten Tagen trennte sich Frau von Protasow immer nur für wenige Augenblicke von dem Geliebten. Während draußen die Sonne Menschen, Tiere und Pflanzen zu versengen drohte, hielt die reizende Kerkermeisterin Tomasi in ihren weiten kühlen Gemächern gefangen. Dann lag sie träge auf einer türkischen Polster-Ottomane, und der glückliche Maler saß zu ihren Füßen und spielte die Laute, oder sie plauderten allerhand kindisches Zeug, wie es nur ein paar Verliebte können.

Und kam der Abend heran, dann schwärmten sie, gleich lustig summenden Bienen, in den grünschattigen Laubgängen des Parkes, um endlich, wenn der Himmel die ganze Pracht seiner Sterne, gleich einer Stickerei in Gold, entfaltet hatte, den Palast der gütigen Fee dieses Sommernachtsmärchens aufzusuchen.

Die Kaiserin schien, zum Glück für die Liebenden, den Italiener vergessen zu haben, um so unangenehmer wurde Sofia von Protasow überrascht, als Katharina II. ihr plötzlich einmal, bei einem Lever, einen Wink gab, näher zu treten, und ohne sich vor den anwesenden Damen und Herren des Hofes und ihrem Günstling Potemkin im mindesten zu genieren, mit sichtbarem Interesse um den jungen Maler fragte.

»Ich habe bis heute gezögert, Eurer Majestät Bericht zu erstatten«, begann Frau von Protasow errötend, »weil ich leider nicht in der Lage bin, von dem jungen Menschen irgend etwas günstiges zu melden.«

»Wirklich,« erwiderte Katharina befremdend, »finden Sie ihn nicht schön?«

Frau von Protasow zuckte die Achseln. »Ich wage es nicht, dem Urteile Eurer Majestät vorzugreifen, aber Tomasi ist eben so roh, als schön.«

»Was Sie Roheit nennen,« sprach die Zarin, mit ihrer Schokolade beschäftigt, »ist vielleicht nur unbändige Männlichkeit.«

»Vergebung, Majestät,« beeilte sich Frau von Protasow zu erwidern, »dieser Italiener ist viel mehr ein ungezogener Knabe als ein Mann, die gemeinsten Manieren beeinträchtigen seine körperlichen Vorzüge.«

»Ihr sonst so scharfer Blick scheint diesmal getrübt, liebe Sofia«, entgegnete die Zarin, »da muß ich mir wohl selbst Klarheit verschaffen.«

»Aber, Majestät –«

»Genug von dieser unbedeutenden Angelegenheit,« entschied die eigenwillige Selbstherrscherin; »ich will Tomasi heute noch sehen, und er soll mich malen, verstehen Sie, Protasow?«

Die arme verliebte Frau, welche in diesem Augenblicke alles verloren sah, denn Katharina gegenüber war Ungehorsam so viel als Selbstmord, verneigte sich stumm und verließ dann rasch den Flügel der Kaiserin, um Tomasi ihr Leid zu klagen. Dieser wollte indes die Sache durchaus nicht ernst nehmen. »Vor allem will ich Sie jetzt malen, teure Sofia,« sprach er, seine Staffelei zurecht rückend, »und dann wollen wir sehen, wie wir der liebevollen Heringstonne dort drüben, trotz ihrem Sibirien, einen Possen spielen.«

»Aber die Zarin, will Sie heute noch sehen, Tomasi.«

»Pah!«

»Sie wird an mir und Ihnen Rache nehmen, wenn wir ihr Widerstand leisten.«

Tomasi lachte und begann seine Farben zu mischen.

»Also Sie wollen mich wirklich malen,« seufzte die schöne junge Frau.

»Gewiß, und zwar auf der Stelle.«

»Aber wie? in welcher Toilette?«

»Ich werde Sie als eine der olympischen Schönheiten malen.«

»Ich soll eine Göttin werden,« staunte die kokette Dame.

»Sie sind es bereits,« lachte Tomasi, »und ich stelle den glücklichen Sterblichen vor, zu dem Sie von Ihrem hohen Olymp herabgestiegen sind, Endymion wenn Sie wollen.«

»Unmöglich, ich kann doch nicht als Diana –«, stammelte Frau von Protasow.

»Oh! die Marquise von Pompadour hat sich auch mit den Emblemen dieser jungfräulichen Jägerin malen lassen,« fiel Tomasi ein, »auch Sie sollen Bogen und Köcher tragen, um die Liebespfeile anzudeuten, welche Sie ohne Mitleid nach allen Männerherzen versenden.«

»Schmeichler!«

Der Italiener gab der schönen Frau die Attitüde und begann hierauf zu malen. Plötzlich schrie Frau von Protasow auf: »Ich hab's, ich hab's« und begann im Gemach herumzutanzen.

»Was haben Sie?« fragte der Maler verblüfft »Wir sind gerettet!« jubelte Frau von Protasow. »Ich kenne einen Freibauern hier in der Nähe, bei dem ich Sie verborgen halten will, und der Kaiserin sage ich, daß Sie plötzlich erkrankt sind und deshalb Zarskoje Selo verlassen haben.«

Ohne ihren Anbeter weiter zu fragen, packte sie ihn in ihre gedeckte Portechaise und ließ ihn auf Umwegen durch ihre vertrauten Diener nach dem Hofe des Freibauern bringen, wahrend sie selbst ein Pferd bestieg und vor ihm an Ort und Stelle eintraf, um rasch alles Uebrige mit dem treuen und bereitwilligen Alten abzumachen. Dann kehrte sie in den Palast zurück und ließ sich auf der Stelle bei der Kaiserin melden.

»Wo bleibt der Maler?« rief Katharina II., welche in einem prachtvollen Negligee in einem Fauteuil saß und sich von Zeit zu Zeit von oben bis unten mit Parfüm besprengte.

»Er – er ist verhindert,« stammelte die Vertraute.

»Verhindert, wenn ich befehle!« sprach die Zarin schwer atmend, ihre Brust begann im Zorn gleich einem Meer zu wogen.

»Tomasi ist plötzlich krank geworden, Majestät!« fuhr Frau von Protasow fort, »er hat Zarskoje Selo verlassen und befindet sich bei einem Bauern hier in der Nahe.«

»Er hat auf der Stelle gesund zu werden,« gebot Katharina II., »und wenn er binnen einer Stunde nicht vor mir erscheint, sollen ihn vier Grenadiere holen.«

»Unmöglich, Majestät!« rief Frau von Protasow »denn Tomasi hat eine Krankheit, welche ebenso gefährlich als ansteckend ist.«

»Doch nicht die Blattern?« fragte die Zarin rasch.

»Ja wohl, die Blattern, Majestät,« erwiderte Frau von Protasow aufatmend.

»Dann freilich,« murmelte Katharina, »dann geht es nicht.«

»Gewiß nicht,« bekräftigte die Vertraute, »Majestät dürfen Ihre gefeierte Schönheit nicht einer solchen Gefahr aussetzen.«

»Finden Sie mich noch schön«, lächelte Katharina II. gnädig.

»Wer käme in Ihre Nähe, ohne von Ihren Reizen begeistert zu sein.«

»Wirklich, ich sehe heute sehr gut aus,« sprach Katharina – sie hatte sich schwerfällig erhoben und ihren riesigen Körper zu dem nächsten Wandspiegel geschleppt – »sehr gut. Sobald Tomasi wieder gesund ist, soll er mich als Venus malen.«


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