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V.

Als Mirowitsch an dem nächsten Abend in den Pavillon von Gatschina eintrat, lag die Kaiserin auf der Ottomane und schien zu schlafen. Sie lag auf dem Rücken, die eine Hand unter dem Kopfe. Ein halbdurchsichtiges Gewand von rosigem persischen Stoffe, ein offener dunkelgrüner Schafpelz, mit schwarzem Zobel verschwenderisch ausgeschlagen und gefüttert, umflossen sie. Ihre göttlichen Formen badeten sich in dem dunklen Pelze. Im Atmen wogte ihre Brust, zuckten ihre Lippen.

Mirowitsch näherte sich leise, kniete nieder und küßte ihren bloßen Fuß. welcher den Pantoffel abgestreift hatte.

Katharina II. schrak empor, stieß ihn von sich sah ihn mit großen Augen an und zog ihn dann rasch an ihre Brust. »Ich habe einen bösen Traum gehabt;« flüsterte sie, »mir war, als hätte ich Dich verloren. Liebst Du mich noch?«

Statt einer Antwort sank das Haupt des Geliebten auf ihre Kniee, und er bebte am ganzen Leibe. Katharina betrachtete ihn mit grausamem Vergnügen. »Geh', Du liebst mich nicht«, sprach sie dann mit einem Tone, der ihm ins Herz schnitt. »Rühre mich nicht an, ich will nichts von Dir wissen.«

Entsetzt sprang Mirowitsch auf und warf sich im nächsten Augenblicke wieder leidenschaftlich zu ihren Füßen nieder. »Katharina, Du machst mich wahnsinnig«, schrie er auf, »binde mich an einen Pfahl und peitsche mich, bis mein Blut mich badet, ich werde jauchzen! Lege mich wie die christlichen Märtyrer auf einen glühenden Rost.«

»Narr!« rief die Kaiserin.

»Sag mir: Du langweilst mich, ich will noch Dein sein bis zum nächsten Neumond, dann aber fällt Dein Haupt, und ich will Dir danken wie meinem Gott.«

Katharina lachte. »Nun, womit wollen wir beginnen?« sprach sie, indem sie ihm das verwirrte Haar aus der Stirne strich, »mit dem glühenden Rost?«

Mirowitsch schlang beide Arme um sie, preßte sein glühendes Gesicht an ihre Marmorbrust und zitterte.

»Rühr' mich nicht an«, sagte sie wieder lachend, »ich will Dich heute prüfen, ich will grausamer sein als Peitsche und Rost.«

Mirowitsch sah sie an. »Du hast heute etwas vor«, sprach er, »Du bist so seltsam schön.«

»Ja«, rief sie heiter, »ich will Dich fangen.«

»Bin ich nicht gefangen?«

»Noch nicht ganz.«

»Nun, so ziehe das Netz zusammen. Da hast Du mich«, flüsterte er in Liebeswahnsinn, »mache mit mir, was Du willst.«

»Narr! Bedarf ich dazu Deiner Erlaubnis?« entgegnete Katharina mit einem Blick, welcher Mirowitsch das Blut in den Adern erstarren machte.

Er küßte ihre üppige Schulter, von der der Pelz herabgesunken war.

»Küsse mich nicht«, rief die Kaiserin und stieß ihn roh und schnöde mit dem Fuße von sich. »Ich will Dich erst wieder lieben, wenn Du ganz mein bist, ein Ding in meiner Hand.«

»Das bin ich, Katharina«, beteuerte er mit feuchten weinenden Augen. »Ich verlange Dir nur etwas zu sein, ein Sklave, ein Ding, ein Spielzeug, ein Instrument, mache aus mir, was Du willst, und wirf mich weg, wenn ich Dir unnütz bin.«

Die Kaiserin sah ihn beinahe gerührt an. Dann beugte sie sich zu ihm und küßte ihn auf die Stirne. »Mirowitsch«, sprach sie mit sanfter Stimme, »wenn Du mich liebst, befreie mich von meiner größten Sorge – von –«

»Du hast Sorgen?« sprach Mirowitsch zärtlich leise. »O sprich, befiehl Deinem Sklaven.«

»Ich kann nicht ruhig schlafen, mein Geliebter« – sie beugte sich zu ihm und legte die Lippen an sein Ohr, »so lange Iwan lebt.«

»Prinz Iwan!« rief Mirowitsch.

»Er ist der rechtmäßige Zar durch das Testament der Kaiserin Anna. Ich muß es selbst bezeugen. Ich habe ihn nicht entthront, die Zarin Elisabeth riß ihn aus der Wiege in den Kerker. Dort wuchs er auf wie ein Tier im Käfig, fern von der menschlichen Gesellschaft. Ein Mann, mit den Gedanken, mit dem Herzen, mit der Ausdrucksweise eines Kindes, reizt dieser blöde Prinz jetzt den Ehrgeiz aller Unzufriedenen, aller meiner Feinde. Man stellt ihn mir entgegen, man will mich durch ihn stürzen.«

»Nimmermehr!« rief Mirowitsch. Er richtete sich groß auf, ein blinder Fanatismus lag in diesem Augenblicke auf seinem bleichen Gesichte, in seinen versunkenen Augen.

»Der nächste Tag kann meinen Thron zertrümmern, mein Geliebter, willst Du mich im Kerker sehen, oder« – – sie preßte die Hände vor das Gesicht.

»Soll ich ihn morden?« flüsterte Mirowitsch, »Geliebte!« Seine Stimme war heiser vor Aufregung.

»Mirowitsch!« schrie Katharina auf, sie schien erschreckt.

»Du mußt ihn aus dem Wege räumen«, fuhr er eifrig fort, »so sprich sein Todesurteil, und ich vollstrecke es. Laß mich dann auf das Rad flechten, rette Deinen Namen, ich sterbe gerne für Dich Katharina!« Er küßte ihre Hände, ihre Füße und weinte.

»Beruhige Dich, mein Freund,« sprach die Kaiserin, »ich werde Deine treuen Hände nicht mit Blut beflecken. Ich habe einen Plan. Du sollst ihn erfahren. Willst Du also in dieser Sache ganz nur mein Werkzeug sein?«

»Ich will«, entgegnete Mirowitsch, »ich bin ja Dein – Dein bis in den Tod.«

»Sprich nicht vom Tode«, flüsterte die Kaiserin, »mir schauert.« Einen Augenblick war ihr schönes Antlitz grauenhaft entstellt. »Heute winkt uns das Leben, Mirowitsch«, rief sie dann mit dem Lachen einer Bacchantin, »küsse mich! –«


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