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Drittes Kapitel.

Die Wissenschaft vom Volke als das Urkundenbuch der socialen Politik.

Das Studium des Volkes sollte aller Staatsweisheit Anfang seyn und nicht das Studium staatsrechtlicher Systeme. Die Staatsmänner früherer Jahrhunderte reichen gewiß durchschnittlich in gründlicher Schule den unsrigen das Wasser nicht, schauten aber alltäglich frischeren Auges in das leibhafte Volksleben und führten darum ihr Regiment mindestens mit einer praktischen Sicherheit, die jetzt gar selten geworden ist.

Die »Wissenschaft vom Volke« gehört zu den noch nicht existirenden Hülfszweigen der Staatswissenschaften. Ist das nicht seltsam? Das Volk ist der Stoff, an welchem das formbildende Talent des Politikers sich erproben, das Volksleben das natürliche Element, dem er als Künstler Maß und Ordnung setzen soll. Wie läßt sich da eine Wissenschaft der Politik denken, die nicht begönne mit der Naturgeschichte des Volkes? Es wird aber noch eine Zeit kommen, wo man auf den Universitäten Collegien lesen und im Staatsexamen Noten ertheilen wird über die »Wissenschaft vom Volke.«

In dem ersten Bande dieses Werkes habe ich Grundzüge und probeweise Ausführungen zu einer socialen Volkskunde von Deutschland zu geben versucht. Auf die sociale Volkskunde, die das Volk darzustellen hat nach seinen gesellschaftlichen Zuständen in der Begränzung eines bestimmten Landes, eines bestimmten Zeitraumes baut sich die wahre Gesellschaftswissenschaft erst auf. Die naturgeschichtliche Beobachtung von Land und Leuten ist der Stein, den die Bauleute der theoretischen Construction so lange verworfen hatten, den aber die Gegenwart wieder zum Eckstein macht.

Mit einer oft wahrhaft komischen Leichtfertigkeit nimmt heutzutage jede Partei die Zustimmung des Volks für sich in Anspruch. Und doch besitzen von Hunderten, die also Berufung einlegen, gewiß nicht zehn eine weitere gründliche Kenntniß als von dem sie zunächst umgebenden winzigen Bruchtheil des Volkes. Das Studium des Volkes als einer socialen und politischen Persönlichkeit macht sich nicht so im Vorübergehen; es fordert die volle Forscherkraft eines ganzen Menschenlebens.

Wo sind die Organe des Volkes? Die Tagespresse ist nur das Organ eines beschränkten Theiles desselben, wenn wir recht weit greifen wollen, der gebildeten Schicht. Die Kammern sprechen noch viel weniger das in's Individuelle gezeichnete Charakterbild des Volkslebens aus, denn die Abgeordneten gerade der originellsten und interessantesten Volksgruppen, der unteren Schichten, sprechen in der Regel gar nichts. Nur durch förmliche unermüdliche Entdeckungsreisen unter allen Classen des Volkes, durch ein immer waches Auge für all die kleinen Wahrzeichen, welche im täglichen Leben, in jeder Regung einer öffentlichen Meinung hervorbrechen, wird man allmählig auf den Grund gehende Resultate über die bürgerliche und politische Natur bestimmter Volksgruppen zu gewinnen im Stande seyn.

Clemens Brentano hat ein wunderschönes Wort gesprochen von den Mysterien des Naturlebens, die nur dann den Wanderer »befreundet anschauen,« wenn er überall hin ehrfurchtsvolle Hingabe mitbringt. Und der Dichter sagt von sich:

»Weil ich alles Leben ehre,
Scheuen mich die Geister nicht!«

So schauen uns auch die Mysterien des Volkslebens nur dann befreundet an und seine Geister scheuen uns nicht, wenn wir alles Leben ehren. Ein Jeglicher will aber gemeiniglich nur das Leben im Volke ehren, was in die fertige Form seiner vorgefaßten Schulsätze paßt, darum fliehen ihn die Geister, und Famulus Wagner sieht nichts als einen großen Pudel.

Ist es nichts auffallend, daß die demokratische Partei, welche doch das »Volk« am meisten im Munde führt und den allgemeinen Begriff des Volkes mit Wucherzinsen ausbeutet, in ihrer Presse so wenig thut, das Volks- und Gesellschaftsleben in seinen Einzelzügen zu durchforschen? Ueber ihrer Theorie vom Volke sind ihr die Thatsachen des Volkslebens abhanden gekommen. Darum sind unsere Bildungsdilettanten viel besser aufgelegt für die demokratische Lehre, als der ungebildete gemeine Mann. Im Gegensatz zu dieser schulgerechten Demokratie, die so wenig auf wahre Volkssympathien rechnen kann als der schulgelehrte Konstitutionelle oder Absolutist, bleibt es ein großer Ruhm der engeren Fraction der sogenannten Social-Demokraten, daß sie auf die Enthüllung der Zustände einer wenigstens vereinzelten Gesellschaftsgruppe mit der begeisterten Liebe des Forschers eingegangen sind. Daher auch ihre praktischen Erfolge. Die Social-Demokraten blieben freilich in der Einseitigkeit stecken, daß sie die verhältnißmäßig kleine Schicht des städtischen und Fabriken-Proletariates als gleichbedeutend mit der Gesammtheit der »arbeitenden Classen« oder wohl gar des »Volkes« nahmen. Auch sie vermochten es nicht, alles Leben zu ehren. Aber sie gaben doch unzweifelhaft den Anstoß, daß über die sociale Natur dieser einzelnen Proletariergruppe weit umfassendere Aufschlüsse zu Tage gefördert wurden, als über fast irgend ein anderes Glied der Gesellschaft. Durch die umfangreiche Polemik, welche sie hier angeregt, geschah es, daß wir auf diesem einzelnen Punkte fast ausschließlich genügenden Stoff zu einem Capitel der Wissenschaft vom Volke vorbereitet finden.

Um so mehr ist es aber zu verwundern, daß die Social-Demokraten, da sie doch ein bestimmtes Bruchstück der Gesellschaft in seiner Besonderheit studirt haben, als beispielsweise das Pariser Arbeiterproletariat, nun eine Theorie entwickeln, welche stillschweigend für diese kleine Gruppe der Pariser Proletarier die Gesellschaft von ganz Europa, ja des ganzen Erdballes unterschiebt. So gaben sie die beste Frucht ihrer Erforschung der bestimmten Volkspersönlichkeit der Proletarier, die doch nur im Gegensatz zu anderen individuellen Gebilden der Gesellschaft sich selbständig abhebt, freiwillig wieder verloren. Je tiefer man in die Einzelkenntniß der Gesellschaft eindringt, desto mehr wird man erkennen, daß eine sociale Politik, welche für alle gesitteten Völker gelten soll, ein Widerspruch in sich selber ist. Die deutschen Gesellschaftszustände sind ganz andere als die französischen, die englischen etc., das Volk ist in allen Stücken individuell.

Aus dem Individuellen heraus, auf der Grundlage der Wissenschaft vom Volke, muß die sociale Politik aufgebaut werden. Jede gesellschaftliche Reform hat nur dann für uns einen Werth, wenn sie die natürliche Frische und Eigenart des Volkslebens nicht antastet. Denn diese Eigenart bedingt die Kraft des Volkes. Bei den höheren Ständen zeigte es die neuere Zeit eindringlich genug, wie die sociale, und sittliche Erschlaffung mit dem Verblassen der Originalität Hand in Hand geht. Die bäuerlichsten Bauern, die bürgerlichsten Bürger, die wahrhaft adeligen Edelleute sind auch immer die Tüchtigsten gewesen. Ihr klagt, daß die ganzen Männer, die originellen Naturen, deren es zu unserer Väter Zeit noch weit mehr gab, im Aussterben begriffen sind! Aber solche Naturen erhalten sich nur bei gewissen festgeschlossenen, socialen Gruppen. Wer den Ständen ihre Originalität abschleifen will, der muß auch auf die Originalität bei den einzelnen Charakteren Verzicht leisten. Und doch sind diese bereits halbwegs ausgestorbenen Originalfiguren von jeher die wahren Flügelmänner der gediegenen Ehren und guten Sitten gewesen in den breiten Frontreihen der bürgerlichen Gesellschaft.

Ich habe in diesem Buche kein sociales System aufstellen, keine neue oder alte Lehre der socialen Politik. Ich bescheide mich, anspruchslose Beiträge zusammenzureihen zur Wissenschaft vom Volke als dem Quellenbuche aller ächten Staatskunst. Die Zustände der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland sind dabei fast ausschließlich in Betracht gezogen worden; denn auch für das sociale Leben gilt die Schranke der Nationalität. Aus dem Kleinen, Beschränkten und Einzelsten heraus arbeitend, möchte ich in einer möglichst großen Fülle von Lebensbildern und Thatsachen darlegen, welcher Reichthum an mannigfaltiger Gestaltung selbst in der modernen Gesellschaft noch sich aufthut. Ich möchte den praktischen, Staatsmännern als ihre heiligste Pflicht vor's Gewissen führen, dieser Vielgestalt der socialen Gebilde in der Politik gerecht zu werden, auf die Individualität des immer noch reich gegliederten Volkslebens ihre Systeme zu gründen, nicht umgekehrt nach vorher entworfenen und wenn auch der Idee nach noch so sehr berechtigten Systemen das Volksleben zu modeln. Wer die moderne Gesellschaft nur von obenher in allgemeinen großen Ueberblicken betrachtet, dem mag sie nivellirt oder zur vollständigen Nivellirung reif erscheinen; wer aber hinabsteigt in die Tiefen des Volkslebens und aus dem Kleinen und Einzelnen heraus sich sein Wissen schöpft, der wird überall noch sehr strenge und im Wesentlichen gesonderte Gruppen wahrnehmen. Ueber die Rolle, welche den ständischen Gruppen im modernen Staatsrecht zugetheilt werden soll, kann man verschiedener Ansicht seyn, aber den Bestand und die innere Nothwendigkeit dieser Gruppen muß man entweder gelten lassen, oder man muß auch den Muth haben, sich zu der letzten Consequenz, zum Socialismus zu bekennen. Ein Drittes ist nicht möglich.

In diesen wenigen Worten ist die ganze Tendenz des vorliegenden Buches ausgesprochen. Der Verfasser bescheidet sich, beobachtet, untersucht und geschildert zu haben; er will kein neues System gründen und ist kein Agitator. Die »Reform der Gesellschaft« ist zu einem so gedankenlosen Stichwort geworden, daß ein Mann von Geschmack dasselbe eigentlich nur noch mit Vorbehalt in den Mund nehmen darf. Man hat in diesem Buch nach Recepten zur Abhülfe unserer gesellschaftlichen Nothstände gesucht und hat keine solchen Recepte gefunden. Indem man aber dergleichen suchte, bewies man gerade, daß man die eigentliche Tendenz des Buches mißverstanden hatte. Es ist ja eben zur Widerlegung derjenigen Leute geschrieben, die Recepte zur socialen Radicalkur machen. Mit solchen Recepten lockt man keinen Hund vom Ofen. Vorerst müssen wir die Gesellschaft erkennen, wie sie ist! dazu wollte ich mitwirken. Vorschläge zur Abhülfe einzelner örtlicher Mißstände werden sich überall von selbst ergeben. Der Arzt aber, der zur Hauptkur schreitet, bevor er die Diagnose vollendet hat, ist ein Pfuscher, ein Charlatan. Nur insofern in der Erkenntniß der Gesellschaft bereits die Reform der Gesellschaft vorgebildet ist, nur insoweit kann auch jetzt schon von letzterer die Rede seyn.

Ganz geflissentlich habe ich nicht allgemeine Kategorien wie der Freiheit, der Wohlfahrt, der Bildung etc. an die Spitze gestellt, um nach diesen meinen Stoff anzuordnen, um abzuurtheilen was darnach gut und schlecht sey in unsern bestehenden Gesellschaftszuständen. Wer hier Urtheilssprüche auf den Grund solcher allgemeinen Kategorien sucht, der hat abermals die Grundidee des ganzen Buches mißverstanden. Denn gerade darum schildere ich ja die Besonderungen der Gesellschaft, um anschaulich zu machen, daß solche allgemeine Kategorien praktisch ganz bedeutungslos sind, daß die Bildung des Bauern ganz anderartig ist und seyn muß als die des Bürgers, daß die Wohlfahrt beider auf ganz verschiedenen Grundlagen beruht, daß die Freiheit der ganzen Gesellschaft nur durch die in ihrer Eigenart möglichst ungestörte Entwicklungen der einzelnen Gruppen gewahrt ist.

Ein Grundgedanke ganz anderer Art als jene so vielfach mißverstandenen allgemeinen Begriffe war es, der mich begeisterte und der zugleich, wie ich glaube, die sittliche Tendenz des Buches in sich schließt, der Gedanke: daß nur durch die Rückkehr des Einzelnen wie der ganzen Stände zu größerer Selbstbeschränkung und Selbstbescheidung das sociale Leben gebessert werden könne. Der Bürger soll wieder Bürger, der Bauer wieder Bauer seyn wollen, der Aristokrat soll sich nicht bevorrechtet dünken und nicht allein zu herrschen trachten. Den Stolz möchte ich in Jedem wecken, daß er sich mit Freuden als ein Glied desjenigen Gesellschaftskreises bekenne, dem er durch Geburt, Erziehung, Bildung, Sitte, Beruf angehört und mit Verachtung jenes geckenhafte Wesen von sich weist, mit welchem der Emporkömmling den vornehmen Mann spielt und sich zu bekennen schämt, daß sein Vater am Ende gar ein ehrsamer Schuster oder Schneider gewesen. Diese Rolle des einfältigen Emporkömmlings spielen gegenwärtig fast alle Stände, die ächten Bauern allein ausgenommen: darum habe ich auch die Bauern so ganz besonders in's Herz geschlossen. Reue, Buße und Umkehr des Einzelnen ist hier »Reform der Gesellschaft.« Mein Buch ist, wenn man will, in diesem Sinne ein ascetisches und jene oberste sittliche Tendenz der Selbstbescheidung des Individuums wie der Gesellschaftsgruppen ist zugleich eine christliche.

Vorerst kann der Privatmann nur in der Art wirkungsreich social reformiren, daß er persönlich das Beispiel gibt zu einem ernsteren, strengeren, bescheideneren Familien- und Gesellschaftsleben. Wir sehen schon seit längerer Zeit überall in Deutschland hervorragende politische Talente freiwillig von der Bühne des öffentlichen Wirkens abtreten, die Kammern, das Staatsamt verlassen, wo eben jenes Wirken aufgehört hat, ein unmittelbar erfolgreiches zu seyn. Die wenigen übrig gebliebenen Eiferer der weiland politischen Parteien machen ihren Freunden einen bitteren Vorwurf aus diesem Rücktritt, den sie eine Fahnenflucht nennen. Wir können es im Gegentheil nur loben, wenn sich unsere besten Männer nicht zwecklos abnutzen. Der Begriff des öffentlichen Lebens und Wirkens wird in der Regel viel zu eng gefaßt, und der Edelmann auf seinen Gütern, der Bürger und Bauer in dem engen Kreise seiner Gemeindemitbürger kann gegenwärtig oft ein viel tiefer gehendes politisches Wirken entfalten als der Staatsmann im Cabinet oder der Abgeordnete in der Kammer. Er kann sociale Politik treiben und wird seine Reform der Gesellschaft vorläufig bei der Reform der Sitte seines eigenen Hauses anzufangen haben. Darin unterscheidet sich die gegenwärtige Epoche von der vormärzlichen, daß sie das politische Element gründlicher erkennt und im Stillen durchbildet in der Familie, in der Gemeinde, in der Gesellschaft, während jene Epoche diese Kreise gerade als die den politischen entgegengesetzten ansah. Es ist der Fortschritt von der reinen zur angewandten Politik. Zur Zeit des jungen Deutschlands schrieb ein Autor dieser Schule: »Der politische Mann müsse jetzt nothgedrungen der Familie sich entfremden, er rufe seiner Frau zu, die ihn für sich und seine Häuslichkeit in Anspruch nehmen wolle: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Ich gehöre dem Jahrhundert an, ich bin Nationalgardist!« Heutzutage würden wir umgekehrt sagen: gerade weil der politische Mann seinem Jahrhundert angehört (er braucht darum übrigens nicht Nationalgardist zu seyn), gerade darum hat er zu schaffen mit seinem Weibe, mit der Familie, mit Haus und Herd als der ersten Basis seiner politischen Wirksamkeit.

An die Stelle des weiland poetischen Weltschmerzes ist ein politischer getreten. Es ist durchaus Mode geworden, über das Trostlose unserer Lage die Achseln zu zucken und das Elend unserer gegenwärtigen öffentlichen Zustände zu bejammern. Wer das nicht thäte, der würde für bornirt oder als ein frivol gleichgültiger, ganz unpatriotischer Mensch gelten.

Es ist aber ein wirklich großer, die Zukunft verbürgender Zug in unserer Zeit, daß man sich dem Studium der Volkszustände überall so eifrig wieder zuwendet. Was gegenwärtig für die kirchliche und sociale Heilung der gesellschaftlichen Gebrechen geschieht ist nichts geringes. Die schrittweise Abhülfe im Kleinen und Einzelnen ist hier der einzig richtige Weg. Dabei haben wir jetzt Zeit, jene allgemeinen politischen Ideen, welche wir seit zwanzig Jahren rastlos verschlungen haben, ruhig zu verdauen. Die Zeitungsartikel und die Kammerdebatten werden freilich sehr mager bei diesem Verdauungsproceß. Es war ganz in der Ordnung, daß wir, da wir uns im Jahre 1848 wohl als theilweise politisch unterrichtet, nicht aber als politisch erzogen erwiesen haben, wieder eine zeitlang in die Lehre der Selbsterkenntniß geschickt werden.

Dies ist die Politik der Gegenwart. Die vordem so gangbare Phrase von einer Politik der Zukunft ist verstummt. Wir mußten der Reihe nach von der neu entdeckten Bühne, dem Drama, der Theologie, Philosophie, Politik etc. der Zukunft hören, und zwar immer dann, wenn Bühne, Drama, Theologie, Philosophie und Politik der Gegenwart am meisten im Argen lag. Von der Naturwissenschaft der Zukunft hat man z. B. nicht geredet, weil man mit den köstlichen Ernten der Naturwissenschaft der Gegenwart alle Hände voll zu thun hatte. Jetzt sind nun noch ganz zuletzt die Musiker mit einer »Musik der Zukunft« hinterdrein gekommen.

Das Zeichen des politischen Mannes aber ist es, an der realen Gegenwart trotz all ihrer Härten und Bitterkeiten festzuhalten, und an einer nationalen Wirksamkeit um so weniger zu verzweifeln, je mehr dieselbe in einzelne enge Kreise zurückgedrängt ist. Die Musik der Zukunft aber möge der Politiker den Musikern überlassen.

Je mehr der Verfasser sich dem Einzelstudium des Volkslebens widmete, desto fester wurde er auch in der Ueberzeugung, daß nur eine auf die so mannigfaltig gearteten Besonderheiten des Volksthums gegründete, das geschichtlich Gegebene reformatorisch weiter bildende Politik die richtige sey. Und für eine solche Politik möchte er auch den Ehrennamen der »conservativen« beanspruchen. Jene kleinen Maßregeln werden bei ihr als die größten sich erweisen, welche den einzelnen Körperschaften ein so reiches Maß der Selbstverwaltung gestatten, als sich immerhin mit der höhern Staatsidee vereinbaren läßt, welche den schier verloren gegangenen Stolz, am liebsten der eigenen Gesellschaftsgruppe und keiner andern anzugehören, wieder wecken, jenes feste Behagen, daß sich jeder in seinem Kreise recht wie in seiner Haut wohl fühlt.

Es ist ein wahrer Herzenswunsch des Verfassers, man möge in den nachfolgenden Beiträgen zur »Wissenschaft vom Volk« ein Aktenstück erkennen, welches bezeugt, daß eine mit liebevoller Hingabe an Art und Sitte des Volkes unternommene Durchforschung der modernen Gesellschaftszustände in letzter Instanz zur Rechtfertigung einer conservativen Social-Politik führen müsse.


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