Joseph Richter
Bildergalerie weltlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Vorrede.

Auf jeden Topf gehört ein Deckel. Die Briefe des Herrn Friedels fanden den ihrigen in den berüchtigten Berlinerbriefen; diese sind durch die geheimen Nachrichten zu Voltärs Leben zugedeckt worden; den SchlafrockEine ganz kleine Schrift, worin aber sehr viele Gebrechen und böse Handlungen des verloschenen berühmten Jesuiterordens Plaz fanden. Da die Herren Jesuiten unserem Orden nie gar gut waren, so möchte es zu parteyisch klingen, wenn ich sagte, daß mir diese kleine Schrift sehr gründlich abgefasset scheint. hat 4 jemand incognito eine NachtmützeDiese Schrift soll alle in obiger Schrift enthaltene Beschuldigungen widerlegen. Mein Ausspruch würde abermal verdächtig werden; aber so viel wird doch Jedermann sehen, daß dieser Deckel gar nicht auf den Topf paßt; denn die Nachtmüze ist dreymal grösser als der Schlafrock ausgefallen. Der Herr Autor hat sich also entweder verschnitten, oder er wollte eine Nachtmüze verfertigen, unter der, Falls sie zurückgeschlagen würde, der Verfasser der pseudo-ehrlichen Epistel, der Berlinerbriefe, und sein eigner Kopf Plaz hätte. beygelegt, und so mag es sich der Herr Verfasser der Bildergalerie katholischer und klösterlicher Misbräuche gefallen lassen, wenn ich zu seinen Gemälden ein Gegenbild hinhänge.

Es ist mir zwar schon ein gewisser so genannter katholischer Obermayer in etwas zuvor gekommen; da er aber seine Abhandlung über die Reliquien eine Beylage zu der Bildergalerie katholischer Misbräuche nennt, und also, wie es die Schlußfolge giebt, die Reliquien selbst unter die katholischen Misbräuche versetzt, so kann seine geistliche Arbeit nie für ein Gegenstück gelten, und bleibt folglich gegenwärtiges Werk noch immer der einzige, wahre Pendant. 5

Warum ich nun gerade die weltlichen Misbräuche zum Gegenbild gewählt habe, geschah deswegen, weil ich unter allen möglichen Deckeln keinen schicklichern zu diesem Topfe fand; dann hätte mir die Bearbeitung einer jeden andern Materie zu viel Mühe gekostet; hier durfte ich aber nur die meisten Predigten meiner vormaligen Ordensbrüder wörtlich abschreiben; denn unser Orden hat sichs aus Gründen, die ich nicht weiß, von jeher zur Pflicht gemacht, mehr über die weltliche Misbräuche, als über das Evangelium zu predigen; endlich ist dieses auch ein Stoff, in dessen Bearbeitung mir ein weltlicher Autor nicht leicht vorgreifen konnte, weil mir der heilige Ordenshabit, den ich durch 18 Jahre zutragen das Glück hatte, den Zutritt in niedrige und hohe Häuser verschafet, und mich in den Stand gesetzt hat, die weltliche Misbräuche, vom Fürstenstand an bis zum Schneiderhandwerk herab, mit eignen Augen zu beurtheilen; indessen die weltlichen Autoren, die gewis nicht leicht hinkommen, wo ein Kapuziner hinkommt, ihre Bilder aus der Luft greifen müssen, so wie kleine Mahler ungefähr die Züge zum Porträt eines grossen Herrn blos im Flug erhaschen. Und so hätte ich 6 mich über die Auswahl des Stoffes hinlänglich gerechtfertiget.

Uibrigens habe ich nach dem Beyspiel des Herrn Verfassers der Bildergalerie nur solche Misbräuche ausgehoben, die neben ihrer Lächerlichkeit auch schädliche Folgen für den Staat haben, und so wie ich es ihm verzeihe, daß er die katholischen, und vorzüglich die klösterlichen Misbräuche, etwas hart beym Bart nahm; so wird auch er es mir vergeben, wenn ich zuzeiten die Weltlichen etwas unglimpflich am Ohr zupfe.

Meine Absicht ist nützlich zu seyn, und da auch er keine andere zu haben scheint, so bleiben ich und besagter Herr Verfasser von Herzen gute Freunde.

Ich schreite zum Werk – Man vernehme mich mit Geduld. 7

 


 

Inhalt der Kapitel.

Vorrede.

Erstes Kapitel.

Uiber das Neuejahr und andere Gratulationstäge. Diese Misbräuche finden sich zwar auch in Klöstern. Warum sie aber vorzüglich unter die weltlichen Misbräuche versetzt werden? Schädliche Folgen davon für die Layenwelt, sowohl für den Beutel als für die Gesundheit der Bürger. Ein und andere Herren Apothecker und Aerzte werden dem Exkapuziner wohl viel Böses auf den Hals wünschen. Uiber die geschwornen Lastträger der Mauthhäuser, Kellner, Kafesieder, und andre Neuejahrbettler, sammt einer Note über die Belohnung guter Köpfe. Schädlichkeit der übrigen Gratulationstäge. Die gute Seite, die sie vormals hatten. Wunsch ihrer Einstellung, und warum nicht einmal die Geburtstäge beyzubehalten. 8

Zweytes Kapitel.

Uiber die Trauer. Was den Verfasser verleitet habe, ein Kapitel über die Trauer zu schreiben. Trauern ist billig. Durch was sich wahre Traurigkeit ausdrücke. Wie die Trauerkleider mögen entstanden seyn, und wem sie zu verzeihen sind. Warum junge Damen wünschen, daß sich öfters Todesfälle ereignen. Was das Trauerkleid einer schönen Wittwe eigentlich sagen wolle. Der schädliche Einfluß der Trauer auf das Wohl des Bürgers wird bewiesen. Von wem die Abstellung dieses Misbrauchs zu erwarten sey.

Drittes Kapitel.

Uiber die Ehe. Warum die Ehe in die Galerie weltlicher Misbräuche gesetzt worden? Beweis, daß ihrer Heiligkeit dadurch nichts benommen. Ob die Gelübde nie zu lieben, und ewig zu lieben nicht gleich auffallend wären? Warum man so wenig Liebe und Treue unter den Eheleuten finde. Etwas über gezwungene Ehen, und den Schaden, der daraus für den Staat 9 entspringt. Gleichniß einer misvergnügten Ehe, das nicht Jedermann verstehen wird. Uiber das Jagen nach reichen Bräuten, und die unbilligen Vorwürfe, die man den Geistlichen macht. Was eigentlich am Geld sey, und warum Leute, die blos nach Geld trachten, nicht glückselig seyn können. Noch viele andere üble Seiten des Ehestandes werden mit dem Mantel der christlichen Liebe zugedeckt.

Viertes Kapitel.

Uiber Hochzeiten. Warum die Kapuziner vorzüglich über diesen Gegenstand vieles zu sagen wissen, und warum die Hochzeiten in dieser Galerie ihren Plaz finden. Zu welchen Vermuthungen die Brautleute durch zügellose Schwelgerey den Spöttern Anlas geben. Nachtheilige Folgen, die daraus für den Staat entspringen, und Wunsch, daß dieser Luxus durch ein Polizeygesez möge eingeschränkt werden. Beweis, daß die gemeinern Klassen diese übertriebene Freudenfeste leichter entbehren sollten und schlüßlich ein Wort über Hochzeiten, die in Mariazell celebrirt werden. 10

Fünftes Kapitel.

Uiber Kindlmahle und Kindbettvisiten. Eine Anekdote. Warum der Autor diese Anekdote angeführet habe. Eine flüchtige Bemerkung über den Luxus, und Beweis, daß der Misbrauch der Kindlmahle abermal am häufigsten bey der ärmern Klasse angetroffen werde. Kindbettvisiten haben einen weniger schädlichen Einfluß. Eine wohlgemeinte Wahrheit für bürgerliche Damen, und warum mancher Ehemann in sehr mißliche Umstände versetzet wird. Furcht, daß die Kindbettvisiten endlich auch bey Obstweibern mögen zur Gewohnheit werden, und daß man dann die Bemerkungen des Autors möge wahr finden.

Sechstes Kapitel.

Uiber Rangstreit. Beweis, daß die Menschen von Natur nicht gleich seyen, und daß eben diese Ungleichheit das Glück der menschlichen Gesellschaft ausmache. An was man den wahren Adel erkenne, und ob alter Adel auch immer wahrer Adel sey. Bey welchem Adel am meisten Rangsucht 11 anzutreffen, und warum die Handwerker lieber zu einer wirklichen Dame, als zu einer Frau von gehen. Eine kleine Schilderung des Visitzermoniels, und was daraus entsteht, wenn die Kleinen die Grossen in ihren Thorheiten nachahmen. Rangsucht ist auch eine Schwachheit der Männer. Wird durch Beispiele erläutert, und endlich die Folgen aufgedeckt, die diese Thorheit für die Gesellschaft hat.

Siebentes Kapitel.

Uiber Titulaturen. Ob sich von den Titulaturen einer Nation auf ihre Aufklärung schliessen lasse, und was dann in diesem Punkte von der deutschen Nation zu halten sey. Uiber die Beschafenheit unsrer Titulaturen, und woher sie entstanden seyn mögen. Schon mancher ehrliche Mann ist durch sie unglücklich geworden. Wunsch sie zu verbannen, oder wenigstens eine vernünftige Reformation mit ihnen vorzunehmen. Versuch eines neuen Titulatursistems, das immer so viel als manches Kommerzsistem werth ist. Ein Seitenblick in das Gebiet weiblicher Titulaturen. Der Titel Frau von wird 12 vertheidiget. Schlüßlich folgt eine Bitte an die Damen, sich ja nicht den Charackter ihrer Männer beyzulegen, weil es den bösen Leuten zu vielen argen Muthmassungen Anlas giebt.

Achtes Kapitel.

Uiber Kleidertracht. Das Thier kennt nur Bedürfnisse, der Mensch sinnt auf Bequemlichkeit. Diese philosophische Betrachtung führt zur Kleidertracht. Welche Endzwecke dabey seyn sollen. Herrn Obermayr werden ein paar Wahrheiten gesagt. Eine so ziemlich trefende Schilderung der Damentracht, mit einem kleinen Beweis, daß sie in diesem Punkt beyde Endzwecke verfehlen. Warum über die Tracht der Bürgersfrauen und ihrer Töchter nichts gesagt worden. Der Stubenmädchen wird nur im vorbeygehen gedacht. Uiber Männertracht, und Stutzer, und wo nach des Verfassers Meinung eigentlich die Gränzlinie des Luxus anfange. 13

Neuntes Kapitel.

Uiber Komplimente. Alle Nationen haben eine gewisse Art von Komplimenten; so gar die Thiere beobachten ein Ceremoniel unter sich. Uiber die Unart deutscher Komplimente, die die alten Deutschen nicht kannten. Ob wir wohl die Türken und andere Völker mit Recht Barbaren nennen? Vom Hutabziehen, und muthmaßliche Entstehung dieses Gebrauches. Die Entscheidung wird der weltberühmten Akademie der schönen Wissenschaften in Berlin überlassen. Uiber Pantofelkuß und Handkuß, nebst kritischen Bemerkungen über das schwache Nervensistem der Weiber, woraus die Schädlichkeit des Handküssens bewiesen wird. Die übrigen Komplimenten der Weiber werden sehr gelinde beurtheilet, und ihnen dabey von dem Exkapuziner das Kompliment gemacht, daß sie in diesem Punckte viel klüger seyen, als die Männer.

Zehntes Kapitel.

Uiber das Fahren in Städten. Man nimmt die Grille an, daß der Mensch der 14 Herr der Welt sey. Folgen die daraus für die Thiere, und vorzüglich für die Pferde entstehen mußten. Gefährlichkeit sie in Schutz zu nehmen. Für wen die Alten ihre Städte gebauet haben, und was sie für Augen machen würden, wenn sie wieder zur Welt kämen. Bemerkung über das müssige Lackeyvolk, und was der Ackerbau dadurch verliere. Wahrscheinliche Ursache, warum es so wenig denkende Köpfe in grossen Städten gebe, nebst einem wohlgemeinten Projeckt, die Wägen in so viele Tragsessel zu verwandeln.

Eilftes Kapitel.

Uiber Bibliothecken. Ob die Monarchen durch ihr Fiat ein Genie hervorrufen können? Eine Vertheidigung der Klosterbibliothecken, und was eigentlich ein Gelehrter sey. Vielen Brodgelehrten wird ihre Ignoranz aus ihren eignen Büchersammlungen bewiesen. Bemerkungen eines heidnischen Philosophen über die Verbindung der Wissenschaften unter sich, und was sich daraus zum Vortheil der Aerzte und Advokaten folgern lasse. Uiber den Zustand der 15 Kavalierbibliothecken, und wem öfters das Verdienst gebühre. Was die Damen von einem gelehrten Kavalier halten. Schlüßlich ein Wort über Toilletebibliothecken.

Zwölftes Kapitel.

Uiber Apothecken. Die Vorwürfe, die man überhaupt der geistlichen und weltlichen Arzneykunst macht, werden auseinander gesetzt, und gründlich widerlegt; zugegeben wird indessen, daß einige Völker ohne Aerzte und Geistliche fromm leben, und alt werden. Ob die Stimme des Volkes immer die Stimme Gottes sey. Fehler die öfters bey Verschreibung der Seelenarzneyen vorgehen, und wahrscheinliche Muthmassung, daß es in den weltlichen Apothecken wohl manchmal auch dergleichen geben möge. Frage, ob durch die Reducktion der Medizintigel die Menschheit nicht gewinnen würde? Uiber das Verschreiben der unschädlichen Artzneyen, und warum die Apothecker oft den Pazienten bedauern. Von wem sich die Reducktion der Medizintiegel eigentlich erwarten lasse, nebst Beweis, daß die Apothecker nichts dabey verlieren. 16

Dreyzehntes Kapitel.

Uiber Kartenspiele. Ob es Hazardspiele geben könne, und für wen es Hazardspiele sind, und ob es nicht besser wäre, die Karten des Landes zu verweisen? Was sich zu ihrer Vertheidigung sagen läßt, wird auf der Wagschale der Vernunft zu ring befunden. Wer sich vorzüglich der Vertreibung der Karten widersetzen würde, und warum der Verfasser fast Bedenken getragen, das Kartenspiel unter die weltlichen Misbräuche zusetzen.

Vierzehntes Kapitel.

Uiber die Lotterie. Gewisse Entreprenneurs an der Schweizergränze haben es erfahren, daß das Lotto für vernünftige Spieler kein Hazardspiel sey? Warum es indessen doch zu verbieten wäre. Ein Projeckt die Unterthanen zu plündern, und wie es aufgenommen würde. Eine Berechnung der Gefahren beym Lottospiel, die manchen die Augen öffnen wird. Ein kleines Gemälde von den schädlichen Folgen dieses Spiels, und warum es sich so sehr im Deutschland 17 ausbreiten konnte. Hofnung, daß endlich die Fürsten dem Beyspiel einer gewissen geistlichen Churfürstl. Durchlaucht folgen werden. Flüchtige Bemerkungen über Kabulisten und Kartenaufschlagerinnen, und schlüßlich ein Kompliment für Herrn Berghofer, der den Exkapuziner verkennt.

Fünfzehntes Kapitel.

Uiber Gefängnisse. Der Exkapuziner ist ein guter Patriot, und giebt deswegen den Exjesuiten einen brüderlichen Rath. Indessen thut er doch den Wunsch, daß Fürsten auf den elenden Zustand der Kerker ihr Augenmerk richteten. Uiber Galgenpatres, und hohe Schulen für Diebe. Ob es nicht das nämliche sey, wenn man sich dem Teufel oder einem Geldjuden verschreibt? Uiber die öffentliche Strafen wird nur eine flüchtige Bemerkung angebracht, und das Kapitel mit einer Citation aus den Wienergalanterien beschlossen.

Sechzehntes Kapitel.

Uiber öffentliche Promenaden. Nutzen der Bewegung, und daß zweckmässige 18 Promenaden anzulegen seyen. Uiber zuferne Spaziergänge und Staub. Den Klöstern wird wegen ihren Gärten ein verdientes Kompliment gemacht. Warum gewisse Leute ihre Pferde mit auf die Promenade nehmen? Ein wohlgemeinter Vorschlag, der so gar den Politickern gefallen dürfte. Endlich ein Wort über Pariserpuppen und Masken.

Siebenzehntes Kapitel.

Uiber Tanzsääle. Warum der Exkapuziner davon Erwähnung mache. Vortheile, die sie bringen könnten. Beschreibung der Sääle, und warum man sie besuche. Uiber Schwindel und Fehltritte, und die alten Weine, die die Wirthe bey dieser Gelegenheit ausschenken. Schlüßlich die Ursache, warum nicht ausführlicher über diesen Gegenstand gehandelt worden.

Achtzehntes Kapitel.

Uiber Erziehung. Wer eigentlich darüber schreiben könnte. Uiber die adelichen Treibhäuser und Lob des alten Adels. Beweis daß die phisische Erziehung sich bessere. Ein 19 Wort über die moralischen Kunstgärtner und ob die Schere die Natur des Baums ändern könne. Unumstößlicher Beweis, daß der Verfasser der Berlinerbriefe kein Exjesuit seyn könne. Uiber Dalken und die Modelle dazu. Endlich ein Vergleich zwischen der Arzney- und der Erziehungskunst.

Neunzehntes Kapitel.

Uiber öffentliche Schauspiele. Eine Vorausschickung, wodurch bewiesen wird, daß man in Klöstern viel lese. Nachtheilige Meinung, die der Kongress in Amerika von den Schauspielen hegt – Diese Meinung wird widerlegt. Warum unsre Vorfahrer das Theater besuchten. Uiber Hoftheaterprediger und Theatermissionarien. Die Toleranz des Kapuziners erstreckt sich bis auf den Kasperl. Den Beschluß macht eine Vertheidigung der Heze, durch die sich der Verfasser alle Wiener und Wienerinen zu Feinde machen wird. 20

Zwanzigstes Kapitel.

Uiber Handwerksmisbräuche. Unmöglichkeit alle zu umfassen. Vergleich zwischen dem Noviziat und den Lehrjahren der Handwerker. Uiber Kaminfeger, Maurermeister u. s. w. Uiber den Universalmisbrauch der Handwerker, nebst einer gelegenheitlichen Bemerkung über Freymaurer. Was Freysprechen sey; und warum wir unsern Nachbarn so weit nachstehen müssen. u. s. w. 21

 


 

Erklärung des allegorischen Titelkupfers.

  1. Ein grosser Bildersaal, ungefähr wie im ersten Theil der Bildergalerie.
  2. Der Galerieinspektor führt einige Herrn und Damen herum. Die Damen haben weder Hüte noch Hauben auf dem Kopf. Ihre Haare sind kunstlos in Locken geschlagen, und ihre Kleidung ist dem Leibe angemessen.
  3. Ober dem Eingang hängt statt des Kapuziners ein Rathsherr aus einer Reichstadt. Ein Nachkömmling hält sich beym Anblick dieser lächerlichen Figur ebenfalls den Bauch vor Lachen; denn wenn wir Kapuziner, nach dem Ausspruch eines losen Spötters, einem Satiraffe ähnlich sehen, so gleicht gewis ein Rathsherr oder ein Dockter mit seiner ungeheuren Perücke einem Löwen, und beydes muß den Nachkömmlingen gleich lächerlich vorkommen.
  4. An der Wand des Saals sind verschiedene Gemälde von Mißbräuchen aufgehangen, die sich, wenn der Künstler gewollt hat, auch ohne Lorgnette ausnehmen lassen. 22
  5. In einem Seitenschranke erblickt man alle Gattungen von Hüten, Haarbeuteln, Haarzöpfen, Schnallen, Locken, allen neuen und alten Moden, durch die sich die Zierde der Schöpfung, der Mann, lächerlich gemacht hat.
  6. Der grosse Schrank gegenüber enthält alle Arten von Hauben, Hüten, Halskrägen, Schuhen, kurz alle Moden, durch die sich unsre deutsche Damen zu rechtschafenen Gattinnen, und guten Müttern ausgebildet haben.
  7. Ein verborgner Schrank enthält alle Handwerksmisbräuche mit Inbegrief der Misbräuche bey Gerichtsstellen, Universitäten, Ritterakademien, und andrern Erziehungshäusern. In dem nämlichen Schranke ist ein Fach für militärische Misbräuche, das man aber äusserst geheim hält.
  8. Im untersten Fache dieses Schrankes liegt ein getreues Verzeichnis aller französischen Gouverneurs und Gouvernantinnen, die wegen einem point d'honneur ihr Vaterland verliessen, und in Deutschland die Noblesse erzogen. 23
  9. Ferners findet sich in dem nämlichen Fache ein getreues Verzeichniß aller Ausländer, die auf Deutschland schimpfen, weil sie in Deutschland ihr gutes Brod essen. Dieses Verzeichniß wird fortgesetzt.
  10. An den Pfeilern der Galerie sind aufgehangen, verschiedene Boufants, Reifröcke, Levits, und andere weibliche Modekleider. Unter diesen befinden sich auch die Fakultätsmasquen, und vorzüglich die grossen Bruderschaftsmäntel, die izt die galanten Herren tragen, nebst verschiedenen Larven.
  11. Ein Seitenschrank, der aber nicht sichtbar ist, enthält die Büchersammlung einer deutschen Dame, die ganz aus französischen Büchern besteht.
  12. In einem ebenfalls verborgenen Gegenschranke stehen nach dem Alphabet alle Werke, die über die Erziehung und den – – Ackerbau in gegenwärtigen Jahrhundert erschienen sind. So oft sie der Galerieinspecktor den Nachkömmlingen vorzeigt, fügt er die Bemerkung bey, daß es eben damal um die Erziehung und um den Ackerbau am mißlichsten aussah. 24
  13. Der Galerieinspecktor öffnet eine Büchse mit Schminke. Eine Dame streicht sich zum Scherz davon auf die Wangen. Die übrigen Herrn und Damen lachen, und verwundern sich zugleich. Der Galerieinspecktor erzählet ihnen, daß es Zeiten gab, wo deutsche Damen, und selbst deutsche Männer sich der natürlichen Gesichtsfarbe schämten, und sich mit dieser Schmincke, die gemeiniglich giftig war, das Gesicht beschmierten. Die Verwunderung der Nachkömmlinge steigt auf das äusserste. 25

 


 


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