Joseph Richter
Bildergalerie weltlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Viertes Kapitel.

Ueber Hochzeiten.

Manche werden sich einbilden, daß dieses ein Gegenstand sey, über den ein Kapuziner nicht leicht etwas sagen könnte; allein das können nur solche Leute seyn, die nicht wissen, daß von allen heiligen Orden keiner soviel bey Hochzeiten zu gegen ist, als eben jener der Kapuziner, und daß selten in einem noch ächt alten katholischen Hause ein Hochzeitfest gefeyert werde, ohne wenigstens zwey oder vier von unserem Orden dazu einzuladen.

Gemeiniglich weiset man uns den Plaz neben der Braut und dem Bräutigam an, und da kann ich wohl sagen, daß wir oft durch unsre Hochzeit- und andere spassige Aneckdoten, wobey 63 freylich, wenn keine Schindel auf dem Dach waren, manche Zweydeutigkeit mit unterlief, die Seele der ganzen Gesellschaft gewesen.

Aber obschon die Hochzeiten eine so reichliche Quelle von Vergnügen für unsern Orden waren, und noch sind, so soll mich dies doch nicht hindern, einige Misbräuche zu rügen.

Es ist freylich ein grosses Vergnügen, wenn man endlich nach langen Sehnen zu dem Besiz der geliebten Person, oder welches der öfftere Fall ist, zu dem Besitz ihres Vermögens gelangt, und daher ist nichts verzeihlicher, als daß man den Tag, der uns dieses Besitzes versichert, besonders feyre. Nur wünschte ich, daß sich die lieben Weltleute dabey erinnerten, daß Unmässigkeit keine Tugend seye, und daß sie doch durch zügellose Schwelgerey die Spötter nicht auf die Vermuthung bringen mögen, als hielten sie selbst den Tag ihrer 64 Verlobnis für den letzten glücklichen Tag ihres Lebens.

Besonders möchte ich dies der Mittelklasse meiner lieben MitbürgerSeit dem ich den Ordenshabit ausgezogen, glaube ich, ohne mich am päbstlichen Stuhle zu versündigen, die Bürger des Staats meine Mitbürger nennen zu dürfen. ans Herz legen. Es ist doch traurig, wenn Leute, die der Wirthschaft wegen zusammen getretten, ihren Stand mit Unwirthschaft anfangen. Oder soll man es nicht Unwirthschaft nennen, wenn Leute, denen Gott gesunde Füsse gegeben, auch wenn sie nur zehn Schritte zur Kirche haben, sich und den ganzen Anhang von Beyständen, Kränzljungfern, Brautführern, Vettern, Tanten, und andern Verwandten in Fiackern oder wohl gar in Staatswägen einpacken, den Kutschern und sogar den Pferden hochzeitliche Sträuse aufbinden, und dann endlich nach einem ununterbrochenen Schmaus, 65 die ganze Nacht bey betäubender Musick hinbringen, und dieses Leben, wie es noch an vielen Orten üblich, wohl so lang führen, bis der letzte Tropf Wein ausgetrunken, und der letzte Kreuzer aus dem Beutel geflogen ist?

Die Folgen dieser Unmässigkeit sind dann für den Staat und für sie gleich traurig. Mangel und Dürftigkeit werden das kleine Lämpchen von Liebe, das ohnehin im Ehestand nie zu hell brennen soll, bald auslöschen, und beyde Theile werden sich bey dem Anblick einer noch sorgenvollern Zukunft über die begangene Thorheit erst Vorwürfe machen, und dann hassen. Ob aber dem Staat mit einer neuen Familie gedienet seyn könne, die ihre Existenz mit Schulden anfängt, und nach wenigen Wochen aus Dürftigkeit wohl auch den nöthigen Handwerkzeug, und die Betten versetzt, kurz, ob dem Staat mit einem Nachwuchs von Bettlern gedienet sey, ist eine Frage die sich sogar 66 ein Exkapuziner mit Nein zu beantworten getraut. Aber dann möchte er auch nicht vergebens den frommen Wunsch hinzufügen, daß doch dem Luxus bey Hochzeiten, besonders bey Hochzeiten der niedrigen Klassen, durch ein weises Polizeygesez möge Einhalt gethan werden.

Da diese Klassen doch immer mehr als die höhern aus Liebe heurathen, so sollen sie ohnehin nach meiner Meinung das äusserliche Ceremoniel von Freude leichter als die andern entbehren können, und ihr größtes Glück in dem beyderseitigen Besiz finden.

Ihren vertrauten Freunden mögen sie immer ein kleines Mittagmahl geben, auch mögen sie meinethalben einen Kapuziner dazu einladen, nur sollen sie ihren Beutel gut dabey zu Rathe ziehen, und nicht den Endzweck aus den Augen verlieren, wegen welchem sie sich verbunden haben. 67

Daß viele angehende Eheleute nach geendigter Koppulation nach Mariazell fahren, und ihre Hochzeit an einem Gnadenort celebriren, könnte wohl auch ein Misbrauch seyn. Da ich aber die Absicht davon nicht weiß, und sie bey manchen wohl auch andächtig und fromm seyn könnte, so geziemt es mir als Geistlichen nicht etwas hierüber zu sagen, und so schliesse ich dieses Kapitel, das zwar kurz, aber vielleicht immer noch länger ausgefallen ist, als bey vielen die Freuden der Hochzeit währen. 68

 


 

Erklärung des allegorischen Kupfers.

  1. Ein Wirthshaussaal. Die Gäste sizen an der Tafel, und werfen sich mit Zucker.
  2. Ein Spaßvogel wirft einem Herrn statt des Auswurfzuckers eine Semmel zum Kopf.
  3. Dem Bräutigam springt über diesen Spaß vor lachen die reiche Weste auf, die er zu leihen genommen hatte.
  4. Ein Gast nimmt von der Torte einen Blumenkranz herab, den er der Braut aufsetzt.
  5. Die Köchin geht mit einem Teller am Tisch herum, und sammelt Trinkgeld. Einige Gäste machen verdrüßliche Mienen.
  6. Der Wirth nimmt alle bortirte Hüte, und die spanischen Röhr in Verwahrung, um sich vorläufig wegen der Bezahlung zu decken.
  7. Eine Bande Gassevirtuosen kömmt zur Thüre herein. 69

 


 


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