Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Savonarola und die florentinische Republik gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts

Savonarola.

Terracottabüste. Fälschung im Stil des 15. Jahrhunderts, von Giovanni Bastianini (1830– 68). London, Victoria und Albert Museum

Vorrede.

Wenn die deutsche Forschung sich auch auf die Geschichte fremder Nationen erstreckt, so ist der dabei vorwaltende Gesichtspunkt der universalhistorische. Auch in dieser Beziehung mag jedoch ein Unterschied gemacht werden. Nationen und Staatengebilde, wie die von Frankreich und von England, hat man das Bedürfnis, sich in ihrer Totalität zu vergegenwärtigen, immer ohne auf das Lokale und Provinzielle einzugehen, indem man vielmehr die Perioden, in denen sie eine allgemeine Einwirkung ausübten, hervorhebt und deren Motive erörtert.

Mit der italienischen Geschichte verhält es sich insofern anders, als nicht die Nation selbst handelnd auftritt. Die Geschichte des Papsttums ist ihrer Natur nach eine universale; sie hat ein eigenes, von dem rein italienischen gesondertes Interesse. Aber auch die Abweichungen von dem Papsttum haben eine Geschichte in Italien. Die Gegensätze zwischen Staat und Kirche sind daselbst immer vorhanden gewesen und haben zu eigentümlichen Erscheinungen von nationalem Charakter geführt. Die eigentümlichste von allen bildet wohl der Dominikanermönch Hieronymus Savonarola; er machte den Versuch, auf dem Boden der lateinischen Christenheit ohne Abweichung in den Glaubensformen doch der Hierarchie Schranken zu ziehen und eine selbständige Stellung ihr zum Trotz zu gewinnen. Unbedingte Hingebung ist eine Sache der Gewohnheit und des Gemütes, unbedingte Negation meistens leichtfertig und inhaltsleer. Gerade in der Koinzidenz des positiven Glaubens und der Negation der absoluten Macht des Papsttums liegt das Interesse, das Savonarola erweckt.

In allen Nationen hat man sich mit dieser Persönlichkeit, dem Leben und Tod Savonarolas, viel beschäftigt, und es könnte überflüssig scheinen, nochmals darauf zurückzukommen. Wenn ich es dennoch wage, so liegt der Anlaß dazu in den nur wenig benutzten Nachrichten einiger florentinischen Chronisten der Zeit, die eigentlich Tagebücher derselben enthalten, und in den zahlreichen, in unseren Tagen bekannt gewordenen Dokumenten. Es schien mir möglich, mit Hilfe derselben zu einer selbständigen Anschauung der Ereignisse zu gelangen, unabhängig von der Legende der Anhänger des Mönches und den einseitigen Erzählungen gleichzeitiger Schriftsteller. Dabei konnte ich jedoch nicht allein von kirchengeschichtlichen Gesichtspunkten ausgehen, da sich mit der Abweichung Savonarolas von dem Papsttum eine sehr bestimmte politische Absicht verband, der an und für sich eine große Bedeutung zukommt. Als er in Florenz auftrat, war der lebhafteste Widerstreit zwischen einer Tendenz zur Monarchie und den aristokratischen Selbständigkeiten ausgebrochen; der Mönch brachte in ihrer Mitte ein demokratisches Element zur Geltung. Wir gehen von dem Ursprung dieses Widerstreites aus.


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