Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Herkunft des Don Carlos.

Darf man wohl annehmen, daß die Seelen der Menschen, ursprünglich gleich, ihre Verschiedenheiten erst durch das Leben auf Erden empfangen? Unmöglich. Wir sehen Trunkenheit und Wahnsinn forterben; wir lernen nationale Eigenschaften kennen, einzig in einem Volke, von allen anderen abweichend; und niemandem wird der Genius anerzogen. Um das Innere eines Menschen kennen zu lernen, muß man auch nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen, um so mehr, wenn diese etwas so Außerordentliches hat, wie bei Don Carlos von Spanien.

In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, mitten unter besonders reichbegabten Zeitgenossen hatten sich vornehmlich vier Fürsten in aller Welt und für alle Zeiten berühmt gemacht.

Das mittlere Europa ward durch Karl den Kühnen und Maximilian I. nacheinander in Bewegung gesetzt. Karl, zugleich ungestüm und unbeugsam, erlag seinen Plänen. Maximilian, gewandt, unermüdlich, immer neu und frisch, wußte jedes Ungemach von sich zu werfen; wider die Menge und Macht seiner Gegner vielleicht öfter im Nachteil als im Vorteil, erhielt er sich dennoch stets aufrecht. Beide waren mehr durch ungemeine Absichten, als durch glückliche Erfolge ausgezeichnet.

Indessen wurden die alten Richtungen der Staaten der Pyrenäischen Halbinsel nach Italien, Afrika und dem Ozean durch zwei andere Fürsten zu unerwarteten und glänzenden Erfolgen hinausgeführt. Emanuel von Portugal nahm die Kräfte seines kleinen Staates so gut zusammen, daß seine Flotte nie befahrene Meere nicht allein entdeckte, sondern auch ihre Küsten unterwarf; darauf richtete er unausgesetzt sein ganzes Bemühen. Ferdinand der Katholische faßte Europa, Afrika und Amerika zugleich ins Auge. Ruhig sah er um sich her; keine günstige Gelegenheit ließ er sich entgehen. Beinahe alle Zeit mit der Kirche im Bunde erschien er immer gerechtfertigt; langsam schritt er zur Errichtung einer großen Monarchie fort.

Es geschah nun, daß die Geschlechter dieser Fürsten, früher oft feindlich untereinander, im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zu einem oder fast zu einem einzigen wurden.

Philipp, der Enkel Karls des Kühnen, der Sohn Maximilians I., ward mit Johanna, der Tochter und Erbin Ferdinands des Katholischen, vermählt. Neben dem freudigen Philipp, der nur das Glück, das ihm bereitet ist, zu ergreifen braucht, der sein ganzes Lob in Güte, Großmut und Ritterlichkeit sucht, schreitet die Tochter desjenigen, der die Inquisition gegründet hat, düster einher, tiefsinnig, eifersüchtig, melancholisch. Aus dieser Verbindung entsprangen jene denkwürdigen burgundisch-spanischen Naturen, welche, der katholischen Kirche unerschütterlich treu, zuweilen nicht ohne Tiefsinn, häufig verdächtig nach der universalen Monarchie zu streben, lange Zeit der Mittelpunkt fast aller europäischen Bewegungen gewesen sind.

Noch eine andere Vereinigung aber hatte man vor. Schon Emanuel hatte eine Gemahlin aus spanischem Geblüt. Aufs neue ward sein Sohn mit der jüngsten Tochter Philipps und Johannas, Katharina, seine Tochter mit dem ältesten Sohne derselben, Karl vermählt. Aber als sei es daran noch nicht genug, wurde neuerdings Tochter und Sohn Johanns III. von Portugal und Katharinas von Österreich mit Sohn und Tochter Karls V. von Österreich und Isabellens von Portugal verheiratet. Aus beiden Ehen entsprangen Söhne, die letzten aus der portugiesisch-spanischen Mischung des Blutes. Der eine Don Sebastian von Portugal, welcher von früh an heftig und leidenschaftlich, alle seine Leidenschaften endlich den dunkeln Antrieben der Religion gefangen gab und in unbezähmtem Ungestüm das ganze Glück seiner Nation in einem Maurenkrieg wagte, in welchem er unterlag; der andere Don Carlos, Prinz von Spanien, dessen Schicksal wir kennen lernen wollen.


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