Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Beziehung zu den Niederlanden. Digression über die kirchliche Politik Philipps II.

Einen neuen Einschlag in diesem Gewebe der allgemeinen Verhältnisse bildeten die Irrungen in den Niederlanden, die eben in dieser Zeit (1563 und 1564), wenn nicht zu vollem Ausbruch gelangten, doch zu einer Krisis der Politik führten, von der der Prinzipe Don Carlos nahe berührt wurde. Alles beruhte auf dem Gefühl der Selbständigkeit, welches in dem hohen Adel der Niederlande einst unter dem Kaiser erwacht und genährt worden war, was ihn doppelt abgeneigt machte, von Spanien aus sich regieren zu lassen. Der Haß, den sich der Kardinal Granvella, der an der niederländischen Regierung großen Anteil hatte, zuzog, beruhte eben darauf, daß man in ihm den Repräsentanten der spanischen Interessen, nicht der niederländischen erblickte; die geistliche Regierungsweise, die derselbe einzuführen trachtete, fand in den Herren, denen die Gouvernements der verschiedenen Provinzen zugefallen waren, einen systematischen Widerstand, der endlich so weit führte, daß sie sich weigerten, in dem Staatsrat in Brüssel zu erscheinen, solange der Kardinal in demselben Sitz und Stimme habe. Die Statthalterin, Herzogin von Parma, trat zwar dieser Anforderung nicht ausdrücklich bei, aber sie stand doch in zu mannigfachen Beziehungen zu den Herren, namentlich dem Grafen Egmont, Gouverneur von Flandern, als daß sie sich ihnen offen hätte widersetzen sollen; sie meinte zuletzt selbst, die Ruhe des Landes nur dann erhalten zu können, wenn Granvella entfernt werde. Namentlich von Frankreich wurden diese Bewegungen schon damals geschürt; von dem Admiral Coligny zweifelte niemand, daß er der spanischen Macht durch die Förderung des protestantischen Elements, das noch in seinen frischesten Impulsen begriffen war, so viel Abbruch als möglich zu tun suche. Es machte sich bereits in den Niederlanden bemerkbar; Kardinal Granvella lachte auf, wenn ihn die spanische Inquisition bei ihren Untersuchungen gegen die Ketzer um Unterstützung bat, denn nicht mit einem oder dem anderen, sondern mit Tausenden habe er es hier zu tun. Granvella selbst verzweifelte, dem andringenden Sturm zu widerstehen und erklärte sich bereit, das Land zu verlassen, sobald es der König wünsche. Philipp lI. fragte den Herzog von Alba um seinen Rat. Alba war empört über das Verhalten der niederländischen Großen, von denen mancher verdiene, daß ihm der Kopf vor die Füße gelegt werde, er mißbilligte die Entfernung Granvellas; aber der König ließ sich, wiewohl nicht ohne in seiner Weise entschuldigende Vorwände zu suchen, zuletzt doch dazu bewegen. Granvella zog sich nach Burgund zurück, die niederländischen Herren besuchten den Staatsrat wieder. Einen gewissen Zusammenhang hatte das auch mit dem Verhältnis zu Deutschland. Der gemäßigte und den Neuerungen selbst in seiner Seele zugetane Maximilian war damit einverstanden; er meinte wohl, der König würde sich einen großen Anhang in Deutschland sichern, wenn er den Verfolgungen wenigstens gegen die Anhänger der Augsburgischen Konfession Einhalt tue; der Religionsfriede binde ihn zwar nicht; aber es werde gut sein, denselben zu beobachten. Damit würde dann jener Entwurf einer Vermählung zwischen der Erzherzogin und Don Carlos zusammengewirkt haben. Zwar findet sich nicht, daß die niederländischen Herren mit dem Prinzen in Verbindung getreten wären; aber sie sahen in demselben von langer Zeit her ihren künftigen Statthalter. Die Todesgefahr, in der er in Alcala schwebte, hatte besonders deshalb einen politischen Eindruck in der Welt gemacht, weil dadurch auch das Verhältnis der Niederländer berührt werde, deren Wunsch es sei, nicht direkt von Spanien beherrscht zu werden.

Man wird uns erlassen, die Pathologie des Prinzen Don Carlos, die physische oder die geistige, im einzelnen zu registrieren. Im Oktober des Jahres 1565 empfing der König Glückwünsche zur Genesung desselben. Kurz darauf hat Kardinal Granvella dem König geraten, wenn er nach den Niederlanden gehe, den Prinzen mitzunehmen, ihm in den verschiedenen Provinzen den Eidschwur als künftigem Herrn leisten zu lassen, worauf er ein paar Jahre später die Statthalterschaft des Landes würde übernehmen können. Indem aber nahmen die niederländischen Angelegenheiten eine neue Wendung, welche alle Verhältnisse doppelt schwierig machte infolge der kirchlichen Politik des Königs, auf die wir, um die Gegensätze der Zeit in ihrem weiteren Verlauf zu verstehen, näher eingehen müssen.

Das Konzilium von Trient war in einem der Herrschaft des Katholizismus entsprechenden Sinne zu Ende gebracht worden, und es kam nun darauf an, die dort gefaßten Dekrete zur Ausführung zu bringen. In Spanien selbst fand diese Ausführung einige Schwierigkeit. Die Prärogativen der Krone, wir möchten sagen des Staates, schienen in den Dekreten hier und da außer acht gesetzt zu sein. Aber der katholische Eifer, der den König beseelte, hielt ihn von jedem Widerspruche ab; sein Sinn war darauf gerichtet, die Vereinigung der Landschaften, welche sein Reich ausmachte, auf die strenge Handhabung der katholischen Religion zu gründen. Er sah Kastilien bereits als das vornehmste aller seiner Länder an. Leicht entschloß er sich, – denn er müsse ein Beispiel geben, dem die anderen nachfolgen könnten –, zur Annahme der Dekrete, wenngleich sie den weltlichen Interessen nicht durchaus entsprachen. In Spanien selbst ward er durch die Inquisition, welche sich gegen jede Abweichung richtete, dabei unterstützt. Man kann nicht mit Grund sagen, daß Philipp II. die Inquisition in der besonderen Form, die sie in Spanien angenommen hatte, überall habe einführen wollen. In Neapel und Mailand wurde dies unmöglich. Aber allenthalben hielt er an der durch die allgemeinen kirchlichen Gesetze gegründeten kanonischen Inquisition fest, die er in aller ihrer Strenge in den Niederlanden zur Ausführung bringen wollte. Er stieß dabei auf einen Widerstand in der Population, der zugleich von den vornehmen Herren geteilt wurde. Denn schon waren dort die Ideen der kirchlichen Reformation im lebendigsten Fortschritt; von Deutschland, von Frankreich, von England her drangen sie ein. Es war der Kampf gegen ein mächtiges Element der Welt, welchen Philipp durch seine kirchlichen Anordnungen unternahm. Wenn man sich in jene Zeiten zurückversetzt, in denen die Niederlande, noch ungeteilt, dem König aus dem Hause Burgund gehorchten, und sich der kommerziellen und der maritimen Macht erinnert, welche sie besaßen, so war es ein Entschluß, den man politisch nicht opportun nennen konnte, eben an diesem Punkte den großen Gegensatz, der die Welt spaltete, zur Entscheidung zu bringen. Die niederländischen Herren hatten dagegen eine rein politische Einwendung zu machen. Sie hatten schon der Einrichtung der neuen Bistümer widerstrebt, weil sie der Verfassung des Landes nicht entspreche; sie hielten den König nicht für befugt, die Beschlüsse von Trient ohne Beirat der Stände als ein allgemeines Landesgesetz zu verkündigen. Der König sah darin aber seine eigenste Angelegenheit. In Brüssel wurde eine Konferenz von bischöflichen und weltlichen Raten gehalten, in der man kirchliche Provinzialeinrichtungen feststellte, wie sie den Satzungen von Trient gemäß waren. Die Statthalterin verwies die weltlichen Behörden, so gut wie die geistlichen, auf die Beobachtung jener Dekrete. Damit gewann aber die kanonische Inquisition einen neuen Rückhalt; der vornehmste Inquisitor von Löwen, Titelmanus schritt zu Gewaltsamkeiten, die das Land sich nicht gefallen lassen wollte. Wohl bezog sich der König hierbei auf die strengen Verordnungen seines Vaters. Aber man brachte in Erinnerung, daß dieser selbst auf den Rat der damaligen Statthalterin, Königin Maria, von der Inquisition Abstand genommen habe. Die weltliche Gewalt sah darin einen Übergriff der geistlichen. Die Herren erklärten sich mit Entschiedenheit dagegen; hauptsächlich aus ihnen, namentlich den Rittern des Goldenen Vlieses, war der Staatsrat zusammengesetzt, dessen Beschlüssen jedoch durch den geheimen Rat nicht selten Abbruch getan wurde; sie forderten den König auf, die Präeminenz des Staatsrates anzuerkennen, und wurden nicht müde, auf die Berufung von allgemeinen Ständen zu dringen. Daß sie hierbei mit benachbarten Reichen in irgendeine Verbindung getreten seien, davon findet sich keine Spur; sie waren vielmehr ehrgeizig, die Grenzen des Landes nach allen Seiten hin zu verteidigen, Aber innerhalb desselben wollten sie von dem Anteil an der Ausübung der höchsten Gewalt, den sie bereits besaßen, nichts einbüßen. Fast ohne Ausnahme katholisch, wollten sie sich doch nicht die klerikale Macht über den Kopf wachsen lassen. In diesem Sinne sprach sich Graf Egmont, der in den ersten Monaten des Jahres 1565 nach Spanien ging, bei dem König aus. Er wurde von demselben scheinbar sehr gut aufgenommen und erlangte einige besondere Zugeständnisse zu seinen Gunsten; auch die besten Versicherungen in der allgemeinen Angelegenheit. Gegen Ende April 1565 kam er wieder nach Brüssel zurück, nicht ohne ein erhöhtes Selbstgefühl darüber, daß er so vieles erreicht habe; er rühmte sich wohl des Ansehens, das er beim Könige genieße. Philipp II. hatte jedoch mit alledem, was er verlauten ließ, niemals an eine wirkliche Nachgiebigkeit in kirchlicher Beziehung gedacht. Unmittelbar nach der Abreise des Grafen ließ er Befehle an die Statthalterin abgehen, welche eine Verschärfung der Inquisition, damals besonders gegen die Baptisten gerichtet, anordneten. Der Inhalt und der Ton derselben waren den niederländischen Herren gleich unerwartet; ihre Verbindung, die bisher schon immer bestanden, gewann dadurch eine neue Verkittung. Eine Vergrößerung ihrer Autorität im Staatsrat oder gar eine Berufung der Generalstände durften sie nicht erwarten. Allein auch zur Ausführung der königlichen Befehle die Hand zu bieten, waren sie nicht gesonnen. Sie ließen geschehen, daß sich in dem niederen Adel eine Konföderation bildete, welche die Abschaffung der Inquisition und die Ermäßigung der alten Edikte auf ihre Fahnen schrieb. Man sah sie in starken Trupps in Brüssel einreiten und der Regentin eine Bittschrift übergeben, welche diese Forderungen enthielt. Demonstrationen, die nun doch von dem Wege der Gesetzlichkeit weit abwichen, so daß die Regentin die Gouverneure und Herren zu einer Unterdrückung dieser Bewegung auffordern durfte. Sie fand aber eine allgemeine Abneigung bei denselben. Ihre Verbindung, die bisher schon immer bestanden, hatte durch den Lauf der Ereignisse eine neue Verstärkung gewonnen. Sie sagten, sie wollten nicht veranlassen, daß 50-60 000 Menschen verbrannt würden, wie das die alte und noch in Spanien gehandhabte Praxis der Inquisition war; sie bezogen sich wohl auf die Stimmung der ihnen untergebenen Hommes d'Armes, welche nicht dahin gebracht werden könnten, die Inquisition zu unterstützen oder die Predigten zu verhindern. Unleugbar ist, daß sich hierdurch die allgemeine Ordnung, die auf der Übereinstimmung der höchsten Gewalt mit den ausführenden Behörden beruht, auflöste. Ein Bildersturm brach aus, der das Land mit Unordnung und Eigenmächtigkeit erfüllte. Die Statthalterin lag dem König an, die Forderungen, die man machte, zu genehmigen; zwei der vornehmsten Herren, Montigny und Berghes, beide jedoch zögernd, begaben sich nach Spanien, um dem König die Notwendigkeit, die Ordnung durch eine Ermäßigung seiner Befehle wiederherzustellen, einleuchtend zu machen. Die Herzogin sagte wohl, wenn der König nur jetzt nachgebe, so würde er des künftigen Gehorsams durch einen neuen Eid der Treue versichert werden. Der König antwortete, wer den ersten Eid gebrochen, werde auch einen zweiten nicht halten. Dennoch hat er sowohl in seinem Schreiben an die Statthalterin, wie in seinen Audienzen mit Montigny, sich zur Nachgiebigkeit bereit erklärt; er hat in der Tat zugestanden, daß von der Inquisition nicht weiter die Rede sein solle, vorausgesetzt, daß die neuen Bischöfe überall eingeführt würden; er hat ferner die Herzogin aufgefordert, ihm einen anderweitigen Entwurf zur Moderation der Plakate einzureichen; denn einen ersten hatte er abgelehnt; er hatte endlich eine allgemeine Amnestie in Aussicht gestellt. Auf diese Weise wäre dann die Herstellung der Ruhe wahrscheinlich, wenigstens möglich gewesen. Sollte aber der Sinn Philipps II. wirklich dahin gegangen sein? Er hätte dann Konzessionen gemacht, welche er nicht machen zu wollen erklärt hatte, und die seinem kirchlichen Begriff zuwiderliefen. In der Tat waren seine Absichten eben die entgegengesetzten. Am 9. August protestierte er in Gegenwart des Herzogs Alba und einiger Rechtsgelehrten mit einer gemessenen Feierlichkeit gegen die bindende Kraft der der Regentin erteilten Autorisation, den bei den Unruhen Beteiligten Amnestie zu gewähren; denn er habe dieselbe, durch die besonderen Umstände veranlaßt, nicht freiwillig gegeben; im Gegenteil, er behalte sich vor, die Schuldigen zu bestrafen, namentlich die vornehmsten Urheber und Beförderer des Aufruhrs. Man sieht von selbst, was es zu bedeuten hat, daß Alba, der schon immer zu den strengsten Maßregeln geraten hatte, nach den Niederlanden zu gehen bestimmt wurde. Die Gesinnungen des Königs lernt man vollkommen aus den Instruktionen kennen, die er seinem Gesandten in Rom zugehen ließ; er sagte, bei seinem Zugeständnis über die Inquisition hätte er wohl den Papst befragen sollen, aber es sei dazu keine Zeit gewesen, und vielleicht sei es so am besten; denn der Papst allein habe das Recht, die Inquisition zu widerrufen, wie er sie eingesetzt habe. In bezug auf die Moderation der Plakate versicherte er, er werde keine Ermäßigung annehmen, wenn dadurch die Züchtigung der Bösen auf irgendeine Weise gehemmt würde; die Amnestie habe er nur für Vergehungen bewilligt, die gegen ihn selbst begangen worden seien. Er hielt also den kirchlichen Begriff in aller seiner Ausdehnung fest. Er läßt dem Papst sagen, ehe er etwas zulasse, was zum Nachteil der Religion und des Dienstes Gottes gereiche, wolle er alle seine Staaten und hundert Leben, wenn er sie hätte, verlieren. »Ich will kein Fürst von Ketzern sein.« Er wolle, sagt er, die Sache in den Niederlanden beilegen, wenn irgend möglich, ohne Anwendung der Gewalt; denn er sehe wohl, daß eine solche zum Verderben des Landes gereichen werde; aber wenn es nicht möglich sei, werde er dennoch dazu greifen; er werde dann selbst der Exekutor seiner Beschlüsse sein; keine Gefahr, weder der Ruin jener Landschaften, noch der Ruin seiner übrigen Länder solle ihn von dem abhalten, was ein christlicher Fürst zur Ehre Gottes tun müsse. Die Erklärung ist gleichsam ein Programm für die Zukunft der spanischen Monarchie; in den Niederlanden kam der große Gegensatz nochmals zum Vorschein, entweder Unterwerfung unter den katholischen Glauben, oder Anwendung der Gewalt auf jede Gefahr, selbst auf die des Verlustes der übrigen Staaten, aus denen sie sich zusammensetzt.


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