Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Achtes Kapitel.

Koinzidenz der geistlichen und weltlichen Fragen.

Wir sehen, wie sich Savonarola in den inneren Parteiungen behauptete; diese aber hingen doch wieder von den äußeren Beziehungen ab; über allem schwebte die Frage, ob der König von Frankreich nochmals nach Italien kommen werde, eine Frage, welche alle italienischen Gewalten in Spannung hielt. Einst hat der Herzog von Ferrara den Frate um seinen Rat ersucht, wie er sich in den schwierigen Angelegenheiten der Zeit verhalten sollte. Der Frate antwortete, seine Fürbitte werde auch deshalb wirksam sein, weil der Herzog das gute Leben befördere; so möge er nur fortfahren; über die Frage bat er sich Bedenkzeit aus, um erst auf seine Weise eine Inspiration zu erwarten. Ein übrigens geheimnisvoller Brief, den er damals an den Herzog schrieb, läßt sich doch verstehen, wenn man anderweit erfährt, daß er keinen Zweifel hatte, daß der König von Frankreich nach Italien kommen werde. In dem Briefe heißt es, der Freund, d. h. der König von Frankreich, sei kein von Gott Verworfener; vielmehr werde er noch immer imstande sein, große Dinge auszuführen und seine Feinde zu vernichten; es wäre also nicht an der Zeit, denselben zu verlassen; dabei aber sei es doch ratsam, gegen die Feinde eine gewisse List – er will sagen – verstellte Zurückhaltung, zu gebrauchen, um nicht vorzeitig in Gefahr zu geraten; zugleich müsse man einen vertrauten Religiosen an den König schicken, um ihm die Augen zu öffnen. Unerschüttert beharrte der Frate dergestalt bei seiner bisherigen Politik, aber zugleich hielt er diese Gesichtspunkte geheim; unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses gibt er dem Herzog seine Ratschläge. Für die italienischen Verbündeten aber war seine Tendenz doch kein Geheimnis; in den Versammlungen der Abgeordneten der Liga zu Rom sprach man von Rebellen gegen Italien; man bezeichnete damit die Freunde von Frankreich, die Republik Florenz und den Herzog von Ferrara. Die mailändischen Gesandten versicherten, daß der letztere nur aus Rücksicht auf die Florentiner in Freundschaft mit Frankreich bleibe, und durch diese werde in dem König die Absicht genährt, auf eine neue italienische Unternehmung zu denken. Da nun die Partei in Florenz, die sich an den Herzog von Mailand gehalten und eine Hinneigung zur Liga kundgegeben hatte, durch Valori und Savonarola niedergeworfen worden war, so erschienen diese auch als Rebellen gegen Italien und eigentlich als die Führer derselben. Wenn der Herzog von Ferrara zuweilen für ratsam erachtete, zu seiner eigenen Sicherheit mit Venedig sich gut zu stellen, so versäumte er nicht, das bei dem Frate Hieronimo entschuldigen zu lassen, der dann nichts dagegen hatte, aber ihn aufs neue davor warnte, die französische Sache zu verlassen. So fest Savonarola auch an Frankreich hielt, so ging seine Politik doch allezeit dahin, jeden vorzeitigen Bruch mit der Liga in Italien möglichst zu verhüten, und auf das sorgfältigste vermied er den Anschein, als mische er sich in Staatsangelegenheiten, hauptsächlich auch, weil er meinte, man würde ihm das in Rom als Verschuldung anrechnen. Sonst hoffte er noch mit dem Papste in ein gutes Vernehmen zu gelangen, was ihm, wie er einmal nicht ohne mönchisches Selbstgefühl behauptete, um so mehr zur Ehre gereichen werde, da er doch verweigert habe, das zu tun, was der Papst befohlen. Die Verhandlungen zwischen Ferrara und Venedig wurden von den Florentinern nicht gemißbilligt, weil sie dazu führen könnten, auf die eine oder die andere Art Pisa wieder zu bekommen; die Venezianer selbst hatten damals den Vorschlag gemacht, daß Pisa den Florentinern ungefähr auf die Weise unterworfen sein solle, wie Genua dem Herzog von Mailand. Die Florentiner waren weit entfernt, darauf einzugehen; aber sie gaben doch sehr gemäßigte Erklärungen, sie wollten nichts verwerfen, was zur Herstellung ihrer Herrschaft und zur Erhaltung ihrer eigenen Freiheit dienen könne; sie meinten, unter allen Umständen für sich sorgen zu müssen, wenn es auch anderswo, nämlich in Frankreich, mißfalle. Man sieht, mit welcher Vorsicht sie sich betragen, in der Mitte der zwei einander gegenüberstehenden europäischen Parteien; sie trennen sich nicht von Frankreich; sie sind aber auch nicht ohne alle Hinneigungen zu den italienischen Potenzen. Der Vorstellung von der feurigen Rücksichtslosigkeit, die man dem Dominikaner zuschreibt, entspricht es nicht, wenn er zu diesem zweifelhaften Verhalten, so sehr er auch in seiner Seele die französische Sache vorzog, die Hand bot. Auch in den inneren Angelegenheiten war Savonarola zu der größten Vorsicht genötigt. Seine Autorität war immer eine solche, die jeden Augenblick durch die Einwirkungen einer feindseligen Faktion erschüttert werden konnte. Für die Partei, die sich um ihn scharte, bildete es den vornehmsten Gesichtspunkt, in dem großen Rat die Mehrheit der Stimmen so weit zu beherrschen, daß nur ihre Anhänger die Ämter der Signoria, der Dieci und der Otto erlangten – die sechs Bohnen sollten immer auf ihrer Seite sein – und ihre Gegner niederzuhalten. Diesen wollte man keinerlei Vergehen nachsehen, auch nicht ein kleines. Wie bei den Wahlen zu den Ämtern, auf welche alles ankam, verfahren wurde, sieht man aus dem Geständnis von Andrea Cambini; er sagt, bei dem Zusammentreffen mehrerer von ihrer Partei in San Marco sei immer viel davon die Rede gewesen, wer zu der Signoria gewählt werden könne; besonders habe man die besprochen, von denen man gewußt habe, daß sie dem Frate nicht anhängen; man unterhielt sich über die Eigenschaften derselben und bezeichnete die, welche die meiste Bürgschaft zu geben schienen, daß ihre Wahl zum Wohle der Stadt dienen werde. Zu dem, was man Intelligenz nannte und was hoch verpönt war, kam es hierbei nicht, aber doch zu einem gemeinsamen Erwägen des Tunlichen und Vorteilhaften. Zwischen beiden Parteien herrschte die gehässigste Animosität; im Kloster sagte man wohl, die Hunde müßten angekettet werden, wogegen dann die Drohung erscholl, man werde die Brüder im Kloster verbrennen. Hierauf wurden Waffen in das Kloster und die benachbarten Häuser geschafft, obwohl der Freund Valoris, Cambini, wie er behauptet, davor gewarnt hat, weil Unordnungen daraus entstehen könnten. Es geschah, wie Savonarola selbst sagt, nicht zum Angriff, sondern zur Verteidigung.

Die Dieci, die im November 1497 gewählt wurden, gehörten zu den Anhängern des Frate, ebenso die Signoren für die ersten Monate des Jahres 1498, die im Dezember gewählt wurden; der ferraresische Gesandte bezeichnet sie als Männer von guter Herkunft und Geist, beinahe alle wohlgesinnt für den Frate. Gonfaloniere wurde derselbe Jacopo Salviati, der zuerst von den zwanzig Akkoppiatoren auf die durch das Parlament gegebene Berechtigung Verzicht geleistet hatte. Wenngleich die Gegner mächtig, stark und eifrig waren, wie sich das seit den Ereignissen des letzten August nicht anders erwarten ließ, so war doch auch andererseits durch die Entscheidung, die damals erfolgte, die Partei Valoris verstärkt worden, da alle, die an der Verurteilung Anteil gehabt hatten, das Emporkommen der Gegner möglichst verhindern mußten; Valori hat ihre Zahl wohl auf 180 angeschlagen. Savonarola ließ ihm freie Hand, da er die Sache am besten verstehe; die Fratesken hielten sich an ihn, weil durch seine Autorität ihnen dagegen die Ämter zuteil wurden. Auch ihren geistlichen Bestrebungen wurde unter dieser Führung Raum geschafft, was dazu gehörte, die Partei lebendig zusammenzuhalten. Es ist auffallend, daß man, übrigens umsichtig und gemäßigt, doch in dem Verhältnis zu dem Papste alle Rücksicht von sich warf.

Gegen Ende des Jahres 1497 gestattete man dem Frate Hieronimo, der bisher in den engsten Schranken gehalten worden war, wieder einige geistliche Handlungen in San Marco; er durfte eine große Prozession von Kindern veranstalten, die weiß gekleidet und mit Fackeln in der Hand, aus der Kirche hervortraten, um die Piazza San Marco herumzogen und dann wieder nach der Kirche zurückkehrten. Die vorwaltende Partei ließ das geschehen, ohne daß sich die andere dagegen geregt hätte.

Bei weitem mehr hatte es auf sich, wenn man damit umging, dem Frate auch die Predigt selbst außerhalb San Marco wieder zu erlauben, denn darin lag eine offene Widersetzlichkeit gegen die päpstlichen Anordnungen und die im vorigen Juni abgekündigte Exkommunikation desselben. Nicht als ein einfacher Akt des Ungehorsams darf das betrachtet werden; es liegt am Tage, daß damit das ganze System der Kirche angefochten wurde. Die höchste Autorität des Papstes, die Infallibilität desselben, war dabei in Frage gestellt. Eigentlich erst damals trat der Gegensatz zwischen dem Frate und dem Papste in ein Stadium, in welchem er unversöhnlich wurde. Der Moment ist so wichtig, daß wir ihm eine besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Wir folgen hierbei einer Auseinandersetzung, welche Johann Franz Picus infolge einer mündlichen Unterhaltung an den Freund und Gönner des Frate, den Herzog Ercole von Este gerichtet hat, um ihn zu überzeugen, daß derselbe vollkommen in seinem Rechte sei. Das oberste Prinzip ist, daß nur das göttliche Wesen, das auf sich selbst beruhe, von Irrtum frei sei; man hielt daran fest, daß der Sohn Gottes seiner Kirche versprochen habe, bis ans Ende der Tage bei ihr zu sein und sie nicht zu verlassen. Über die Anwendung dieses Satzes aber war man streitig; man unterschied von der Kirche die jeweilige Verwaltung derselben, die keineswegs über allem Irrtum erhaben sei; dem päpstlichen Stuhle komme schlechterdings keine Infallibilität zu; es habe Päpste gegeben, welche selbst dem arianischen Irrtum beigetreten seien. Durch diese allgemeinen Grundsätze bahnte man sich den Weg, um nun auch die von Rom über Savonarola ausgesprochene Exkommunikation für ungültig zu erklären. Man deduzierte, daß das Urteil eines Prälaten über die Untergebenen leicht irrig sein könnte und brachte die Warnungen alter Zeiten, mit der Exkommunikation nicht zu leichtsinnig zu verfahren, in Erinnerung. Auch der Gehorsam, zu dem der Untergebene dem Oberen verpflichtet sei, habe seine Grenzen; wenn der Obere etwas gebiete, was unmöglich ausgeführt werden könne, oder auch, weil es sündlich sei, gar nicht ausgeführt werden dürfe, so sei der Ungehorsam nicht allein keine Verschuldung, sondern ein Verdienst. In diesem Falle aber sei der Frate Hieronimo; denn der Papst habe unmögliche und selbst unzulässige Dinge von ihm gefordert. Besonderer Nachdruck wird hierbei auf das Ansinnen gelegt, daß Savonarola die Kongregation von San Marco, die er von den anderen dominikanischen Kongregationen losgerissen und auf seine strenge Weise ausgebildet hatte, wieder zu denselben zurückführen und sich der alten Provinzialkongregation unterwerfen sollte. Papst Alexander hatte die Trennung, wie wir wissen, anfangs gebilligt, aber nach der Hand die Vergünstigungen wieder zurückgenommen. Man behauptete nun, Savonarola habe in dieser Sache dem Papste unmöglich Folge leisten können, da alle Mitglieder seiner Kongregation entschieden gewesen seien, das nicht zuzulassen; hätte er es aber auch vermocht, so würde er es nicht haben tun dürfen, denn im Vergleiche zu seinen Konventen seien andere Klöster Mördergruben; er habe das sittlich Bessere dem Schlechteren unter keiner Bedingung unterwerfen dürfen. Wenn nun der Papst in einer unmöglich auszuführenden und selbst verwerflichen Sache Obedienz von dem Frate gefordert und dieser sie nicht geleistet habe, so sei nach göttlichem und menschlichem Recht die Exkommunikation, die wegen dieses Ungehorsams über ihn ausgesprochen, null und nichtig; zu einem gültigen Richterspruch gehöre auch, daß der Richter keinen Willkürlichkeiten Raum gebe und von Schuld frei sei; der durch Schuld gebundene könne unmöglich binden und lösen. Einer Absolution bedürfe es in diesem Falle gar nicht, da die Verurteilung selbst ungültig sei; die Verordnung, welche den persönlichen Verkehr mit Frate Hieronimo verbiete, verdiene vollends keine Rücksicht, da das Leben des Frate nicht allein rein von Vergehungen sei, sondern auch zu einem Verdacht keinen Anlaß gebe.

Johannes Franziskus Pikus hat diese Ideen mit großer Belesenheit in den päpstlichen Dekreten und in den Schriften der Kirchenlehrer ausgeführt, immer mit der Versicherung, daß sie mit der wahren katholischen Lehre in keinem Widerspruch seien. Aber daß sie der Praxis der Kirche in dieser Epoche zuwiderliefen und durch die Unterscheidung der Gesamtkirche von der päpstlichen Gewalt die Aussicht auf eine große Umgestaltung der Kirche in bezug auf die Verfassung eröffneten, ist unleugbar; eben das aber war auch die Stellung des Frate Hieronimo. Der Exkommunikation zu widerstehen, war eine Anbahnung der allgemeinen Reform, mit der er umging.

Wenn nun die Hauptkirche der Stadt zu einer Predigt Savonarolas hergerichtet wurde, so kam das zwar einem großen Teile der Einwohner höchst bedenklich vor; aber Savonarola erklärte zur Predigt entschlossen zu sein; wäre die Exkommunikation gerechtfertigt, so würde er sich danach halten, aber sie sei es in keiner Weise, und nur Gott selbst müsse er vor Augen haben, welcher über alle Kreatur gebiete; wenn man ihm sagte, leicht könne das zu einem Ärgernis in der Stadt und zu unruhigen Auftritten führen, so antwortete er, er habe die Gewißheit, daß es nicht der Fall sein werde.

Am Sonntage Septuagesimä (11. Februar 1498) fand nun diese Predigt wirklich statt; Savonarola bestritt aufs neue die Gültigkeit der über ihn ausgesprochenen Exkommunikation; sie sei nur deshalb verhängt worden, um das gute Leben zu zerstören, das er in der Stadt begründet habe; dies aber zuzugeben, laufe gegen das Gesetz der Liebe, er würde dafür von Christus exkommuniziert werden. »Wohin willst du dich wenden,« rief er aus, »zu denen, die vom Papste gesegnet werden und deren Leben eine Schmach für die Christenheit ist, oder zu denen, die vom Papste exkommuniziert werden, während ihr Leben Früchte der Wahrheit bringt und täglich besser wird?«

Diese Worte mußten wohl Eindruck machen in einer Zeit, in welcher eben die Söhne des Papstes eine große Rolle zu spielen anfingen; es war damals, daß Cesare Borgia damit umging, auf das Kardinalat Verzicht zu leisten, um ein weltliches Fürstentum zu erwerben; jedermann war darüber erstaunt und entsetzt. Aber dazu war doch auch das florentinische Volk nicht geneigt, sich mit dem Papst zu entzweien, einmal, weil es die alte Gewohnheit gewesen war, ihm zu folgen; dann auch, weil man den Papst in den italienischen Händeln eben brauchte.

Wir kommen hier auf die allgemeinen Angelegenheiten zurück, welche in den ersten Monaten des Jahres 1498 noch nachhaltiger einwirkten als bisher. Noch lebte Karl VIII.; er sprach unaufhörlich von einer neuen Unternehmung zur Eroberung von Neapel und bereitete sich dazu vor; er wollte diesmal eine italienische Armee ins Feld stellen, wozu er nicht allein mit dem Marchese von Mantua, sondern auch mit den Orsini, Vitelli und selbst dem Prefetto von Rom in Verbindung trat; auch die Florentiner lud er zum Beitritt ein. Im Januar 1498 hat er darüber durch Messer Corrado da Castello Anträge machen lassen. Er ließ sie wissen, daß es nur bei ihm stehe, sich mit Kaiser Maximilian und selbst König Ferdinand zu der neuen Expedition zu verbinden; doch würde es ihm lieber sein, eine solche mit der Hilfe von Florenz allein unternehmen zu können. Es war ihm nicht unbekannt, daß Florenz mit den italienischen Verbündeten über eine Rückgabe von Pisa unterhandelte und diese ihm Hoffnung zu einer solchen gemacht hatten. Messer Corrado stellte vor, daß das doch nicht ohne Bedingungen, die sehr beschwerlich werden würden, möglich sei; namentlich weil die Stadt alsdann keinen Rückhalt an Frankreich finden werde; bei weitem besser würde die Republik für sich sorgen, wenn sie mit Frankreich verbunden bliebe; der König verspreche ihr für diesen Fall nicht allein die Rückgabe von Pisa, sondern auch zur Entschädigung für ihre Verluste eine Erweiterung ihres Territoriums über dessen frühere Grenzen hinaus. Was war es nun aber, was er von den Florentinern verlangte? Er ließ ihnen sagen, Orsini und Vitelli seien in seinem Sold; um sie aber zu befriedigen, möge Florenz ihn mit einer Summe Geldes unterstützen, etwa mit 100000 Dukaten; die Barone würden ihnen dann gegen Pisa zu Hilfe kommen und ihnen überhaupt mit aller ihrer Macht beistehen. Obwohl davon nicht ausdrücklich die Rede ist, so liegt doch am Tage, daß das im Gegensatz mit dem Papste, der mit den Orsini im Hader lag und alle die kleinen Herren im Kirchenstaate zu vernichten trachtete, geschehen ist. Für den Papst war es nun auch aus dieser Rücksicht von höchstem Interesse, Florenz für sich zu gewinnen. Es hat in der Tat eine gewisse Wahrheit, wenn er meint, darauf beruhe die Einheit von Italien; denn wenn die Florentiner Pisa durch die italienischen Fürsten wiedererlangten, so trennten sie sich dadurch notwendig von Frankreich. Auch in dem Verhältnis zur Liga hatte der Papst einen Grund, sich für Florenz zu erklären, denn sehr widerwärtig war es ihm, daß die Liga ihm in dem Kirchenstaate selbst Maß zu geben versuchte; er fand es beleidigend, daß man eine Gefahr darin sehen wollte, wenn er ein paar Kastelle seiner Vasallen in Besitz nehme. Aus diesem Grunde war er gegen die Venezianer, wenn sie ihm vorschlugen, daß Pisa von ihnen und der Liga in Rücksicht auf den Vorteil von Italien in Protektion genommen werden möge. Alexander VI. war vielmehr der Meinung, diese Rücksicht müsse dahin führen, Pisa den Florentinern zurückzugeben, denn die Protektion würde zu vielen Kosten und Ungelegenheiten führen; er wandte sich in diesem Punkte von der venezianischen Politik ab; er meinte, die Einheit von Italien werde besser dadurch hergestellt, daß Florenz Pisa zurückbekomme. So berührte der Zwiespalt in den großen europäischen Verhältnissen nochmals die Florentiner; von beiden Seiten wurden ihnen Versprechungen gemacht, von Frankreich die größeren, aber bei weitem weniger zuverlässigen, da man sich so oft über die Saumseligkeit der Franzosen und die Unzuverlässigkeit ihrer Zusagen zu beklagen gehabt hatte, von dem Papst dagegen eben das, was sie vor allem wünschten, die Wiederherstellung ihres Gebietes und zugleich eine Erleichterung in ihren finanziellen Verhältnissen, während die Franzosen ihnen neue Geldopfer zumuteten. Von dieser unerwarteten Wendung der Dinge wurde nun Savonarola unmittelbar betroffen. Unmöglich konnten die Florentiner mit dem Papste in Verbindung treten, wenn sie den Frate aufrecht erhielten, der sich jetzt offenkundig als sein prinzipieller Gegner aufgestellt hatte, indem er die Gültigkeit der Exkommunikation leugnete und die Kanzel bestieg. Wenn die damalige Signoria dies gestattete, wird das nur dadurch erklärlich, daß sie durch die Predigt ihre Partei zusammenzuhalten und zu verstärken meinte. Aber der Vorgang mußte auch die entgegengesetzten Folgen haben und eine Manifestation des Papstes hervorrufen. Am 26. Februar 1498 richtete Alexander VI. ein Breve an die Signoria, worin er sich aufs neue über den Ungehorsam des Frate beschwert, der dem Verbote zum Trotz zu predigen fortfahre und, obwohl exkommuniziert, nicht allein Prozessionen halte, sondern auch das Sakrament auszuteilen nicht erröte. Papst Alexander VI. fordert die Signoria auf, den Frate unter sicherem Geleite nach Rom zu schicken, wo er aus Rücksicht auf die Stadt gut behandelt, aber verhört werden solle, oder ihn wenigstens festzuhalten und an einem Ort einzuschließen, wo er mit niemand Kommunikation pflegen und Ärgernis geben könne; sollte die Stadt dies nicht tun, so werde er sie mit dem Interdikt belegen.

In den Kirchen wurde nun einer besonderen Anweisung des Papstes zufolge gepredigt, daß es ein schweres Verbrechen sei, den exkommunizierten Frate zu hören; nur denen wurde die Absolution gegeben, welche sich von den Predigten desselben ferne zu halten gelobten. Diese entschiedenen kirchlichen Kundgebungen konnten nun in Florenz nicht ohne Wirkung bleiben; es gab eine Partei, die den Frate unter allen Umständen los zu werden wünschte. Wie genau hing dies alles zusammen! Der Herzog von Mailand, der die Venezianer in Pisa nicht festen Fuß fassen lassen wollte, schloß sich der Meinung des Papstes an; auch er war für die Rückgabe Pisas an Florenz, aber wie wir wissen, nicht an die populare Regierung, die er haßte und zu verachten wenigstens die Miene annahm, sondern unter der Voraussetzung, daß in dem obwaltenden Streit die Primaten die Oberhand behalten würden. Dadurch bekamen diese neuen Antrieb und verdoppelten Mut; und schon hatte sich damals in dem großen Rat eine Partei aus denen gebildet, die seit den letzten Beschlüssen in denselben eingetreten waren und sich dem Frate mit einer kompakten Stimmenzahl entgegensetzten. Hauptsächlich bestand sie aus jungen vornehmen Leuten, welchen die strengen geistlichen Gebote Savonarolas widerwärtig waren. Den Prozessionen der Frateschi setzten sie prächtige Gelage mit der glänzenden Vergnüglichkeit der Fastnacht entgegen, ein Wechsel, der in dem Volke nicht geringes Aufsehen machte. Keineswegs waren sie ohne politische Absichten; Doffo Spini, der alles leitete, erschien als ein Parteiführer, von dem man selbst fürchtete, er sei mit der jüngeren Linie der Medici einverstanden, um einen der Söhne von Pier Francesko zum Herrn von Florenz zu machen. Dagegen aber hielten die Anhänger Savonarolas um so enger zusammen; sie gingen nach wie vor nach San Marco, man behauptet sogar, zahlreicher als bisher, weil sie durch ihre Menge der Signoria zu imponieren hofften. Immer deutlicher stellte sich heraus, daß sie nicht mehr als eine bloß religiöse Genossenschaft angesehen werden konnten; sie bildeten eine politische Partei, die auch deshalb Ansehen erwarb, weil sie Männer von Kopf und Erfahrung in sich schloß. Auch viele von den alten Freunden der Medici, die an der gestürzten Regierung Anteil gehabt, traten ihnen bei; sie hatten nie vergessen, wieviel sie dem Frate verdankten. Manche, die sich von ihm getrennt hatten, kehrten jetzt zu ihm zurück. Unter denen, die seine Predigten besuchten, ist auch Niccolo Machiavelli gewesen, – ein Freund Valoris, aber nicht des Frate; er ist erstaunt, mit welcher Zuversichtlichkeit Savonarola seine Anhänger als die Guten, seine Feinde als die Bösen bezeichnete, denn er wolle die Seinen zu dem bevorstehenden Kampfe stärken. Den Text bildete die Erzählung von Moses, der den Ägypter erschlug; so verhalte sich, sagte der Frate, der Prediger zu den Bösen; er töte sie, indem er ihre Fehler und Verbrechen aufdecke. Savonarola sprach nochmals gegen den Menschen, von dem er vermutete, daß er sich zum Tyrann aufwerfen und ihn, den Frate, vernichten wolle; sollte es mit einem solchen Versuche wirklich gelingen, so werde es damit keinen Bestand haben; aber seine Weissagung, daß Florenz glücklich und in Italien herrschen werde, müsse sich erfüllen; er erging sich dann in einer Invektive gegen die Laster der Priesterschaft und besonders gegen den Papst, den er als den schlechtesten Menschen auf Erden schilderte. Man bemerke den inneren Gegensatz: indem sich in Florenz das Gefühl regte, daß man den Papst bedürfe, griff Savonarola denselben aufs heftigste an.

Und in diesem Augenblick war nun eine Signoria eingetreten, bei welcher von einer Vergünstigung, wie sie der Frate bei der vorigen gefunden, nicht die Rede sein konnte; die Mehrzahl derselben war ihm abgeneigt, der neue Gonfaloniere Popoleschi gehörte zu seinen erklärten Feinden. Aber eine Entscheidung zu treffen, war sie doch bei weitem zu schwach; um das päpstliche Breve zu beraten, berief sie eine große Versammlung, die man die Pratika nannte. Da war nun die Ansicht, daß man sich zwar vom Papste nicht entfernen, aber auch nichts zugeben dürfe, was gegen die Ehre Gottes oder die Ehre der Stadt laufe. Demgemäß antwortete dann die Signoria dem Papste, es sei ihr unmöglich, seinem Befehle nachzukommen, denn Frate Hieronimo habe sich durch seine vortrefflichen Eigenschaften in Florenz so populär gemacht, daß es unmöglich sein würde, ihn anzutasten, ohne eine allgemeine Unruhe hervorzurufen. Man verbarg sich nicht, daß der Papst, der jetzt sehr ungünstig gestimmt war, zu einem Interdikt schreiten könne; aber es gab Leute in Florenz, die das nicht unbedingt fürchteten, weil es dann dahin kommen müsse, daß die Gesamtheit der Bürger sich zu einem Sinne vereinige; hatte sie doch vor zwanzig Jahren einem päpstlichen Interdikt gegenüber zusammengehalten.

Am 7. März trugen die florentinischen Ambassadoren dem Papste die Antwort der Signoria vor; er zeigte eine heftige Entrüstung in Gegenwart der Gesandten und selbst, nachdem sie ihn verlassen hatten, unter den Bischöfen und hohen Geistlichen, die ihn umgaben; er sagte wohl, er verdamme die Lehre des Frate nicht, aber seinen Ungehorsam; suche der Mönch doch nicht einmal Absolution von der über ihn ergangenen Exkommunikation nach, sondern erkläre diese schlechthin für ungültig. Das Interdikt sprach er noch nicht aus, aber die Heftigkeit und Erregung, mit der er redete, machte den Eindruck, daß es unfehlbar folgen werde, wenn man dem Frate weitere Predigten auch nur in San Marco, geschweige denn in anderen Kirchen der Stadt gestatte. Der Papst tat die Unerschütterlichkeit seines Willens in einem neuen Breve kund, in welchem er sich alle fernere Korrespondenz verbat, denn nur noch von Handlungen des Gehorsams wolle er hören; dem fügte er aber noch eine Andeutung hinzu, die in Florenz großen Eindruck machen mußte. In ihrem letzten Schreiben hatte die Signoria ihr Bedauern darüber ausgedrückt, daß der Papst sich um dieser Sache willen von der Förderung ihrer materiellen Interessen, die er ihnen versprochen habe, abwende. Zunächst meinten sie wohl eine Gewährung des Zehnten auf die geistlichen Güter, ohne welche ihr Staatshaushalt nicht mehr in Ordnung gehalten werden konnte. Nach allem, was vorgekommen, kann kein Zweifel sein, daß sich das Versprechen auch auf die Angelegenheiten von Pisa bezog. In dem neuen Breve sagte nun der Papst, in demselben Maße, in welchem sie ihm Gehorsam beweisen würden, werde er der Förderung ihrer materiellen Interessen geneigt sein. Beides nun mußte in Florenz eine große Spannung der Gemüter hervorrufen: die Drohungen, das Interdikt über die Stadt zu verhängen, wenn ihm diese nicht ihren Gehorsam tatsächlich beweise, und das Versprechen, wenn sie das tue, ihre materiellen Interessen zu befördern. Dabei trat nun die Sache Savonarolas so recht in den Mittelpunkt der italienischen Angelegenheiten.

Der Papst hat es immer als eine Selbstverleugnung von seiner Seite angesehen, daß er mit der Stadt Florenz nicht breche, obgleich sie ihn durch den Schutz, den sie einem rebellischen Mönchlein gewähre, beleidigt habe; er war entschlossen, dies nicht länger zu dulden, aber die Interessen der Stadt zu beschützen und zu wahren, wenn sie ihm den Mönch aufopfere. Wie die Dinge in Florenz standen, war das nun aber ein schwer zu erfüllendes Verlangen, denn die Partei des Frate war noch immer im Übergewicht. Von großem Interesse ist es, der Beratung, die nun am 14. März stattfand, wenigstens im allgemeinen zu folgen.

Man muß sich immer gegenwärtig halten, daß die Absicht in Rom und in Mailand dahin ging, die Sache der Republik von der Sache Savonarolas zu trennen, denn der Republik wurde die Wiedererwerbung des Verlorenen und die Grundlage einer guten finanziellen Ordnung von den übrigen italienischen Mächten und vom Papste selbst in Aussicht gestellt, wenn sie sich von Savonarola lossage und die Bestrafung desselben zulasse. Welch eine Anmutung aber war es nun für die Stadt, in der die Anhänger des Frate, welche in seiner Sache die Sache Gottes sahen, eine starke Partei ausmachten.

In den einzelnen Bezirken der städtischen Gonfalonieren war die Frage erörtert worden, hatte aber überall verschiedene Meinungen hervorgerufen. Savonarola fand energische und begeisterte Verteidiger. Auffallend ist, daß dabei von angeblichen Wundern gar nicht und von den eingetroffenen Prophezeiungen nur sehr flüchtig die Rede ist. Die Anhänger des Frate bezogen sich vor allem auf den Inhalt seiner Lehre, welche die besten Früchte bringe und offenbar von Gott stamme, dann aber auch auf seine Verdienste um die Stadt, denn er habe nie irgendeine Mühwaltung gescheut, die ihr zugute kommen könnte; im November 1494 habe man die Erhaltung der Ruhe und die Begründung der Freiheit keinem anderen Menschen als ihm zu danken gehabt; man würde sich der größten Undankbarkeit schuldig machen, wenn man ihn nicht in Schutz nehme; Gott aber hasse die Undankbarkeit; man würde Gott beleidigen und erzürnen, wenn man den Frate preisgebe; er sei das Juwel von Florenz, dem keine andere Stadt ein ähnliches an die Seite zu setzen habe; und der Papst selbst verdamme weder sein Leben noch seine Doktrin; er habe die Exkommunikation doch nur auf fremden Antrieb ausgesprochen und beinahe ein Jahr hindurch die Sache auf sich beruhen lassen; plötzlich habe er seine Meinung geändert und beginne auf die Ausantwortung des verehrungswürdigen und schuldlosen Dominikanerbruders zu dringen. Habe er dazu wirklich das Recht? Man bestreite nicht, daß er der wahre Papst sei; selbst Savonarola habe das nie geleugnet. Jedoch auch ein Papst könne irren, und nur das geistliche Regiment sei ihm anvertraut; diese Angelegenheit aber habe eine sehr weltliche Seite wegen der Wirkungen, welche Savonarola im städtischen Leben hervorgebracht habe; überdies aber: seine Lehre stamme von Gott, dem man mehr Gehorsam schuldig sei als dem Papste.

Hätte diese Richtung die Oberhand behalten, so würde Florenz den Kampf gegen den infalliblen Papst eröffnet haben; im Einklange damit würden die konziliaren Ideen des Frate zur Ausführung gelangt sein, und wenn nur der König von Frankreich sein Wort hielt, so war man nicht allein nicht verloren, sondern man konnte noch auf einen endlichen Triumph hoffen. Aber dazu würde Einmütigkeit aller und eine vollkommene Überzeugung von der göttlichen Mission des Bruders, vornehmlich auch der Mut, die zunächst drohenden Gefahren zu bestehen, gehört haben; denn daß sich die Stadt bei ihrem Gegensatz gegen das übrige Italien in einer unangenehmen und gefahrvollen Lage befand, ist unleugbar. Das Kriegsvolk, das bereits im Nachteile war, forderte ungestüm seinen Sold, den man ihm nicht zahlen konnte; man hatte kein Geld, um auch nur die Festungswerke widerstandsfähig zu halten; von einer vor kurzem ausgeschriebenen Steuer war so gut wie nichts eingekommen; die Feinde waren in Pisa und durchstreiften die Maremmen; das Hügelland würde bei dem ersten Anfall in ihre Hände geraten sein. Und unter diesen Umständen nun ließ der Papst die Florentiner eine finanzielle Bewilligung hoffen, durch welche sie wieder in den Stand kommen konnten, mächtig im Felde zu erscheinen; er bot ihnen selbst seine Vermittlung zur Wiedererwerbung von Pisa an; dagegen forderte er nur, daß sie sich mit dem übrigen Italien gegen die Franzosen vereinigen und den Frate Hieronimo, in dem sich die Verbindung mit Frankreich recht eigentlich repräsentierte, nicht gerade aus diesem Grunde, aber deshalb, weil er dem Papste ungehorsam sei, fallen lassen sollten.

Man darf sich nicht wundern, wenn die Erbietungen des Papstes Eindruck machten und in der Pratika Verfechter fanden. Der vornehmste Sprecher in dieser Richtung war Guid' Antonio Vespucci im Namen der größeren Hälfte des Doktorenkollegiums. Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit der geistlichen Erbauung hob er hervor, daß man die Folgen zu erwägen habe, die daraus entspringen würden, wenn man dem Papste den Gehorsam verweigere. Unser Gesandter in Rom, sagt er, ist beauftragt, den Papst um Bewilligung der Zehnten zu bitten, ohne welche unser Staat nicht mehr bestehen kann, und ihn zugleich in bezug auf die Wiederherstellung dessen, was wir verloren haben, bei gutem Willen zu erhalten; wenn man nun Gnadenerweise des Papstes nachsuche, so dürfe man ihn nicht zugleich beleidigen; den Frate Hieronimo aber in Schutz zu nehmen, halte der römische Stuhl, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, für eine Beleidigung. Wenn man dem Papst in dieser Sache nicht Genugtuung gebe, so werde man gewiß keine Gnaden von ihm empfangen. Und für Rom sei die Sache keine geringe, wie es einigen scheinen wolle, denn die kirchlichen Zensuren, auf die es hier ankomme, seien die besten Waffen des römischen Stuhles; dieser schlage sie sehr hoch an. Wenn gesagt werde, man müsse die Ehre Gottes im Auge haben, so hege auch er diese Meinung, aber der Papst sei Stellvertreter Christi auf Erden und habe seine Gewalt von Gott; dem Papste Folge zu leisten und seine Zensuren, mögen sie nun gerecht sein oder nicht, anzuerkennen, schließe ein größeres Verdienst ein, als den Frate zu verteidigen. Wäre Hieronimo ganz gewiß ein Gesandter Gottes, so würde man denselben in Schutz nehmen müssen; aber das bleibe doch immer sehr zweifelhaft, und dann sei für die Stadt das sicherste, dem Papste zu gehorchen.

Fast noch unumwundener erklärte sich Giuliano Gondi dafür, daß man dem Papste Gehorsam leisten müsse; denn man habe ihm die Obedienz zugesagt; man würde sich eines Treubruchs, ja eines Meineides schuldig machen, wenn man ihm nicht gehorche; aus einem solchen Verhalten könne nichts als Unglück entstehen. Die Florentiner würden als Rebellen gegen die heilige Kirche betrachtet und demgemäß behandelt werden; schon zögerte mancher, seine Waren nach Neapel zu bringen, weil er sie auf diesen Grund hin zu verlieren und vielleicht selbst umzukommen fürchte; der Papst werde der Stadt alles Gute erweisen, wenn diese nur wolle. So bemerkte auch Francesko Gualterotti, der Papst und die italienischen Fürsten seien jetzt geneigt, der Stadt ihre alten Besitzungen wiederzugeben; man müsse sie bei dieser Absicht festhalten.

Aber auf das nachdrücklichste setzte sich Francesko Valori dem allen entgegen; er behauptete, Hieronimo sei ein heiliger Mann, dessengleichen seit Jahrhunderten nicht gelebt habe; man müsse ihn in seinen Predigten gewähren lassen, und unter keinen Umständen dürfe man untersagen, nach San Marco zu gehen, denn das würde gegen die republikanische Freiheit streiten; diejenigen, welche in San Marco unrecht täten, möge man nach dem Gesetz bestrafen, aber nicht im allgemeinen verbieten, dahin zu gehen. Das war eben der Fall, in welchem er sich selbst befand; indem er sagte, er werde sich den Beschlüssen, die man fasse, unterwerfen, warnte er doch davor, dieses Rad am Wagen nicht in Bewegung zu setzen; es könne das größte Ärgernis daraus hervorgehen.

In gleichem Sinne ließ sich Antonio Canigiani vernehmen, Florenz sei eine freie Stadt, der Papst keineswegs Herr derselben; die Stadt dürfe sich ihm nicht unterwerfen. Ein anderer sagte, sie dürfe sich nicht zur Exekution der Beschlüsse des Papstes hergeben und gleichsam der Häscher werden, der den Frate gebunden demselben überliefere. Andere nahmen Anstoß an der Form des Breve, die der Rücksicht, die die florentinische Republik verlangen dürfe, nicht entspreche; die Stadt müsse ihr Ansehen auch dem Papste gegenüber behaupten.

So ganz unvereinbar traten die Meinungen einander gegenüber. Wenn man die doktrinellen Motive in Erwägung zieht, so stand auf der einen Seite die Autorität des Papstes über die gesamte Kirche und auf der anderen die Autorität, die Hieronimo durch sein Wort in der Stadt errungen hatte. Gegen die eine und die andere aber machte man Einwendungen. Die einen behaupteten, daß der Papst irren könne, und daß man ihm namentlich in einer Sache, wie diese, die eine so ausgesprochen weltliche Beziehung habe, keinen Gehorsam schuldig sei. Aber auch auf der anderen Seite erhob man Zweifel darüber, ob Hieronimo wirklich der Gesandte Gottes sei, der er zu sein vorgebe. Auch von den großen Vätern der Kirche, wie Origenes, seien Irrtümer begangen worden; den Engeln selbst werde eine gewisse Inszienz beigemessen; die Anhänger des Frate würden nicht die ersten sein, welche getäuscht würden, wenn ihnen das als Prophetenspruch erscheine, was doch nur Phantasie sei. Man darf behaupten, daß dies von allen der wichtigste Punkt war; denn auch Guidantonio Vespucci meinte, wenn es vollständig sicher wäre, daß man in Savonarola einen Gesandten Gottes vor sich habe, so würde man ihn unbedingt verteidigen müssen.

Wir besitzen ein kleines Buch von Savonarola, in welchem er selbst diese, wie man sieht, brennende Streitfrage erörtert; es ist die Schrift über die Wahrheit der Prophetie, ein Gespräch mit angeblichen Fremden, die ihn zufällig treffen und mit denen er sich unter einer schattigen Platane an einer Wasserquelle niederläßt, um ihnen Auskunft über sich selber zu geben. Nicht schwach sind die Einwendungen, welche er gegen seine göttliche Mission machen läßt. Auch in der Pratika war die Meinung, daß man von ihm betrogen werde, geäußert, aber damit widerlegt worden, daß er dann der schlechteste Mensch sein müsse, während man doch aus seinen Handlungen sehe, daß er ein ganz vortrefflicher sei. In dem Gespräche fügt Savonarola hinzu, er müsse dann auch der dümmste aller Menschen sein: denn durch seine Betrügerei erlange er nichts als Verfolgung und Feindseligkeiten. Er diskutiert auch die andere Frage, ob er nicht betrogen werde oder vielleicht sich selber betrüge; er erörtert, wie schon anderwärts, den Unterschied der Erleuchtung und der gewöhnlichen Erkenntnis durch die Sinne, der jene an Sicherheit nicht das mindeste nachgebe; der Heilige Geist könne nicht mit sich selbst in Widerspruch sein; und davon legt Savonarola die vollste Überzeugung an den Tag, daß der Geist Gottes ihn leite. Er läßt sich einwenden, daß dies nicht bloß durch Geradsinnigkeit des Herzens bewiesen werde; aber er besteht darauf, daß der Beweis in den guten Früchten liege, welche durch seine Predigt hervorgebracht werden; wäre ein dämonischer Einfluß im Spiele, so würde ein solcher verderbliche Folgen haben, aber die Erleuchtung, die er empfange, bestehe in dem Verständnis der Heiligen Schrift, das ihm plötzlich aufgehe, und ziele auf das moralisch Gute in dem privaten sowie in dem öffentlichen Leben. Diese Erleuchtung könne nicht falsch sein, und sie wachse noch alle Tage; von ihr schreibe sich auch her, was er über die Regierung der Stadt verkündigt habe; hätte man das nur alles befolgt, dann würde man sich besser befinden.

In der Pratika leugnete niemand den religiösen Inhalt und den hohen moralischen Wert seiner Lehren und Anweisungen; daß sie aber unmittelbar auf die Gottheit zurückgeführt werden könnten, war die Behauptung nur seiner entschiedenen Anhänger. Dann aber wurde es zweifelhaft, ob man ihrethalben es wagen sollte, dem Papste entgegenzutreten. Nicht übel sagt der letzte Redner Deti, der Streit der Meinungen gelte der Autorität des Papstes und der Verehrung für den Frate; er neigt sich schon an sich dahin, daß es sicherer sei, dem Papste zu folgen, als dem Frate; aber der Beweggrund, welcher die Anhänger des Papstes hauptsächlich bestimme, liege eben darin, daß derselbe zugleich für die Angelegenheiten der Stadt Sorge trage. Bei dieser schroffen Differenz der Meinungen war in der Pratika der Vorschlag gemacht worden, die Streitfrage vor den großen Rat zu bringen, der auch deshalb alles erfahren müsse, weil er das etwa erfolgende Ungemach und die nötig werdenden Leistungen zu tragen habe. Aber selbst die entschiedensten Anhänger Savonarolas drangen nicht darauf; man sah die allgemeine Entzweiung vor sich und glaubte, diese werde noch wachsen, wenn man die Sache dem Consiglio vorlege. Die Signoria zog es vor, noch eine engere Pratika zu berufen von Männern, von denen sie sagt, sie seien das Herz der Republik, unter denen wir Vespucci sowohl, wie Valori finden. Auf den Rat der Pratika wurde beschlossen, den Bruder Hieronimo zu vermögen, von seinen Predigten abzustehen; damit werde man dem Papste genügen; was sonst gefordert worden war, Gefangensetzung und Überlieferung des Frate, wurde als der Republik unwürdig von der Hand gewiesen (17. März 1498). Wenn die Chronisten behaupten, der fernere Besuch von San Marco sei dabei ausdrücklich vorbehalten worden, so gründet sich das wohl nur darauf, daß kein ausdrückliches Verbot dagegen erging. Aber schon darin, daß die Predigten aus Rücksicht auf den Papst in San Marco untersagt wurden, liegt das gerade Gegenteil von den Intentionen Savonarolas, der, wie bemerkt, eben damals die heftigsten Invektiven gegen Alexander und sein Verhalten schleuderte. Die Predigten Savonarolas atmeten die bitterste Feindseligkeit gegen den Papst; die Signorie trat auf die Seite desselben – eine Entscheidung, welche den Betroffenen auf das tiefste erschüttern mußte.

Der Beschluß wurde dem Frate nicht einmal schriftlich, sondern nur mündlich mitgeteilt. »Ist das,« so fragte Savonarola diejenigen, welche ihm die Botschaft brachten, »ist das der Wille eurer Herren?« Sie bejahten dies. »Ich aber«, sagte er, »habe noch einen anderen Herrn, mit dem ich zu Rate gehen muß; morgen werde ich Antwort geben.« Er hatte wohl einmal angedeutet, daß er weder den geistlichen noch den weltlichen Oberen in seiner Predigt verantwortlich sei; allein zu diesem Äußersten wollte er doch nicht fortschreiten. Den andern Tag gab er seine Antwort, indem er sich dem Befehle fügte, den man ihm hatte zugehen lassen. Es geschah in einer Predigt, die er am 18. März hielt; eigentlich sein Abschiedswort, das man nicht ohne Rührung lesen kann. Er sagte, der Gläubige habe sich zuerst an seinen Beichtvater und Pfarrer, dann an seinen Bischof, endlich an den Papst zu wenden; wenn aber diese alle verdorben seien und ihn verlassen, an Christus, den ersten Urheber des Glaubens, und ihm zu sagen: »du bist mein Beichtvater, mein Papst.« Die Autorität der römischen Kirche suche er nicht zu schwächen, sondern zu vermehren. Aber er wolle sich nicht einer Gewalt unterwerfen, die das Gute verfolge und aus der Hölle komme. Oft habe er gedacht, von diesen Dingen zu schweigen und die Sache Gott anheim zu stellen; aber wenn er wieder auf der Kanzel stehe, so könne er sich selbst nicht bezwingen; er fühle gleichsam ein verzehrendes Feuer in seinen Gebeinen und seinem Herzen; er fühle sich ganz erfüllt von dem Geiste des Herrn. »O Geist, du fürchtest keine Person der Welt, du regst Verfolgungen gegen dich selber auf, du setzest die Wellen des Meeres in Bewegung, wie der Sturmwind. Warum ruhst du nicht? Gott ist Herr und Meister, der die Werkzeuge zu seinem Zwecke anwendet und sie beiseite wirft, wenn er ihrer nicht mehr bedarf, wie einst Jeremias, welcher gesteinigt wurde. So wird auch uns geschehen, wenn er uns gebraucht hat.« Indem er erklärt, dem Befehle der Signoria nachkommen zu wollen, spricht er die Zuversicht aus, Gott werde ihm eine Hilfe senden, durch welche die Bösen ihren Besitz und ihr Leben verlieren. »O Gott, ich bitte dich, die Erfüllung deiner Verheißung nicht länger zu verschieben.« Savonarola hatte oftmals auf eine übernatürliche Bestätigung seiner Lehren provoziert, und diesen Sinn verrät auch seine letzte Predigt; aber zugleich auch die Besorgnis, daß Gott ihn, nachdem er seine Dienste geleistet, zugrunde gehen lassen könne, wie einst die alten Propheten. Wenn irgendetwas, so beweisen die letzten Worte seine innere Wahrhaftigkeit.


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