Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Sechstes Kapitel.

Einwirkungen der europäischen Verhältnisse.

Großartig ist die Erscheinung Savonarolas auch darum, weil sie an die höchsten allgemeinen Interessen anknüpft. Was hätte für die Kirche wichtiger sein können, als ein Einhalt der hierarchischen Gewalten auf dem verderblichen Wege der Verweltlichung? Einen ewig denkwürdigen und vielleicht notwendigen Gegensatz bilden Papst Alexander VI., der sich über jedes Sittengesetz hinwegsetzt und die apostolische Gewalt zum Vorteil seiner Kinder ausbeutet, und dieser Frate Hieronimo, der alles kirchliche und politische Leben dem Sittengesetz und der geistlichen Disziplin zu unterwerfen den Versuch macht. Auch für die bürgerlichen Verfassungen hatte es eine universale Bedeutung, daß Savonarola es unternahm, der Tyrannei gewaltsamer Machthaber durch die Autorität der Berechtigten ein Ende zu machen. Überdies aber kam er mit den großen politischen Entzweiungen der europäischen Mächte in Kontakt. Im August und September 1495 waren die italienischen Staaten, ausgenommen Ferrara und Florenz, gegen den König von Frankreich vereinigt; die Einheit von Italien war nicht ganz vergessen; auch der Papst brachte sie in Erinnerung, und in Florenz fehlte es nicht an aller Empfänglichkeit dafür. Aber unmöglich konnten die Florentiner sie in einem Moment ergreifen, in welchem sie zum Kriege gegen Frankreich geführt hätte, denn der florentinische Handel beruhte hauptsächlich auch auf Friede und Freundschaft mit Frankreich; man zählte die Summen zusammen, die man alle Jahre daselbst gewann, und die man um so weniger entbehren konnte, da alles andere Gewerbe stockte. Zum Teil auf die alte Anhänglichkeit an Frankreich gründete sich die Autorität Savonarolas; das ganze System seiner Ideen schließt sich an das Bündnis mit Frankreich an, an welchem er mit unbedingtem politischen Vertrauen und selbst religiöser Zuversicht festhielt.

Auch in seinen Predigten sprach er gern von dieser Allianz und dem glücklichen Erfolg, den Florenz von derselben erwarten dürfe; man wende zwar ein, das hänge alles von dem Leben und Tode eines kleinen Mannes ab, denn man kannte Karl VIII. persönlich in Florenz. Savonarola sagt, er habe diesem Fürsten alles vorausverkündigt, was ihm begegnet sei, da er sein Gelöbnis, die Kirche zu reformieren, aus den Augen gesetzt und auch andere Versprechungen nicht gehalten habe; Karl VIII. sei dafür bestraft worden; den Rückzug des Königs, selbst den Tod des Dauphins leitet Savonarola davon ab; aber er hofft noch, daß der König auf den guten Weg zurückkehren werde; wo nicht, so werde Gott ihn umbringen und sein Reich einem anderen verleihen; auch mit dem Tode des Königs würde die Sache nicht verloren sein; Gott werde andere erwecken, um sein Werk durchzuführen; und dann auch den Florentinern wieder ihren alten Besitz verschaffen, nicht durch ihre Vorkehrungen, sondern durch seinen Willen. Er sprach das aus in dem Augenblicke, als die Ligua gegen Frankreich und Florenz immer mächtiger wurde und in der Stadt selbst eine Partei sich regte, welche auf eine Veränderung der Verfassung ausging und mit dem Herzog von Mailand in Verbindung stand. Savonarola ruft ein heftiges Wehe über sie aus. Für ihn ist der Kampf gegen die äußern und inneren Feinde ein und derselbe; den inneren Feinden, von denen die von ihm eingeführte Ordnung der Dinge bekämpft werde, kündigt er schweres Unglück an, wenn sie sich nicht bekehren würden; er ermahnt seine Freunde, d. h. die Gutgesinnten – denn andere Freunde habe er nicht – für die Bösen, d. h. die Schlechtgesinnten zu beten, damit sie sich bekehren; auf Menschen mögen sie sich dabei nicht verlassen, sondern bloß auf Gott. Er versichert, daß seine Sendung eine unmittelbar göttliche sei und sich auf Italien überhaupt und auf die ganze Welt beziehe, denn Florenz, sagt er ein andermal, sei die Stadt Christi, an sich freilich nicht mehr, als andere Städte, aber dadurch bevorzugt, daß sie das Licht und die Wahrheit besitze; man könne ihn umbringen, aber die Stadt werde dann zugrunde gehen und Gott andere Männer erwecken, um seinen Willen zu erfüllen.

Savonarola hat sich, wie bemerkt, die Propheten des Alten Testamentes zum Muster genommen; wie andere in den großen Gestalten des klassischen Altertums, so lebte er in den Erscheinungen der Zeiten der Richter und Könige in Juda; auch hatte er wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit den alten Propheten, in den Feinden, die ihm widerstrebten, und den Beschwerden, die er duldete. Eben mit ihren Ausdrücken bekräftigte er seinen Anspruch. Dabei bewegt er sich doch auf dem Boden der christlichen Weltanschauung; die Lehren des Neuen Testamentes sind ihm allezeit gegenwärtig; er sucht die Kirche auf ihren ursprünglichen Begriff zurückzuführen, die unbedingte Hingebung und Wohltätigkeit der ältesten Gemeinden. Durchdrungen von diesen Impulsen ältester und echtester Religiosität hat er sich von dem Gedankenkreis der römischen Kirche nicht losgerissen, wie er denn an den Vorstellungen über das Jenseits, der Verehrung der Jungfrau, an dem enthusiastischen Glauben an die Engel und das himmlische Heer und ihrem Einfluß festhält; – auch zieht er das Zölibat der Ehe, auf welcher doch die menschliche Gesellschaft beruht, unbedingt vor; in manchen seiner Äußerungen hat man selbst den Verdammungseifer der Inquisition, die eben durch seinen Orden geübt wurde, wiederzufinden geglaubt. Nur gehörte er nicht der papistischen, sondern der konziliaren Richtung an, für die er durch die Reform, die er einführte, Grund und Boden zu finden hoffte. In dieser Mischung von Prophetentum, altchristlicher Erinnerung und hierarchischen Vorstellungen ist er vielleicht einzig; er ist ein Reformator, der die Kutte nicht abwirft; auch als das, was er ist, Klosterbruder, glaubte er dem Papsttum widerstehen zu können. Wie die Reformatoren der folgenden Epoche, verbindet er Politik und Predigt.

Im Frühjahre 1496 war es noch einmal die ernstliche Absicht König Karls VIII., nach Italien zurückzukommen; er meinte, die Fehler zu vermeiden, die er früher begangen, von denen doch wohl der vornehmste in seiner Allianz mit dem unzuverlässigen Lodovico Sforza bestand. Eben gegen diesen war jetzt seine Absicht vornehmlich gerichtet; in Oberitalien stellte er demselben den kriegsgeübten Johann Jakob Trivulzio entgegen, den geschworenen und mächtigen Feind Lodovicos; die meisten der kleinen Dynasten waren in seinem Bunde; vor allem zählte er auf die Stadt Florenz, die er auch deshalb nicht entbehren konnte, weil alle die anderen seiner Besoldung bedurften, die Florentiner aber nicht. Savonarola sprach die Überzeugung, daß der König herbeikommen werde, mit erneuertem Nachdruck aus, das Schwert werde nicht länger mehr in der Scheide bleiben; gezückt und bloß werde es die Gegner in ganz Italien züchtigen; Florenz dürfe sich nicht vor den Nachbarn und ihrem üblen Willen fürchten; Gott werde dieselben nicht allein verderben, sondern auch einen Teil ihrer Besitztümer in die Hände der Florentiner bringen. Allein auch diesmal kam der König nicht. Der Herzog von Orleans, der jetzt der nächste Thronerbe geworden, trug Bedenken, das Reich zu verlassen; er lehnte die Unternehmung gegen Mailand ab; die Versuche Trivulzios scheiterten an all den verschiedenen Punkten, wo sie unternommen wurden. Überdies aber, die großen Angelegenheiten der Welt lagen nicht mehr günstig; die Absicht des Königs von Frankreich, Neapel zu erobern, war in einem Augenblicke durchgegangen, als das spanisch-aragonische Haus in sich selbst entzweit war. Jetzt aber war es nicht allein wieder vereinigt, sondern der König von Aragon, Ferdinand der Katholische, brachte ein allgemeines Bündnis gegen die französischen Übergriffe zustande. Dieser Verbindung gehörte vornehmlich das Haus Burgund an, denn eine Erhebung von Burgund war es, was den König Karl abhielt, ein neues Unternehmen auf Neapel, wozu er alles vorbereitet hatte, ins Werk zu richten. Und noch eine andere Wirkung auf Italien hatte diese Verbindung: Kaiser Maximilian, der ihr zugehörte, ließ sich überreden, mit Venedig und Mailand im Bunde, nach Italien zu kommen, um die Freiheit von Pisa auf immer festzustellen; er hoffte dabei, die alte Oberhoheit des Reiches wieder zur Geltung zu bringen. Wenn der Mailänder Geschäftsträger Briefe Savonarolas, welche aufgefangen worden seien, vorwies, in denen dieser den König Karl zu baldiger Rückkehr auffordert, so nahm die Signoria daran wenig Anstoß, denn eben dahin gehe auch ihre Gesinnung; ihre Hoffnung sei, ihr verlornes Gebiet durch Hilfe von Frankreich wieder zu erhalten. Der Kampf zwischen Österreich und Frankreich wurde nun ein entscheidendes Moment für die Florentiner. Ein mailändischer Gesandter kam nach Florenz, um die Bürger zu ermahnen, sich dem Kaiser zu unterwerfen; auch fand er Eingang bei einigen der Großen, welche eine Veränderung der Verfassung gewünscht hätten. Schon immer war behauptet worden, die Gegner Savonarolas seien mit dem Herzog von Mailand einverstanden; aber die Signoria ließ sich davon nicht fortreißen. Sie wußte ihr Heer zwischen Pisa, wo der Kaiser bereits eingetroffen war, in bessere Ordnung zu bringen und gut aufzustellen; hauptsächlich verstärkte sie die Besatzung in dem Schloß von Livorno, auf welches in diesem Augenblick alles ankam, denn in dem Hafen lagen viele ihrer Schiffe, welche noch reiche Ladungen bargen, deren Verlust nach dem allgemeinen Urteil sie genötigt haben würde, sich dem venezianisch-mailändischen Heere, das der Kaiser anführte, zu unterwerfen. Die Lage war um so drückender, da es an Lebensmitteln fehlte, mit denen man nur durch eine Zufuhr von Marseille nach Livorno versehen werden konnte. Aber die Hauptsache lag doch immer darin, daß die Gegner Savonarolas ihr Haupt gewaltig gegen ihn erhoben; irgendein großer Unfall hätte ihnen das Übergewicht verschafft und das Werk seiner Hände oder vielmehr seiner intellektuellen und moralischen Anstrengungen, das er für göttlich hielt, zunichte gemacht. In dieser Krisis bestieg der Frate am 28. Oktober 1496 noch einmal in Sta. Maria del Fiore die Kanzel. Es ist wohl der Mühe wert, von der Predigt, die er hielt, einen Auszug einzuschalten, da man daraus seine ganze Art und Weise prophetischer, sittlicher und politischer Anmahnungen kennen lernt. »Ich sage,« so hob er an, »daß eine große Züchtigung nahe heranrückt; ich habe ein Geheimnis, das ich um eurer Sünden willen euch nicht völlig eröffnen kann; doch will ich euch zuletzt ein Wort davon sagen; wer es zu verstehen vermag, verstehe es; genug, daß ich die Wahrheit besitze. Die Bösen verursachen dein Übel, nicht allein ein äußeres, sondern auch ein inneres; die Wurzel des Übels ist in dem Innern zu suchen. So wurzelt der Schaden eines Apfels in seinem Innern; Gott will jetzt das Messer nehmen, um den Schaden in diesem Apfel wegzuschaffen. Bist du klar darüber? Es ist mir klar, daß Gott das Gehirn Italiens auf Irrwege führt; viele werden sich betrogen sehen. Hast du nicht erlebt, daß jemand auf den Markt geht, um ein Geschäft zu machen, und wenn er dort ist, macht er ein anderes? So versichere ich dich: jene anderen verstehen die Wege Gottes nicht; Gott erleuchtet sie nicht, denn sie sind böse. Mein Sohn, wende dich rückwärts; ich habe Mitleid mit dir, weil ich dich auf einem schlechten Wege sehe, und werde Gott für dich bitten; aber ich fürchte, es wird schwer sein, diesem Sturm zu begegnen. Du weißt, wie oft ich dir die jetzigen Bedrängnisse vorausgesagt habe. Wie oft habe ich dich erinnert, Vorräte zu sammeln. Jetzt wäre es gut, das getan zu haben, denn die Teuerung wird groß. Du wirst mir sagen, ich hätte mich früher deutlicher aussprechen sollen, dann würdest du es verstanden haben; ich antworte dir, die göttlichen Dinge werden nicht anders ausgesprochen. Jetzt mögen sich die Armen an Gott wenden; er wird sie nicht vor Hunger sterben lassen. Ihr Guten, fürchtet euch nicht! denn wenn die Bedrängnisse groß werden, wird Gott die Berge in die Tiefe des Meeres werfen. Das Meer bedeutet die bewaffneten Heerscharen, die Berge sind Engel und Heilige, auch die Prediger sind es; die wird Gott dem Meere entgegensetzen, so daß die Wogen sich an ihnen brechen und die kleinen Fahrzeuge, die im Meere sind, nicht untergehen. So ist einst Jerusalem durch die Engel vor dem Heere Sanheribs gerettet worden, und Gott hat zu diesem gesprochen: »Kehre um!« Fürchtet euch nicht, ihr Guten, denn die Berge dienen zu eurem Schutz; aber gegen die Bösen ist Gott, sind die Heiligen und der Himmel aufgebracht. Gott hält seine Hand über dieses Werk, er hat diese Regierung gegeben, zugunsten der Guten und zur Förderung der geistlichen Wohlfahrt. Die Guten werden sich dessen unter allen Umständen erfreuen, aber auch weltliche Wohlfahrt werden sie haben, die ihnen vergönnt sein wird, hauptsächlich um die geistliche Wohlfahrt aufrecht zu erhalten. Das wahre Florenz, das sind die Guten; die Bösen haben keinen Anteil daran, sondern sie müssen sich fürchten. Du mußt kein Vertrauen auf die Menschen haben; jener Mann, der nicht getan hat, was er versprochen, hat dafür Züchtigungen empfangen und muß noch mehrere erwarten, wenn er seine Pflicht nicht tut. Nehmet an der bevorstehenden Prozession teil, bittet Gott, uns von der großen Gefahr zu befreien. Und nun sage ich das Wort, von dem ich eine Andeutung machte: wenn wir eine Einigung treffen, so bin ich sicher, wir werden den Feind verjagen, und ich will selbst mit einem Kruzifix in der Hand ihm entgegengehen.« Der Prediger erinnert die Zuhörer an die Vorgänge bei der letzten Anwesenheit des Königs von Frankreich; nur durch ihn, den Frate, seien sie damals errettet worden; so werde es auch diesmal geschehn. Die jetzigen Bedrängnisse leitet er davon her, daß man die guten Gesetze, die er vorgeschlagen, nicht habe annehmen wollen. »Florenz, du hältst mich für einen Propheten; solltest du aber jemals dir einen Herrn geben, so wisse, daß er ein schlechtes Ende nehmen wird, er selbst und du.« Wie diese, so sind auch seine anderen Predigten immer voll von Verheißungen gegen den äußeren Feind und von Drohungen gegen die inneren Widersacher. Auch diesmal bewährten sich die ersten über alles Erwarten; bei jener Prozession, die er empfohlen hatte, bei der man ein wundertätiges Marienbild in der Stadt herumtrug, ereignete sich, daß ein Kurier ihr begegnete mit einem Ölzweig in der Hand, der die Ankunft französischer Schiffe meldete, welche einige Mannschaften, deren man eben bedurfte, und große Vorräte von Korn herbeigebracht hatten. Livorno war gerettet; die Streitkräfte konnten sich nun wieder gegen Pisa wenden. »Ich habe nicht gesagt,« so ließ sich Savonarola vernehmen, »daß ich Pisa in meiner Hand hätte; aber ich habe gesagt, du Florenz hast es in deiner Hand. Denn ich habe gesagt, deine Begnadigungen sind in meiner Hand; aber du mußt sie dir durch ein gutes Leben aneignen; insofern steht Pisa in deiner Hand.« Aufs neue richtet er sich gegen die Bösen, durch welche das Feuer, das in Italien aufgegangen, geschürt worden sei, und verkündigt ihnen Unheil.

Zur Wiedererwerbung von Pisa kam es nun zwar noch nicht; aber Kaiser Maximilian ward doch bewogen, den Angriff auf Florenz aufzugeben und nach Deutschland zurückzugehen. Was ihn dazu vermochte, waren allerdings die Unzuverlässigkeiten seiner italienischen Verbündeten; aber dazu kam noch eine Rücksicht auf das Deutsche Reich. Der Reichstag in Lindau nahm eine für die Autorität des Kaisers sehr bedrohliche Wendung; indem Maximilian gleichsam als Kondottiere an der Spitze mailändischer und venezianischer Völker das Ansehen des kaiserlichen Namens in Toskana herzustellen gedachte, lief er Gefahr, die Autorität, die er noch wirklich besaß, in Deutschland zu verlieren. Man wird hier nochmals inne, wie nahe die florentinischen Verhältnisse mit den universalen zusammenhängen; eine Regung burgundischer Gesinnung hielt König Karl in Frankreich fest; die Regung reichsständischer Ideen dagegen nötigte Maximilian, nach Deutschland zurückzukehren.

Wenn nun dergestalt die großen Mächte von unmittelbarem Eingreifen zurückgehalten wurden, so blieb die Sache von Florenz um so mehr eine toskanische und italienische Angelegenheit, immer jedoch mit der Maßgabe, daß Florenz an seinem Bündnis mit Frankreich festhielt, da die übrigen italienischen Staaten in einer Allianz gegen Frankreich begriffen waren.

Die Autorität des Frate war durch den Gang des Ereignisses aufs neue mächtig angestiegen, denn die Umstände, welche die Rettung aus schwerer Bedrängnis herbeigeführt hatten, sah man als ein göttliches Mysterium an, durch welches die prophetische Mission desselben bestätigt werde. Bei alledem hatte es die größten Schwierigkeiten, das populäre Regiment aufrecht zu erhalten. Der Frate ließ sich im großen Consiglio eine Kanzel errichten, um zu einem sittlich guten Leben und zur Bestätigung der von ihm vorgeschlagenen Reformen, besonders in bezug auf Frauentracht und Kinderzucht zu ermahnen; auch brachte er manche bei der Magistratur vorgekommenen Unordnungen zur Sprache. Und so weit kam es nun wohl, daß Statuten in seinem Sinne gemacht wurden; allein bei dem letzten Schritt traten wieder Anstände ein; die Signorie trug Bedenken, sie zu publizieren. Wenn dann die Unternehmungen nicht so gingen, wie man wünschte, so sah Frate Hieronimo den Grund der Unfälle darin, daß man seine Anordnungen nicht befolgt habe; käme der König von Frankreich nicht, so würden andere kommen, um Italien und den Papst zu geißeln; wolle man sich nicht freiwillig zu einem guten Leben entschließen, so werde man mit Gewalt dazu gezwungen werden. Besonders beklagt er sich über die Signoren, die in seine Vorschläge nicht vollständig gewilligt hatten, und wiederholte, daß ja das Volk der Herr sei; es brauche sich nur zu erheben und zu erklären, es wolle; er erging sich in heftigen Exklamationen über den Widerstand, den er im Palast, d. h. bei der Signorie finde und in ebenso feurigen Beteuerungen der Wahrheit dessen, was er sage; er sprach selbst aus, daß der kein guter Christ sein könne, der ihm nicht glaube. Noch in stärkeren Ausdrücken wiederholte das sein eifrigster Anhänger, Fra Domenico da Pescia; er hat vernehmen lassen, Land und See und selbst die Himmel würden eher vernichtet, als die Lehre Savonarolas umgestoßen werden; Cherubim und Seraphim, die heilige Jungfrau und Christus selbst würden eher zugrunde gehen.

Mit dem Übergewicht, das diese Richtung genommen, hing es zusammen, daß der Karneval von 1497 den Charakter der mönchischen Reform noch stärker trug, als der vorhergegangene; es war eigentlich ein Triumph der fratesken Doktrin. An die Stelle der lärmenden Vergnügungen und Unregelmäßigkeiten dieser Tage traten Prozessionen nicht allein von Kindern, wie im vorigen Jahre, sondern auch von Erwachsenen von beiden Geschlechtern, welche in weißen Kleidern mit roten Kreuzen, geistliche Lieder singend, einherschritten. Man hatte in den Häusern um Überlieferung der Gegenstände des eitlen Luxus und der »Fluchwürdigkeit« gebeten. Damit wurden Bücher von moralisch anstößigem Inhalt verstanden, wie auch Bildwerke, namentlich Gemälde, die zur Unzucht anreizen konnten; sie wurden auf dem großen Platz in Form einer Pyramide aufgestellt und unter dem Freudengeschrei der Menge den Flammen übergeben. So hatte Savonarola schon früher die Gläubigen aufgefordert, ihm die Bücher zu bringen, die gegen den Glauben seien; er wolle sie Gott zum Opfer verbrennen; er bezog sich dabei auf St. Paul und St. Gregor; von dem letzten werde man freilich sagen, er sei ein Narr gewesen; wolle Gott, es gebe viele solche Narren. Es ist immer behauptet worden, daß da auch manches treffliche künstlerische Werk zugrunde gegangen sei; in welchem Umfang dies geschehen ist, wagen wir nicht zu entscheiden; aber zur Herrschaft kam der Gedanke, der das Kunstwerk und selbst die Poesie nur nach ihrem moralischen Inhalt schätzt; man hat den Morgante Maggiore und Boccaccio verbrannt, freilich ohne sie zu vertilgen; aber Kunstwerke ließen sich absolut vertilgen. Daß es so weit kommen konnte, dazu gehörte auch ein einverstandenes Gonfalonierat, wie das damalige.


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