Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Anteil an der Staatsverwaltung. Vermählungspläne.

Der König beschloß, dem Prinzen mehr Freiheit und einen gewissen Anteil an der Regierung zu gestatten. Es war um die Zeit, daß derselbe in das zwanzigste Jahr trat, und auch dies mag ein Grund dazu gewesen sein. Zuerst führte Philipp seinen Sohn in den Staatsrat ein, in welchem zwar keine Beschlüsse mit entscheidendem Votum gefaßt, aber doch die wichtigsten Beratungen vorgenommen wurden; als wollte er zeigen, welche Selbständigkeit er ihm lasse, verließ er nach vollbrachter Einführung selbst den Rat.

Danach gab er ihm einen eigenen Hofhalt und richtete für ihn einen Hofstaat ganz nach burgundischer Weise ein. Die drei oberen Würden desselben, Kammern und Marstall, wurden ihm zuerteilt. Mit der Bevormundung schien es aus zu sein.

Auch wir sehen mit Vergnügen günstigere Gestirne über ihm erscheinen. Nachdem er zuerst in den Staatsrat aufgenommen worden war, zeigte er sich bei öffentlichen Festen ungewöhnlich munter. Man fand, daß er sich gut betrage; Vater und Sohn schienen zufrieden miteinander. Sollten wir uns täuschen, wenn wir hoffen, daß das Gefühl einer wirklichen Tätigkeit, einer entschiedenen Bestimmung ein Gegengewicht wider sein unregelmäßiges Gelüst ein ihm selbst bilden, daß heitere Tage ihm beschieden sein werden?

Ein so guter Erfolg trat nicht ein und konnte es, wohl betrachtet, auch nicht. Mit jener Selbständigkeit war es mehr Schein als Wahrheit.

Der Eintritt in den Staatsrat verschaffte noch lange keinen unzweifelhaften Einfluß. Die entscheidende Macht, welche der ganze Rat nicht hatte, konnte noch viel weniger einem einzelnen Mitgliede zuteil werden. Ein junger Mensch wie Don Carlos war zugegen, um schweigend zu hören, nicht aber selbst zu urteilen. Langweilten ihn nun die Beratungen, oder schien ihm selbst seine Gegenwart eine unnütze Zeremonie, in kurzem blieb er weg. Es mußten besondere Umstände eintreten, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. Wie auch Don Johann aufgenommen worden – er selbst hatte ihn eingeführt – ließ er die Versammlung eine Zeitlang in seinen Zimmern halten, und er zeigte sich ein wenig eifriger. Doch auch das hielt nicht an. Jene ruhige Tätigkeit, welche für die Ausbildung seines Gemütes notwendig war, fand er hier nicht.

Seine Lage war überhaupt mit allzu ungünstigen Umständen verknüpft. Gewiß war für diesen Vater und diesen Sohn notwendig, getrennt zu sein, Nie sehen wir den Prinzen gedeihen außer in der Entfernung von dem Könige. Statt ihm das zu verschaffen, hatte die Einrichtung eines eigenen Hofhalts gerade die entgegengesetzte Wirkung. Der König, der sich an die Gesellschaft seines obersten Kammerherrn Ruy Gomez de Silva so gewöhnt hatte, daß er ihn nicht gut entbehren konnte, gab dennoch demselben das Amt eines Mayordomomayor bei seinem Sohne. Da nun Ruy Gomez zwei Pflichten zu erfüllen hatte und durch die eine an die Nähe des Königs, durch die andere an die Nähe des Prinzen gebunden wurde, so war eine Entfernung des Sohnes vom Vater hierdurch unmöglich. Immer finden wir sie zusammen, selbst bei der Osterfeier, selbst in dem Eskorial; Ruy Gomez geht von dem einen zum andern. In dieser Lage kommen die häßlichsten Dinge zum Vorschein; ein unerträgliches Mißbehagen begleitet dies lange Beisammensein.

Von jeher bildete die Zukunft des Prinzipe ein Moment in den dynastischen Entwürfen Philipps II. Indem Carlos heranwuchs, war davon die Rede, ihn mit seiner Tante Donna Juana, der Schwester seines Vaters, welche, wie berührt, eine Zeitlang mit der Verwaltung von Spanien betraut gewesen war, zu vermählen, um dem Königreich für weitere Zukunft hinaus einen eingeborenen Erben zu sichern; die Prinzessin selbst wäre sehr geneigt dazu gewesen. Es liegt aber darin etwas der Natur Widerstrebendes, und Don Carlos wollte sich nicht darauf einlassen. Philipp II. hat immer behauptet, er habe nie daran gedacht; als davon die Rede war, sah man ihn eines Tages in die Gemächer seiner Schwester gehen, um ihr die Unmöglichkeit anzukündigen, ein solches Vorhaben auszuführen; diese verbarg nicht, daß sie davon sehr schmerzlich berührt wurde. Die Absichten Philipps waren nach ganz anderen Seiten hin gerichtet. Er hatte immer gefürchtet, daß König Franz II. von Frankreich durch die Anrechte seiner Gemahlin Maria Stuart auf England veranlaßt werden würde, Königin Elisabeth anzugreifen; er wäre dann genötigt gewesen, – denn Frankreich mächtiger werden zu lassen, würde der burgundischen Politik entgegengelaufen sein, – Königin Elisabeth zu unterstützen, wozu er doch, da er zu großen Anstrengungen für eine fremde Macht hätte schreiten müssen, nicht eben geneigt war. Nach dem Tode Franz' II. trat aber eine entgegengesetzte Kombination ein. Durch die Oheime der Maria Stuart, die Guisen, wurde dem König Philipp der Vorschlag gemacht, seinen Sohn mit Maria Stuart zu vermählen. Und darauf ist er wirklich eingegangen. Sein eigener Gesandter in Wien, der dort über eine Vermählung des Prinzen mit einer Erzherzogin verhandelte, machte den König darauf aufmerksam, daß sein Interesse bei dieser Sache ein viel größeres sei; denn er sei bereits in einer Stellung, daß er der Herr der Welt werden könne. Ihn dahin zu führen, wäre nun nichts geeigneter gewesen, als die schottische Vermählung des Prinzen; sie sollte dazu dienen, die Universalmonarchie vorzubereiten. Man bemerkte, auf der einen Seite seien die Guisen überaus mächtig in Frankreich, so daß eine Verbindung mit ihnen dem König von Spanien für sein Ansehen in Frankreich nützlich sein würde. Auf der andern aber hatte die schottische Königin zahlreiche Anhänger in England, so daß eine Verbindung des Prinzen von Spanien mit der Königin von Schottland in England wie in Frankreich der spanischen Macht einen neuen großen Rückhalt zu gewähren schien. Und in Schottland selbst regte sich diese Idee. Gegen die mancherlei Bewerber um die Hand der jungen Königin konnten mehr oder minder starke Ausstellungen gemacht werden. Gegen die Bemühungen des Erzherzogs Karl um die Hand der Königin wandte man ein, er besitze nichts als seinen Degen und den Vorzug, der Neffe des katholischen Königs zu sein; wie viel besser wäre es, den Sohn desselben auf den schottischen Thron zu berufen. Maitland, Lord Lethington, hat es dem spanischen Gesandten in London, Quadra, vorgeschlagen; der aber wurde von dem König beauftragt, die Sache keineswegs zurückzuweisen. Im tiefen Geheimnis wurden Unterhandlungen über dieselbe begonnen. Aber einmal wurden sie durch den unerwarteten Tod Quadras, welcher alles angeknüpft hatte, unterbrochen; und überdies erklärte sich der Herzog von Alba, dessen Gutachten der König einholte, dagegen. Er fragte, ob Alter und Temperament des Prinzen sich wirklich eigne, ihn mit der Königin von Schottland zu vermählen. Die Aussichten auf den englischen Thron machten den Herzog von Alba nicht gegen die Schwierigkeiten blind, welche eine solche Vermählung herbeiführen würde. England, Frankreich und vielleicht auch der deutsche Kaiser würden dagegen sein. Er gab der Erzherzogin bei weitem den Vorzug. Das vornehmste Motiv, auf die Wünsche des kaiserlichen Hofes Rücksicht zu nehmen, lag in dem Verhältnis zu Frankreich. Auch Karl IX. von Frankreich warb um die Hand der Erzherzogin und schien dabei von den deutschen Fürsten, deren natürliches Interesse seit dem Religionsfrieden in einer weiteren Absonderung der deutschen Linie von der spanischen lag, unterstützt zu werden. Man meinte dann eine Rückgabe der von den Franzosen eingenommenen Landschaften des Reiches erwarten und zugleich eine Lösung des französischen Bündnisses mit der Türkei, welche eben ihre alten Feindseligkeiten erneuerte, hoffen zu können. Zu einer solchen Verbindung durfte es nun aber der König von Spanien nicht kommen lassen. Er wurde von dem kaiserlichen Hofe selbst darauf aufmerksam gemacht, wie viel ihm daran liegen müsse, mit den deutschen Fürsten in einem guten Vernehmen zu stehen, wenn nicht für den Augenblick, doch für die Zukunft. Überhaupt war es eine Grundmaxime des Hauses, sich nicht geradezu entzweien zu lassen. In der brüderlichen Verbindung ihrer beiden Höfe sahen sie einen Moment der beiderseitigen Machtstellung. Man nahm also die Vermählung der ältesten Erzherzogin mit dem Prinzipe von Spanien in bestimmte Aussicht, ohne jedoch die Zeit für dieselbe festzusetzen, wozu die andauernde Schwäche des Prinzen einen vielleicht nicht unwillkommenen Anlaß gab. Gonzalo Perez sagte, in der Natur der Fürsten des Hauses Österreich liege es, sich langsam zu entwickeln, wie das denn auch bei Kaiser Karl V. stattgefunden habe. Man schmeichelte sich selbst mit der Hoffnung, daß von Don Carlos dereinst infolge einer solchen Vermählung eine Erneuerung der spanischen Herrschaft über Deutschland ausgehen könne. Bei dem französischen Gesandten findet sich die Nachricht, die Anforderung sei gewesen, Don Carlos zugleich zum römischen König, Nachfolger Maximilians II. erklären zu lassen. Die Idee der Universalmonarchie wäre dann auch wieder erwacht.

Don Carlos selbst war in dieser Angelegenheit vollkommen entschieden. Er wollte weder von Donna Juana noch von Maria Stuart reden hören; dagegen beschäftigte sich seine Einbildungskraft lebhaft mit der österreichischen Vermählung; die junge Erzherzogin schien für ihn wie geschaffen zu sein. War nun aber über den Hauptpunkt kein eigentlicher Zweifel mehr übrig, so regte sich doch die Opposition von Frankreich sofort wieder, als König Karl IX. um die jüngere Erzherzogin Elisabeth zu werben anfing; denn König Philipp hatte auch für diese bereits einen Bräutigam im Sinne seiner Politik gefunden. Es war der junge König Don Sebastian von Portugal, für den er sich verwandte, und zwar aus einer zwiefachen politischen Rücksicht; die eine lag darin, daß von der Vermählung desselben mit einer französischen Prinzessin, der späteren Königin von Navarra, Marguerite, die Rede war, so daß französischer Einfluß auf der Pyrenäischen Halbinsel Platz gegriffen haben würde, eine Eventualität, welche Philipp II. nicht billigen mochte; die andere war die eben erwähnte Verbindung Frankreichs mit der deutschen Linie des Hauses Österreich. Die Erzherzogin sollte auch deshalb mit Don Sebastian vermählt werden, damit sie mit Karl IX. nicht vermählt werden könne. An dem Hofe in Prag, wo Maximilian II. seinen Sitz aufgeschlagen, war man geneigt, die französische Werbung der portugiesischen vorzuziehen; denn wenn Karl IX. zurückgewiesen werde, so werde er sich nach einer Prinzessin etwa aus dem sächsischen Hause umsehen, was dann diesem Hause eine für Österreich unbequeme Autorität in Deutschland verschaffen würde. Philipp II. versäumte nichts, um diese Erwägungen zu widerlegen, denn eine sächsische Vermählung des Königs von Frankreich sei doch an sich nicht wahrscheinlich und würde, wenn sie zustande käme, dem Hause Sachsen anderweite Feindseligkeiten erwecken; und die deutsche Linie des Hauses Österreich dürfe sich von einer Verbindung mit dem Hause Frankreich keinen Vorteil versprechen; er selbst habe sich mit einer französischen Prinzessin vermählt; er sähe sich dennoch von allen Seiten hin von den Franzosen belästigt und bedroht; ebenso der König von Portugal in dem Augenblick, als man sich mit dem Vorhaben trage, ihn mit einer französischen Dame zu vermählen; wie falsch würde es sein, auf eine Rückgabe der dem Reiche abgenommenen Landschaften zu hoffen, und unauflöslich sei das Bündnis der Franzosen mit den Türken. Diese Ansicht von der Lage der Dinge führte auf die Notwendigkeit der dereinstigen Vermählung des spanischen Thronerben mit der ältesten Erzherzogin; nur dadurch schien Kaiser Maximilian von einer engeren Verbindung mit Frankreich abgehalten werden zu können.


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