Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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Viertes Kapitel.

Einführung einer populären Verfassung in Florenz.

Unter den Verdiensten Savonarolas ist auch von seinen Gegnern immer als das größte anerkannt worden, daß er in den tumultuarischen Zuständen des November 1494 sein ganzes Ansehen dahin verwandte, den Ausbruch von blutigen Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen Parteien, die sonst mit ähnlichen Staatsveränderungen verbunden zu sein pflegen, zu verhüten. Oft hat man gefragt, wohin es gekommen sein würde, wenn er nicht gewesen wäre. Alle seine Ansprachen, Gebete, Predigten atmeten Friede und Versöhnung. Aber er hatte auch positive politische Ideen; er hat immer gesagt, nicht durch eigenes Studium habe er solche erworben, sie seien ihm gleichsam von selbst erwachsen, natürlich auf dem Grunde der eingesogenen Doktrinen des großen Lehrers, den er vor allem verehrte, und unter der Einwirkung der obwaltenden Verhältnisse. Seine Ansichten lernen wir aus einer denkwürdigen kleinen Abhandlung kennen, die von der Regierung überhaupt, besonders aber von der der Stadt Florenz handelt. Er knüpft darin an jenen seinen Meister an, der die Monarchie für die beste Regierungsform erklärt, ohne sich jedoch dabei auf das göttliche Recht der Legitimität zu beziehen. Thomas von Aquino ging von dem Begriff der Gesellschaft aus, welche für die Menschen notwendig ist. An sich würde ein jeder als König unter Gott dem obersten König leben können; aber die Gesellschaft würde zersetzt werden, wenn jeder seinem eigenen Antrieb folgen dürfte; es müsse eine Macht geben, welche die allgemeinen Zwecke der Gesellschaft repräsentiere und fördere. Die beste Form dafür sei nun wohl das Königtum; allein, wenn der König keine allgemeinen, sondern nur seine besonderen Zwecke verfolge, werde er Tyrann; und die Tugendhaften, d. h. die besseren Teile der Gesellschaft seien berechtigt, ihn abzusetzen, sofern ihnen die Macht dazu beiwohne. Auf diese, die er die Besseren nennt, ist seine besondere Aufmerksamkeit gerichtet. Von der Herrschaft der Menge will er schlechterdings nichts hören. Insofern erklärt er sich gegen die Demokratie, mit welchem Worte er bezeichnet, was man sonst Ochlokratie nennt; er leitet sogar das Königtum daher, weil dasselbe die Besseren gegen die große Menge beschütze. Die Lehre nun, daß die Monarchie die beste Regierungsform sei, nahm Savonarola im allgemeinen an; die Begründung derselben, wie sie bei Thomas vorkommt, ließ ihm freie Hand zu einer eigentümlichen Abweichung. Er sagte, in den Florentinern sei zu viel Geist und Blut, um eine monarchische Gewalt zu dulden, wie denn auch ihre alte Gewohnheit darin bestanden habe, sich selbst durch populäre Institutionen zu regieren; eine solche Form sei auch von der letzten Regierung innegehalten, aber dadurch verfälscht worden, daß sie auf verschlagene Weise die Besetzung aller Stellen der Magistratur ausschließlich mit ihren Freunden bewirkt habe. Er sieht darin eine Art von Tyrannei, welche auch schon von St. Thomas, nach dem Vorgange von Aristoteles, als die schlechteste Regierungsform bezeichnet worden war. Da nun, sagt Savonarola, die Partei der früher Verbannten nach Florenz zurückgekehrt sei, so würde es zu Blutvergießen gekommen sein, wenn das nicht durch göttliche Fügung infolge der Gebete guter Männer und Frauen verhütet worden wäre; jetzt müsse das Bestreben dahin gerichtet werden, das Wiederaufkommen eines Tyrannen zu verhindern. Großer Reichtum allein könne dazu nicht führen, da auch andere reich seien, die sich einem einzelnen nicht werden unterwerfen wollen. Möge die Herrschaft eines einzigen auch sonst als die beste Regierungsform anerkannt werden, so würde sie doch für Florenz nicht allein nicht die beste, sondern nicht einmal eine gute sein. Für Florenz sei ein bürgerliches (republikanisches) Regiment das beste; es komme nur darauf an, nicht zuzulassen, daß die Magistraturen und Ämter nach dem Willen eines einzigen besetzt würden. Wenn der Grundcharakter des mediceischen Regimentes ganz richtig aufgefaßt wurde, so stellte sich nun als die vornehmste Aufgabe heraus, die Magistraturen von dem Einfluß zu befreien, den die vorherrschende Gewalt sich angemaßt hatte. Wodurch aber sollte jenes faktische Prinzipat, von dem die Ernennung zu den Ämtern ausgegangen, ersetzt werden? Die Antwort ist, durch das Volk selbst. Man muß, sagt Savonarola, eine solche Einrichtung treffen, daß das Recht, Ämter und Würden zu verteilen, dem ganzen Volke angehöre; alle Bürger müssen einander gleich sein und keiner die Macht haben, sich zum Oberhaupt der anderen aufzuwerfen. Doch versteht Savonarola unter dem Worte Volk keineswegs die Masse der Einwohner, sondern bloß die Gesamtheit der berechtigten Bürger; ähnlich hatte schon Thomas von Aquino den Begriff des Cittadino formuliert; es sind die Grundanschauungen des Altertums, welche wir hier wiederfinden; es ist ganz im Sinne desselben, wenn Savonarola ausspricht, man müsse nicht zulassen, daß das gemeine Volk, die Plebs, sich eindränge; denn wenn man diesem Anteil an der Regierung gewähre, so könne nichts als Konfusion erfolgen. Die Zahl der vollberechtigten Bürger müsse aber nicht zu klein sein, damit keiner daran denken könne, sich zum Oberhaupt aufzuwerfen; die Versammlung der Cittadini bilde den großen Rat ( consilio grande); da dieser alle Würden zu vergeben habe, so sei er der Herr der Stadt.

Darin liegt die eigentümliche Stellung, welche der Frate Hieronimo in der Geschichte der florentinischen Republik einnimmt; er ist der erste und einzige, der von jedem Parteiregiment abstrahiert und eine vollkommene Gleichheit aller Berechtigten verlangt. Er knüpft daran seine religiösen und seine moralischen Ideen.

Mit der politischen, gegen die Alleinherrschaft der Medici gerichteten Tendenz hängen nun auch seine religiösen Bestrebungen zusammen, denn die Medici waren es ja, unter deren Auspizien jene Abweichungen von der christlichen Weltanschauung, dem christlichen Leben überhaupt, denen sich der Frate prinzipiell entgegensetzte, gepflegt und genährt wurden. Es hat eine innere Analogie, wenn der Dominikaner nur solche an dem Consiglio, das an die Stelle jenes Prinzipates treten soll, teilnehmen lassen will, welche gut und gerecht leben; die Forderung des religiösen Lebens, sagt er, liege in der Sache selbst; der müsse blind sein, der nicht in der eingetretenen Veränderung den Finger Gottes erkenne. Dabei fordert er aber zugleich eine vollkommene Hingebung an das gemeine Wesen; er erinnert daran, was man bei einem Klosterbruder doch nicht erwarten sollte, daß nur durch eine solche – denn sie sei an sich Gott wohlgefällig – die alten Römer einst zu ihrer großen Macht gelangt seien. Auch Florenz dürfe sich durch diese Hingebung Sukzesse versprechen, unter anderem zunächst die Wiedererwerbung von Pisa.

Es ist doch auffallend, daß der feurige Religiöse sich innerhalb so bestimmter Schranken bewegte und weder den Ansprüchen der untergeordneten Volksklassen auf Anteil an der Regierung, noch auch den natürlichen Rechten der Pisaner auf die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit im mindesten Rechnung trug. Das war aber seine Stellung überhaupt; die Einrichtung des großen Rates war keineswegs ein ihm exklusiv angehöriges Unternehmen; wir werden versichert, dabei habe noch ein besonderes Motiv mitgewirkt. Einige Oberhäupter – man nannte Francesko Valori, Guidantonio Vespucci, Piero Capponi und Brazzo Martelli – hatten den Verdacht erweckt, nach einer Bevorzugung, gewissermaßen nach der Herrschaft zu streben, aber die übrigen, unter denen vornehmlich Paolantonio Soderini genannt wird, wollten ihnen zeigen, daß ein solches Vorhaben unausführbar sei. Sie drangen darauf, daß die allgemeine Gleichheit der Berechtigten in dem Consiglio ausgesprochen würde; dem aber zu widerstreben waren doch die ersten zu vorsichtig und zu klug. Bei dem Ansehen, das sie genossen, fürchteten sie den großen Rat nicht; sie meinten in demselben immer den Vorzug zu haben. Ihr Gedanke blieb auch hierbei auf eine der venezianischen ähnliche Staatsverfassung gerichtet; der große Rat in Florenz erscheint beinahe als eine Nachahmung des großen Rates in Venedig, von dem ebenfalls die Besetzung aller Ämter ausging; wie in den Tagen der städtischen Tumulte die Richiesti, eine Art von Pregadi, herbeigezogen worden waren, so sollte nun ein aus dem Consiglio grande hervorgegangener Rat der Achtzig recht eigentlich deren Stelle vertreten und den Senat bilden. Die Regierung würde aus der Signorie und den Inhabern der zunächst stehenden Ämter bestehen, unter einem steten Gleichgewicht der vorwaltenden Geschlechter.

Auf alles dies ist nun Frate Hieronimo eingegangen; er hat selbst zuweilen zugunsten einer Staatsform, wie die venezianische sei, gepredigt. Unter seinem Einfluß ist die neue Verfassung am 23. Dezember 1494 festgesetzt worden. Die Bestimmung war, daß das große Consiglio aus denen bestehen sollte, die von den Zeiten ihrer Großväter und Urgroßväter her an den Staatsämtern teilgenommen hatten. Die Mitglieder des großen Rates sollten immer 29, die des Rates der Achtzig wenigstens 40 Jahre zählen. Im Vergleich mit dem bisherigen Zustand und dem Einfluß, den das mediceische Haus mit seinen Freunden ausgeübt hatte, lag in dieser Einrichtung allerdings ein demokratisches Element, insofern die Mitglieder des großen Rates gleichberechtigt sein sollten. Aber der Masse der übrigen Einwohner gegenüber trat das wieder zurück, da die Berechtigung an das bisherige Herkommen geknüpft wurde; in dieser Beziehung konnte man die neue Verfassung von Florenz noch immer mit der venezianischen vergleichen. Gleich bei den ersten Einrichtungen trat aber eine erhebliche Meinungsverschiedenheit zwischen den vornehmsten Bürgern, die unter den Namen Primaten erscheinen und dem Frate Hieronimo ein. Dieser, der von seinen moralischen Grundsätzen ausging und eine enge Vereinigung aller Berechtigten hervorzubringen suchte, machte den Vorschlag, eine allgemeine Amnestie auszusprechen; alles, was bis zum 9. November oder auch bis auf den heutigen Tag vorgegangen sei, sollte vergeben und vergessen sein. Das erstreckte sich nun aber auch auf die alten, nicht verjagten oder geflüchteten Anhänger des Piero de' Medici und seiner Regierung. Die Primaten wandten ein, daß, wenn man den alten Gegnern auch Verzeihung angedeihen ließe, diese doch ihnen nicht verzeihen würden. Der Frate hatte das Argument gebraucht, daß auch Gott den Menschen verzeihe; man antwortete ihm, das gehe doch nicht so weit, daß Gott die Gerechtigkeit verhindere. Sie ließen vernehmen, Savonarola möge wohl ein Kloster zu regieren verstehen, aber nicht eine Republik einzurichten. Diesmal aber waren die Ideen des Klosterbruders mächtiger in Florenz als der Einspruch der alten Teilnehmer an der Regierung. Bereits mußte von der anderen Seite her der Frate den Vorwurf hören, daß er nicht weit genug in der Reform gehe. Irgendeine große Konzession mußte der öffentlichen Stimme gemacht werden; die allgemeine Verzeihung ward noch nicht promulgiert, doch fand sie nach einiger Zeit keinen Widerstand weiter. Denn niemand täuschte sich darüber, welch eine Bedeutung die Realisierung dieses Gedankens für Florenz haben werde; wiewohl man alles Parteiwesen auszuschließen trachtete, so ließ sich doch voraussehen, daß die Parteiung selbst dadurch nicht abgestellt werden würde. Wie hätten die an den früheren Gegensätzen beteiligten Geschlechter dieselben jemals aufgeben sollen? Es gehörte aber zur Genugtuung der Popularen, daß die Primaten, von denen die Revolution hauptsächlich ausgegangen war, nicht ausschließlich die Herrschaft, deren Zügel sie ergriffen hatten, behaupteten. Und in diesem gegen die volle Wiederherstellung eines exklusiven Regiments gerichteten Streben ging nun der Frate sogleich noch einen Schritt weiter. Wenn die Autorität der alten Regierung hauptsächlich darauf beruht hatte, daß sie ohne alle Rücksicht Verweisungen aus der Stadt in verschiedenen Stufen aussprechen durfte, so wollte Frate Hieronimo dies Recht der neuen Regierung nicht zugestehen, die es auch ihrerseits durch die Otto di guardia ausübte, so daß sechs Stimmen, wie man sagte, sechs Bohnen, das Exil über angeklagte Bürger verhängen konnten. Solange nun ein Parteiregiment bestand, waren hierdurch die Gegner der Machthaber wie durch ein Schwert über ihren Häuptern fortwährend bedroht. Es gehörte zur Durchführung der allgemeinen Verzeihung, daß dies abgeschafft und eine Appellation gegen ein solches Urteil möglich wurde. Savonarola erklärte sich dafür; allein er begegnete einem Widerspruch, der selbst auf der Kanzel durch einen anderen mönchischen Prediger, den Franziskaner Fra Domenico da Ponzo, Ausdruck fand. Man machte zwei Gegengründe geltend. Die Meinung des gemeinen Volkes war, daß die Autorität der Signoria und der Otto nicht vermindert werden dürfe, denn sie seien doch zum Schutze der geringeren Leute gegen die Eigenmacht der Vornehmeren bestimmt; eine solche Gewalt müsse unbedingt sein und ohne langen Verzug durchgreifen können. Das andere Moment lag in dem Verhältnis der alten politischen Parteien selbst. Es gab, wie erwähnt, eine nicht geringe Anzahl von Anhängern des Hauses Medici in der Stadt, die unter dem Namen Bigi (Graue) erscheinen, deren Sicherheit von der allgemeinen Beschränkung der Kriminalgewalt der Regierung abhing. Damals ist vielfach gesagt worden, daß Savonarola unter dem Einfluß dieser Partei stehe, wiewohl niemand es leugnete, daß er vor allem seinen allgemeinen religiösen Gesichtspunkt vor Augen hatte. Domenico da Ponzo nun hob die Gefahr hervor, welche hieraus für das Bestehen der gegenwärtigen freien Verfassung der Stadt entspringe. Auch er sprach mit großer Wärme von Union und Frieden; aber noch stärker betonte er das Wort Freiheit. Auch er hatte einen großen Anhang, und von denen, welche die Predigt des einen und des anderen besuchten, wurde bemerkt, daß sie aufeinander stichelten; der Gegensatz zwischen beiden verrate selbst Neid und Mißgunst; sie wurden beide bedeutet, von den Angelegenheiten des Staates nicht weiter zu reden. Aber in kurzem waren sie doch wieder dabei. Der Streit berührte auch die äußere Politik, denn schon kam es zutage, daß der Herzog von Mailand und der König von Frankreich nicht mehr einerlei Meinung waren. Und wie schon früher, so stand ein Teil der florentinischen Primaten im Einverständnis mit dem Herzog; in deren Sinne predigte Domenico da Ponzo. Dagegen hielt Frate Hieronimo mit allen, die sich ihm anschlossen, an dem König von Frankreich fest, mit dem ja eben ein sehr vorteilhaftes Bündnis geschlossen worden war; Savonarola fuhr fort, von ihm große Dinge zu erwarten. Dem König aber, so meinte er, müsse man sagen können, daß in Florenz keine Entzweiung mehr herrsche; dann werde derselbe alles tun, um der Stadt ihren alten Besitz wieder zu verschaffen. Mit dieser Rücksicht wirkte dann die allgemeine Betrachtung zusammen, daß die Kriminaljustiz nicht in den Händen von Magistratspersonen sein dürfe, die doch nur eine Zeitlang im Amte und vielleicht sehr geneigt seien, dasselbe zur Unterdrückung und Rache zu benützen. Was die Besorgnisse für die Gefährdung der Freiheit anlange, so müsse man, sagt Hieronimo, Gott vertrauen, der die Stadt schützen werde, wenn man zu ihm bete. Noch waren jedoch die Meinungen sehr geteilt; man versichert, daß die Sache von der Signoria nur deshalb in die Hand genommen worden sei, weil einige Mitglieder derselben zu den Bigi sich hinneigten. Die Provision, die endlich zustande kam, enthielt die beiden eng verbundenen Hauptstücke: die allgemeine Verzeihung, die aus den von Hieronimo vorgetragenen religiösen Gründen empfohlen wurde, nicht ohne die auf die Philosophen zurückgeführte Erwägung, daß die vereinigte Tugend die Kraft verdoppele. Das zweite Hauptstück verfügte, wenn ein Bürger, der zu den Ämtern fähig sei, zu einer größeren Strafe verurteilt werde, zu Tod oder Exil, oder auch einer ansehnlichen Geldbuße, solle er das Recht haben, an das große Consiglio zu appellieren; wer in demselben zwei Drittel der Stimmen für sich habe, solle losgesprochen sein. Man hatte erwartet, daß die Provision bei den Ottanta oder in dem Consiglio selbst Widerstand finden werde. Innerhalb dieser Körperschaften fand aber gesetzlich nur eine sehr beschränkte Diskussion statt; die Provision ging in beiden durch, in dem großen Consiglio mit großer Majorität; unter 700 Mitgliedern, die sich versammelt hatten, waren nur 163 dagegen.

Durch diese Bestimmungen ist der Knoten für das Bestehen der neuen Verfassung und für die Geschicke des Frate Hieronimo selbst geschürzt worden, denn ob die ungleichartigen Elemente, die zusammenwirken sollten, sich untereinander vertragen und eine homogene Regierung bilden würden, war der Natur der Sache nach sehr zweifelhaft. Zunächst aber wurde dadurch die Idee der populären Verfassung weiter gefördert; denn der Grundsatz, daß das Consiglio vermöge der Versammlung aller Berechtigten Herr und Meister der Stadt sei, gelangte damit zu weiterer Bestätigung. Noch war jedoch nicht alles vollendet. Es gab noch einige Institute alter Zeit und vor kurzem verjüngt, die, bei der Staatsveränderung beibehalten, der neuen Verfassung widerstrebten. Das vornehmste bestand in den zwanzig Akkoppiatoren aus den vorwaltenden Geschlechtern, durch welche die Signoria und einige der höchsten Ämter besetzt wurden. Sie verstanden sich schlecht untereinander; aus ihren Wahlen gingen Mitglieder aus ihrer eigenen Zahl hervor, und man fürchtete beinahe, sie würden allmählich dahin kommen, eine Signoria zu wählen, die in Gegensatz zu der neuen Verfassung trete; überhaupt ließ sich ein solches Amt nicht mit der Autorität vereinigen, die eben dem Volke zugestanden worden war. Aber geradezu absetzen konnte man sie doch nicht, weil sie in dem Momente der Revolution ihre Befugnisse von dem Parlamente erhalten hatten, dessen Beschlüsse, obgleich sie sehr tumultuarisch zustande kamen, doch als die gesetzliche Grundlage von allem betrachtet wurden. Es ist nun ein Beweis von dem Fortschritt der popularen Überzeugungen, daß in den Akkoppiatoren selbst die Ansicht zur Geltung kam, ihr Amt sei mit der neuen Verfassung unverträglich, und das beste wäre, darauf Verzicht zu leisten. Der erste, der sich hiezu entschloß, war Jacopo Salviati; er erklärte, das Volk werde bessere Wahlen treffen, als die Akkoppiatoren. Die Signoria nahm zunächst die Abdankung Salviatis nicht an, weil die Ernennung der Akkoppiatoren von dem Parlamente ausgegangen sei, und auch deshalb, weil man sich in diesem Augenblick mit anderen Angelegenheiten wichtigster Art, namentlich der Beschaffung des nötigen Geldes, beschäftige, worin man sich nicht stören lassen dürfe. Es erweckte eine gewisse Verstimmung im Volke, daß die Signoria hierin mit ihm nicht einverstanden sei. Und so verhielt es sich in der Tat; auch neue Verzichtleistungen wies sie zurück. In der folgerichtigen Bewegung der Ideen liegt aber etwas Unwiderstehliches; jedermann bemerkte jetzt, daß die Akkoppiatoren von persönlichen Verbindungen und Interessen allzu abhängig seien, um gute Wahlen zu treffen. Die Signoria konnte es nicht wagen, der allgemeinen Überzeugung gegenüber an ihrer Meinung festzuhalten und mit dem Volke zu zerfallen. Auch Frate Hieronimo verwandte seinen Einfluß in diesem Sinne. Am 8. Juni 1495 erklärte nun die Signoria die Akkoppiatoren für befugt, ihr Amt in die Hände des Volkes zurückzugeben. Die Angesehensten der alten Geschlechter fühlten, was sie dadurch verloren; Francesko Valori sprach darüber heftige Vorwürfe gegen seine Standesgenossen aus. Auch hiermit war man noch nicht zum Ziele gelangt, solange die Möglichkeit bestand, ein Parlament zu berufen und durch die Beistimmung des ungeordneten Haufens, der dasselbe auszumachen pflegte, alles Bestehende umzustürzen. Man kann es dahingestellt sein lassen, ob eben die drohende Haltung, die Piero Medici damals zu nehmen schien, die Veranlassung gegeben hat, auf die Abschaffung des Parlaments Bedacht zu nehmen. Die vorwaltende Absicht war eine ganz allgemeine, nämlich die Vollendung der republikanischen Reform, so daß auch denjenigen, welche sich ihr bereits unterworfen hatten, jedes Mittel einer Reaktion entzogen würde.

Das Wort Popolo hatte in Florenz einen eigentümlichen Doppelsinn: man bezeichnete damit die Gesamtheit der Berechtigten, zugleich aber auch die Gesamtheit der Einwohner. Die städtischen Einrichtungen waren doch früher nie ohne eine rein demokratische Bewegung, die in der Berufung des Parlamentes lag, zustande gebracht worden. Das Parlament drückt die Idee aus, daß die Gewalt vom Volk ausgehe und die Republik auf demselben beruhe. Aber nur als eine jeweilige Veranstaltung zu einem bestimmt vorliegenden politischen Zweck erschien ein Parlament in Florenz; hatte die Menge die ihr gemachten Vorlagen angenommen, so war von derselben nicht weiter die Rede. Wir dürfen wohl die Bemerkung des ferraresischen Gesandten darüber wörtlich wiederholen: »Die Berufung des Parlaments«, sagt er, »ist ein Akt, den man veranstaltet, um dem Staate eine neue Form zu geben; alle Einwohner der Stadt versammeln sich auf der Piazza, man schlägt ihnen eine Einrichtung vor, die man durchsetzen will; die versammelte Menge willigt dann unbedenklich in die ihr gemachten Vorschläge.«

Diesem Zustand nun, der eine immer drohende Gefahr in sich schloß, sollte ein Ende gemacht werden. Die Besorgnis war nicht sowohl auf fremde Eingriffe, als auf Attentate unbotmäßiger Bürger gegen die öffentliche Freiheit gerichtet. Die damalige Signoria selbst gab zu dem Verdacht Anlaß, als ob sie es mit der neuen Regierungsform nicht ehrlich meine. Eine Befürchtung, welche wirklich gehegt wurde, war, daß sich eine Partei in Verbindung mit dem Herzog von Mailand erheben könne, um die neuen Formen der Verfassung wieder abzuschaffen. Insofern bildete Durchführung und Behauptung derselben nochmals ein Moment für die auswärtige Politik. In einer Zusammenkunft mit dem König von Frankreich, als dieser im Frühjahr 1495 nach Oberitalien zurückzog, hat Savonarola denselben in seiner religiösen Haltung zu befestigen gesucht und ihm vorgestellt, die neue Verfassung komme von Gott und werde von Gott beschützt werden, was der König anzunehmen schien. Darin lag dann eine neue Bestätigung des Bündnisses der Republik mit Frankreich, an welches man die Erwartung knüpfte, Pisa wieder zu unterwerfen. Mißtrauisch gegen die Signoria, ging Savonarola in seinem Eifer so weit, daß er den untergeordneten Ämtern das Recht zusprach, selbständig einzugreifen, wenn jene ihre Pflicht versäume. Die einzige Gefahr eines Umsturzes aber lag darin, daß einmal ein Parlament in der üblichen tumultuarischen Art und Weise veranstaltet werden könne. Es war nicht ganz leicht für Savonarola, die Gemüter für die Abschaffung der althergebrachten Einrichtung zu gewinnen, aber schon war er so mächtig geworden, daß man seinem Willen nicht zu widerstreben wagte. Die Signoria machte endlich den Vorschlag, daß fortan niemals von einem Parlament die Rede sein solle; von dem großen Rate ward dieser Beschluß angenommen. Schon dadurch, daß die Akkoppiatoren auf ihre Art Verzicht leisten durften, wurde die Autorität des Parlamentes so gut wie vernichtet; die gesamte Macht ging an das große Consiglio über. Savonarola gelangte dadurch zum höchsten Ansehen in der Stadt. Der ferraresische Gesandte, der den Frate immer mit einer Art von landsmannschaftlicher Vorliebe behandelt, bezeichnet im August 1495 die Autorität desselben als unerhört und unwiderstehlich; alles, was er wolle, führe er durch, jedermann konsultiere ihn, nicht allein in öffentlichen, sondern auch in Privatangelegenheiten.


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