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Eilftes Kapitel.

Erlaubniß zu Dü Bosse's Erscheinung wurde endlich gewährt, nebst dem Versprechen, daß seine Worte ihn nicht in Strafe bringen sollten, und er begleitete La Motten ins Gericht.

Die Bestürzung des Marquis, als er diesen Mensen erblickte, wurde von mehrern bemerkt, und besonders von La Motten, der eine günstige Vorbedeutung daraus zog.

Als Dü Bosse aufgefodert wurde, trug er dem Gericht vor, daß in der Nacht auf den ein und zwanzigsten April vergangnen Jahrs, ein gewisser Jean d'Aunoy, ein Mann, den er seit vielen Jahren gekannt, in sein Haus gekommen sey. Nachdem sie eine Zeitlang über ihre Umstände mit einander gesprochen, hätte d'Aunoy ihm gesagt, er wüßte ein Mittel, wie er aus seiner Armuth zum Wohlstand gelangen könnte; allein er wollte nichts weiter sagen, bis Dü Bosse sich erklärt hätte. Der elende Zustand, worinn Dü Bosse sich damahls befand, machte ihn begierig zu erfahren, auf welche Art er sich helfen könnte, und nach einigen Umständen erklärte sich sein Freund. Er sagte, daß ein vornehmer Herr, (den er nachher als den Marquis de Montalt nannte) ihm aufgetragen hätte, ein junges Mädchen aus einem Kloster in ein Haus, wenige Meilen von Paris zu bringen.

»Ich kannte das Haus recht gut, sagte Dü Bosse, denn ich war oftmahl mit d'Aunoy darinn gewesen, der sich vor seinen Gläubigern des Nachts darinn zu verstecken pflegte, wenn er auch oft am Tage nach Paris kam. –

Er wollte nicht weiter mit der Sprache heraus, sondern sagte nur, er würde Beystand brauchen, und wenn ich und mein Bruder, der seitdem verstorben ist, ihm behülflich seyn wollten, so würde sein Anstifter kein Geld sparen, und wir sollten reichlich belohnt werden. Ich drang in ihn, mir noch mehr von dem Anschlage zu entdecken, aber er wollte durchaus nicht, und nachdem ich ihm versprochen hatte, mit meinem Bruder zu reden, ging er fort.

Als er den andern Abend wieder anfragte, willigten mein Bruder und ich ein, und gingen mit ihm. Nunmehr sagte er uns, das junge Frauenzimmer, das er fortbringen sollte, wäre eine natürliche Tochter, von dem Marquis de Montalt, und eine Nonne bey den Urselinen: seine Frau hatte das Kind gleich bey seiner Geburt in Empfang genommen, und ein ansehnliches Kostgeld empfangen, um es als ihr eignes aufzuziehn, welches sie auch bis zu ihrem Tode gethan. Dann aber wäre das Kind in ein Kloster gebracht, und zur Nonne bestimmt worden; als sie aber das gehörige Alter zur Einweihung erreicht, hätte sie hartnäckig den Schleyer ausgeschlagen, durch welche Weigerung der Marquis in solche Wuth gerathen sey, daß er befohlen, wenn sie auf ihrer Halsstarrigkeit beharrte, sollte man sie aus dem Kloster bringen, und auf irgend eine Art über die Seite schaffen, weil sonst, wenn sie das Leben behielte, ihre Geburt an den Tag kommen, und ihre Mutter, für die er noch immer einige Liebe hegte, verurtheilt werden würde, ihr Verbrechen durch einen schrecklichen Tod zu büßen.«

Hier unterbrach des Marquis Advokat den Sprecher, und führte an, da die angeführten Umstände dahin abzweckten, seinen Clienten zu compromittiren, so wären sie sowohl gesetzwidrig als irrelevant. Man antwortete ihm, sie wären nicht irrelevant und folglich nicht gesetzwidrig: denn die Umstände, welche auf den Charakter des Marquis ein Licht würfen, hätten auf seine Aussage gegen La Motte Bezug – worauf Dü Bosse fortfahren mußte.

»D'Aunoy sagte hierauf, daß der Marquis befohlen hatte, sie aus der Welt zu schaffen, da er aber von Kindheit auf um sie gewesen sey, konnte er es nicht übers Herz bringen, was er ihm auch geschrieben hatte. Der Marquis hatte ihm darauf geantwortet, so sollte er jemand andern dazu suchen, und dieß also wollte er uns auftragen. Mein Bruder und ich waren dazu nicht ruchlos genug, und erklärten dieß gegen d'Aunoy, und ich konnte mich nicht enthalten zu fragen; was doch den Marquis bewegen konnte, lieber sein eignes Kind zu ermorden, als die Mutter in Gefahr zu setzen? D'Aunoy sagte hierauf: das Kind hatte der Marquis niemahls gesehn, und könnte also keine große Zärtlichkeit gegen dasselbe hegen, weit weniger es stärker lieben als die Mutter.«

Dü Bosse erzählte nun weiter, wie er und sein Bruder sich bemüht hätten, d'Aunoys Herz gegen des Marquis Tochter zu erweichen, und daß sie ihn dazu gebracht, nochmahls zu schreiben und für sie zu bitten. In dieser Absicht sey d'Aunoy nach Paris gegangen, um die Antwort zu erwarten, und hatte das junge Mädchen bey ihnen in dem Hause auf der Haide gelassen, wo sie sich gestellt hatten, als blieben sie, um die Befehle, welche kommen würden, auszuführen; im Grunde aber, um das arme Schlachtopfer vom Tode zu retten.

In wie weit dieses Vorgeben richtig war, muß dahin gestellt bleiben: denn auf jeden Fall mußte Dü Bosse sich wohl hüthen, eine Absicht der Ermordung einzugestehn. Dem sey wie ihm wolle, er sagte aus, daß er in der Nacht auf den sechs und zwanzigsten April einen Befehl zur Ermordung des Mädchens von d'Aunoy erhalten, und sie nachher in La Mottens Hände geliefert hätte.

La Motte hörte diese Erzählung mit Erstaunen an: als er erfuhr, daß Adeline des Marquis Tochter war, und sich des Verbrechens erinnerte, zu dem er sie einst bestimmt hatte, erbebte er vor Entsetzen. Er nahm nunmehr das Wort und fügte einen Bericht von dem, was auf der Abtey zwischen ihm und dem Marquis in Betref Adelinens vorgegangen war, hinzu; zugleich führte er als einen Beweis von der Böslichkeit der gegenwärtigen Klage des Marquis an, daß er sie gleich nachher angefangen hätte, als er Adelinen durch Flucht vor seinen mörderischen Absichten gerettet. Doch setzte er hinzu, da der Marquis seine Leute unverzüglich hinter ihr her geschickt, wäre es möglich, daß sie doch noch als ein Schlachtopfer seiner Rache gefallen sey.

Hier legte sich des Marquis Advokat aufs neue ins Mittel, und wurde wieder von dem Gericht zum Schweigen gebracht. Die ungewöhnliche Bewegung, welche des Marquis Gesicht während Dü Bosse und La Mottens Erzählung verrieth, war allgemein bemerkt worden.

Das Gericht verschob das Urtheil des letztern, befahl den Marquis unverzüglich in Verhaft zu bringen, und Adelinen (der Nahme, den ihre Pflegemutter ihr gegeben hatte, und den sie aus einer Art von zärtlicher Erinnerung beybehielt, wiewohl ihr vermeinter Vater sie anders zu nennen pflegte) sowohl als Jean d'Aunoy aufzusuchen.

Der Marquis wurde dem zu Folge von Gerichts wegen verhaftet, bis Adeline erschiene, oder Beweise ihres Todes beygebracht werden könnten; und bis d'Aunoy die Aussage des Dü Bosse und de La Motte bestätigte oder vernichtete.

Frau von La Motte, die endlich aus der Stadt, wo ihr Sohn vormahls im Quartier lag, Nachricht von seinem veränderten Aufenthalt erhielt, hatte ihm seines Vaters Lage und das Verfahren beym Verhör gemeldet; und da sie glaubte, daß Adeline, wenn sie so glücklich gewesen wäre, dem Marquis zu entwischen, sich noch in Savoyen aufhielte, bat sie Louis, um Urlaub anzusuchen, und sie nach Paris zu bringen, wo ihre unverzügliche Gegenwart erfordert würde, um die Aussage zu bekräftigen; und wahrscheinlich La Mottens Leben zu retten.

Bey Empfang ihres Briefs, der gerade an dem zu Theodors Hinrichtung angesetzten Morgen einlief, eilte Louis unverzüglich zu dem commandirenden Offizier, und hielt um Frist für Theodor an, bis des Königs fernerer Wille bekannt seyn würde. Er gründete sein Gesuch auf die Verhaftung des Marquis und zeigte den eben erhaltenen Brief vor. Der commandirende Offizier gewährte diese Frist mit Freuden, und Louis, der beym Empfang des Briefs sich enthalten hatte, seinem Freunde den Inhalt mitzutheilen, um ihn nicht mit falscher Hoffnung zu quälen, eilte nun, ihm die tröstende Nachricht zu bringen.



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