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Zwölftes Kapitel

Ein neues Jahr und neue Gesichter

Ein harter Winter war auf den heißen, versengenden Sommer, welcher den Hütten des deutschen Volkes so viel Elend, Jammer und Not gebracht hatte, gefolgt. Mit dem ersten Blasen der Herbststürme war das wilde Getümmel um den heiligen Born nach allen Weltgegenden hin zerstoben. Heimgezogen waren die Fürsten und die Vornehmen, die Gelehrten, die Gaukler, Bettler, Vagabonden, die Gesunden und die Kranken. Nur die Toten und die Ureinwohner des Waldtales waren zurückgeblieben.

Nicht mehr erklang die schrille Stimme der Kurfürstin Hedwig durch die Gänge des Schlosses, daß der armen Ursula von Spiegelberg eine Gänsehaut nach der andern über den Leib lief; nicht mehr war sämtliche weibliche Einwohnerschaft des Schlosses auf den Beinen, um der Frau Herzogin von Sachsen-Koburg Kamillentee zu kochen und Kräuterkissen zu wärmen. In die Gruft seiner Ahnen war Sigismund von Gleichen herabgestiegen oder vielmehr herabgeschwemmt; heimgezogen war Herr Konrad, der Graf zu Teckelnburg, mit der traurigen Aussicht, dereinst mit Helm und Schild als der Letzte seines Geschlechtes begraben zu werden. Dagegen hatte den Rektor Hermann Huddäus das heilsame Wasser der pyrmontischen Bronnen wirklich zum großen Teil von seiner Leibesplage, dem Zipperlein, befreit, und längst saß er daheim in Minden auf seinem Katheder und redete seinen Schülern Worte holdseliger Weisheit. Mit dem Rektor waren verschwunden die Herren Bone und Studtius – auch sie konnten fester auf ihre Füße treten und lobten Gott dafür. Simon Magus der Blinde war mit der Entzauberten, von welcher die Chronik sprach, in sein Geschick gezogen, um die Wahrheit des alten Sprichwortes: »Gleich Mann, gleich Maid, gleicher Ehestand!« darzutun. Öde und unbehaglich wie ein Jahrmarktsplatz nach dem Feste war das Tal von Pyrmont nach dem Zerstieben des bunten Schwarms der Gäste geworden. Wohl hatten die Einwohner von Lügde, Oestorf, Holzhausen, Löwenhausen und so weiter nicht wenig Geld verdient; aber sie waren auch nicht wenig verwildert worden durch die bunte, wüste, liederliche Menschenflut, welche ihr bis dahin so stilles, unbekanntes Waldtal überschwemmt hatte.

Jetzt lagen tief unter dem Schnee begraben die zertretenen, verwüsteten, einst so lieblichen Triften des heiligen Angers; die Dörfer waren wieder leer, und allmählich fanden die Leute ihre verlorengegangenen fünf Sinne wieder zusammen. Das verschüchterte Wild hatte ebenfalls nach und nach wieder Besitz von seinen Wäldern genommen und wurde nur noch durch hungrige Wölfe und andere vierfüßige Raubtiere, nicht aber mehr durch Banden wilddiebender Strolche aufgescheucht und gejagt, Menschen und Tieren war zumute, als seien sie soeben aus einem tollen, abenteuerlichen Traum erwacht, und Menschen und Tiere fanden sich nur ganz allmählich in das gewohnte Leben zurück. Nur einer in dem Tal von Pyrmont erwachte nicht aus seinem Traum, und dieser eine war Herr Philipp von Spiegelberg. Er träumte fort und verlor sich immer tiefer in verwirrende Zaubergärten, aus denen Erlösung immer schwieriger, ja wohl schon unmöglich geworden war.

Fausta die Magierin befand sich noch immer auf dem Schloß Pyrmont: wie hätte der Graf erwachen können?

Weihnachten war gekommen und vorübergezogen unter Jubel, Scherz und Lachen nach guter, alter deutscher Sitte. Die Säle des Schlosses hatte dazu Fräulein Walburg von Spiegelberg ausgeschmückt, unter dem Beistand des Haushofmeisters, mit grünen Tannen, Lampen und Lichtern; die Weihnachtskuchen hatte Fräulein Ursel nach vortrefflichstem, weitberühmtem und gesuchtem Rezept gebacken; im Rittersaal hatten des Grafen Musikanten zum Tanz aufgespielt, und in der großen Küche hatte Kaspar, der für den Winter aus einem fahrenden Mann ein ansässiger Mann geworden war, die Fiedel künstlich gestrichen. Teilnahmlos hatte sich der Graf inmitten der allgemeinen Fröhlichkeit bewegt, obgleich er keine der Pflichten, welche ihm als Haus- und Grundherrn oblagen, vernachlässigte.

Dann war der letzte Tag des Jahres 1556 gekommen; das Schloß Pyrmont hatte nach althergebrachter Art die Sylvesternacht durchschwärmt und hatte alles getan, was seit Heidenzeit in dieser Nacht zu tun ist; mit der Mitternachtsstunde war man vom Tisch und in das neue Jahr – eintausendfünfhundertsiebenundfünfzig – hineingesprungen. Immer höher hatte sich der Schnee aufgetürmt die folgende Woche hindurch, und lustig schneiete es fort an dem stürmischen Februarabend, an welchem der Erzähler seine bunte Historie weiterspinnt.

In seinem Gemache saß einsam Herr Philipp von Spiegelberg vor dem Kamin, in welchem ein halber Wald prasselnd in Flammen aufging. Unberührt stand der silberne Becher auf dem Seitentischchen neben dem jungen Grafen, welcher schon seit Stunden den züngelnden Flammen zuschaute und von seinen Gedanken gewiß nicht die mindeste Auskunft hätte geben können. Sein Lieblingshund, welcher wie gewöhnlich zu seinen Füßen lag, nahm jedenfalls bedeutend mehr Anteil an den Vorgängen der Außenwelt als Herr Philipp. Oft erhob er seinen klugen Kopf von den Vorderpfoten, spitzte die Ohren und ließ ein zorniges, halb unterdrücktes Geknurr hören, als wolle er dadurch die Herausforderungen eines verhaßten Feindes beantworten. Durch den Lärm des Sturmes, der in kurzen, erbosten Stößen den Schnee gegen die runden, erklirrenden Scheiben der Fenster trieb, vernahm man von Zeit zu Zeit ein langgezogenes, widerliches Geheul, bald näher, bald ferner: die Wölfe, durch den Hunger aus ihren Wäldern und Schlupfwinkeln getrieben, umkreisten beutesuchend die Wohnungen der Menschen.

»Nieder, Greif! Laß das Gesindel!« war das einzige, was Herr Philipp sprach, als der Hund es zuletzt nicht mehr aushalten konnte, aufsprang und ein wütendes Gebell ausstieß.

»Nieder, Greif, laß sie!«

Murrend warf sich Greif von neuem der Länge nach auf den Boden wie einer, der fest entschlossen ist, selbst durch den Weltuntergang sich nicht mehr aus seiner Ruhe aufstören zu lassen. Von neuem fing der Graf an, mit der Eisenstange in den Kohlen seines Kamins zu wühlen, wobei er tief und schwer seufzte. Vor zwei Stunden noch hatte er in fast ausgelassener Heiterkeit sich mit dem Schwesterlein Walburg umhergetrieben, und jetzt saß er hohlwangig, traurig bis zum Sterben da.

Herr Philipp von Spiegelberg war in der Tat sehr krank und ein trübselig Exemplum dafür, daß nicht alle Übel, welche den Menschen befallen mögen, durch das heilende Wasser des heiligen Borns geheilt werden konnten.

»Nieder, Greif, zum letzten Male sage ich dir – nieder!« rief der Graf und drückte den widerstrebenden Kopf des Hundes mit dem Fuße auf den Estrich nieder.

O Fausta, böse, böse Fausta!

Von Augenblick zu Augenblick ward der Sturm heftiger, mit List und Gewalt umkreiste er gleich dem Wolf das Schloß Pyrmont, und keine Ritze, keine Spalte, keine Öffnung der Fenster und Türen, durch die er Eingang finden konnte, entging ihm; mit den seltsamsten Tönen füllte er das alte Gebäude vom Keller bis unter die Dächer, bis in die Turmspitzen. Alle Bewohner des Schlosses schauerten dann und wann zusammen und malten sich aus, was wohl daraus werden würde, wenn jetzt ein Feuerfunke, an einem verlorenen Strohhalm hinauflaufend, einen Strohsack, ein Bündel Heu, einen Bettvorhang oder eine Tapete in Brand setzte. Der Graf allein ließ sich durch das Zischen, Pfeifen, Rasseln, Sausen nicht stören in seinen Phantasien, er versenkte sich im Gegenteil nur immer tiefer darein. Bald sah er den grünen Wald im Sonnenschein, bald sah er ihn im Mondenlicht – die Nachtigall sang im Gesträuch – feenhaft schwebte eine Gestalt, halb Schatten, halb Wirklichkeit, durch die Wildnis –

»Meine Augen, die haben verloren ihren Schein,
Mein junges Herz hast du genommen ein;
Meine Freud hat sich in Trauern verstellt,
Kann nichts lieb han, als was mir jetzo gefällt!«

O wie heulte und krachte und knatterte es jetzt in denselben Wäldern, die Herr Philipp mit seinen Traumgebilden bevölkerte! Wie brauste und sauste es durch die kahlen Zweige, wie häufte sich der Schnee um den Toren to Mayen, wie pfiff es um die Trümmer von Schell-Pyrmont und um die Burg des Arminius!

O Fausta, böse, böse Fausta!

Aber horch, was war das?

War's nicht der Schall eines Horns, welcher da durch den Schneesturm klang? Noch einmal?!

Nun wieder, und näher; nein, das ist nicht Täuschung, das ist wirklich Hörnerschall! Gott schütze die Armen, welche bei solchem Wetter ihren Weg durch den Schnee suchen müssen!

»Hallo, was ist das?« rief der Graf, sich in seinem Lehnstuhl halb erhebend. »Sie halten vor meinem Tor?«

Das Horn des Turmwärtels von Pyrmont antwortete plötzlich den Klängen draußen.

»Besuch? Zu solcher Stund? Wer mag das sein?«

Eilende Schritte erschallten auf dem Korridore – Sporengeklirr – Herr Philipp von Spiegelberg rief »Herein!«, als jemand an die Tür pochte.

Klaus Eckenbrecher steckte den Kopf in das Gemach:

»Herr Graf, es halten einige Reiter vor der Brücke und begehren Einlaß; 's ist unmöglich, bei dem Wetter sich über den Graben ihnen verständlich zu machen.«

»So öffnet, lasset den Haushofmeister für sie sorgen und führet sie dann hierher.«

Klaus drehte sich kurz auf den Fersen und verschwand, um den Auftrag seines Herrn auszuführen. Bald darauf wurde es lebendig im Schloßhofe und im Schlosse selbst, Hunde bellten, Diener liefen hin und her, dazwischen erklang die silberne Pfeife des Fräuleins Ursula. Walburg von Spiegelberg steckte das blonde Lockenköpfchen in das Zimmer ihres Bruders:

»Wer ist es, Philipp?«

»Weiß es selbsten noch nicht, kleine Neugierige. Werden es schon erfahren, gedulde dich, Schalk!«

Die Tür fiel wieder zu; ein gewaltiger Lärm ließ sich von der Treppe her hören. Schwere Fußtritte stapften den Gang entlang, eine Baßstimme donnerte und erschütterte die Fensterscheiben des Schlosses Pyrmont schier noch mehr als der Sturmwind.

»Alle Teufel, die Stimm kenn ich!« rief der Herr von Spiegelberg, der Tür zueilend; aber sie wurde weit aufgerissen, ehe er die Hand auf den Drücker gelegt hatte.

Ein Schneemann erschien unter lautem Gelächter auf der Schwelle, schüttelte sich gleich einem Pudel, der aus dem Wasser kommt, zog den Grafen in eine nasse Umarmung, stieß ihn von sich und schrie:

»Hoho, Herr Graf zu Pyrmont, kennt Ihr Euere besten Freunde nicht? Das Sauwetter muß uns schön zugerichtet haben!«

»Herr Christof von Wrisberg!« rief der Graf. »Bei Gott, das ist ein unerwarteter Besuch – willkommen auf dem Schloß Pyrmont!«

»Nicht wahr, ein unerwarteter Besuch durch Schnee und Sturm, Nacht und Nebel? Hohoho, der Wrisberger, wie er leibt und lebt! Wo sind die kleinen Mädchen? Wo ist mein Engelchen, die Ursel, und mein Schätzchen, die Walpurg? Schafft mir die Ursel und das Walburgel, Philippe! He, holla, aus den Betten und vom Stroh das ganze Haus Pyrmont! ... O heilige Not Gottes, ist das ein Satanswetter – platt auf dem Bauche muß man kriechen, wenn man gegen den Wind an will! Aber, was ich sagen wollt – das Wichtigste vergißt der Christoffel immer, das weiß das ganze liebe Heilige Römische Reich nur allzu gut – was ich sagen wollt, Herr zu Pyrmont, hier – hab Euch da jemand mitgebracht, der sich Euerer Gunst empfiehlt, so viel an ihm noch lebendig ist – Herr Ritter von Campolan!«

Ein hochgewachsener, schwarzgekleideter Mann, ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, etwas hager und bleich, aber von geistvollem Gesicht und Auge und vornehmem Wesen, welcher sich bis jetzt hinter dem Ritter Wrisberg gehalten, trat nun vor und erwiderte höflich die Verbeugung des Grafen von Pyrmont.

»Wenn Ihr mein störendes Eindringen in –«

»Ihr seid willkommen, Herr Ritter«, fiel ihm Philipp von Spiegelberg ins Wort; »möge es Euch unter meinem Dache gefallen!«

Der Ritter Campolani verneigte sich abermals tief und sprach im gebrochenen Deutsch seinen Dank für das gastliche Entgegenkommen aus; aber Herr Philipp unterbrach ihn sogleich:

»O haltet, haltet, ich bitte Euch! Wen ein solch wild Wetter unter Dach und Fach bläset, der hat wohl andere Dinge nötig als Worte und soll nicht mit Reden aufgehalten werden. Ich nur hab mich zu bedanken beim Geschick, so Euch zu mir geführt hat. Wir sind immer froh, einen genügsamen Gast bewirten zu können.«

»So ist's!« rief Christof von Wrisberg. »Wie Salomo sprecht Ihr, Philippe. Trockne Wämser und Hosen und kein überflüssig Gewäsch von Verpflichtung und Freude und Dank – solches findet sich alles beim Abmarsch an seiner Stelle – trockne Habiter ist die Parole fürs erste! Holla Ihr da, alter Hahn« (dieses galt dem Haushofmeister), »der Koch weiß doch, daß der Wrisberger eingerückt ist, hungrig wie ein Wolf, durstig wie ein Landsknecht? ... O blutiger Christ, wie ich mich auf die Ursel und die Walpurg freu, das ist mit Worten gar nicht auszusprechen. Corpo di Bacco, wo stecken denn die Gän – die Fräulein, wollt ich sagen?«

Lächelnd winkte der Graf von Pyrmont seinem Haushofmeister und den Lichter tragenden Dienern. Zu den Fremden gewendet sprach er:

»Man soll Euch in Euere Gemächer führen, Ihr Herren, daß Ihr Euch trocknen könnt. Was das Schloß Pyrmont bietet, stehet zu Euern Diensten.«

»Wohl gesprochen, Philippe«, rief der Wrisberger. »Kommt, Signor Campolan, Ihr könntet den Schnupfen kriegen, so eine italienische Haut ist empfindlicher gegen den Schnee, als das Fell von unsereinem. Haushofmeister, ich rate Euch, meldet dem Meister Koch, daß der Wrisberger angekommen sei.«

»Zu Befehl, Herr Ritter!« sprach ehrbar der Alte und schritt gravitätisch den beiden Gästen voran gleich einem Mann, der von der Wichtigkeit seines Amtes bis in das Mark der Knochen durchdrungen ist.

Als die Donnerstimme des deutschen Ritters in der Ferne verklungen war, stürzte mit entsetztem Gesicht Fräulein Ursula von Spiegelberg in das Gemach ihres Bruders, welcher mit großen Schritten auf und ab ging.

»Mein Gott, Philipp, der Wrisberger?! Der Wrisberger ist angekommen?!«

»So ist's, armes Schwesterchen! Das wird wieder Arbeit für dich geben! Er hat auch einen Fremden mitgebracht, einen Ritter Cam – Cam – Campoban – lan, weiß der Teufel, wie er heißt! Jedenfalls ziehen sie nicht umsonst zu solcher Winterszeit im Land umher; möcht wohl wissen, was wieder im Werk ist?

»Unheil, Unheil, wenn der Wrisberger dabei ist! O Gott, Philipp, nimm dich in acht und sei auf deiner Hut und laß dich nicht mit ihnen ein! Du weißt ja, was der Wrisberger unternimmt, mißlingt alles.«

»Sei unbesorgt, gute Ursula! Ich werde mich schon hüten«, sagte seufzend Herr Philipp. »Es soll ihnen schwer werden, mich in ihren Netzen zu fangen, wenn sie wirklich mit solcher Absicht gekommen sind; ich –«

»Der Wrisberger! Der Wrisberger! Der Christoffel ist auf dem Schloß Pyrmont!« jubelte eine helle Stimme. Lachend, in die Hände klatschend, sprang Walburg von Spiegelberg ins Zimmer. »Der Stoffel von Wrisberg ist angekommen; hei, nun wird einmal wieder Leben in unsere vier Wände kommen, und auf alle langen Gesichter wird die Acht und die Aberacht gelegt. Es ist aber auch nötig, bin ich mir doch die letzten Monate hindurch vorgekommen, als sei ich lebendig begraben im Schnee und in der Wüstenei.«

»Ach, mein allerliebster Jesus, und mir war so wohl in dieser Stille«, klagte Ursula. »Himmel, ich muß in die Küche! O horcht nur, Philipp, Walburg, horcht, da prügelt er schon die Knechte – Jesus, hat er 'ne Tür eingetreten? Ach, unser ruhiges Leben! Hört nur, hört, wie er toset!«

Herr Philipp zog die Achseln in die Höhe.

»Jaja, nun wird's wieder einmal hier sein, als wären Gott und der Teufel in ein Glas gebannt. Nun, tröste dich, Ursula, wer weiß, vielleicht bleibt der Störenfried nicht lang.«

»Das gebe der Himmel!« seufzte Ursula und eilte fort, in der Küche ihre Befehle zu geben; die Treppe hinunter stürzte sie sich mit der Hast der Verzweiflung in die aus den Töpfen bereits aufsteigenden vortrefflichen, anmutigen, lieblichen Dämpfe.

Zwei Stunden später saßen die Gäste mit ihren freundlichen Wirten in dem großen Bankettsaale um den reichbesetzten Eichentisch des Hauses Spiegelberg und Pyrmont.

Auch hier verbreiteten gewaltige Feuer von den beiden einander entgegengesetzten Kaminen des wohlgepflasterten Gemachs aus eine wohltuende Wärme. Eine Hängelampe, tief auf den Tisch herabhängend, warf aus drei Löwenmäulern ihr Licht über die Tafel, ließ aber die entfernten Teile des Saales in Dämmerung, die Ecken in tiefster Dunkelheit.

Neben dem Schenktisch stand der Schenke, seines Amtes wartend; an der Tür hielt sich ein reisiger Knecht mit der Hellebarde im Arm, der alte Haushofmeister leitete würdig die Bedienung und hatte seine Augen überall, auf daß den Speisenden nichts mangle.

Die Gruppe um den Tisch verdiente wohl eine eingehendere Beschreibung.

Die beiden Damen von Spiegelberg in ihren schweren Gewändern und hohen steif abstehenden Halskragen, welche die schlanken Gestalten, die jugendlichen hübschen Gesichter abscheulich genug verunstalteten – der feine, bleiche, schwarzgekleidete romanische Ritter – der derbe, vierschrötige Wrisberger im abgetragenen grünen Jagdgewand mit dem riesigen Schlachtschwert zwischen den Knieen – der blonde Graf Philipp mit seinem sorgenvollen, abgespannten Gesicht – der weißköpfige Hauskaplan am untern Ende der Tafel – alles das gab ein vortreffliches Bild, welches aus dem Halbdunkel des Saales wie auf einem alten niederländischen Gemälde hervortrat. Auch an tiefem tragischen Inhalt fehlte es diesem Bilde nicht; denn hinter den Stühlen Ursulas und Walburgs hielten sich einige Dienerinnen der beiden Fräulein, und über den Sessel der jüngeren Schwester beugte sich – Fausta La Tedesca, totenbleich, mit zitternden Lippen, und richtete die schwarzen glühenden Augen, wie eine Pantherin, die sich zum Sprunge rüstet, auf den Ritter Cesare Campolani.

Was von Überraschung, Schrecken, Zorn, Fragen und Forschen sich in einen Blick zusammendrängen läßt, funkelte in dem Auge Faustas; doch Cesare, welcher, als die Zauberin aus dem Dunkel vortrat, auch zusammengefahren war und mit Mühe einen verwunderten Aufschrei unterdrückt hatte, erwiderte nur durch ein kaum merkliches Neigen des Hauptes diesen fragenden, zornigen, erschreckten, verwunderten Blick: »Später!«

Kein einziger der Tischgesellschaft hatte das Mienenspiel der beiden belauscht; kein einziger, selbst nicht Graf Philipp von Spiegelberg, hatte eine Ahnung von diesem seltsam unerwarteten Wiederfinden, welches soeben stattgefunden hatte.

Der Hauskaplan begann und endete sein gewohntes Tischgebet. Der Mundschenk füllte den Becher von Spiegelberg und reichte ihn mit tiefer Reverenz seinem Herrn, dieser reichte ihn wiederum seiner ältesten Schwester, welche sich von ihrem Sessel erhob, den Rand des alten, künstlichen Pokales mit den Lippen berührte und, gegen die beiden Gäste gewendet, sprach:

»Willkommen, Ihr Herren, auf dem Schloß Pyrmont!«

Hierauf ging der Becher von einer Hand zur andern, von einem Mund zum andern um die ganze Tafel, bis er wieder an den Hausherrn zurückgelangte, welcher ihn mit einer gewissen ehrerbietigen Vorsicht in die Hände des Kellermeisters zurückgab. Auf einen Wink des haushofmeisterlichen Stabes hoben die aufwartenden Diener die Deckel von den Schüsseln – die Abendmahlzeit hatte begonnen.

Der Sturmwind, welcher draußen mit ungebrochener Kraft fortwütete, gab den Wirten Gelegenheit, die Ankömmlinge über die Zufälle und Beschwerden ihrer Reise zu befragen und sie zu bedauern; die freundlichen Gesichter der Wirte, das flackernde Kaminfeuer, der Braten und der gute Wein gaben dagegen den Gästen Gelegenheit, sich glücklich zu preisen und ihre Danksagungen auszusprechen. Sowohl der Wrisberger als auch der Ritter Cesare Campolani taten das, aber ein jeder auf eine andere Art.

Dann hüpfte das Gespräch, – wie es zu geschehen pflegt, von einem Gegenstand zum andern, verweilte an dieser Stelle länger, an jener kürzer, rief jetzt ein Lächeln auf einem oder mehreren Gesichtern hervor, dann gleich darauf ein leichtes Stirnrunzeln und Zusammenziehen der Augenbrauen. Die Gabe, die Damen erröten zu machen, besaß der Wrisberger im hohen Grade und verfehlte nicht, sie in Anwendung zu bringen, wie man es Christof von Wrisberg überhaupt nicht nachsagen konnte, daß er seine guten und schlechten Eigenschaften gleich dem Licht im Evangelium unter den Scheffel stelle.

Man trieb auch in jener Zeit schon Politik und Kannegießerei, und da der Ritter Campolani aus Paris kam, so wußte er viel zu erzählen von dem König Heinrich dem Zweiten, der jungen Königin Katharina von Medici und der schönen Herzogin von Valentinois, Diana von Poitiers. Mit großer Lebendigkeit beschrieb er das Leben am französischen Hofe, ohne jedoch mitzuteilen, was ihn zu solch böser Jahreszeit nach Deutschland geführt hatte. Dagegen erzählte er weitläufig von den Gefahren, welche ihn bei seinem Durchzug durch die flandrischen Provinzen, wo die Spanier bis an die Zähne gerüstet standen, bedrohten. Ein unterhaltsamer Mann war Don Cesare Campolani ohne Zweifel.

Anders wie der Welsche gebärdete sich Christof von Wrisberg, wo jener flüsterte, schrie dieser seine Meinung laut hinaus, wo jener lächelte, lachte dieser, daß die Kannen, Krüge und Schüsseln auf dem Tisch erschütterten. Abenteuerliche Geschichten erzählte Christof von Wrisberg, unendliche Fluten von Getränken aller Art vertilgte er. Die Mühseligkeiten des Weges schienen auf seine eiserne Natur nicht den mindesten Einfluß gehabt zu haben, außer daß sie seinen Hunger und Durst auf das fabelhafteste in die Höhe schroben. Munter und schlau blinzelte er umher und verzog den breiten Mund zu einem ungeheuerlichen Grinsen jedesmal, wenn die jungen Damen auf ein seltsames Wort von ihm ihren Frauen einen wichtigen Auftrag gaben, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

Erst spät in der Nacht wurde die Tafel aufgehoben, und die Gäste zogen sich in ihre Gemächer zurück.

»Bei meinem Bart, erst ein Uhr – Cam – Camplan – die – die Welt verschlimmbessert sich von Tag – N – N – Nacht zu Nacht! Nacht, Don Ces-s-sare!« lallte Christof von Wrisberg, der sich ein wenig schwerfällig auf den Arm eines Knechtes stützte.

»Gute Nacht, Herr Ritter! Ich wünsche Euch einen guten Schlaf auf die Anstrengungen des Tages.«

»Anstrengungen? Ho ho, Dummheit! Na, ich will Euch nicht aufhalten, Ihr – Ihr sscheint mir nicht so recht fest auf den Füßen zu – zu stehen.« –

Eine halbe Stunde noch vernahm man einen rauhen, höchst unmelodischen Gesang aus dem Zimmer des Wrisbergers, und dieses Geheul schwieg nur, um in ein fast ebenso wohltönendes Schnarchen überzugehen. Dann verklang ein Lebenslaut nach dem andern im Schloß Pyrmont, eine Lampe nach der andern erlosch, bis endlich nur noch die brannte, welche das Gemach des italienischen Herrn erleuchtete.

Nach Mitternacht hatte sich der Sturm ein wenig gelegt, wenngleich ein dumpfes Murren in der Ferne andeutete, daß seine Wut noch lange nicht erschöpft sei. Es hatte aufgehört zu schneien, und ein schwaches, verschleiertes Mondlicht fiel von Zeit zu Zeit durch die zerrissenen, jagenden Wolken auf die geisterhafte, weiße Landschaft.

Don Cesare hatte sich nicht gleich niedergelegt. Nachdem man ihn allein gelassen, war jedes Zeichen von Ermüdung aus seinem Gesicht und seiner Haltung verschwunden. Solange noch Leben im Schlosse herrschte, war er auf und ab geschritten, nachdem aber jeder Laut, jeder Schritt verstummt war, hatte er sich an das Fenster gestellt und blickte mit übereinandergeschlagenen Armen in die deutsche Winternacht hinaus.

Jeglicher Schimmer der sorglosen Heiterkeit, welche während des Nachtmahles Hauptausdruck der Gesichtszüge des Ritters gewesen war, war verschwunden. Die rechte Hand lag an der gedankenvollen Stirn, finster hatten sich die dunkeln Brauen zusammengezogen: wie der Lichtschein der Lampe sich in der Finsternis der Nacht verlor, so verlor sich die Seele des Mannes in der Dunkelheit der vergangenen Zeiten.

Wie kam sie hieher?

Was wollte sie hier?

Seltsames Verhängnis!

Rätselhaftes Spiel des Schicksals!

Der italische Mann hatte einen so langen, mühsamen, gefährlichen Weg zurückgelegt durch den Nordsturm, durch die endlosen Wälder, in denen jeder Pfad verschneit und verweht war: das Wunder aber, daß er die Fausta – die Fausta La Tedesca nach so langem Vergessen in diesem abgelegenen Schlosse wiedertreffen mußte, das Wunder, man konnte sagen der Schrecken, verscheuchte jeden Gedanken an Ruhe und Schlaf.

»Ich komme! Erwarte mich!« hatte sie dem Ritter zugeflüstert, und er wartete. Seine Diener hatten sein Gepäck in dem Gemache zurechtgestellt; er selbst legte nun ein geladenes, kurzes Feuerrohr auf den Tisch, das Schwert gürtete er nicht ab. Don Cesare Campolani wußte, daß der Zorn Faustas tödlich sei; er wußte auch, daß er diesen Zorn auf sein Haupt geladen hatte. Leise öffnete er von Zeit zu Zeit die Tür und blickte hinaus in den langen, engen Gang, in welchen durch enge, schießschartenartige Öffnungen ein zweifelhaftes Licht fiel. Ein geheimes Grauen überkam ihn bei dem Gedanken, daß sie plötzlich vor ihm stehen könnte – er fürchtete, von ihr überrascht zu werden; trotzdem daß er wußte, er handle feig, konnte er nicht umhin, immer wieder von neuem nach ihr auszuschauen.

Wie kam sie hieher?

Gegen zwei Uhr brach der Sturm mit verdoppelter Macht abermals los; die Wetterfahnen auf den Türmen wurden wild herumgerissen und knirschten und kreischten – die Flamme der Lampe auf dem Tische Cesares wurde seitwärts getrieben durch den Wind, vor dem die Fensterscheiben erzitterten; krachend brachen die Äste der Bäume unter den Fenstern, und Fausta La Tedesca überraschte doch den italischen Ritter!

In dem Tosen der Elemente ging der kaum hörbare Schritt auf dem Gange, das leise Rauschen an den Wänden dem Ohr Don Cesares verloren; auf und zusammen fuhr er erst, als seine Tür sich geöffnet und wieder geschlossen hatte, als die Erwartete vor ihm stand, wie er es gefürchtet hatte.

»Fausta!«

»Cesare!«

»Bist du es in Wahrheit, Cesare Campolani, oder ist's ein Nachtgesicht, welches mich äfft?«

Der Ritter versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm schlecht. »Ich bin es wirklich«, sagte er. »Ich bin's in Fleisch und Blut und wahrlich verwundert, Euch hier zu finden!«

»So also sehen wir uns wieder! ist es das Schicksal, oder ist's der Zufall, was so toll mit uns spielt?«

»Dasselbe fragte ich mich, Signora, als ich Euch am Stuhle jenes blonden Kindes lehnend fand.«

»Aber Ihr verbarget Euere Überraschung meisterhaft.«

»Ach, man wird älter, Schönste – freilich, das ist nicht für dich gesagt, meine schöne Zauberin, der deutsche Knabe, unser Wirt, sandte Blicke nach dir aus, welche ... ohime, Fausta, nicht wahr, wir spielen noch immer das alte Spiel mit Gold, Herzen und Schwerterklingen? Fausta, auch du mußt einmal eine tüchtige Rechnung den olympischen Göttern abzulegen haben.«

»Ja!« sagte Fausta La Tedesca, setzte aber grimmig hinzu: »Aber wer ist schuld daran? In wessen Macht lag es allein, mich zu retten?«

»Verzeihung, Fausta! Wahrlich, ich war's nicht, welcher die Hülle, die über dem Vergangenen liegt, aufritzt! Die Nacht war's – wahrlich, es ist eine Nacht, um Gespenster aus dem Boden heraufzubeschwören.«

»Ihr habt recht, Cesare, wecken wir die Gespenster nicht – wenigstens nicht in dieser Nacht, und –«

»Frische! Hoffnung! Zukunft!« fiel ihr der Ritter ins Wort. »Es ist nicht Zufall, daß wir uns hier in diesem verschneiten Erdwinkel wiedertreffen müssen. Du gehörst noch immer mir, Fausta La Tedesca, und ich halte mich an das Wort Messires Clement Marots:

Rien n'a acquis des valeurs de ce monde
Qu'une maistresse, en qui gist et abonde
Plus de sçavoir parlant et escrivant
Qu'en autre femme en ce monde vivant.

Wenn du willst, Fausta La Tedesca, so werde ich dich befreien aus dieser kalten Hölle, welche Dante zum Vorbild gedient haben könnte. Gehörst du hieher, Fausta La Tedesca? Nein, nein, nein! Wohl mögen deine Flügel müde geworden sein für einen Augenblick, und dann bist du niedergesunken zur Erde, neue Kräfte zu sammeln. Du sollst dich wieder erheben, du mußt es; ein ungeheures Mitleid drückt mir fast das Herz ab, wie ich dich ansehe, Fausta La Tedesca!«

»Cesare?!«

»Blicke mich nicht so an, Weib! Bei allen Göttern, es ist so! Ich will dir sagen, was ich fühlte, ehe du eingetreten warst: ich fürchtete mich vor dir, ich wollte dich von mir stoßen durch Kälte, Spott und Hohn – Fausta La Maga, ich vermag es nicht – ich sage dir, daß ich schwach wie ein Kind bin, seit du in dieses Zimmer eingetreten bist!«

Die Geisteskraft, welche zu allen Zeiten aus allen Gesichtszügen Faustas vorleuchtete, verlieh in diesem Augenblick ihr einen unendlichen Reiz. Jetzt – in dieser Minute war sie den Erwählten von Tausenden, den Auserkorenen, welche nicht gleiche Rechnung von ihrem Tun und Lassen abzulegen haben wie die gewöhnlichen Sterblichen – beizuzählen!

Sie war unsäglich schön.

»O schöner Nachtstern, sprich! Erzähle, wie du hieher kommst!« rief Cesare Campolani. »Setze dich dort in den Sessel; ich will das Feuer schüren – man hat es nötig in diesem Hyperboräerlande!«

Eine fieberhafte Aufregung hatte sich des Ritters bemächtigt, und er suchte sich durch körperliche Bewegung Luft zu machen. Er schritt hin und her, er warf mehr Holz in den Kamin, er wühlte in den Flammen, daß sie höher aufloderten; er schob der Tedesca den Sessel hin. Der Zauber, welcher jeden, der in die Nähe Faustas kam, ergriff, faßte auch den Ritter wieder; atemlos horchte er den Worten der Magierin, die ihm erzählte von Benedikt Meyenberger und dem Arzt Simone Spada, von der Meerfahrt, von dem Klosterkerker, von ihrer Flucht!

Mehr als einmal schüttelte Cesare Campolani sich, als ob ihm fröstele; aber nicht der deutsche Winter war schuld daran.

»Und nun, Cesare«, sprach Fausta nach einer Pause, »nun liegt mein Leben offen vor dir seit der Stunde, in welcher wir uns trennten; nichts habe ich dir verborgen; nun sprich auch du, Cesare, was willst du auf diesem Schlosse? Es ist nicht der Zufall, der dich hertreibt; denn ich weiß, wie wenig Raum du dem Zufall in deinem Leben gönnst. Was willst du auf dem Schloß Pyrmont, Cesare Campolani?«

Noch einmal versuchte der Ritter den magischen Bann von sich abzuschütteln. Lachend erhob er sich und sagte:

»Ach, wenn Ihr wüßtet, schönste Freundin, was ich heute erduldet habe vom Wetter und dem deutschen Tolpatsch, meinem Begleiter, Ihr hättet ein wenig Mitleid mit mir und erließet mir solchen Bericht bis morgen. Schon hab ich Euch gesagt, ma mie, daß auch ich es nicht für einen Zufall, sondern für eine Fügung halte, Euch hier gefunden zu haben! ... Bei der Venus, gewiß bin ich nicht umsonst auf diesem verwünschten Schlosse. Aber, Signora, so schön Ihr seid, ich erblicke Euch doch nur durch einen Nebel von Schlaftrunkenheit.«

»Ist das Eure Offenheit, Cesare?«

»Nein, nein – nicht diese Augen, Fausta! Ich verspreche dir, du sollst in meiner Seele lesen wie in einem offenen Buch.«

»So sprecht, sprecht!«

»Nicht in dieser Nacht. Wie Messire Clement Marot könnte ich Euch nur erzählen:

– de courses et chevaux,
De sang, de feu, de guerre et de travaux!

Hört nur den Sturm da draußen! Bei allen Mächten, das ist keine Nacht, um von einem Leben, wie das meinige, zu erzählen.«

»Und ich, ein Weib, habe dir doch von dem meinigen erzählt!« sagte Fausta La Tedesca dumpf.

»Darum beuge ich mich dir auch, darum vermag ich es nicht, dich von mir zu treiben, deshalb mußte – einst – ich es auch sein, ich, Cesare Campolani, welcher die Flucht vor dir ergriff. Fausta, Fausta, du hast wieder gesiegt, wir werden wieder zusammen gehen! Nach Paris sollst du mit mir zur Katharina. Es gibt nur noch ein Weib auf dieser Erde, welches dir gleichen wird in künftigen Tagen, Fausta La Tedesca – die Medicäerin ist's, die Frau Heinrichs von Frankreich, welche jetzt noch von niemand gekannt ist, die aber einst gleich einem blutigen Stern über der Welt aufgehen wird.«

Die Augen Faustas leuchteten.

»So führe mich, Cesare Campolani«, sagte sie. »Noch einmal will ich dir dienen, wie ich dir schon diente. Gebiete, ich werde dir folgen auf deinem Pfade als deine Sklavin, aber – bedenke es wohl – zugleich als deine Richterin.«

Fausta La Tedesca legte die kleine Hand in die dargebotene Rechte Don Cesares. – Est politia inter daemones, sagt Martin Luther!

»Und nun noch ein Wort«, sprach der Ritter nach einer Pause. »Bist du dieses Grafen von Pyrmont sicher?«

Fausta lächelte.

»Gut! Das ist mir sehr wichtig und wird unsere Pläne vortrefflich fördern. Träume von Gold, Sonne und Krieg, Fausta La Tedesca – heute über ein Jahr wollen wir im königlichen Louvre zu Paris von diesem Wiederfinden sprechen! Gute Nacht, mein prächtiger Nachtstern!«

Fausta La Tedesca neigte das Haupt:

»Gute Nacht, Don Cesare!«

Noch einmal schaute sie von der Tür aus nach dem Ritter zurück, dann verschwand sie lautlos, wie sie gekommen war. und Cesare Campolani fand sich allein, fast mit noch weniger Neigung zum Schlaf als vorher.

»Diavolessa!« murmelte er, während er den Türriegel vorschob.

Noch einige Male schritt er im Gemache auf und ab.

»Ah bah«, rief er endlich, »genug der Sorgen für einen Tag – erwarten wir, wie die Sachen im Licht sich gestalten werden – o Fausta – Fausta auf diesem Schloß Pyrmont!«

Er gürtete sein Schwert los, kleidete sich aus und warf sich auf das Lager. Wider Erwarten und Hoffen überkam ihn der Schlaf doch; aber unruhig war er und voll wilder Träume. Mehr als einmal rief Cesare auffahrend den Namen Faustas der Magierin.

Ununterbrochen lärmte bis zum ersten Morgengrauen der Sturm fort, ununterbrochen wirbelte der Schnee und verschüttete immer mehr alle Wege, die zum Schloß führten!


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