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Zweites Kapitel

handelt von der Berechtigung der Existenz des Städtleins Holzminden und insbesondere von der Berechtigung der Existenz Klaus Eckenbrechers.

Auf dem Rathause der Stadt Holzminden befinden sich wenige Dokumente, Urkunden und Belege über die Stadt selbst und noch weniger oder vielmehr gar keine über den Klaus. Wir haben aber trotz dem Zahn der Zeit und den Zähnen der Ratten und Mäuse durch unermeßlichen, fabelhaften Fleiß und nächtliches Studium mancherlei in Erfahrung gebracht, wofür wir uns den Dank der Gelehrten, welchen wir hier auf diesem Feld den ersten Pfad durch den Urwald bahnten, bei Gelegenheit ausbitten.

Wir beginnen mit der Geschichte der Stadt, sagen, wo sie gelegen ist, was für ein Volk sie bewohnt, und gelangen dadurch endlich auch zu der Vorgeschichte unseres Klaus, der eine »historische Figur« ist und wohl wert, ein wenig aus der Nacht der Vergessenheit ans Licht und unter die Augen und Brillen des deutschen Publikums gehoben zu werden.

Holtesminne oder Holtesmeni oder auch Holtesminnethun hieß bereits zur Zeit Karls des Großen dieser vergessene Erdenfleck. Die erste Benamsung steht auf dem alten Stadtsiegel.

Was Minne ist, weiß ein jeder, oder sollte wenigstens ein jeder wissen, und Holtesminnethun bedeutet ein gar angenehmes, liebliches, minnigliches Ding und Örtchen am Holze – ein Winkelchen im grünen Walde, versteckt zwischen Berg und Tal – ein Eckchen gemacht für ein glückliches weltvergessenes Dasein! Und wahrlich, es ist gar kein übel gewählter Name für das Nestchen!

Der große Wald, der Solling, zieht sich von Osten und Süden gegen die Feldmark der Stadt hinab, und hübschgeformte Berge blicken über die Stifter Corvey und Paderborn herein. Im Westen erheben sich der Ziegenberg und der Brunsberg über der Stadt Höxter, dann folgt der hohe Köterberg, welcher mit dem alten Brocken die zweifelhafte Ehre teilt, ein Lieblingsaufenthalt, Absteigequartier und Tanzplatz des bösen Feindes und des verruchten, schadenfrohen Volkes der Hexen zu sein. Gegen Nordwest bespült die Weser den Fuß der Klippen des Kiekensteins, welcher mit dem Knapp, der Graupenburg, dem Borrberg und dem Eberstein im Nordosten jenen Teil des Oggegaus – pagus Auga – , in welchem die Stadt Holzminden liegt, schließt.

Römische Kohorten sind hier durch den schreckenvollen, geheimnisvollen Urwald gezogen und haben die gebleichten Gebeine vorangegangener Kriegsgenossen unter Schaudern vor den unbekannten Wäldern, Göttern und Menschen bestattet. Sie haben auch versucht, Siegeszeichen hier aufzurichten wie überall; es ist ihnen jedoch nicht gelungen.

Cherusker und Sachsen haben hier gehaust, und letztere hausen hier noch. Die Sachsen hatten auch eine Feste auf dem Brunsberge, einen Ringwall, welchen der große Kaiser Karl mit gewaltiger Heersmacht belagerte und welchen Wittekind »de Heertog« entsetzen wollte, wobei aber ein großer Teil seines Volkes von den Franken in die gelben Fluten der Weser getrieben wurde und elendiglich umkam, die alten Götter anrufend.

Viel könnte ich erzählen von dem Kaiser Ludwig dem Frommen, welcher das Stift Corvey gründete, die Gebeine des heiligen Märtyrers Stephan dahin führte und darauf mit unendlichem Gefolge von Pfaffen und Laien, singend, betend und sich geißelnd, die Reliquien des heiligen Vitus, dessen Bild noch zu sehen ist in der Abteikirche, allwo es steht und den abgeschlagenen Kopf in dem Arm trägt.

Viel könnte ich sagen von den schrecklichen Einfällen und der grausamen Tyrannei der Hunnen, von dem großen Abt Saracho und den berühmten Grafen von Eberstein, deren letzter am Altar der Klosterkirche zu Amelungsborn erschlagen wurde und begraben liegt und denen die Stadt Holzminden vor undenklichen Zeiten zugehörig war. Ich bescheide mich aber und sage nur noch, daß die Grafen den Flecken Holtesminne schon im zwölften Jahrhundert zur Stadt machten und daß die Stadt im grausigen Jahr eintausendvierhundertsiebenundvierzig viel litt, als hier dreißigtausend Hussiten über die Weser gingen, nachdem sie eine blutige, brandschwarze Spur durch das deutsche Land gezogen hatten.

Ich bescheide mich und versetze mich samt meinem großgünstigen Leser sogleich in das Jahr eintausendfünfhundertneunzehn, von welchem Jahre der Vers geht:

»Dusend Fivhundert un Negentein
Ward Dassel leider allto rein.«

Das hat seine Bezüge auf unsern Klaus Eckenbrecher, und läuft der Faden davon also:

Die großen Herren damaliger Zeit, Pfaffen und Laien, faßten sich und ihre Untertanen in ihren Mißhelligkeiten gegenseitig nicht mit Sammethandschuhen an, sondern zerzausten sich und ihnen so oft als möglich weidlich auf eine Art, welche eben nicht die allerchristlichste und gelindeste war, das Fell. So war nun in der berühmten und berüchtigten Hildesheimschen Stiftsfehde der Flecken Dassel am Sollinge, der gut bischöflich war, von den Braunschweigschen übel behandelt und ausgeplündert worden. Als nun im obengemeldeten Jahre des Herrn 1519 die hildesheimschen Herren und Obersten, Bischof Johann, Herzog Heinrich von Lüneburg, Karl von Geldern auf der Soltauerhaide so wacker dreingeschlagen hatten, daß sie nicht nur das Heer der Herzoge Erich und Wilhelm samt dem Zuzug eines ehrbaren Rates der Stadt Braunschweig vollständig zersprengten, sondern auch die beiden feindlichen Kriegsherren selbst gefangennahmen, da gedachten die Einwohner von Dassel sich rächen und ihren Schaden ungestraft gleichmachen zu können. Sie überfielen unversehens die feindlichen Dörfer Vorwohle und Bevern, trieben großen Unfug darin und zogen, nachdem sie ihr Mütlein gekühlt hatten, mit tüchtiger Beute wieder ab. Aber – übel gewonnen, übel zerronnen! – die Sturmglocken riefen die Geschichte bald aus im Lande, und was einen Harnisch, einen rostigen Schild, einen Flamberg, einen Spieß, eine alte Luntenbüchse oder nur eine Mistgabel, einen Dreschflegel, eine Holzaxt aufbieten konnte, war damit bereit und zog unter großem Geschrei aus, den »Pfaffenknechten« ihren Lohn heimzuzahlen und ihnen die Hellebarden, Kraut und Lot zu kosten zu geben.

Zuerst waren die ergrimmten Bürger von Stadtoldendorf, das Volk der Leinweber, auf den Beinen; ihnen folgten die von Holzminden. Die umhersitzenden Edlen und Ritter, gleich den Wespen und Hornissen, die einen Honigtopf wittern, sattelten ebenfalls und zogen mit ihren Hintersassen den Städtern zu.

Nun kam das Unheil den Leuten von Dassel auf die ungekämmten Köpfe!

Unvermutet wurden sie mitten in ihrem Triumphe überfallen. Die Feinde stießen die eben erst wieder aufgebauten Häuser des Fleckens mit Brand an und machten so lustigen Kehraus, daß keine Wurst, keine Speckseite, kein Schinken, kein Huhn, keine Gans und Ente, kein Kuh- und Pferdeschwanz im Orte blieb.

Die Chronisten streiten sich über die Kopfzahl des weggeführten Viehes; aber darin sind sie allesamt einig, daß Johann von Grone, Ritter, allein fünfhundert Malter Getreide ausdreschen und nach Jühnde im Göttingschen führen ließ.

Ausnahmsweise ging aber das Fest ohne viel Verstürzung von Menschenblut ab. Hans Holtegel, ein Bürger von Dassel, wurde im ersten Anlauf erschossen, und einem andern, von dem sogleich die Rede sein wird, ward der Prozeß gemacht. Das war alles, und das war wenig.

Das Rathaus des Fleckens stand in Flammen; Weiber und Kinder schrieen und heulten zwischen den schreienden und heulenden Angreifern; die waffenfähigen Bürger hatten sich in ihrer Not in die Kirche und auf den Turm der Kirche gerettet. Aber auch an dieses heilige Gebäude hielten nun die Sieger in ihrer Wut die Brandfackel und ließen johlend und brüllend von allen Seiten ihre Hakenbüchsen darauf abgehen, bis sie die unglücklichen Eingeschlossenen auf Ehrenwort: ihnen solle nichts an Leib und Leben geschehen – herausgeräuchert hatten.

Halbgebraten krochen die Männer von Dassel hervor, und man hielt ihnen Wort bis auf ein Bruchteil, indem man dem Rädelsführer und Haupthahnen beim übelberatenen Beutezug, Lüdike Leifheit, den Kopf auf der Stelle vor die Füße legte.

In diesen Wirrwarr versetzen wir uns nun.

Noch brannte es lichterloh rings um die Kirche: die Schafe, Rinder, Kühe, Ochsen blökten, die Schweine quiekten, die Pferde wieherten, die Menschen jammerten und jubelten.

Um die Beute und die Gefangenen tanzten die betrunkenen Sieger gleich Besessenen in der Berserkerwut ihrer gloriosen Heldentat, und ruhig hielt sich nur ein Reiter in all dem Spektakel.

Mann und Roß sind wohl einer Beschreibung wert.

Der Mann trug einen arg vom Rost zerfressenen Brustharnisch über einem langgedienten, abgeschabten, hellgrünen Wams, einen eingedrückten, grünen Spitzhut mit einer roten Hahnenfeder, an welcher Ratten genagt zu haben schienen. Ein Faustrohr hatte er vor sich quer über den schäbigen, mit einem Schaffell überzogenen Sattel gelegt, und ein breites, kurzes Schwert hing an einem breiten Bandelier an seiner linken Seite. Auch fehlte nicht ein tüchtiges Dolchmesser im Gürtel an der Rechten. In der rechten Hand hielt er eine Trompete, welche eigentlich seine Hauptwaffe war, – er nannte sich Tileke Eckenbrecher und war Stadttrompeter von Holzminden.

Kleine, schwimmende, blinzelnde Augen blickten lustig und verwegen über eine große, rote, versoffene Nase, unter welcher ein verwahrloster Schnauzbart struppig über einen sehr respektablen Mund herabhing.

Eine gewisse zwanglose Ungebundenheit sprach sich in allen Bewegungen des Mannes aus und schien sogar sich auf gewisse Weise dem Reittier desselben, welches ganz zu seinem Reiter paßte, mitzuteilen.

Hochbeinig, hager, das Knochengestell behangen mit einem schlotternden, viel zu weiten, abgetragenen fuchsfarbenen Fell, stand es da und schien gleich seinem Herrn sein Seelengaudium an dem vorgehenden Spaß der Plünderung von Dassel zu haben und die ganze Sache für eine höchst angenehme Abwechselung des Alltagslebens zu nehmen. Für gewöhnlich ging es nämlich neben einer schwarzbunten Kuh einträchtiglich vor dem Pfluge oder dem Mistwagen und

dulce est desipere in loco. –

Seit man die unglücklichen Burschen von Dassel aus ihrer qualmenden Kirche hervorgezogen hatte, hatte Tileke Eckenbrecher seine ganze Aufmerksamkeit einem jungen Weibe zugewandt, welches bis zum letzten Augenblick mit großem Geschrei sich dem kurzen Prozesse widersetzte, den man mit dem armen Teufel Lüdike Leifheit machte.

Dem gutmütigen Bürgermeister von Holzminden hatte dieses Weib die Gewährung der Gnade abgefleht und abgejammert; aber leider waren der Bürgermeister von Stadtoldendorf, die Ritter und das wüste, grimmige Volk aus den Bergen unerbittlich geblieben. Der Bürgermeister von Holzminden mußte also das Ding laufen lassen, wie es lief, so daß der armen Alheit Leifheit endlich nichts mehr übrig war, als sich die Haare zu raufen über dem kopflosen Tölpel Lüdike, ihrem – seligen Manne.

Der Stadtzinkenist von Holzminden schüttelte bedachtsam das würdige Haupt, schneuzte sich mit dem Daumen und dem Zeigefinger und strich mit dem spiegelblanken Ärmel unter der Nase her – alles aus Rührung! Sein Fuchs schüttelte natürlich ebenfalls den verwegenen Kopf und blickte grade so seltsam verstört unter dem kurzen Stirnhaar hervor wie sein Herr unter seinem in die Stirn gezogenen Hute.

»Alle Hageldonnerwetter – ist das ein Vergnügen!« sagte der Stadtzinkenist von Holzminden. –

Als nun zuletzt keine Häuser mehr zu verbrennen, keine Töpfe und Pfannen mehr den unglücklichen Weibern vor der Nase zu zerschlagen waren, als alles Vieh und sonstige Wertvolle unter die Plünderer verteilt war, Holtegel und Leifheit nach besten Können und Kräften abgetan waren, fing die Heldenschar an, auf den Abmarsch aus dem verwüsteten Flecken zu denken, und fand, daß dem nichts mehr im Wege stand.

Man knebelte also zum Beschlusse sechzehn der angesehensten Einwohner von Dassel die Hände auf dem Rücken zusammen, um womöglich späterhin noch Lösegelder von ihnen zu erpressen, teilte sich auch darin, und dann zogen Ritter, Bürger und Bauern, sehr zufrieden mit ihrem Tagewerk, am Martinsabend eintausendfünfhundertundneunzehn von dannen, ein jeglicher in seine Heimat.

Das war die fünfte Verheerung, welche Dassel im Laufe des gesegneten sechzehnten Jahrhunderts auszustehen hatte!

Einige Weiber nahm man ebenfalls als gute Beute mit, und der Bürgermeister von Holzminden, wie gesagt, ein weichherziger Herr, welcher in seinem Heimwesen bedeutend unter dem Pantoffel stand, hatte nichts gegen die Bitte seines Stadtpfeifers, sich der Alheit Leifheit annehmen zu dürfen, einzuwenden.

»Bei Gott und Sankt Georgens Gaul«, sagte Meister Eckenbrecher, »es soll nichts Unehrenhaftes damit gemeint sein, Euer Gestrengen! 's ist mir nur von wegen der Einsamkeit in meinem Haus. Zu Holzminden will sich keine meiner erbarmen, und so mag das arme Ding mir das Wesen führen und mich zur Ordnung anhalten.«

»Und das letztere ist Euch so notwendig wie das liebe Brot! Na, setzt nur das arme Geschöpf auf den Wagen dort und sprecht ihr ein wenig Trost zu und sagt ihr: ich könne nichts dafür, daß die Geschichte vorhin so übel ausgelaufen sei.«

»Soll geschehen, Euer Gestrengen!« sprach der Stadttrompeter und tat, wie ihm geheißen war.

Man brach auf.

Nun gab es auf dem Wege durch den Sollinger Wald genug Gelegenheiten für den Trompeter, dessen sich keine mitleidige weibliche Seele in seiner Heimatsstadt annehmen wollte, die blutjunge Witwe von Dassel über den Verlust ihres rotköpfigen Ehemannes zu trösten, und es ist historisch zu beweisen, daß Meister Tileke Eckenbrecher keine einzige dieser Gelegenheiten unbenutzt vorübergehen ließ. Fort und fort trabte der Fuchs im Hahnentritt dicht neben dem Wagen her, auf dem die Alheit auf einer bunten Kiste, welche einst ihren Brautschatz enthalten hatte, saß. Es ist ebenfalls erwiesen, daß die Witwe nur auf der Hälfte des Weges ihr Gesicht weinend in der Schürze verbarg, daß sie dann anfing, von Zeit zu Zeit prüfende Seitenblicke auf die drollige Gestalt ihres Beschützers zu werfen, und daß sie sich zuletzt sogar in ein Gespräch mit demselben einließ und seine Tröstungen seufzend, aber ganz bereitwillig annahm.

Im allerbesten Einvernehmen langte das Paar in Holzminden an, wo Glockenklang und weißgekleidete Jungfrauen und ein Lobgedicht die tapfern Sieger empfing und wo der Zinkenist der Marodeurswitwe bald darauf den annehmbaren Vorschlag tat, nach einem anständigen Trauerjahr seine eheliche Hausfrau zu werden.

So etwas wäre gottlob jetzt freilich nicht mehr möglich; aber im Jahre fünfzehnhundertneunzehn waren die Herzen noch lange nicht so zart besaitet wie heutzutage.

Damals stand die Zeit der ewigen Prügeleien in ihrer Blüte. Wer keine Püffe und Knüffe vertragen oder sie nicht mit Zinsen wieder heimzahlen konnte, der war übel beraten, verloren und verkauft und wurde unter die vom Weltschmerz Erfaßten gerechnet. Eine regelmäßig und unaufhörlich fortgesetzte Bearbeitung der Epidermis bleibt denn auch nicht ohne Einfluß auf die seelischen Zustände der Menschheit und stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist.

So hatte es durchaus nichts Auffälliges, daß ein Jahr nach der Verbrennung von Dassel Tileke Eckenbrecher, der Stadttrompeter von Holzminden, und Alheit Leifheit, die Witwe des enthaupteten Lüdike, durch einen Benediktinermönch aus Corvey für die Zeitlichkeit und die Ewigkeit zusammengegeben und -genietet wurden. Der selige Gatte mochte darüber oben im blauen Himmel soviel oder sowenig Betrachtungen anstellen, als ihm gut dünkte.

Die neue Ehe wurde bis zum Jahre 1530 in kürzern oder längern Zwischenräumen mit einem Kinde gesegnet, welches aber jedesmal, nachdem es kaum die Wände beschrieen hatte, der Welt wieder Valet sagte. Dann trat hierin ein Stillstand ein bis zum Jahre 1535, wo ein allerletzter Versuch, die Erde zu bevölkern, mit Erfolg gekrönt wurde, indem er unserm Klaus Eckenbrecher das Leben gab, seiner Mutter jedoch das ihrige kostete.

Der Vater Tileke hatte auf diesen letzten Sprößling eigentlich gar nicht mehr gerechnet und durchaus nicht Anstand genommen, seine einstigen Erben soviel als möglich um ihre Freude wegen seines etwaigen Abscheidens zu betrügen. Sein ganzes Hab und Gut fast hatte er als ein lustiger Kauz zu seinem eigenen Vergnügen verjubelt trotz der wiederholten Einsprache seiner Hausehre, die manch liebes Mal über das schöne Sprichwort:

»Liebschläge fallen wie Rosenblätter«

zu seufzen hatte.

Musikanten waren schon in jener Zeit ihres grenzenlosen Durstes wegen bekannt, und Hof und Haus, Kuh und Pferd glitten noch leichter, als jenes Kamel durch das Nadelöhr, die Gurgel des Trompeters hinab. Darob färbte sich die Nase des Wackern röter und röter, als schäme sie sich des übrigen Kerls. Sonnenuntergangsfärbig beleuchtete sie im Jahre 1540 Tileke Eckenbrechers Übertritt in die ewige Seligkeit, an deren Eingangstür der heilige Peter beim Anmarsch des Trompeters jedenfalls höchst verwundert und zweifelnd auf dem Schlüssel blies. –

Somit haben wir gezeigt, daß es eine Stadt Holzminden gibt, und bitten unsere Leser, die Existenz unseres jetzigen Helden Klaus Eckenbrechers anzuerkennen.

Wir lassen denn auch zur Belohnung den Vorhang fallen und ziehen ihn erst wieder im folgenden Kapitel auf, wo sich die Welt verändert hat, wie noch nie in so kurzem Zeitraum auf Erden, wo mancherlei, was vorher oben gestanden hat, nach unten gekommen ist und umgekehrt, wo aber Klaus Eckenbrecher als ein zwanzigjähriger Bursch in Wehmut und Kummer noch immer auf der Mauer des Pfarrgartens sitzen wird! –


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