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17

Es dauerte nicht lange, da ging vom Gesandten Preußens in Wien, dem Grafen Dohna, ein Bericht ein.

Chevalier Contarini, der Gesandte Venedigs am kaiserlichen Hofe, hätte ihm im Auftrag seiner Regierung mitgeteilt, der Senat von Venedig habe sich beeilt, die Tänzerin Signorina Campanini verhaften zu lassen, um Seiner Königlichen Majestät gefällig zu sein, und hielte sie der Krone Preußen zur Verfügung. Graf Dohna erbat sich Instruktionen.

Ob ihr einfach befohlen werden solle, sich nach Berlin zu begeben, um ihr Engagement anzutreten, oder ob es nicht ratsamer wäre, sie als Gefangene zu transportieren?

Friedrich überlegte sich die Sache nicht erst lange.

Die »Mamsell« hielte ja ihre geschriebenen und verbrieften Verpflichtungen nicht ein! Sie hatte ihm, dem Könige von Preußen, zu trotzen gewagt! – Sie würde sich den Teufel um den Befehl des Senats von Venedig kümmern!

Der König verfügte kurz und gut, die Sylphide inhaftiert zu lassen und sie unter guter und sicherer Bedeckung nach Wien zu bringen, von wo aus sie über Schlesien nach Berlin weitergebracht werden sollte!

Der Senat, der die Grausamkeit gehabt hatte, Barberina aus den Armen ihres geliebten Stuart zu reißen, um sie bis zum Eintreffen der Antwort Friedrichs in Haft schmachten zu lassen, hatte nichts Eiligeres zu tun, als sie in eine Gondel zu setzen, um sie mitsamt ihrer über das Abenteuer hocherfreuten Mutter und trotz ihren Tränen nach Mestre zu spedieren, von wo aus die Fahrt dann unter Bedeckung einer starken Kavallerieeskorte nach der österreichischen Grenze ging.

Dort wurde sie von einem alten Hausmeister Dohnas, namens Mayer, in Empfang genommen, der dem venezianischen Offizier den »Habenden Schein« über den richtigen Empfang instruktionsgemäß »extradierte« und die Tänzerin, ohne sie zu sehr zu fatigieren und unter richtiger Berechnung und »tunlichstem Menagement« des mitgegebenen Geldes weitertransportierte.

Anzunehmen ist, daß es sich der gute Mayer instruktionsgemäß auch angelegen sein ließ, ihr unterwegs »auf alle Weise zu flattieren« und ihr klarzumachen, wie sehr sie sich eigentlich freuen müßte, in die schöne Stadt Berlin, an einen großen Hof und in die Dienste eines gnädigen Königs zu kommen!

Anzunehmen ist aber auch, daß Barberina die große Gnade, als eine Kriegsgefangene wochenlang durchs Land geschleppt zu werden, nicht besonders hoch einschätzte, sowie, daß sie unaussprechliche Qualen ob der jähen Unterbrechung ihres Liebesglücks litt.

Jedenfalls machte ihr Geliebter unterwegs einen vergeblichen Versuch, sie zu befreien. Und Mayer bekam somit Anlaß, von seiner Instruktion Gebrauch zu machen, auf Grund einer ihm von der Königin Maria Theresia ausgestellten Vollmacht »benötigten Falls von den K. Hungarischen und Böheimbschen Gouverneurs oder Magistraten der Städte und Dörfer um eine kleine Eskorte von Ort zu Ort zu ersuchen«.

Graf Dohna konnte also seinem Souverän berichten, daß die so heißbegehrte Schöne unterwegs sei und im »besten Zustande« bald ankommen würde. Und Friedrich hatte die Befriedigung, einmal seine »überflüssige« Diplomatie für ihre »Briefträgerdienste« loben zu können.

Wochenlang dauerte die Reise. Mayer hatte, um den Nachstellungen des »völlig rabiaten« Galans zu entgehen, die Reiseroute geändert und hatte seine liebe Not, mit seiner Tänzerin durchzukommen. Denn, wie er sich zu berichten veranlaßt sah, war sie »etliche Tage vor Liebe und Chagrin« krank. Aber es ging. Und Anfang Mai langte er mit der teuren Last in Berlin an.

Einige Tage später wurde Friedrich gemeldet, daß der Gesandte Englands, Lord Hyndford, um Audienz bitten lasse.

Er empfing ihn sofort.

Der Vertreter Albions fand den König in seinem Schreibzimmer vor dem Modell eines aufgetakelten Kriegsschiffes stehen.

»Sehen Sie hier, Mylord! Wie gefällt es Ihnen?«

»Ein hübsches Spielzeug! Wohl französische Arbeit?«

»Ganz recht! Wir sind eben in Verhandlung mit einer französischen Werft! Man ist etwas unbescheiden mit dem Preis! Aber wir werden uns das Spielzeug wohl trotzdem bauen lassen!«

»Eure Majestät wollen eine Flotte ins Leben rufen?!«

»Den Anfang dazu werden wir wohl machen müssen! Seitdem wir Ostfriesland haben und uns in Emden eine Ostindische und eine Bengalische Kompanie errichten, müssen wir auch bereit sein, unsere Kauffahrteischiffe zu schützen! Wenn England in den Kreis unserer Feinde tritt –«

»Eure Majestät belieben zu scherzen!«

Friedrich blickte ihn an, und vor dem durchdringenden Glanz seiner tiefblauen, großen Augen mußte der Engländer zur Seite sehen.

»Allerdings liebe ich den Scherz! Nur möchte ich nicht selbst dessen Ziel sein! Und das mutet mir Ihre Regierung zu!«

»Darf ich mir alleruntertänigst erlauben, feierlichst zu erklären –«

»Mein lieber Lord Hyndford, auf Erklärungen geben wir nichts, wenn sie mit den Tatsachen nicht übereinstimmen! In dem mir sehr wohlbekannten Vertrage von Worms hat England der Kaiserin und Königin ihren Besitz vor dem Jahre 1739 feierlichst garantiert! Obwohl wir ihr nach besagtem Jahre Schlesien abgenommen haben! Es ist genau so, als ob mein Onkel, der König von England, ihr noch nachträglich den Besitz ihrer Unschuld garantieren wollte, die sie zweifelsohne besaß, ehe sie ins Brautbett stieg! Und – von dem gleichen Effekt! Denn weder Schlesien noch ihr Jungferntum kriegt sie wieder!«

Lord Hyndford lachte diskret.

»Ich freue mich, Eure Majestät bei so guter Laune zu finden!«

»Freuen Sie sich, Mylord! Denn wenn die Sache nicht zum Lachen wäre, fürwahr, wir wären in Versuchung, als guter Neffe die Anregung Frankreichs zu befolgen und Ihrem König, meinem Onkel, sein Erbland Hannover zu nehmen! Die Gelegenheit wäre günstig! Mit Frankreich stehen wir dank der Gewogenheit der regierenden Mätresse gut. Rußland akzeptiert die Tochter unseres Feldmarschalls, des Grafen von Anhalt-Zerbst, als Gemahlin des Thronfolgers. In Schweden wird unsere Schwester einstmalen regierende Königin! Sie sehen, wir haben gut vorgesorgt! Wir haben in allen politischen Schlafzimmern Alliierte! Und bleiben selbst wach! Was will das tugendhafte Albion dagegen tun?«

»Eurer Majestät seine Bewunderung und seine Freundschaft aussprechen!«

»Soll das die Kapitulation bedeuten?«

»Sire, wenn Eure Majestät so viel Unterröcke gegen uns ins Feld führen, bleibt kaum noch etwas anders übrig, als standhaft zu kapitulieren!«

»Echt englisch geantwortet! Schöne Phrasen als Verzierung der Fassade und irgendwo für alle Fälle eine offene Hintertür! Gegen den Unterrock helfen aber die Künste der Politik wenig!«

»Eure Majestät haben uns durch Allerhöchst Dero Siege das Gegenteil glorreich bewiesen!«

»Nun«, sagte Friedrich, »mit einer Armee von hundertvierzigtausend Mann kann man sich einiges in betreff der Unterröcke Europas erlauben! Aber reden wir von etwas anderem! Mylord haben sich sicherlich nicht hierher bemüht, um uns mit politischen Schlafkammerangelegenheiten zu unterhalten!«

»Allerdings nicht! Aber der Gegenstand meines Besuches steht doch in einiger Beziehung zu diesem Thema!«

»Also doch! Am Ende möchten Sie auch uns den Besitzstand garantieren, den wir vor unserer Eroberung Schlesiens hatten?«

»Den Besitzstand nach jener glorreichen Eroberung, Majestät!«

»Wie soll ich das verstehen? England will Österreich Schlesien wiedergeben – aber gleichzeitig uns gnädigst gestatten, es zu behalten?!«

»Das nicht! Eure Majestät werden sicherlich auch ohnedem danach trachten, das zu behalten, was Eure Majestät erobert haben!«

»Sie irren sich nicht!«

»Trotzdem ich dieser Überzeugung bin, möchte ich mir doch alleruntertänigst die Frage erlauben, ob Eure Majestät nicht auch in einem anderen Falle denselben festen Willen bekunden möchten?«

»Es handelt sich also nicht um Schlesien?«

»Nein – nur um die Tänzerin Barberina!«

Friedrich lachte laut auf, ging einmal auf und ab, setzte sich dann ins Sofa und blickte den Lord ironisch an.

»Ach, sieh nur, auch in der Angelegenheit will England mitreden?!«

»England nicht! Nur meine Wenigkeit! Ich wollte mir alleruntertänigst erlauben, in betreff jener Dame um eine Gnade zu bitten!«

»Sie wissen, Mylord, daß wir Ihnen persönlich gewogen sind, und daß Sie sich jederzeit eine Gnade von uns erbitten können! Was jene Tänzerin betrifft, so möchten wir Sie aber ersuchen, keine Fürbitte zu tun! Sie erleidet ihre gerechte Strafe! Sie hat gewagt, uns zu trotzen! Wir haben sie also als eine Gefangene hierher transportieren lassen, damit sie sieht, daß man dem König von Preußen nicht ungestraft auf der Nase herumzutanzen sucht! Sie ist jetzt hier. Das ist alles, was wir wollen! Wir haben unseren Willen durchgesetzt und werden sie jetzt laufen lassen!«

»Wollen Eure Majestät sie nicht tanzen sehen?«

»Tänzerinnen haben wir genug! Wir sind nicht neugierig!«

»Sie soll aber eine hervorragende Künstlerin sein – und sehr schön!«

»Die Person interessiert uns nicht im geringsten!«

»Eure Majestät haben sie eben nicht tanzen sehen!«

»Wir werden ihr auch nicht die Ehre antun! Wir sagten Ihnen, warum wir sie haben herbringen lassen, und auch, daß sie uns gleichgültig ist! Sie glauben doch nicht, wir hätten es nötig, die ganze europäische Diplomatie – wegen einer Tänzerin in Bewegung zu setzen? Um das Ansehen des Königs von Preußen war es uns zu tun – um weiter nichts! Die Krämers an der Adria hatten es gewagt, uns zu verhöhnen, als wir in einer gerechten Sache an ihre Justiz appellierten! Sie hatten uns die Sottise an den Kopf geworfen, unser Vertreter, Graf Cattaneo, hätte kein Recht, in unserem Namen zu sprechen, obwohl wir ihn schickten – weil er schon sein Abberufungsschreiben überreicht hatte, als jene Tänzerin frech wurde. Sie haben uns zu Gegenmaßregeln gezwungen! Mein Botschafter in Wien hat es sich viel Geld und Mühe kosten lassen und auch den Sukkurs der Königin von Ungarn erbitten müssen! Und das alles wäre nur wegen einer Tänzerin geschehen? Glauben Sie das wirklich?«

»Nein! Ich glaube aber: wenn Eure Majestät sie gesehen hätten, dann wäre auch das möglich!«

»Er ist dreist!«

Friedrich stand auf, ging an das Fenster und trommelte an der Scheibe. Plötzlich wandte er sich um.

»Sage Er mir – kennt Er einen gewissen Lord Stuart?«

»Er ist mein Neffe!«

Friedrich lachte kurz.

»Da fange ich an, Seine Manövers zu begreifen! Er möchte wohl, daß ich wegen Seines Neffen die Mamsell in meinen Diensten behalte?«

»Wenn ich mir gestatten dürfte, eine Bitte auszusprechen –?«

» Mais non! Das gestatten wir Ihm nicht! Der Stuart ist Sein Neffe! Er ist in jene Tänzerin vernarrt! – Sie scheint auch nicht klüger zu sein! Da – seh Er nur, was mir der junge Herr schreibt!«

Er reichte Hyndford einen Brief.

»Mein Neffe hätte gewagt –?«

»Er hat um Audienz gebeten! Sein Stand und Rang erlauben ihm das schon! Er scheint aber ganz außer Rand und Band zu sein! Er will sie zur Frau haben! Er bietet sich an, uns eine andere Danseuse zu stellen, die ihre Sache ebensogut macht! Er will uns die Kosten ersetzen! Er fleht uns an, ihm die Mariage mit ihr zu gestatten!«

»Die möchte ich eben verhindern! Eine Person von solch niedriger Geburt kann nimmermehr in unsere Familie aufgenommen werden! Da bitte ich Eure Majestät, mir die große Gnade erweisen zu wollen, seine Bitte rundweg abzuschlagen!«

»Mein lieber Lord, wir haben genug zu tun, um unsere eigenen jungen Leute vom Adel davor zu bewahren, sich zu mesalliieren! Wir haben keine Neigung, uns auch in die amoureusen Affären der Herren Engländer zu melieren! Mag Sein Neffe sich mit der Mamsell kopulieren lassen oder nicht – uns tangiert das nicht im geringsten! Wenn sie bezaubernd schön ist, wie Er sagt, so riskiert Seine gute Familie höchstens, das abgestandene Blut ihrer Ahnen aufzufrischen! Wir wollen England darinnen gerne begünstigen!«

Hyndford gab den Brief zurück und verbeugte sich schweigend.

»Er braucht mir das nicht krumm zu nehmen! Er kann sich dafür eine andere Gnade ausbitten!«

»Wie dürfte ich es wagen, nachdem ich so unglücklich war, Eure Majestät mit dieser geringen Bitte zu mißfallen!«

Friedrich dachte einen Augenblick nach.

»Er ist ein Querkopf! Er ist mir aber trotzdem persönlich wert! Wenn ich nun ihm persönlich zu Gefallen in Seine Bitte einwillige – sage Er mir, will Er mir dann auch persönlich zu Diensten sein?«

»Majestät brauchen nur zu befehlen!«

Friedrich ging ein paarmal auf und ab und blieb dann vor dem Modell des Kriegsschiffes stehen!

»Seh Er, solch ein Spielzeug kostet Geld – viel Geld! Wir haben ja eine wohlgefüllte Schatzkammer, haben aber auch Aufgaben, die dringlicher wären! Wir möchten es nicht schon jetzt nötig haben, eine Kriegsflotte zu bauen! Will Er mir persönlich damit dienen, das Mißtrauen Seiner Regierung und Seiner Landsleute gegen meine Handelsunternehmungen in Emden zu zerstreuen? Will Er drüben ernstlich zu verstehen geben, daß wir, wenn nötig, gleich daran gehen werden, Kriegsschiffe zu bauen! Das heißt, wenn man nicht einsieht, daß die Erde so groß ist, daß auch wir von deren Reichtümern profitieren können, ohne das Geschäft Seiner Landsleute zu verderben? Er versteht mich?«

»Eure Majestät können überzeugt sein, daß ich alles aufbieten werde, um ein gutes Einvernehmen im Sinne von Eurer Majestät Intentionen herzustellen!«

Friedrich blickte ihn durchdringend an.

» Eh bien! Da will ich auch Ihm persönlich einen Gefallen tun!«

Er setzte sich ins Sofa hinter den Schreibtisch, nahm einen Gänsekiel und kratzte unter den Brief des jungen Stuart eiligst ein paar Zeilen hin, deren Inhalt er beim Schreiben laut vor sich hin las.

»Wird nicht beantwortet! Der junge Lord Stuart wird beordert, sofort und auf dem kürzesten Wege meine Staaten zu verlassen! – – Ist Er jetzt zufrieden?«

Lord Hyndford verbeugte sich, küßte dankbar die ihm gereichte Hand des Königs, und entfernte sich auf den Wink, daß die Audienz beendet sei.

Inzwischen war Barberina in Berlin angelangt.

Ihre Reise durch Österreich und Schlesien war nicht gerade ein Triumphzug gewesen. Die Wege waren jetzt im Frühjahr miserabel, das wochenlange Schütteln darauf eine schwere Strapaze! Dazu kam noch die seelische Aufregung wegen der Trennung von ihrem Geliebten! Alles in allem Umstände, die nicht zu ihrem Wohlbefinden beitrugen.

»Mama« vertrug die Reise besser, trotz ihrer Jahre und dank ihrer Eitelkeit. Das Aufgebot der europäischen Diplomatie um ihretwillen – die militärische Eskorte – die aufmerksame Fürsorge der mit ihrem Transport betrauten Beamten machte sie das körperliche Ungemach der langen Fahrt ganz vergessen.

Sie blähte sich wie ein Puter – sie kam sich zum mindesten so vor wie eine eroberte Provinz jenes Königreiches, das ihre Tochter wohl bald darstellen würde!

Berlin gefiel ihr ausnehmend gut. Es war kein solcher von allem möglichen Geschmeiß kribbelnder Ameisenhaufen wie London – nicht so atemberaubend wie das berauschende Paris, sondern solid, neu und proper gebaut, mit geraden Straßen und nicht zuviel Menschen! Gerade der richtige Nahmen für ihr gesetztes, dem ruhigen Genuß zuneigendes Matronentum.

Sie saß vor dem Spiegel in einem Zimmer des Gasthauses, wo sie abgestiegen waren, und war bemüht, ihr Exterieur mit dem neuen Rahmen einigermaßen in Einklang zu bringen.

Leicht war das nicht. Die scharf gebogene Nase, die stechenden schwarzen Augen unter buschigen Brauen, die etwas aufgeschwemmten Formen muteten gar zu orientalisch an! Aber die Damen hier waren auch wohlbeleibt, und gepuderte Frisuren trugen sie auch! Und wennschon das landesübliche Blau der Augen nicht herzustellen war – das Schwarze würde um so mehr Effekt machen!

Man würde sich schon einleben!

Freilich – ihre Tochter dachte anders! Sie war sogleich am ersten Tage zum Intendanten der Oper, Baron Swerts, gegangen, um sich vorzustellen, sich über die ihr zugefügte Unbill zu beklagen und um eine Audienz beim König zu bitten.

Dem König wollte sie dann den zerrissenen Vertrag vor die Füße werfen und erklären, daß sie ihrem »Gemahl« Lord Stuart, der gleichfalls hier eingetroffen war, bis ans Ende der Welt zu folgen gedenke. Berlin wäre noch lange nicht das Allerletzte! Und sie würde hier nicht tanzen! – Sie ließe sich überhaupt nicht zwingen!

Mit den Worten war sie gegangen! – Die Worte würde sie wenigstens nicht wiederfinden! Das beruhigte die Mama ein bißchen! Man ist zu Hause, den Angehörigen gegenüber, stets mutiger als angesichts des Feindes! – Ihre Tochter hatte auch um nichts auf der Welt Venedig verlassen wollen! Trotzdem war sie jetzt hier!

Es würde auch so weitergehen! Der König würde schon Mittel und Wege finden, seine Eroberung zu befestigen! – Wenn er Babara erst sähe! – – Mama brachte ihm in dieser Hinsicht großes Vertrauen entgegen! Die unwiderstehliche Gewalt der Reize Babaras und ihre Lebenslust waren ihr da unschätzbare Verbündete! Lord Stuart war allerdings da und im Wege! Aber Beständigkeit in Liebessachen war nie die Sache Babaras gewesen. Sie würde bald auch ihn, den so heiß Begehrten, satt haben!

Mama blickte prüfend ihr Spiegelbild an. Die Runzeln des Gesichts waren schon unter der geschickt aufgelegten Schminke verschwunden! Ein paar Mouchen erhöhten die Zartheit des gut gemalten Teints! Man könnte vielleicht noch ein wenig Rot riskieren!

Sie setzte ihre Malerei fort und lächelte wohlgefällig beim Gedanken an die vielen kräftigen, jungen Kavaliere, die ihr hier in Berlin aufgefallen waren und deren frisches, frohes und unverhüllt zur Schau getragenes Draufgängertum ihrem alternden Herzen wohltat!

Da wurde ihr Lord Stuart gemeldet, der auch gleich hereintrat und etwas enttäuscht war, Barberina nicht anzutreffen.

»Sie wird bald da sein, Mylord – und, so Gott will, auch da bleiben!« beschied ihn die »Mama« und deutete auf einen Sessel.

Stuart nahm Platz und bemerkte so nebenbei, daß wegen des »Dableibens« zwischen ihm und Babara ganz andere Vereinbarungen getroffen wären.

»Das war auch in Venedig der Fall«, antwortete die Alte kalt. »Und trotzdem befinden wir uns heute hier! Unser Kommen hätte sich allerdings angenehmer gestalten können, wären Sie nicht gewesen!«

Stuart machte eine ungeduldige Miene. Aber »Mama« ließ ihn nicht zu Worte kommen.

»Wir beklagen uns durchaus nicht deswegen«, sagte sie schnell. »Die diplomatische Aktion – die Gefangennahme – der Transport unter militärischer Bedeckung – das hat ohne Zweifel in ganz Europa gewaltiges Aufsehen geweckt! Wir sind dadurch noch berühmter geworden, als wir es schon waren. Man wird sich sagen, daß wegen der ersten besten nicht ein derartiger Apparat in Bewegung gesetzt zu werden pflegt!«

»Dann wären Sie mir eigentlich zu Dank verpflichtet!«

»Nun, es hätte ja anders kommen können! Man hätte sich hier kurzerhand mit Babaras Eigensinn abfinden und auf ihre Dienste verzichten können, wenn der König, zum Glück, nicht so eigensinnig gewesen wäre, auf seinem Recht zu bestehen! Das war nicht Ihr Verdienst, Mylord! Sie hätten uns kalten Blutes die schöne Karriere verderben können, die sich uns hier bietet!«

»So Gott will, werde ich das auch tun!«

»Dazu sind Sie uns also bis hierher gefolgt?«

»Um ihr und mein Glück vor Vernichtung zu schützen, dazu bin ich hier!«

»Über Ihr Glück, Mylord, will ich mit Ihnen nicht streiten! Was aber meine Tochter betrifft, so wird sie kaum so töricht sein, das sogenannte »Glück« an Ihrer Seite der Gewogenheit eines großen Königs vorzuziehen!«

Lord Stuart wurde durch die Ankunft Barberinas verhindert, zu antworten. Und die Zärtlichkeit, mit der sie ihn begrüßte, strafte die Worte ihrer Mutter Lügen.

Sie war aber sonst sehr schlecht gelaunt.

Der Intendant hatte sie zwar sehr höflich empfangen und mit ihr das Programm für ihr erstes Auftreten besprochen, aber die erbetene Audienz wurde ihr rundweg abgeschlagen. Er hatte ihr die Antwort Friedrichs auf die Eingabe mitgeteilt, und die war in ihrer Kürze nicht dazu geeignet, sie zu beruhigen.

Was die »Mamsell« zu sagen hätte, sollte sie mit den Beinen vorbringen! Dazu wäre sie engagiert, keineswegs aber zu anderer »Konversation« befohlen! – So ungefähr hatte der Bescheid gelautet!

»Ich werd's ihm schon ›vorbringen‹, daß er's merkt! Fußtritte werde ich ihm tanzen! Ihm und seinem ganzen Hof! Wenn er mich dann nicht entläßt, werde ich keinen Schritt mehr auf die Bühne tun! – Setze dich, ich will's mit dir probieren!«

Sie drückte ihn auf einen Sessel nieder und fing einen ihrer wilden italienischen Bauerntänze an, den sie für ihr erstes Auftreten als Einlage gewählt hatte.

»Nun aufgepaßt, wie ich das machen werde!« rief sie. »Ich tanze mit meinem Geliebten ein zärtliches pas de deux und denke dabei an dich – tanze von rechts oben nach links unten, wo die kleine Loge des Königs ist. Du kannst dir denken, wie erfüllt ich dabei von dir sein werde – und auch, wie deutlich ich es zur Schau tragen will! Wenn er die geringste Ahnung von Tanz hat, wird er's verstehen! Dann aber, wenn mein Partner – in meinen Augen du – vorn an der Rampe mir zu Füßen liegt und ich ihn auf die Stirn küsse, schleicht sich aus der vorderen Kulisse ein Kobold hervor, wirft mir unvermerkt eine Rosenkette um den Leib, und wie wir dann beglückt davontanzen, läßt er die Kette, die ich immer noch nicht merke, ablaufen, bis wir, du und ich, miteinander hinaustanzen wollen. Dann zieht er sie wieder ein, langsam und unwiderstehlich. Mit immer größerem Widerstreben folge ich, kämpfe dagegen, anfangs vergeblich, bis er mich ganz eingefangen hat. Dann, beim Anblick seines häßlichen Gesichts, bäumt sich alles in mir auf, die Wut gibt mir Kraft, ich zerreiße die Fessel und schleudere sie ihm ins Gesicht! – Sei sicher, ich schleudere sie in die Loge des Königs – und fliehe dann! Er natürlich hinterher und versucht, mich mit Gewalt zurückzuhalten! – – Aber so mach's doch! – Schnell, ich will's mit dir probieren! – Du umfassest mich also – ich mache mich frei – – du packst mich wieder – – aber nicht so tolpatschig! Dreist zugreifen, Mylord! – So war's gut! – – Ich entwinde mich der Umklammerung – er verfolgt mich über die ganze Bühne – dann mache ich kehrt und treibe ihn mit einer ganzen Kette von Luftsprüngen zurück – so!«

Und mit einer Serie der wütendsten Entrechats trieb sie ihren Geliebten vor sich her und verfehlte nicht, ihm dabei immer wieder mit viel Grazie die Fußspitze auf die Nase zu applizieren. Er versuchte vergebens, den Fuß zu erhaschen und zu küssen.

»So ist's gut!« rief sie, im Tanzen lachend. »Wenn Lany das mimisch ebenso ausdrucksvoll macht wie du, wird sich das Theater vor Lachen wälzen!«

Und sie versuchte, ihm einen letzten Tritt zu versetzen, den aber die Mama, hinter die er sich rasch flüchtete, zu ihrer großen Entrüstung, auf höchst ihrer eigenen Nase zu fühlen bekam.

»Nichts für ungut, Mama!« rief Babara immer übermütiger. »Das war für den König von Preußen bestimmt, dessen Majestät zu vertreten du jetzt die Ehre hattest! – Bis in seine Loge hinein treibe ich den Lany! Und so, daß der König schon merkt, für wen die Fußtritte bestimmt sind! – Dann wirbele ich zurück über die Bühne und verschwinde da, wo ich gekommen bin, eile aus dem Theater hinaus und in den Wagen, den du mir bereit halten wirst, Beß! Und das Weitere wird sich finden!«

»Das denke ich auch«, sagte die Mama mit Ruhe. »Denn ebenso, wie Mylord tatsächlich die für den König bestimmten Fußtritte bekam – ebenso sicher wird er sie für sich allein behalten! Der König ist nicht der Mann, dem man auf der Nase herumtanzt! Das, glaube ich, hätte er uns wohl ausdrücklich genug bewiesen! – Für den Wagen aber nach der Vorstellung sorge ich! Mylord brauchen sich da nicht zu bemühen!«

Zu ihrem Erstaunen entgegnete die sonst widerspenstige Tochter nichts. Sie war betroffen von der Deutung, die die Mutter ihrem Tanz gegeben hatte! Ebenso ging es ihrem Geliebten, der, wie alle Engländer, etwas abergläubisch war. Als eine böse Vorahnung stieg gleichzeitig dasselbe Gefühl in ihren Herzen auf. Müde und verdrossen warf Babara sich aufs Kanapee.

Ihre Mutter hatte die Wahrheit gesagt! – Das Band, das sie an Berlin fesselte, ließ sich nicht durch einen bloßen Scherz zerreißen! – Anfangs leicht wie Spinnwebsfaden, als sie sich's in Paris anlegen ließ, hatte es sich als unzerreißbar erwiesen und war zur eisernen Kette geworden, die sie in jeder Beziehung unfrei machte! Und weswegen?!

Sie blickte schnell zu Beß hinüber!

Seinetwegen hatte sie das alles durchmachen müssen! – Gewiß, sie liebte ihn – er war ihr mehr wert als die meisten! Aber doch trat die Sättigung mit dem erlangten Besitz ein! – Es fing schon an langweilig zu werden! – –

Sie fuhr auf. Das Gewissen schlug ihr. Sie ging hin und gab ihm einen Kuß.

»Kümmere dich nicht darum, was sie auch sagt! Die Mama ist ehrgeizig! Sie ist ja auch stolz auf mich! Laß ihr das! Denk nur an mich! Ich liebe dich ja!«

Aber die Verstimmung wich nicht. Man empfand es allseitig wie eine Erlösung, als ein Bote ihr einen Brief des Intendanten brachte, in dem ihr mitgeteilt wurde, daß sie am folgenden Tage, am 13. Mai, die Ehre haben würde, zum ersten Male in der Oper vor dem Könige zu tanzen.

Das gab ihr alle Hände voll zu tun, um mit den Vorbereitungen fertig zu werden.

Stuart wurde fortgeschickt und für den nächsten Tag nach der Vorstellung zum Souper bestellt.

Er ging nach seinem Quartier, um zu sehen, ob die Antwort auf sein Audienzgesuch eingetroffen sei! Und fand da – einen Polizeibeamten vor, der den Auftrag hatte, ihn zu sofortiger Abreise zu veranlassen und ihn im Falle der Widersetzlichkeit festzunehmen und mit Gewalt über die Grenze zu schaffen!

Der Staatsminister Podewils hatte strenge Ordres gegeben. Er hatte genug Scherereien und Ungemach wegen der Liebelei dieses jungen Dandys gehabt und Zeit und Mühe verloren, die seines Erachtens einer besseren Sache wert waren! Jetzt machte er Schluß!

Stuart mußte gehorchen, so sehr er sich auch sträubte! Es wurde ihm nicht gestattet, erst von der Geliebten Abschied zu nehmen! Keine Zeile durfte er ihr schicken – keine mündliche Botschaft hinterlassen! Seine Bitte, erst seinen Vetter, den Lord Hyndford, besuchen zu dürfen, wurde ihm auch abgeschlagen. Wie er ging und stand, mußte er in die bereit gehaltene Postkutsche steigen, und der freundliche Polizeibeamte hatte noch die Güte, ihm das Geleit zu geben.

Am folgenden Tage rollten die Karossen der vornehmen Welt die Linden entlang und hielten an der Paradetreppe des langgestreckten neuen Opernhauses, das der König auf dem freien Platz dem Zeughause gegenüber erbaut hatte.

Man war beim Könige zu Gast! Er ließ seinen Märkern französische Komödie vorspielen. Aber zahlen durften sie nicht! Kommen auch nur, wenn ihre gesellschaftliche Stellung oder ihr Rang ihnen ein Anrecht auf eine Einladung gab.

Kritik wurde nicht geübt. Die Gazetten durften nicht genieret werden, so hatte der König wohl im ersten Jahre seiner Regierung geboten. Sie durften aber auch nicht genieren – dafür sorgte er auch! – Jede Besprechung öffentlicher Angelegenheiten, insbesondere militärischer Dinge, war rundweg verboten, und jede Zuwiderhandlung mit hoher Geldstrafe oder Entziehung der Konzession belegt.

Das Theater war des Königs Privatangelegenheit. Man schrieb also Berichte, erwähnte kurz, wer dagewesen war, was man gespielt und wer die Ehre gehabt hatte, aufzutreten. Aber man enthielt sich jedes Urteils. Dies wurde aber um so mehr bei den Vorstellungen laut. Und die Besprechungen erfolgten bei den gesellschaftlichen Veranstaltungen der feinen Welt – wenn auch mit der durch die Furcht vor Spionage gebotenen Reserve.

Der König wollte heute die Komödie besuchen.

Das genügte, um zu bewirken, daß alles sich nach der Vorstellung drängte.

In den Logen sah man, außer einigen distinguierten Fremden, deren gepuderte Lockenköpfe und modische Trachten das Aufsehen weckten, die ganze offizielle Welt.

Der Staatsminister Podewils war da, und mit ihm die meisten seiner Amtsbrüder. Die Herren vom Generaldirektorium, die hohen Justizbeamten und, sehr vornehm und distinguiert in den Sesseln ihrer Loge thronend, die Herren Akademiker. Die hatten aber oft das Pech, weder gesehen zu werden, noch sehen zu können.

Vor ihrer Loge weitete sich das Parterre, und das war gedrängt voll von Soldaten, die hier das Vorrecht hatten, und die ihre Weiber mitnahmen und sie sich gelegentlich auf die Schulter setzten, damit sie besser sehen könnten. Wobei es nicht immer ohne derbe Späße zuging und Gekreisch und Lachsalven einander ablösten.

Endlich kam der König, von seinem Freunde Keyserlingk, dem Grafen Algarotti und Chevalier Chazot begleitet.

Am Vormittag war er aus Potsdam angelangt, hatte das Diner bei der Königinmutter, Sophie Dorothea, im Schlosse Monbijou eingenommen und sich von dort in die Komödie begeben.

Man spielte das Hirtenspiel irgendeines modischen Franzosen. Als Zwischenspiel kam dann die große Sensation des Tages, das erste Auftreten Barberinas, um deren Haupt Fama schon den Schimmer der Romantik gegossen hatte, und über deren Person zahlreiche galante Legenden kursierten.

Sie hatte einen rauschenden Erfolg mit ihren wilden Bauerntänzen – nicht zum mindesten bei dem Parterre, wo die Begeisterung wohl nicht mit Zuhilfenahme der geschniegelten Salonmythologie, aber um so urwüchsiger und derber laut wurde.

»Dunnerschlag – die Schenkel!« rief ein bärtiger Musketier, als sie ihre Luftsprünge machte.

»Een Paradetritt jibt se her!«

»Beene hat se wie'n Pandur!« bemerkte ein anderer.

»Schwerenot – wenn das dem Fritze nich jefällt!«

»Der macht se noch zum Flügelmann bei de Jrenadiere!«

»Der Fritze wird wissen, wo er se läßt! Hab man keene Sorge nich!«

Immer und immer wieder mußte sie vortreten, um die Huldigung des Publikums zu empfangen. Und nachher wurde sie in die königliche Loge befohlen.

Sie hatte mit der ganzen Wut getanzt, die sie über die ihr angetane Gewalt empfand, und dabei – trotz aller Grazie – eine Verve entwickelt und ein Temperament bewiesen, das alles bezwang! Man hatte etwas anderes erwartet – eine Explikation ihrer Meisterschaft in der hohen Tanzkunst – und stand vor einer entfesselten Naturgewalt, die frappierte und jede Regung einer Opposition unmöglich machte! Sie hatte gehofft zu verletzen – hatte aber nur angenehm überrascht und fand schrankenlose Bewunderung in allen Blicken der lächelnden Gesichter.

Bei einem einzigen aber war diese Bewunderung mit solch überlegener Ironie gepaart, daß sie unwillkürlich den Trotzkopf beugte und von einer Anwandlung von Reue beschlichen wurde.

Eine unwiderstehliche Gewalt ging von der kleinen, eleganten, in reiche französische Tracht gekleideten Gestalt aus, die vor sie hintrat. Der große Kopf mit dem ausdrucksvollen Gesicht, das sarkastische Lächeln – die Freiheit von jeder Pose und, vor allem, das unergründliche tiefe Blau der großen Augen machte sie alles andere vergessen. Der Genius einer Zeit lebte in dieser unscheinbaren Gestalt! – Vor ihm versank alles andere und wurde zu nichts! – Ihre Kunst, und erst recht ihre persönlichen Wünsche, schienen ihr so unsagbar klein! Und als die Erscheinung mit einer menschlichen Stimme menschliche Worte an sie richtete – da war Staunen die erste Empfindung. Bis sie antworten mußte. Da regte sich ihr eigenes Genie, und sie gewann ihre Keckheit wieder.

»Nun, Mademoiselle, Sie hatten den Wunsch geäußert, mich zu sprechen! Was hatten Sie mir zu sagen?«

»Ich habe mich bemüht, Sire, es nach bestem Können in der mir gnädigst anbefohlenen Sprache vorzubringen!«

»Sehr gut!« lachte Friedrich.

»Hatten Eure Majestät auch die große Gnade, meine Dissertation so, wie sie gemeint war, aufzufassen?«

»Sie haben – mit den Beinen – sehr entgegenkommend gesprochen«, sagte Friedrich, der wohl das Zielen ihrer Entrechats nach seiner Loge bemerkt hatte. »So wollen wir es auch gern auffassen! Wir haben es wohl verstanden, daß Sie das Bedürfnis empfanden, Ihr Temperament in der neuen und ungewohnten Umgebung auszutoben – sich sozusagen Luft zu machen – sich Platz zu bereiten! Das nächste Mal hoffen wir Sie in der seriösen Kunst bewundern zu können! Sie werden uns bald in der Pantomime Pan und Syrinx vortanzen!«

Er gab ihr die Hand, die sie ehrerbietigst küßte.

»Mein Kompliment, Mademoiselle«, sagte der König noch gnädig. »Mit einem Charme haben Sie die Ketten zerrissen, mit denen sie der Faun zu fesseln versuchte – mit einem Furor, daß man denken müßte: da halten keine Ketten stand! – Es gibt aber Ketten, die nicht zu zerreißen sind! – Bon soir, mademoiselle

Und damit war die Audienz zu Ende.

Nock ganz wirr von dem überwältigenden Eindruck der ersten Begegnung, ging sie auf die Bühne zurück und folgte ihrer Mutter nach dem Wagen, ohne überhaupt daran zu denken, nach ihrem Beß zu sehen. Sie fragte nicht einmal nach ihm, als beim Souper sein Platz leer blieb.

Am folgenden Tage wurde ihr ein hoher Ministerialbeamter gemeldet, der ihr einen definitiven Vertrag vorlegte. Der Vertrag enthielt die ausdrückliche Bestimmung, daß sie während dessen Dauer, vorläufig drei Jahre lang, nicht heiraten dürfte – ließ aber den Platz für das Gehalt leer, denn sie sollte ihn nach Belieben ausfüllen dürfen. Sie schrieb 5000 Taler hinein – eine Summe, die der König sofort auf 7000 erhöhte.

Außerdem wurde ihr, im Auftrage des Königs, bedeutet, sie möge in der Komödie tanzen, wann es ihr beliebe. Nur in den Opern oder im Ballett sei sie an das Repertoire gebunden.

Und – so ließ der König gnädigst ansagen – bei Gelegenheit ihres nächsten Auftretens wollte er sich das Vergnügen geben, in ihrer Garderobe den Tee einzunehmen.


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