Georg Freiherr von Ompteda
Maria da Caza
Georg Freiherr von Ompteda

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XIII.

Gräfin Selbotten sagte, als ihr Maria da Caza mitteilte, wie Stassingk gebeten, sich von ihrem Gatten zu trennen, um seine Frau zu werden, nichts davon, daß ihr Mann den jungen Diplomaten auf seine Pflicht aufmerksam gemacht. Sie mochte ihr Glück nicht stören. Sie übernahm es auch, für die Freundin mit einem Rechtsanwalt zu sprechen, um sich über die Schritte zu unterrichten, die zur Einleitung einer Scheidung erforderlich wurden.

Maria da Caza wollte von ihrem Manne einfach ihre Freiheit fordern; aber da sie seit Jahren nur äußerlich mit einander lebten, so erschien es wahrscheinlich, daß Herr da Caza nicht darauf eingehen würde. Er verlangte von seiner Frau nichts anderes mehr, als daß sie ein Haus machte, die Gäste empfing, sich überall zeigte, wo man in Berlin dabei sein mußte.

Wenn sie nun geschieden worden wären, so wäre sein Verkehr, der sich immer mehr verbesserte, zum Stillstand gekommen, die große Geselligkeit hätte aufgehört, die das Cazasche Haus pflegen konnte, allein dank Maria da Caza.

Die größte Angst aber hatte Herr da Caza immer vor einem öffentlichen Skandal, weswegen er auch für seinen Stall beim Rennen grundsätzlich nie Protest einlegte. Er würde also wahrscheinlich zu einer gutwilligen Trennung nicht zu bewegen gewesen sein und immer geglaubt haben, mit der Zeit müßte alles wieder ins rechte Gleise geraten.

Er selbst ließ sich aber nichts zu schulden kommen und hätte vor dem Richter nur bekundet, daß von unüberwindlicher Abneigung nicht die Rede sei.

Das machte Graf Selbotten Maria du Caza noch einmal klar, als sie darauf bestand, eine Aussprache mit Herrn da Caza herbeizuführen.

– Was bleibt mir denn aber übrig? – fragte sie erregt, und Graf Selbotten, der seine Frau zum Rechtsanwalt begleitet hatte, antwortete:

– Das, was das Gesetz »böswillige Verlassung« nennt, meint unser Rechtsbeistand Justizrat Zenker.

Maria da Caza verstand nicht, was das bedeuten sollte, und er setzte es ihr auseinander. Sie sollte ohne Wissen und Willen ihres Gatten die gemeinsame Wohnung – die Villa – verlassen. Falls er ihr dann schriebe und sie aufforderte, in sein Haus zurückzukehren, so würde sie sich dessen weigern und damit zwar die Schuld auf sich nehmen, aber ihre Ehe geschieden sehen.

Als Graf Selbotten geendet, schwiegen sie nachdenklich alle.

Maria da Caza dachte an ihre Zukunft: so plötzlich hatte sich alles gewendet. Gestern noch wußte sie nicht, wie es werden sollte, gestern noch ahnte sie nicht, was Stassingk ihr sagen würde, heute war alles schon entschieden. Nur eins wußte sie noch nicht, wohin sie gehen sollte, denn fort mußte sie aus Berlin. Ihre Eltern lebten nicht mehr, und Verwandte ihrerseits besaß sie nicht. Zu ein paar wenigen Verwandten von Cazascher Seite, die in Oesterreich lebten, konnte sie natürlich nicht gehen. So dachte sie daran, zu reisen. Aber wohin? Und vor allem mit wem? Doch sie entschlug sich, dieser Gedanken: das würde sich schon alles noch finden, wenn es sich auch bald entscheiden mußte, denn sie wollte Berlin verlassen so bald als möglich:

– Ich packe morgen, was ich brauche, das andere lasse ich mir nachschicken und dann fort! – sagte sie mit strahlenden Augen zur kleinen Gräfin, die erschrocken fragte:

– Morgen, Maria? Morgen willst Du fort?

– So schnell als möglich! Nur daß ich Dich verlassen soll, tut mir weh.

Sie nahm die Hand der Freundin. Aber Graf Selbotten runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf:

– Gnädige Frau, vielleicht mischen wir uns in Dinge, die uns nichts angehen, aber das sollten Sie nicht tun!

– Was?

– Sie sollten nicht gleich fort. Sie müssen ruhig warten, bis sich irgend eine günstige Gelegenheit bietet, so daß es unauffällig geschehen kann. Herr von Lindstedt braucht nicht sofort die Geschichte zu merken, um sie überall herumzutragen.

Doch Maria da Caza sah es nicht ein. Sie hatte nur den einen Gedanken: fort, so schnell als möglich fort. Die kleine Gräfin aber meinte besorgt:

– Maria, Du mußt alles tun, damit man nichts Böses denkm und reden kann. Je ruhiger und stiller Du alles machst, so daß es gar nicht auffällig ist, desto besser ist es für Eure Zukunft. Daran mußt Du nun vor allen Dingen denken. Du verdirbst Dir Deine Stellung für später.

Maria da Caza hörte schweigend zu und sann nach darüber. Die Freundin hatte recht. Sie wollte irgend eine günstige Gelegenheit abwarten. Sie versprach der kleinen Gräfin, keinen voreiligen Schritt zu unternehmen. Als sie von Selbottens schied, sagte er noch im Flur, bis wohin das Ehepaar ihr das Geleite gegeben:

– Gnädige Frau! Zum Schluß noch etwas: zählen Sie immer auf uns beide. Den Leuten pflegt die Dankbarkeit eine Last zu sein, aber denken Sie, bitte, immer dran, wir sind nicht so. Meine Frau wird Ihnen nie vergessen, wie Sie sich ihrer annahmen, die Sie tausend andere Menschen hatten, amüsantere und – reichere, denn die Sepia-Lappen, auch schon die einfachen blauen, spielen tüchtig ihre Rolle in der Welt... Wir sind immer da. Wir wohnen Viktoriastraße. Die Nummer wissen Sie. Nun vorderhand Ruhe und Aushalten. Ihr Glück ist Ihnen ja gewiß, es fragt sich nur, wann es kommt. Es soll nie getrübt werden, darum müssen Sie eben vorsichtig sein ...

Er küßte ihr innig die Hand, länger, als man es zu tun pflegt, und die beiden Freundinnen umarmten sich.

Selbottens blickten ihr vom Fenster aus nach, wie sie der Tiergartenstraße zuschritt. Sie dachten nach über Maria da Cazas Zukunft, beide waren ganz ernst geworden, wie sonst nie, und die kleine Frau fragte mit einem Male:

– Glaubst Du wirklich, daß die beiden glücklich werden?

– Daß wollte ich Dich eben fragen.

Sie hing an seinem Arm:

– Ich habe Maria so lieb. Was hat sie eigentlich bis jetzt für ein Leben gehabt? Sie muß nun endlich doch einmal glücklich werden! Stassingk ist doch ein guter Kerl, sagst Du immer?

– Ist er auch! Ist er! Sieh mal, mein Zureden hat doch auch bei ihm wirklich geholfen. Das hat mich sehr gefreut.

– Hast Du's denn nicht geglaubt?

– Du meintest, er würde nicht auf Dich hören?

Graf Selbotten überlegte einen Augenblick, bis er die Antwort fand:

– O ja! Daß er auf mich hören würde, dachte ich schon, denn er ist wirklich besser als sein Ruf. Du hast's ja oft genug mit angesehen und angehört, so was von Courmachen habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Aber es ist gar keine böse Absicht dahinter, sondern ist ihm einfach so in Fleisch und Blut übergegangen, daß er nicht anders kann. So'n bißchen rumschwärmen muß er immer, nur so, wie mit Maria, hab ich's noch nie gesehen. Doch ich dachte, nachdem ich ihm die Hölle heiß gemacht hatte: jetzt ist's aus, jetzt läßt er's bleiben und schnappt ab. Da er's nun nicht getan hat, muß es wohl tiefer gegangen sein, und das scheint mir was so Außergewöhnliches, daß ich denke, es wird gut gehen!


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