Georg Freiherr von Ompteda
Maria da Caza
Georg Freiherr von Ompteda

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI.

Zu den Getreuen der Villa da Caza gehörte nun auch Graf Stassingk. Regelmäßig erschien er zum Diner. Die anderen Einladungen sagte er ab bis auf die offiziellen Festlichkeiten im Schloß, in den Botschaften und Ministerien, wo er sich durchaus zeigen mußte. An solchen Tagen kam er, nachdem er sich heimlich fortgestohlen, auf einen Augenblick, oder er erschien vorher, um zu berichten, wie langweilig es den Abend wahrscheinlich werden würde. Ab und zu ging er mit Cazas ins Theater oder in den Zirkus; seine übrigen Verpflichtungen vernachlässigte er vollkommen.

Maria da Caza bannte ihn allmählich ganz in ihren Kreis, so daß er nur dort noch öfters verkehrte, wo sie auch war.

Herr da Caza freute sich über Stassingks Besuche. Wenn nur wenige Herren da waren, so wurde nach Tisch meist noch eine Partie gespielt, und dabei rauchte man und trank ein Glas Bier. Da die Frau des Hauses jedoch in ihren Räumen keine Zigarre litt, mußte der Spieltisch im Herrenzimmer, im Billardsaal aufgestellt werden, oder in der Bibliothek, aber auch dort nicht gern, weil der Rauch beim Oeffnen der Tür in das weiße Boudoir dringen konnte.

Graf Stassingk rauchte nicht und hielt sich lieber bei den Damen auf als bei den Herren. So ward er der vereidigte Gesellschafter, auch wenn Maria da Caza allein war. Dann gingen sie in den kleinen Salon, wo das Wasser von der Spiegelwand fiel.

– Das mag ich so gern, dieses Rauschen! – sagte er dann zu ihr jedesmal, wenn sie sich vor das Bassin setzten.

Sie plauderten. Er erzählte und sie fragte, oder sie erzählte ihm und er forschte weiter mit leisen Worten nach allem, was ihr Dasein anging. Sie war glücklich, glücklich, wie sie es in ihrem ganzen bisherigen Leben nie gewesen. Ihr Ehrgeiz war erstorben, sie dachte kaum mehr daran, die Glänzendste, die Schönste zu sein, als wenn er dieses oder jenes schön, elegant, reizend gefunden, das sie trug oder besaß.

Sie kaufte, was sie sich an kleinen Schmuckgegenständen, an Vasen, Bronzen, Kunstwerken von dem reichen Taschengeld, das ihr ausgesetzt war, erstand, nur im Gedanken, ob es seinen Beifall finden würde, ob er davon gesprochen und es gebilligt. Sie zog sich nur noch an für ihn. Er hatte einmal gesagt, meergrün stünde ihr nicht – sie ließ ein Kleid dieser Farbe, das sie neu aus Paris von ihrer Schneiderin auf der Avenue de la l'0péra erhalten – unbenutzt liegen. Sie besaß wundervolle Opale, aber sie verschloß sie, weil er ihr erzählt, daß man sie in Frankreich nicht trüge, weil sie Unglück brächten, und daß auch er daran glaube.

In allem richtete sie sich nach seinem Geschmack: er mußte ihr Bücher empfehlen, was ihm einige Verlegenheit bereitete, da er zwar über alles unterrichtet war aus den Blättern, um in Gesellschaft darüber reden zu können, selbst jedoch wenig las. Und sie erinnerte sich, wie er ihr Peter Stöckls Bild »Müde« erklärt: nun fragte sie nach allem, was ihr unverständlich geblieben.

Von der Prinzessin und von anderen Frauen hatte sie nie gesprochen. Das Gefühl der Eifersucht war ihr nicht gekommen, denn sie wußte, daß er zum alten Fürsten Löwengaard-Espenburg oder zum Herzog von Ortenburg, wo er sie getroffen hätte, fast nie mehr ging. Nur von der Vergangenheit begann sie ein einziges Mal, da sie allein waren und die Herren drei Zimmer entfernt im Billardsaal eine Pfropfenboule spielten:

– Ich muß Sie einmal etwas fragen, was ich schon längst sagen wollte ... ich habe es nur nach nicht gewagt ...

Er ward aufmerksam, runzelte ein wenig die Stirn und meinte:

– Etwas Schlimmes ... Böses? Gnädige Frau?

Sie wußten, daß sie sich liebten, sie wußten, daß es eine Komödie war, wenn sie sich »Graf« und »Gnädige Frau« nannten, aber sie wollten beide nicht diese Grenze überschreiten. Es war besser, sie setzten sich nicht dem aus, von anderen gehört und überrascht zu werden, und es erschien ihr noch kälter und förmlicher, dazu ein unwürdiges Spiel, in der Gegenwart eines Dritten immer wieder zur förmlichen Anrede zurückzukehren.

Maria da Caza hatte das Gefühl, als sei dieses Gnädige Frau der Damm, der sie schützte vor einem Hereinbrechen der Leidenschaft ohne Schranke. Sie wollte sich selbst bewahren.

Wie er nun fragte, tat es ihr schon leid ihn geängstigt zu haben:

– Nein, nein, nichts Schlimmes, nichts Böses. Aus Ihrer Vergangenheit möchte ich etwas wissen.

Er lächelte mit seinem offenen, frischen Geficht und den blauen Augen, die ihr so gefielen, Maria da Caza an, aber in seinem Ausdruck lag doch eine leichte Verlegenheit:

– Aus meiner Vergangenheit?

– Ja, aus Konstantinopel.

– Nun, da bin ich doch neugierig.

– Sie haben mir nie von jener Frau dort gesprochen, deretwegen Sie abberufen worden sind, wie man sagte.

Noch schien er auszuweichen:

– Hat man Ihnen das auch erzählt?

– Wie sollte ich es nicht gehört haben? Der Regierungsrat sagte es jedem, der es hören wollte.

– Das sieht ihm ähnlich. Aber – es schadet nichts.

– Warum?

– Das war ja eine Dummheit nur. Wirklich eine Dummheit, nicht wert, eine so große Sache daraus zu machen!

Fast ängstlich wollte sie wissen:

– Also ist es aber doch wahr?

– Ja und nein ...

Wieder schwieg er. Maria da Caza ward erregt, da nicht gleich die Antwort kam, preßte den Mund zusammen, als wollte sie sich wappnen gegen das, was er ihr zu bekennen hatte, und griff abwehrend nach seinem Arm:

– Bitte, sagen Sie es nicht. Ich will es nicht hören ... Ich will es lieber nicht ... Nein ... nein, bitte nicht... ich würde es nicht hören können, es würde mir weh tun ... ersparen Sie es mir, bitte ... bitte nicht ...

Ebenso dringend, wie sie es eben noch hatte wissen wollen, bat sie ihn nun, nichts mehr zu sagen, und schließlich warf sie die Worte hin:

– Es geht mich ja auch nichts an, was Sie früher getan haben!

Stassingk erwiderte zögernd:

– Es geht Sie nichts an?

– Nein.

– Sie nehmen also kein Interesse an dem, was ich früher getan habe?

– Ich weiß nicht, ob ich ein Recht dazu habe?

Er stutzte einen Augenblick, als wollte er sich überlegen, «b er nicht mit irgend einer Wendung darüber hinweg sollte, damit sie ihn nicht mit unbequemen Fragen quälen könnte, aber wie er sie so vor sich sah, das schöne Haupt leicht zurückgebogen und ihn fast ängstlich anblickend, mit einem bitteren Zug der Ergebung auf den Lippen, da übermannte ihn sein Gefühl:

– Sie haben ein Recht, Sie haben auf alles ein Recht. Wie können Sie nur so fragen?

In seiner Antwort hatte ein Ton geklungen, wie sie ihn noch nicht von ihm gehört: nicht Leidenschaft, sondern Innigkeit, tiefes Gefühl. Darüber war sie glücklich und wiederholte ihre Frage. Nun erzählte er ihr auch von Konstantinopel. Es war nichts Romantisches daran, und er sprach davon mit spöttischer Stimme. Eine gereifte Frau, allerdings die Gattin eines Großwürdenträgers, doch eines Ausländers, der nur in türkischen Dienst getreten, hatte sich in ihn verliebt und verfolgte ihn mit ihrer Zuneigung ohne sein Wollen und Zutun, wie er sagte. Er hatte sich ihrer nicht erwehren können, und allmählich waren ihre Huldigungen zum öffentlichen Geheimnis geworden. Der Gemahl aber wußte, daß den jungen deutschen Diplomaten keine Schuld traf. Er war ihm im Gegenteil verbunden wegen seiner Haltung gegenüber seiner Frau. Um jedoch dem Skandal ein Ende zu bereiten, erwirkte er die Bitte um Abberufung, die denn auch sehr bald erfolgte:

– Sehen Sie, gnädige Frau, so werden Geschichten gemacht. Ich kann schwören, daß ich jener Dame nie entgegengekommen bin. Allerdings bin ich artig gewesen, wie man es gegen jede Dame sein muß.

Maria da Caza fühlte sich erleichtert, als atme sie nun in frischer Luft. Als die Herren die Partie beendet hatten und herüberkamen, um Lebewohl zu sagen war sie so ausgelassen und guter Laune, daß Rittmeister Hendrich sagte:

– Gnädige Frau, dos paßt ja gar nicht zu Ihrer strengen Schönheit! So habe ich Sie doch noch nie gesehen!

Sie lachte, sah Stassingk an und scherzte:

– Graf Stassingk hat mich so gut unterhalten, daß ich eben guter Laune geworden bin!

– Was haben Sie denn erzählt? – fragte Herr da Caza und legte Stassingk freundschaftlich die Hand auf die Achsel. Dieser wechselte einen Blick des Einverständnisses mit Maria:

– Ich erzählte von muhammedanischen Volkssitten!

– Das war amüsant?

– Es hat die gnädige Frau sehr unterhalten!

Herr da Caza dachte daran, daß seine Frau öfters in den Zeiten, wenn sie sagte, sie sei satt von gesellschaftlichen Dingen, allerlei Museen besuchte, daß sie regelmäßig in die Bilderausstellung ging, wohin er nie einen Fuß setzte, und daß sie Bücher über Kunst, Sitten, Volksgebräuche, Geschichte gelesen, die ihr Peter Stöckl oder Professor Charrier empfohlen. Er freute sich immer, wenn man mit Maria da Caza über jene Dinge sprach, die ihm fernlagen, weil er wußte, daß sie sich im Grunde für die Rennen wenig interessierte. Noch einmal ließ er seine Hand auf Stassingks Schulter ruhen, als die anderen schon gegangen waren und er ihn zur Tür brachte:

– Sie opfern sich ganz allein für meine Frau, während wir spielen, aber ich kann den Herren nicht zumuten, ihre Zigarre aufzugeben – ohne Zigarre kommen sie nämlich einfach nicht, und ich muß gestehen, ich täte es auch nicht. Um meiner schönen Augen willen ist noch keiner erschienen. ,

Er deutete auf sein Glasauge. Es war ihm nie peinlich, über sein Gebrechen zu reden, da das Gerücht umlief, er verdanke den Verlust des einen Auges einem Duell. Das erhob den körperlichen Fehler zum mystischen, interessanten Ereignis, während er in Wirklichkeit einer Explosion in der Zündhütchenfabrik seines Vaters zuzuschreiben war. Aus jenem Betriebe, der längst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und von dem nicht gesprochen wurde, stammte der Reichtum der Cazas.

Graf Stassingk reizte es, zu antworten, daß wohl welche erschienen wären der schönen Augen Maria da Cazas wegen. Er wollte des Gatten Verdacht nicht herausfordern, aber er war neugierig zu hören, wie Herr da Caza, von dem sie niemals sprach, eigentlich über seine Frau dächte. Als er nun die Redensart hingeworfen, wunderte er sich, wie der andere sie sofort aufgriff:

– Meiner Frau halber? Gewiß, gewiß kommen manche ihretwegen. Was tuts? Es ist mir sehr lieb, wenn man meine Frau mag und hübsch findet, bewundert. Sehen Sie, mit Ihnen ists ja auch so. Das hat mir ja gerade so gefallen, wie Sie, als ich das Vergnügen hatte, Sie kennen zu lernen, zu der alten Exzellenz sagten, an Schönheit käme überhaupt nur eine in Betracht, gegen die alle anderen zurücktreten müßten, nämlich meine Frau. Ist's nicht so? Kommen Sie nicht auch meiner Frau halber, um zu schwatzen und ein bißchen zu flirten, wie der schöne Ausdruck von jenseits des Wassers heißt?

Das hatte Stassingk nicht erwartet. Er entgegnete etwas gezwungen:

– Ja, ja, warum nicht? Es ist ja ein höchst unschuldiges Vergnügen, so eine kleine Flirtation!

– Bloß der moderne Ausdruck für Schwatzen. Früher gabs ästhetische Tees, Seelenfreundschaften, galante Herren, Kavaliere des ancien regime ..., na und heute ists ein Flirt ...

Stassingk traute ihm nicht zu, das aus Eigenem gefunden zu haben, und so erkundigte er sich rasch:

– Woher haben Sie das?

Gerr da Caza, der fremde Gedanken für eigene Münze ausgegeben, bog aus:

– Wieso?

– Diese Theorie meine ich?

– Ach, wissen Sie das nicht? Das sagt Lindstedt immer! – sagte er nun ganz selbstverständlich.


 << zurück weiter >>