Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Konto

Als Buchhalter führte ich an hundert Konten. Eines davon hieß Vonholzen. Auf der linken Seite standen Zucker, Reis, Kaffee und solche Sachen, rechts Per seine Zahlung und so weiter.

Am Kopf des Kontos wurden Bemerkungen eingetragen. Sie nahmen sich von ferne aus wie kleine Furchen. Die vermehrten sich und wurden größer, wie das bei Köpfen mit der Zeit so kommt: Gut für M. 10 000. – Zahlt pünktlich. – Kredit auf M. 15 000 erhöht.

Eines Tages mußte ich den Kopf erweitern: u. Co.

Dann kamen neue Furchen: Auskunft einholen. – Betrieb erweitert. – Krediterhöhung auf M. 25 000. – Zahlweife schleppender. – Neue Auskunft: Vorsicht.

Eines Tages wandelte sich Vonholzen in die Uebersetzung Dubois. Eine dicke rote Linie zog sich durch den Kopf. Dubois u. Co. stand jetzt darüber.

Neue Furchen traten auf: Bürgschaft verlangen. – Kredit Mark 40 000. – Neue Ware nur gegen Tratte. – Krediterhöhung M. 50 000 abgelehnt. – Auf Kreditminderung dringen. – Zusätzliche Bürgschaft verlangt. – Hypothekbestellung.

Rot schwoll eine Ader an dem Kopfe: Uebertrag aus Dubiosen Konto. Zwei Vokale hatten sich verschoben. Dubois war dubios geworden.

Wieder traten Falten auf: Monatliche Teilzahlungen vereinbaren. – Klage in Aussicht stellen. – Verlustabschreibung 50 Prozent. – Aufenthalt unbekannt. – Abschreibung 25 Prozent. – Konkursquote 10,5 Prozent. – Restabschreibung 14,5 Prozent. – Uebertrag auf schwarze Liste.

Jahre gingen, Jahre kamen. Konten gingen, Konten kamen.

»Eröffnen Sie ein Konto für den neuen Kunden Vonholzen,« sagte der Prokurist.

»Vonholzen?« sagte ich, in der schwarzen Liste blätternd, »mir ist, als wäre einer dieses Namens einst dubios –«

Der Prokurist lächelte in einen großen Brief: »Hat sich drüben wieder hochgebracht, heißt nicht mehr Dubois –«

Der neue Kontenkopf schaute mich an. »Und Kredit?« sagte ich, die Feder schwingend.

»Braucht keinen mehr. Zahlt bar. Auch das von damals. Buchen Sie – hm, der Fall war noch nicht da – die Buchung ist nicht leicht – denken Sie mal drüber nach …«

Ich weiß heute nicht mehr, wie ich buchte. Ich bin lange aus der Buchhaltung heraus.

Neulich zeigte mir mein Freund von ferne einen hohen alten Herrn: »Konsul Vonholzen –«

»Kenne ich.«

»Woher?«

Ich sah hinüber nach der Faltenstirne: »Seine Kontenrunzeln hab' ich einmal schreiben helfen.«

Er ließ nicht nach, ich müsse ihm erzählen –

»Ach,« sagte ich, »wie kann Dich als Historiker eine trockene Kontengeschichte –«

»Bitte sehr, ich führe auch ein Konto.«

Natürlich wollte ich das Konto wissen. »Erst Deines,« sagte er. Da nahm ich ein Blatt Papier und zeichnete den Kontenkopf mit allen Einschreibfalten auf der Stirne und den Buchungen.

Bei der letzten Buchung stockte ich: »Der Fall ist selten, die Buchung ist nicht leicht –«

»Ich weiß sie,« sagte er, »Arbeits-Konto an Wiederaufrichtungs-Konto.«

»Hm, dem Sinne nach nicht übel, aber woher weißt Du –«

»Ich sagte Dir ja schon, ich helfe auch ein Konto führen,« lächelte er. Aber dann wurde er ernst, sehr ernst: »Diese Buchung, wenn ich mal erlebte!«

»Mensch, sprich nicht in Rätseln, von was für einem Konto redest Du?«

»Vom Konto Deutschland


 << zurück weiter >>