Johannes Richard zur Megede
Von zarter Hand
Johannes Richard zur Megede

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Siebentes Kapitel.

Berlin läßt mich nicht.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die an der Liebe sterben können, wenn es auch die Liebe wäre. Auch das große Gefühl, das in den Staub drückt oder in den Himmel erhebt, vermag es nicht – selbst wenn es das Gefühl wäre . . . Rettungsloser Halber. . . . Vielleicht ist es auch besser so . . . Ich bleibe und sehe zu, ein Weiser oder ein Thor, je nachdem. Ich könnte unter einem Baume stehen, die reifende Frucht neigt sich zu mir nieder, dem lässigen Griffe zu weit, im Sprunge leicht gehascht. Ich möchte die reifende Frucht und möchte sie auch wieder nicht . . . Ich gehe nicht weg, aber ich springe auch nicht. Ich bleibe geduldig, bis mir die ausgereifte Frucht in die hingehaltene Hand fallen muß. Und in dem Augenblick, wo der dürre Stiel schon kraftlos bebt, die Goldene schwer sich senkt, ihrem Schicksal entgegen, da kann ich mich nicht mehr halten: ich springe zu, will die Fallende packen – aber ich springe zu hoch, ich fasse den grünen Zweig darüber und zause seine Blätter, indes die Frucht auf den Boden fällt. Und da mag ich sie nicht mehr . . . So trieb ich's mein Leben lang. Zuweilen war die reife Frucht des Wartens doch wert, zuweilen nicht 258 – aber den grünen Zweig erhaschte ich stets. Heute ist's anders. Die goldene Frucht neigt sich nicht, sie kann sich nicht neigen – und ich warte doch. Springen werde ich auch, und dann wird's ein dürrer Zweig tief drunter sein, den ich greife.

Die Gnädige und das Nilpferd sind abgereist. Bestimmungsort: London. Vorwand: Patentverkäufe. In Wahrheit handelt sich's wohl um einen Riesencoup für den Gatten, und Madame selbst nahm gern die Gelegenheit wahr, dieser Verlobung aus dem Wege zu gehen. Denn die Verlobung ist perfekt. Vor mir liegt die Anzeige – gestochen, distinguiert. Ein stärkerer Wille muß das von einem starken ertrotzt haben – Astas Wille. Die Gnädige beugte sich ihm und verschwand. Nun gehören die Schwestern wieder einander. Es wird eingekauft, gestickt, gesprochen. Ein Millionärstrousseau wird's nicht. Die Blonde bleibt sich getreu. Alles einfach, für meine Ansprüche direkt ärmlich – sie wünscht nicht den großen Chek auszunutzen, den man ihr zur Verfügung stellte.

Selfmademan - Selfmadewoman: das wollen die beiden bleiben.

Mich rührt's. Aber es ist doch ein oberflächliches Mitgefühl, das ich diesen guten Menschen gönne, versetzt mit einer leichten Ironie, wenn ich an Jaromirs Luftpistole denke. Es kommt eben alles so ganz anders, als man denkt. Große Kämpfe sollen tragisch enden oder komisch – für die Thränendrüse das eine, für die zuckende Lachmuskel das andre –, wenn's aber ehrlich zugeht und gesund, dann läßt's uns kühl. Etwas Kolportage im Roman des Lebens, das mögen nun einmal die ganz oben und die ganz unten, so blasiert auch die einen, so stumpfnüstrig auch die andern sind . . . Ach Gott – da will man selbst ein Schicksal – ein ganzes, 259 großes wo möglich – man fühlt den Fittichschlag, man ahnt, wie die ehernen Fänge einschlagend unser Fleisch zersetzen werden, man weiß, daß man unter ihm verbluten wird. Dennoch – im Bett sich niederthun zu sanftem Verenden oder qualvoll gestreckt werden in heißer Schlacht? Die Wahl wird mir nicht schwer. Wenn das Schicksal den Renner zu Schanden reitet, bis dem Niedergebrochenen das Todesröcheln die blutende Nüster weitet, dann ist auch wohl der Renner des Reiters wert . . .

Die Le Fortschen Mädels sind jetzt vorübergehend in der Onkelvilla untergebracht. Es ist ein wenig luxuriöser Herbstaufenthalt, aber ihnen scheint's ja zu behagen. Jaromir erscheint täglich einmal – ein höchst ehrbarer Verliebter, dem auch, wie allen ernst Arbeitenden, das thörichte Getändel nicht stehen würde. Aber die Blonde tändelt. Sie kommt mir vor wie ein lustiger Vogel, der trauriger Gefangenschaft entrann und nun singt und flattert vor ungemessener Lebenslust. Es ist nicht die große eine Liebe, die sie befreite – aber es ist die Liebe überhaupt, die gesunde Liebe, die wirklich dem Mann gilt, nicht der Illusion. Die Hochzeitsvorbereitungen werden überhastet. Die Gnädige wünscht schleunigste Trennung. Sie werden auch nicht in Deutschland bleiben, und Jaromir seufzt etwas, wenn von Berlin und Heimweh die Rede ist. Le Fort hat seinem unerwünschten Schwiegersohne eine Stelle in New York verschafft – ein Federstrich dieses gefürchteten Spekulanten genügte. Anfangsgehalt hundert Dollars monatlich, klingt in Mark ausgedrückt schwindelnd, bei Lichte besehen heißt es für Jaromirs ohne Zulage an demselben Hungertuche weiternagen, nur daß da drüben der preußische Lieutenant oder der preußische Edelmann weder verpflichten noch berechtigen. Ueber eine Mitgift weiß man nichts Gewisses. Jaromir 260 hat seinem zukünftigen Schwiegervater bei dem Antrag erklärt, daß er auf nichts rechne. Das Nilpferd hat geknurrt und gespuckt, als wenn ihn diese Ehe keinen Pfifferling anginge, weil sie kein Geschäft ist und keins werden wird. Dann haben sich die Herren die Hand geschüttelt, derb, vielleicht herzlich, weil dem großen Spekulanten seine Selfmademanjugend einfiel. Madame nahm den Bräutigam nicht an. Sie hatte Migräne, unglaubliche Migräne – es war also positiv unmöglich. Darauf die plötzliche Abreise nach London, weil das Nilpferd durchaus des weiblichen Schutzes bedarf. Auf einmal! . . . So kam es, daß die Gnädige ihren Schwiegersohn überhaupt noch nicht gesehen hat. Kurios ist's. Die Verliebten geniert's gar nicht. Zum Chaperonnieren ist ja der Onkel gut. Den freut das Gesunde des Verhältnisses.

»Wissen Sie, Graf, das Richtige ist's schon! Ich habe immer Angst vor den übersteigerten Gefühlen, nur das Vollblut verträgt sie. Die andern aber, die solche Liebe wie eine Krankheit überfällt, die werden davon verzehrt. Zuweilen ist's schade, meistens nicht. Wer kann überhaupt sagen, was an einem großen Gefühle gesund oder krank ist? . . . Wenn ich Ihnen zum Beispiel jetzt etwas für die Zukunft wünschen sollte . . . auf den Normalmenschen mit den Normalwünschen fallen Sie schon lange nicht mehr 'rein, an den jede Mutter felsenfest glaubt, wenn das Neugeborene nicht schielt, aber dafür unmäßig schreit. Das Normale ist ein Phantom. Und Gott sei Dank, daß das, was wir alle im Munde führen, nicht existiert, nicht existieren wird. Das Normale wäre das ungestörte Gleichmaß aller Kräfte im Organismus – in Wahrheit wäre solcher Mensch eine lebendige Gliederpuppe, das Ende jeder Entwicklung, die Grenze der Menschheit überhaupt. Wer 261 möchte dieses Ende herbeiwünschen – es ist lähmend, eisig schon im Gedanken. Dubois-Reymond sagt mit anmaßender Bescheidenheit: Wir werden nie wissen; Sueß antwortet darauf sein exaktes: Wir wissen nicht. Das ist geistreiche Spielerei, aber sehr bezeichnend. Während die arme Praxis noch an den jämmerlichsten Krücken hinkt, entscheidet die Theorie schon die letzten Fragen. Ich meine: wir haben nicht gewußt, wir wissen nicht, wir werden nicht wissen. Und so emsig wir auch nach der Wahrheit graben und zuweilen einen Fetzen ihres Gewandes zu erblicken glauben, im Grunde sind wir doch alle herzlich froh, daß uns das starre Antlitz dieser Meduse nicht selbst erstarrt . . . Mal wieder grüner Tisch! Sehen Sie sich, lieber Graf, besser die beiden genau an, wie sie so in dem warmen Herbst wandeln! Sie sind glücklich in ihrer Art, weil sie vortreffliches Mittelmaß sind, nicht mehr und nicht weniger. Möchten Sie dasselbe? . . . Sie werden schon Ihr Schicksal haben, das Sie suchen, und Sie werden vielleicht an ihm zu Grunde gehen in dem Augenblick, wo Sie es am wenigsten verdienen. Das thut nichts. Der Tod ist und bleibt ja der beste Arzt. Drücken Sie sich nicht um den Moment herum, wo Sie ihm noch mutig ins Auge sehen können! Und wenn er Sie fällt, mit Ihnen zugleich Ihr bestes Gefühl – dann denken Sie, daß alle großen Gefühle zum Tode führen und nicht zum Leben, und daß die Häupter nur über das Volk emporwachsen, damit sie die Sense besser schneide, die viel zu hoch schwirrt über dem Volke, das sich dennoch unter ihrem Hieb duckt. Die großen Gefühle sind selten ein Segen für die Fühlenden. Für die Menge sind sie der Segen, der sich von den geschnittenen Häuptern niedersenkt, um von der Menge aufgesogen zu werden, verwässert, schwach 262 geworden zwar, aber gerade darum eine gute Medizin. Das ist das Gesetz der Entwicklung: das große Einzelne fällt, das kleine Ganze bleibt. Sind Sie solcher Auffassung fähig, Herr Graf? Ich glaube nicht, aber ich hoffe . . . Und nun beaufsichtigen Sie für mich die beiden, während ich drin meine unerlaubte Zigarre rauche. Was ich von dieser englischen Konversation hören kann, das ist ein fürchterliches Englisch. Helfen Sie Ihrem Freunde doch etwas! Sie sprechen das Englische fast ohne Accent, das Französische ganz ohne – also ein Weltbürger, so glatt wie er nur existiert. Und im Grunde Ihres Herzens sind Sie der engherzigste Deutsche, den ich je kennen lernte, einer aus Ihrer Bismarck-Aera, die Ihnen die Weltbürgerei nahm und den Chauvinismus gab . . . adieu.«

Die beiden Wandelnden sprachen in der That ein denkwürdiges Englisch – halb englisch, halb deutsch, innig gemischt. Die Liebe ist wohl eine treffliche Sprachlehrerin, wenn sie Eskimomaid ist und er Papua; aber so systematisch von Brautleuten betrieben wie die hier, produziert sie Kauderwelsch. Jaromir kann das »Th« durchaus nicht aussprechen. Und wenn es ihm Ethel, wie ich errate, durch die Mundstellung klar machen will, so muß sie lachen und kann's selbst nicht. Zuletzt haben die vergeblichen Versuche den Bräutigam so aufgeregt, daß er steif und fest behauptet, wir beide sprächen das englische »Th«, er aber das amerikanische, eine Behauptung, die er durch unglaubliches Näseln beweisen will. Ethel wird kribblig, ich lache. Zuletzt fliegt Gesenius' englische Grammatik durch die Lüfte. Die Blonde hat sie geschleudert, halb Aerger, halb Uebermut.

Jaromir sieht die Angebetete von der Seite an.

»Na, hol's!«

»Aber, liebe Ethel!«

263 »Hole!«

»Aber es war kindisch.« Er hat das richtige Gefühl, daß zum Apportierhund noch Muße genug in der Ehe bleibt. Ethel schmollt. Jaromir beißt die Lippe. Endlich geht er zögernd. Da lächelt sie fein. Aber gerade in dem Augenblick, wo er sich nach dem Buche bückt, ruft sie:

»Nein! ich hol's selber.«

Er ist jedoch rascher und hält ihr das Buch schon entgegen. Da küßt sie ihn. »Fritz, sei doch nicht so fürchterlich eigensinnig!«

»Nein, das bist du, Schatz, und kapriziös auch!«

»Aber, lieber, lieber Fritz!«

»Aber, liebe, liebe Ethel!«

»Warum lächeln Sie eigentlich mokant, Graf? Sie denken: Na, der kommt schon früh genug unter den Pantoffel! Nein, er kommt unter gar keinen Pantoffel, wenigstens unter keinen, den er merken soll . . . Sie aber, Graf, sind und bleiben – scheußlich! Wir müßten Sie eigentlich fortschicken. Wir wollen aber thun, als wenn Sie nicht vorhanden wären . . . Also, Fritz, du mußt das ›Th‹ unbedingt lernen! In New York lachen sie sich sonst über dich tot, und das ist ganz unnötig . . . Gehst du überhaupt gerne über das Wasser?«

»Gerne nicht!«

»Du bist ein Deutscher . . .«

»Gott sei Dank!«

»Nein, nicht Gott sei Dank! Sieh mal, ich habe zum Beispiel kein Vaterland und möchte auch keins haben . . .«

»Aber ich habe nun doch einmal eins!«

»Sei doch nicht so kleinstädtisch! Ich sage dir, New York ist ganz berlinisch, wie Berlin ganz amerikanisch ist – Weltstadt, international, der einzelne Mensch eine Nummer.«

264 »Eben die Nummer möchte ich nicht sein, Frau von Jaromir!«

»Und das sagst du mir, du vom Militär? Wo erst drei Dutzend Lieutenants zusammen eine einzige Regimentsnummer sind! Und ihr seid so stolz auf eure Nummer . . . Vor 'ner Viertelstunde noch, als ich sagte: so und so viel Wochen müssen wir noch warten, da antwortetest du stolz bei der Zahl: das ist meine alte Bataillonsnummer . . . Was seid ihr Deutsche doch für komische Leute! Hier ist die Nummer euer Höchstes, dort drüben wollt ihr sie absolut nicht sein.«

»Ja, Schatz, das ist auch wirklich etwas Grundverschiedenes, was du als Ausländerin nicht recht verstehst.«

»Schäm dich, Fritz! Ich wollte eben sagen, daß ich kein Vaterland und keine Heimat brauche, weil ich dich habe. Nun sag' ich's natürlich nicht!«

So geht's hin und her, die Unterhaltung ist bald seicht, bald tief, immer mit der realistischen Spitze bei ihr, mit der deutschen Sentimentalität bei ihm. Zuweilen beneide ich die beiden, zuweilen thun sie mir leid. Was mir das Beste dünkt, das Heimatgefühl, das wird sie dem Jaromir schon aberziehen mit Küssen und Scherzen und schalkhafter Ironie. So werden die beiden da drüben im Goldlande die Jacke der neuen Nationalität rasch anziehen, gezwungen er, aus freier Wahl sie. Das ist undeutsch und doch wieder sehr deutsch: schwer aus dem mütterlichen Boden der Heimat gerissen und leicht anwurzelnd in fremder Erde. In der Kulturgeschichte der Menschheit mag das Segen bedeuten, in der Geschichte der Nation scheint mir's Verhängnis.

*

Heute vor einem Jahr erschoß ich Serner. Es ist ein Herbsttag wie jeder andre, nur den gewissen 265 Druck fühle ich. Das gehört ja dazu. Ich bin Frühaufsteher geworden, weil der gesunde Schlaf mich flieht. Dann ist auch gerade heute Termin in meiner Erbschaftsangelegenheit, dem ich als Zuschauer beiwohne. Mein Rechtsfreund, unter den Kohlenstaubbrennern »Mollah« genannt, ist guter Dinge. Wenn ich selbst aber das Geld nicht so bitter nötig hätte, würde ich noch heute auf diesen skandalösen Prozeß verzichten. Einer Toten, selbst wenn sie meine Tante war, schuldet man doch gewisse Rücksichten. Der gute Mollah preßte den Medizinalrat gehörig aus, obgleich er sich als Sachverständiger auf dem glitschigen Boden des Morphinismus äußerst vorsichtig bewegt . . . »Ich kann nicht leugnen, daß Symptome vorhanden sind, daß gewisse Nervenstörungen, die auffällig wechselnden Stimmungen wohl dem Arzt den Gedanken nahelegen konnten, daß chronische Vergiftung irgend welcher Art nicht ausgeschlossen wäre . . . aber wiederum andrerseits . . . Ich verstehe den Teufel von seinen langatmigen pathologischen Ausführungen, aber daß er partout nicht Farbe bekennen will, das verstehe ich.

Mein Rechtsfreund ist unerbittlich. »Ich bitte den Herrn Sachverständigen, sich bestimmter auszudrücken . . . War der Zustand der Gräfin in den letzten Tagen der Krankheit derart, daß volle Dispositionsfähigkeit ausgeschlossen war oder nicht?«

»Allerdings, die geistigen Kräfte waren wohl schon im Niedergang. Das schließt aber durchaus noch nicht aus . . .« Der alte Kerl dreht und wendet sich, er möchte es dem empörten Neffen recht machen und der tief gekränkten Stiftung auch.

»Ich muß den Herrn Sachverständigen wieder bitten, die Antwort positiver zu fassen. Sie sind die einzige Persönlichkeit, die den ganzen Zustand beurteilen kann, weil Sie der einzige Arzt waren, 266 der zugezogen wurde . . . Ich muß bemerken, daß, so wenig dies auch im Sinne des anwesenden Grafen Carén sein mag, ich die Exhumierung beantragen werde. Denn es liegt doch dem Gesetz daran, daß Blutsverwandte in ihren vitalsten Interessen geschützt werden. Meine Ueberzeugung ist, daß die volle Dispositionsfähigkeit lange nicht mehr vorhanden war, und der Herr Sachverständige möge auch bedenken, daß seine Aussage nicht etwa dem Rechte eines einzelnen, sondern dem Rechtsgefühle aller dienen soll.«

Der hohe Gerichtshof verhält sich sehr passiv. Es ist Ferienstimmung. Außerdem mengt sich ja der sprühenden Gerechtigkeitsliebe der Anwälte immer ein wenig Liebe zum Golde. Da dem guten Medizinalrat nichts Rechtes abzuzapfen ist, erscheinen die beiden andern Zeugen: der Dicke und die Dürre werden vorgeführt. Ein rührendes Wiedersehen für mich! Sie sind regelrecht verheiratet, wohlbestallte Besitzer eines Mehl- und Vorkostgeschäftes; sie ist noch dürrer und er noch dicker geworden, und angesichts der Karfunkelnase verzieht selbst ein Richter sein barettgekröntes Pagodengesicht zu nachsichtigem Lächeln. Die beiden Zeugen wissen übrigens absolut nichts, haben nie etwas Auffälliges bemerkt, weder in den geistigen noch in den körperlichen Gepflogenheiten der Schildkröte. Sie wären auch schön dumm, an dem Verstande zu zweifeln, der ihnen so fette Legate besorgte, außerdem waren und sind sie vorzügliche Kammerdienernaturen.

Der Mollah inquiriert auch hier scharf. Bis zu einem: Etwas angegriffen waren die gnädige Comtesse schon lange, aber so klar im Kopf und so gut – bequemt sich der Dicke endlich. Was Morphium ist, wissen sie nicht. Ein weißes Pulver von eigentümlich bitterem Geschmack oder eine farblose, ebenso 267 bittere Mixtur? Sie können sich an nichts derart erinnern. Und ich glaube, das ist nicht mal gelogen. Der Morphiummißbrauch meiner Tante scheint mir selbst sehr fraglich. Dem Mollah scheint dagegen dieser Mißbrauch selbstverständlich; er tritt erbarmungslos auf dem Dienstbotengefühl dieser Leute herum, die wahrscheinlich Angst haben, durch eine Aussage ihr Legat in Frage zu stellen. Alle Mahnungen sind vergebens. Sie schweigen wie die Katakomben, und als mich die Dürre erst mit einem schielenden Seitenblick gewahrt, wird das habsüchtige Gesicht steinern.

Es ist doch eine peinliche Geschichte . . . Wenn es sich nur darum handelte, den gewissen Altersstumpfsinn bei meiner Tante nachzuweisen – aber es muß nun einmal Morphiummißbrauch sein. Morphium ist Gift, und Gift weckt immer die häßlichen Nebengefühle von etwas Schleichendem, Verschwiegenem, Verbotenem, von einer geheimnisvollen Macht, einer fremden Hand, die es mischt und einflößt und dann spurlos verschwindet. Dabei ist der ganze Prozeß doch eine Farce, der Morphiumverdacht nur zu dem Zwecke aufgegriffen, um mir die Million zu verschaffen und meinem Rechtsfreund einen aufsehenerregenden Fall. Es mag mit den schwarzen Talaren, den feierlichen Baretts, den steifen Richtergesichtern zusammenhängen, mit dem schweren Parfüm des Gerichtes überhaupt, das selbst Unschuldige zu Geständnissen treibt. Denn ich selbst wittere auf einmal ein Verbrechen, ich fühle vagen Verdacht gegen den Dicken, gegen die Dürre, gegen den Medizinalrat, ja, gegen mich selbst. Ein andres Gefühl kommt hinzu: ich möchte eigentlich die Wahrheit gar nicht wissen, weil sie lähmend sein kann. Das Sterbezimmer schwebt mir wieder vor, die graue Dämmerung, die mir so widersprechende Gefühle 268 weckte, die qualmende Nachtlampe mit dem riesigen Schattenriß an der Wand, sogar der Augenblick wird mir wieder lebendig, wo wir beide der Kranken Medizin einflößten . . . der Löffel schwankt, die glitzernden Tropfen rollen auf das weiße Bettzeug.

Die Verhandlung wird, wie vorauszusehen. auf Monate vertagt. Außerdem ist der Dicke nicht nüchtern, wie der Mollah noch im letzten Momente entdeckt, und wie auch der Medizinalrat bestätigt, weil's ihn ja selbst nicht belastet. Draußen empfinde ich nichts mehr von der vagen Angst. Die lärmende Straße predigt Realität. Eine nette Realität! Wenn meine Tante nicht ausgegraben wird, oder wenn nicht Wunder geschehen, ist auch dieser Prozeß für mich verloren. Der Mollah wiederum ist andrer Ansicht. Dem Medizinalrat und den Dienstboten wird das Herz schon in die Hosen fallen. Und was die Hauptsache, der Anwalt der Gegenpartei habe ihn unter der Hand sondiert und sich bereit erklärt, eine größere Abstandsumme an den Grafen Carén zu zahlen, weil milden Stiftungen die Rechtskämpfe bis aufs Messer ein Greuel wären. »Leere Rederei! Die Herren fühlen die blasse Angst, und das ist verständlich. Die Richter werden freilich auch zum Vergleich raten, weil es bequemer ist und sie alsdann kein Erkenntnis auszuarbeiten brauchen. Nur Mut! Für uns beide, Herr Graf, ist es jetzt Ehrensache, die Nichtigkeitserklärung durchzusetzen.«

Ich stimme zu, weil mir nichts andres übrigbleibt. Dann frühstücken wir irgendwo gut; ich habe keine Lust, gerade an diesem Tage allein zu bleiben. Später lasse ich mich sogar zum Doppeldoktor mitschleppen. »Sie müssen sehen, Herr Graf, wie dieser große Verbrecher wohnt! Bei dem muß der Bau immer mindestens zwei Eingänge haben, eine Röhre, in die er hineinschlüpft, und eine andre, aus 269 der er hinausschlüpft, während die Gerichtsvollzieher in Rudeln das Hans umlagern. Und dann seine Wirtin! Ein Prachtexemplar!«

Tip! Die elektrische Glocke schrillt, der Doktor wohnt Mohrenstraße, dritte Etage. Wir müssen eine Ewigkeit warten. Weich gleitende Filzschuhe im Korridor drinnen, ein blinzelndes Auge am Guckloch der Thür, dann Gewisper. Der Doppeldoktor ist zu Haus, und ihm muß rapportiert werden. Wir beide sehen doch wahrhaftig nicht wie Diener des Gesetzes aus! Endlich erscheint die Fee – eine milde Fünfzigerin mit einer Nase wie ein eingedrückter Knopf – das linke Auge beständig in der verkehrten Ecke.

»Herr Doktor zu Haus?«

»Nein, der Herr Doktor sind schon seit Wochen verreist.«

»Nach Plötzensee?« fragt witzelnd der Mollah.

»Aber, meine Herren, was denken Sie von unserm guten Herrn Doktor!«

»Na, dann muß er doch zu Hause sein! Sagen Sie ihm, es wären zwei noch viel größere Verbrecher da als er selbst!«

Die Dame mit der Knopfnase lächelt verschämt, aber rührt sich nicht aus der Thür.

»Leßmann!« ruft der Mollah in den Korridor hinein. »Er ist hartnäckig heute,« fügt er zu mir hinzu. »Aber ganz unverrichteter Sache dürfen wir nicht abziehen, Herr Graf, Sie müssen wenigstens die berühmte Pfandkammer schauen . . . Die können Sie uns schon zeigen, Mutterchen, ohne Bedenken; denn selbst wenn wir Gläubiger wären, was da zu holen ist, das wissen Sie selbst.«

Diese Bitte gewährt uns endlich die gute Dame, die auch Sinn für Humor zu haben scheint. Im übrigen liegt die Pfandkammer direkt am Korridor, 270 von den Gemächern des Doppeldoktors sehr weit – es ist ein Lattenverschlag mit alten Koffern, verstaubten Sektflaschen und unbeschreiblichem Gerümpel, das ein ansprechender Modergeruch überwogt. Die Dame mit der Knopfnase lächelt über unsre Wißbegier mild. In diesen Verschlag hat sie schon so manchen Gerichtsvollzieher geführt, während der Doppeldoktor durch die Notröhre entwischte. In der Pfandkammer ist all das Wertvolle aufgestapelt, was der große Spekulant vor der Welt besitzt. Ein ganz fanatischer Mann des Gesetzes hat auf einen Koffer seinen Stempel angepappt. Auch unter den Gerichtsvollziehern giebt's Idealisten . . . Solche Pfandkammer ist einfach nur in Berlin möglich, und dieser Doppeldoktor auch.

Während wir noch lachend das Gerümpel besehen, öffnet sich behutsam im Hintergrunde eine Thür: erst ein argwöhnisches Auge, dann ein paar rotseidene Unaussprechliche . . . »Na, Kinder, regt euch nur nicht unnötig in meinem Salon auf! Es hat eben jeder seine Heiligtümer, die das gemeine Volk nicht einmal mit den Blicken entweihen sollte. Kommen Sie näher 'ran zum Feldgeschrei, Graf! Auch Sie, Rechtsverdreher, verschwiegen wie eine Litfaßsäule, sind willkommen.« Es ist Doktor Leßmann höchstselbst.

Wir lassen uns das nicht zweimal sagen, denn ein Empfang beim Doppeldoktor ist so selten und so heiß ersehnt wie eine Audienz bei der Duse. Er ist natürlich noch im Negligé, vom Kopf bis zu Fuß Carnaval de Venise – raffinierter Dandy lieber bei sich als auf der Straße, wo solide Eleganz den soliden Geschäftsmann ziert. Auch ein wirklicher Salon ist's, in den wir eintreten dürfen; echte Empiremöbel, seltene Waffen, viel Bücher in malerischer Unordnung und darüber der feine Duft 271 epikuräischen Genusses. Eine halbe Rothschild in der Aschenschale – der Schlemmer raucht auch die edelsten Importen nur halb; daneben ein bis zur Neige geschlürfter Schloßabzug; ich mache immer innerlich ein Kompliment vor Leuten, denen der verfeinerte Lebensgenuß nicht Mittel, sondern Endzweck ist. Diesem großmäuligen Spekulanten hätte ich die verschwiegene Finesse nicht zugetraut. Auf dem Tisch liegt aufgeschlagen ein Reisehandbuch über Aegypten . . . Jetzt weiß ich, wie der Brave seine endlosen Expeditionen gemacht hat und warum seine Angaben darüber so präzis sind. Dieser Globetrotter geruhte durch andre die schwierigen Reisefrüchte pflücken zu lassen, um sie daraus gelegentlich zum Frühstück auf seiner Bude zu verspeisen. Das gehört wohl auch zum Geschäft eines unvergleichlichen Blagueurs: die Welt zu kennen, ohne sich aus Berlin zu rühren. Er präpariert sich allmorgendlich für die Renommistereien des Abends, die immer ihren geschäftlichen Zweck haben. Auf die Weise erklärt sich auch so manch glänzender Finanzvortrag oder seine fabelhafte Kenntnis der Geschichte der Bauernkriege, die mir sehr imponierte. Das Handbuch dafür liegt dicht dabei. Andern Sand in die Augen zu streuen, ist ihm Geschäft und Genuß. In mir wittert er wohl einen Weltenbummler gleichen Kalibers – thörichterweise aber machte ich meine Reisen wirklich selbst.

»Sehen Sie, Graf, da frischt man so alte Erinnerungen auf . . . Sie waren natürlich auch in Aegypten? . . . Ich war ein gutes Dutzend Mal drüben, immer von Paris aus, mein Freund, der Herzog von Mora, mag das Wunderland nur in meiner Begleitung und behauptet: ›ich stände ihm noch größer da als die Pyramiden‹ . . . Wenn ich so an unsre Nilfahrten denke! In Mondnächten – der Strom still, die Wüste wie ein riesiger Leichnam. 272 Der gute Mora schlief über diesem Bilde regelmäßig ein. Er hatte eben nur seine Nilpferdpassion . . . Sie wissen, lieber Graf, gleiche Brüder, gleiche Kappen! Das bezieht sich natürlich auf dieses französische Nilpferd. Während er mal so pennte, erlegte ich thatsächlich eine riesige Bestie – es war wohl der letzte Hippopotamus, der in Mittelägypten überhaupt gespürt wurde. Aber dann das Wutgebrüll des Duc! Er hat sich den Kadaver ausstopfen lassen – das Nilpferd dem Nilpferd – an Jagdtrophäen liegt mir überhaupt nicht viel. Braune Lappen sind die einzig wahren Trophäen!«

»Machten Sie die ganze Nilfahrt auf einer Dahabieh?« frage ich höflich.

»Von Chartum bis Alessandria!« versichert er stirnrunzelnd. Der gute Doppelte scheint in seiner Reisebeschreibung noch nicht bis zum Tode Gordons und dem Mahdistaat gekommen zu sein.

»Wie gefielen Ihnen übrigens die Katarakte, Doktor?«

»Wunderbar, Graf!«

»Zwischen dem dritten und vierten Katarakt – nicht wahr, eine unvergleichliche Scenerie?«

Der Doppeldoktor macht eine großartige Gebärde. »Denken Sie das Pech, Graf Carén, diese ganze Strecke verschlief ich regelmäßig! Das Auge saugt sich so toll und voll an all den pittoresken Bildern, bei dem pittoreskesten fällt es dann ohne Gnade zu.«

»Dann gratuliere ich Ihnen zu dem gesunden Schlaf, Herr Leßmann. Die Nilbarkentour dauert wenigstens vier Tage vom dritten bis zum vierten Katarakt.«

»Ja, sehen Sie, Graf, so schläft man eben nur in Aegypten!« Und das sagt er mit Haltung wie ein unantastbares Axiom.

Da platzt zum Glück der Mollah los: »Das war aber 'reingefallen, Doppelter!«

273 Der Doppelte dreht sich geringschätzig um. »Lachen Sie nicht so schmutzig, Rechtsverdreher! Der größte Fluß, den Sie allerdings in Ihrem Lotterleben sahen, war die Panke, und den gesunden Schlaf fanden Sie auch nur auf den nächtlichen Bänken des Tiergartens – solcher Schlaf ist freilich etwas kürzer, weil einen die Schutzleute immer aufjagen.«

Der Mann ist eben nicht aus der Contenance zu bringen. Er fährt ruhig fort: »Aber nun wollen wir von etwas anderm sprechen, Graf, was dieser Botokude da auch versteht! Le Fort ist noch nicht zurück aus London? . . . Dieser Le Fort, das ist ein Mann! Er wird den Bomulunder schon 'reinlegen – und das mit Recht. Wissen Sie nichts Genaues, wann er kommt?«

»Woher, Verehrtester? Ich komme fast nie in die Händelstraße, und wo ihre Geschäftsbureaux sind, das ahne ich nicht einmal.«

»Dafür sind Sie desto häufiger an der Oberspree.«

»Das ist doch wohl etwas andres, Herr Doktor . . .«

»Kaum, Graf! Die Töchter sind ja da interniert – der Wechselbalg auch, der sich mit dem Jaromir verlobt hat . . . Wir sind eben über alles orientiert.«

»Wir wollten doch von Herrn Le Fort sprechen?«

»Das allerdings, Graf! . . . Und ich sage Ihnen, der Mann wird wiederkommen, den Beutel voller Zechinen, und den Leuten ihre Million hinschmeißen und den Bomulunder 'rausschmeißen. Ich glaube an den Le Fort wie an das Einmaleins. Er ist eine Mirabeaunatur, die da sagt: Die kleine Moral verdirbt die große! Mit der kleinen Moral geben wir uns alle nicht gern ab – ich auch nicht, Graf. . . . Ich liebe unsern Kohlenstaubmann! Das sind doch noch Summen, mit denen spekuliert wird – eine Million ist kaum des Ausspuckens wert!«

»Na, na!« mahnt der Mollah.

274 Der Doktor winkt ab. »Sie sind auch so ein Kleiner! Wenn das Herrschaftsportal nicht offen ist, dann geht's durch die Hinterthür, Ausgang für Dienstboten und Lieferanten. Le Fort haut das geschlossene Portal einfach ein.«

»Lieber Leßmann, es sind schon Nachtwächter bei Tage gestorben,« höhnt der Mollah.

»Jawohl, solche wie Sie, Linksanwalt! . . . Aber selbst wenn es dem Le Fort übel ginge, ich verließe ihn nicht. Ich habe ein übermäßiges Vertrauen auf den Kerl! So dick und unbeholfen er ist, er fällt immer auf die Beine.«

Dieser Glaube scheint mir echt – es ist der unentwegte Glaube an die Dummheit des Publikums und die Blindheit des Glückes. Le Fort hat Glück, und weil er Glück hat, wird er von den Kohlenstaubbrennern angebetet.

Wir verabschieden uns bald. Mir schwankt mal wieder der Boden.

In der Ausfallsröhre, die der Doktor erst argwöhnisch beäugt, ehe er die Thür öffnet, wird mir noch einmal die Hand sehr energisch gedrückt, und Herr Leßmann sagt mit ganz andrer Stimme: »Sie sind ein Freund von Le Forts, Herr Graf! Der Dicke muß morgen wiederkommen. . . . Verstehen Sie . . . von ihm werden Sie nichts 'rauskriegen, aber vielleicht von ihr; er muß die Million einzahlen – er muß! . . . Sagen Sie nur das eine Wort: Zusatzpatent. Die Gnädige wird's auch verstehen. Morgen kommt's so weit. Und wenn Le Fort nicht zahlen kann, dann sind wir alle aufgeschmissen . . . Seit gestern kenne ich erst die Karte, die Bomulunder in der Hand hat; sie ist so gut wie der älteste Wenzel . . . Warum war eigentlich das Frauenzimmer, die Ethel, so widerhaarig damals? – Es stände alles anders. Zusatzpatent! Vergessen Sie 275 das Stichwort nicht! Wenn die Gnädige dabei nur um einen Schatten blasser wird, dann adieu Le Fort! . . . Könnten Sie nicht übrigens den Onkel etwas bearbeiten? Er muß doch auch Zechinen haben, oder sollten die alle bei der blödsinnigen Lebensversicherungsgeschichte engagiert sein . . . Das letztere ist für Sie. Gott sei Dank, ein böhmisches Dorf, Graf . . .«

Leider ist es mir kein böhmisches Dorf. Ich bin ja über Le Fortsche Angelegenheiten durch andre gut orientiert.

Als mir der Doppelte noch einmal von dem Treppenaufsatz nachwinkt, sehe ich das heimliche Aufleuchten der Angst in seinen Augen; er will mit allen Fibern an den Le Fortschen Erfolg glauben . . . und zu guter Letzt glaubt er doch nicht daran. Ich werde noch heute nach der Oberspreevilla gehen. Die Gnädige könnte zurück sein. Vielleicht bekennt sie auch einmal in ihrem Leben Farbe. Mir ist, als tanzte alles auf einem Vulkan, so heiß sind mir die Sohlen. Wenn ich die Abfindungssumme der frommen Stiftung doch annähme? Zweihunderttausend Mark sind freilich eine Bagatelle – sie gehörten mir auch nur zur Hälfte, denn mein Wucherer zieht die Schraube jetzt unbarmherzig an. Und was würde dann aus mir? Ich bin tief herabgestiegen in meinen Ansprüchen, und dennoch reiche ich mit den tausend Mark monatlich knapp, auf die mich mein eigner Entschluß reduzierte. Was den andern Schlemmerei heißt, das ist mir hartes Brot. Die verfluchte Gewohnheit des Verschwendens! Zwei Millionen durchgebracht zu haben, ohne Spieler zu sein? Es ist wahrlich ein Skandal! Wer nie unter einem Goldfuchs Trinkgeld gab, dem scheint die Mark jetzt direkt schäbig . . . Dennoch – was ich thun kann, will ich thun. Spielen die zweihunderttausend Mark in dem 276 Geschäft eine Rolle, so nehme ich sie noch heute und cediere sie Le Forts. Mein Wucherer kann sehen, wie er zu seinem Gelde kommt! Dann werde ich lieber zum Schuft, als daß der Vater Astas einer wird.

Dieser Todestag des frühreifen Karlchens hat auch andre graue Schatten. Dabei ist er noch nicht mal zu Ende . . . Er birgt wieder einmal das Unerwartete – er birgt mir sogar das Wunder! Aber wozu aus der Schule plaudern zu früh? Ein Tagebuch ist eine Chronik, wo's der Reihe nach geht.

Also, auf nach der Oberspreevilla! 277

 


 


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