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20. Kapitel.

Unterdessen waren Cortejo und Landola den Klosterberg hinabgeritten. Unten hielten sie an, stiegen von den Pferden, wuschen sich die Gesichter und trockneten dieselben mit ihren Sarapen ab. Die Sarape ist eine Art Plaid oder wollene Decke, die in Mexiko jeder Reiter bei sich trägt. Dann ritten sie dem Ort entgegen, in dessen erster Gasse sie die ihnen vom Pater bezeichnete Venta fanden.

Ein Pferd hielt vor der Tür. Sie erkannten in demselben dasjenige des dicken Männchens. Auch sie banden ihre Pferde an und traten dann in die Stube, wo sie sich ein Glas Wein geben ließen.

Als einziger Gast saß der Dicke an einem der Tische. Er betrachtete sie mit erstaunten Blicken; sie aber taten, als ob sie das nicht bemerkten, und schlürften von ihrem Wein.

Aber als der Wirt sich einmal entfernt hatte und also von einem Gespräch nichts hören konnte, vermochte der Dicke nicht länger an sich zu halten und fragte:

»Señores, Eure Pferde kommen mir sehr bekannt vor!« – »Hm!« brummte Landola mißmutig. – »Auch Eure Anzüge!« – »Möglich!« – »Wir sind uns jedenfalls begegnet?« – »Mag sein.« – »Aber wann und wo? Vielleicht vorhin erst?« – »Hm! Ich bestreite es nicht.« – »Auf dem Weg nach dem Kloster?« – »Ja.« – »Ihr fragtet nach dem Pater?« – Ja.« – »Und ich bezeichnete Euch den Weg?« – »Zum Henker, ja. Was sollen diese Fragen?« – »Verzeihung! Aber ich frage auch wegen Eurer Gesichter.« – »Was gehen Euch unsere Gesichter an?« – »Sie erregen mein höchstes, ja mein allerhöchstes Interesse. Waren sie vorhin nicht ganz anders?« – »Wie wäre das möglich?« – »Sie waren jünger. Sie hatten keine Falten.« – »Nun, so sind wir indessen älter geworden.« – »Ich machte Euch auf die Haut aufmerksam, die Risse und Sprünge bekam.« – »Ja. Ihr hattet diese Gewogenheit!« – »Es war wohl Schminke oder Salbe?« – »Was geht Euch das an?« – »Nichts, gar nichts. Aber man pflegt sich doch für so etwas höchst Seltsames zu interessieren. Habt Ihr mit dem Pater gesprochen?« – »Ja. Habt Dank für Eure Auskunft!« – »Bitte sehr! Also der Pater hat Euch nicht erkennen sollen?« – »Wie kommt Ihr zu dieser Vermutung?« – »Nun, weil Ihr mit falschen Gesichtern zu ihm gingt und die Schminke erst dann entferntet, als Ihr ihn verlassen hattet.« – »Vielleicht galt unsere Veränderung gar nicht dem Pater.« – »Wem sonst?« – »Hm! Einem anderen.« – »Dann müßte dieser andere bei dem Pater gewesen sein.« – »Allerdings. Auch Ihr wart ja bei ihm. Nicht?«

Dabei erhob sich Landola und gab Cortejo einen Wink, ihm zu folgen.

»Ja«, antwortete der Kleine. »Ich sagte Euch bereits bei unserer Begegnung, daß ich vom Pater komme.« – »Dessen entsinne ich mich sehr wohl, Señor. Werdet Ihr vielleicht erlauben, daß wir uns ein wenig neben Euch setzen?«

Der Dicke war über diese Frage höchst erfreut, denn auf diese Weise fand er viel bessere Gelegenheit, diese beiden geheimnisvollen Menschen auszuhorchen.

»Gewiß«, sagte er. »Nehmt nur Platz, Señores! Ihr seid mir sehr willkommen.«

Landola setzte sich zu seiner Rechten und Cortejo zu seiner Linken nieder, so daß sie ihn zwischen sich bekamen. Der erstere, der bisher für beide allein das Wort geführt hatte, behielt es auch jetzt bei. Er fragte:

»Seid Ihr auf dem Klosterberg bekannt, Señor?« – »Nur wenig«, antwortete der Kleine zurückhaltend. – »Und im Kloster auch?« – »Noch weniger.« – »Aber den Pater Hilario kennt Ihr?« – »Ich besuche ihn zuweilen, wenn ich mich unwohl fühle.« – »Ah, so könnt Ihr uns vielleicht sagen, ob er genau Buch führt.« – »Worüber? Über seine Medikamente etwa?« – »Nein, sondern über seine Kranken.« – »Wie meint Ihr das?« – »Ich meine, ob er jeden anwesenden Kranken wirklich einschreibt.« – »Hm! Das wird er doch tun!« – »Hm!« brummte Landola ebenfalls. »Vielleicht tut er es manchmal auch nicht.« – »Welchen Grund sollte er haben?« – »Davon können wir nicht sprechen. Ihr kennt also die Räumlichkeiten des Klosters nicht genau?« – »Nein.« – »So könnt Ihr uns leider auch keine Auskunft geben.« – »Oh, vielleicht handelt es sich gerade diesmal um einen Raum, den ich kenne.« – »Möglich! Also sagt mir, ob es außer den offiziellen Krankenstuben vielleicht noch geheime Zimmer gibt, in denen Kranke behandelt werden.« – »Ihr meint heimliche Krankheiten?« – »Nein, ich meine heimliche Kranke, das heißt, solche Kranke, die im Kloster behandelt werden oder dort verkehren und sich behandeln lassen, ohne daß die Behörde es wissen soll.« – »Davon weiß ich allerdings nichts.« – »Hm! Das ist dumm. Aber vielleicht habt Ihr doch einmal eine Erfahrung gemacht, die uns nützlich sein kann. Darf ich zu Euch Vertrauen haben, Señor?« – »Oh, so viel Ihr nur immer wollt«, versicherte der Kleine. – »Und Ihr seid verschwiegen?« – »Wie das Grab.« – »Das will nichts sagen. In den Gräbern soll es manchmal sogar sehr laut hergehen; das heißt nur in denen, in die man Weiber begraben hat. Aber ich will Euch vertrauen. Sagt uns also einmal, ob Ihr einen heimlichen Verkehr im Kloster bemerkt habt!« – »Heimlichen Verkehr?« fragte der Kleine kopfschüttelnd. »Nein.« – »Ich sehe, daß ich deutlicher sein muß. Ist Euch vielleicht die Bedeutung dieses Zeichens bekannt, Señor?«

Landola zog die Medaille und hielt sie dem Kleinen hin. Dieser betrachtete sie und fuhr einigermaßen bestürzt zurück.

»Ah, wirklich, das kenne ich«, sagte er. – »Nun? Sagt es!« – »Ihr seid ein geheimer Polizist.« – »Und kennt Ihr auch dieses?« fragte nun seinerseits Cortejo, indem er den Kleinen seine Medaille sehen ließ. – »Ah! Auch Ihr seid ein Detektiv aus der Hauptstadt.«

Der Kleine hatte jetzt die Farbe gewechselt. Landola bemerkte dies, und es kam ihm, ohne daß er das Verhältnis des dicken Mönches zum Pater kannte, der Gedanke, sich einen Spaß mit ihm zu machen und ihn so für sein Spionieren zu bestrafen.

»Ihr seht also, daß Ihr offen mit uns sprechen müßt«, sagte er. – »Ja, Señores, das sehe ich«, antwortete der Kleine. – »Ihr habt also von einem solchen Verkehr nichts gesehen?« – »Nie.« – »Es sollen oft Männer zum Pater gehen, die bei der Behörde nicht gut angeschrieben stehen.« – »Ah! Oh! Eine solche Unvorsichtigkeit traue ich dem Pater doch nicht zu.« – »O doch! Diese Leute tun, als ob sie krank oder unwohl seien. Dann haben sie einen Scheingrund, mit ihm zu konspirieren. Sagtet Ihr vorhin nicht auch, daß Ihr zum Pater geht, wenn Ihr Euch unwohl fühlt?«

Der Kleine blickte Landola von der Seite an und antwortete langsam und stockend:

»Señor, Ihr werdet doch nicht etwa vermuten, daß ...«

Er hielt inne, er befand sich in einer sichtlichen Verlegenheit.

»Hm! Der Mensch kann nicht vorsichtig genug sein. Da gibt es zum Beispiel einen Hauptaufwiegler, einen politischen Rädelsführer, so einen rechten, echten, schwarzen Rebellen, der der Polizei bereits viele Sorge bereitet hatte.« – »Ah! Sie sucht ihn?« fragte der Kleine rasch. – »Ja, sie sucht ihn«, nickte Landola. – »Sie kennt ihn auch?« – »Sie kennt ihn auch.« – »So ist er flüchtig?« – »Nein.« – »Aber wenn sie ihn kennt, braucht sie ihn doch nicht zu suchen, wenn er nicht flüchtig ist?« – »Sie geht ihm nur nach, um ihn auf der Tat zu ertappen.« – »Ah, so.« – »Er soll auch beim Pater verkehren.« – »Das glaube ich nicht.« – »Oh, man glaubt so manches nicht, was doch ist. Man hat sogar bereits erfahren, daß er die Absicht hatte, heute zu dem Pater in das Kloster della Barbara zu gehen.«

Die feisten Wangen des Kleinen wurden jetzt bald rot, bald bleich.

»So gut ist die Polizei unterrichtet?« fragte er. – »Nicht bloß jetzt, sondern immer. Es ist möglich, daß Ihr ihn einmal gesehen habt, ohne zu wissen, daß der Nachrichter seiner schon längere Zeit wartet. Darf ich Euch einmal sein Signalement geben?« – »Ja, ich bitte darum«, meinte das Männchen, vor Angst beinahe schwitzend. – »Nun, so paßt auf.«

Landola nahm sein Notizbuch heraus und schlug eine Seite desselben auf. Cortejo, der ahnte, was jetzt kommen werde, stemmte den Kopf in den Arm, während er den Ellbogen auf den Tisch legte, so daß er dem Kleinen gerade in das Gesicht sehen konnte. Landola begann:

»Alter: zweiundvierzig Jahre. Wie alt seid Ihr, Señor?«

Er hatte nur geraten, aber der Kleine antwortete doch:

»Auch zweiundvierzig.« – »Hm!« brummte Cortejo, indem er ihn scharf fixierte. – »Name tut hier nichts zur Sache, Religion auch nicht«, fuhr Landola fort. »Aber Statur: klein.« – »Hm!« brummte Cortejo, den Dicken scharf ansehend. – »Sehr dick«, fuhr Landola fort. – »Hm, hm!« verdoppelte Cortejo sein Brummen. – »Augen: klein.« – »Hm!« – »Nase: stumpf.« – »Hm!« – »Zähne: rechts oben fehlt ein Zahn.« – »Donnerwetter! Das stimmt auffällig!« fuhr Cortejo auf.

Der Kleine rückte auf seinem Sitz hin und her und warf bald einen Blick nach der Tür, bald einen auf die Fenster.

»Mund: wulstig.« – »Hm!« – »Bart rasiert.« – »Hm!« – »Haare: dunkelblond, Anfang zu einer Glatze.« – »Hm! Himmelelement!« meinte Cortejo, indem er sich erhob, um eine kleine, lichte Stelle auf dem Schädel des Dicken genauer zu betrachten. – »Besondere Kennzeichen: hat einen verkrüppelten Nagel an dem Mittelfinger der linken Hand.« – Hm! Tod und Teufel! Señor, zeigt mir doch einmal Eure linke Hand«, rief Cortejo.

Der Kleine zog die Hand zurück und sagte:

»Señor, Ihr werdet doch nicht denken, daß ich ...« – »Denken?« unterbrach ihn Cortejo. »Nein, denken wollen wir jetzt gar nicht, sondern sehen wollen wir.« – »Was denn?« fragte Landola, sich unwissend stellend. – »Nun, dieser Señor hier ist zweiundvierzig Jahre alt!« – Ja, das sagte er.« – »Hat kurze Statur.« – »Allerdings.« – »Ist dick!«

Nun fixierte Landola den Kleinen, wie Cortejo es vorher getan hatte.

»Auch dick«, meinte er. – »Hat kleine Augen!« – »Sehr klein.« – »Eine stumpfe Nase.« – »Ja, ein sehr kleines Stumpfnäschen.« – »Rechts oben eine Zahnlücke!« – »Ah! Sapperlot! Señor, macht doch einmal den Mund auf.«

Der Kleine aber drückte die Lippen um so fester zusammen.

»Donnerwetter!« rief Landola, indem er mit der Hand nach dem Gürtel griff. »Soll ich Euch den Mund etwa mit dem Messer aufbrechen? Auf mit dem Maul!«

So gebieterisch und kategorisch der Kleine vorher bei dem Pater aufgetreten war, so ängstlich zeigte er sich jetzt. Die Anhänger des Umsturzes sind niemals wirkliche Helden. Er riß den Mund auf und rief:

»Hier! Nur nicht aufbrechen, nicht schneiden.« – »Weiter auf!« donnerte Landola.

Das Männchen gehorchte, so gut es ihm möglich war, und nun blickte Landola ihm mit einem Ernst in die Mundhöhle, als ob es gelte, das Alter eines Pferdes zu taxieren.

»Ja«, sagte er. »Oben rechts eine Zahnlücke. Das stimmt.« – »Mund wulstig«, fuhr Cortejo fort. Der Kleine hielt den Mund noch immer aufgesperrt. »Zumachen!« gebot Landola.

Der Mann gehorchte. Landola betrachtete die Lippen und bestätigte:

»Ja, wulstig.« – »Bart rasiert«, sagte Cortejo. – »Stimmt!« – »Haare dunkelblond.« – »Stimmt auch.« – »Anfang zu einer Glatze.« – »Wo? Zeigt her!«

Bei diesen Worten zog Landola den Kopf des Männchens zu sich heran, betrachtete das kahle Stellchen, als ob er Perückenmacher sei, der sich Haar- und Barterzeugungsmittel auszugrübeln habe, und sagte dann:

»Glatze? Ja, die ist da!« – »Besondere Kennzeichen«, fuhr Cortejo fort. »Hat einen verkrüppelten Nagel am Mittelfinger der Linken.« – »Her mit der Hand«, gebot Landola.

Der Kleine gehorchte. Landola betrachtete den betreffenden Nagel und bestätigte:

»Der Krüppel ist da. Mensch, das stimmt ja alles.« – »O Señores«, rief der Kleine. »Ich bin es nicht.« – »Der Krüppel? Der Nagel? Nein, der seid Ihr allerdings nicht, aber der Anführer, der Landfriedensbrecher scheint Ihr zu sein.« – »Ich schwöre es Euch bei allen Heiligen, daß ich es nicht bin. Wann wurde dieses Signalement abgefaßt?« – »Vor drei Wochen.« – »Und die Zahnlücke habe ich erst seit fünf Tagen, die Glatze gar erst seit nur zwei Tagen.«

Da betrachtete ihn Landola von oben herab und sagte:

»Mensch, halte uns nicht für so dumm! Solche Ausreden sind lächerlich. Wir werden dich mit nach der Hauptstadt nehmen müssen!«

Der Kleine befand sich in der größten Angst. Er suchte nach einem Ausweg und schien endlich einen gefunden zu haben, denn sein Gesicht erhielt einen ruhigeren Ausdruck, und in einem Ton, der vertrauenerweckend sein sollte, sagte er:

»Señores, werdet Ihr mir eine Frage erlauben?« – »Meinetwegen«, meinte Landola streng. – »Ich weiß, daß der Pater nicht gastfreundlich ist. Hat er Euch irgend etwas vorgesetzt?« – »Nein.« – »Aber Ihr werdet nach einem solchen Ritt Hunger haben?« – »Riesig!« – »Und auch Durst?« – »Noch riesiger!« – »Werdet Ihr mir erlauben, für Euch ein tüchtiges Mahl zu bestellen, meine werten Señores« – »Zu einem solchen ist unser Einkommen zu klein.« – »Oh, ich werde bezahlen. Ich werde gleich den Wirt holen!«

Der Kleine wollte zur Tür hinaus, aber Landola ergriff ihn und hielt ihn fest.

»Halt!« sagte er. »Das wollen wir schon selbst besorgen.«

Der Wird wurde gerufen und mußte sagen, was bei ihm zu haben sei. Er nahm den Auftrag des Kleinen entgegen und wollte sich dann entfernen, denselben auszurichten; aber Landola rief dazwischen:

»Halt! Dieser Señor will erst bezahlen.« – »Vorher?« fragte der Wirt erstaunt. – »Ja, vorher«, nickte der Kleine, indem er seinen Beutel zog und ein Mahl für drei Personen und sechs Flaschen Wein bezahlte.

Nun trat eine drückende, unheimliche Stille in der Stube ein. Dem Arrestanten war es anzusehen, daß er an einen Fluchtversuch dachte. Die beiden vermeintlichen Polizisten blieben sehr ernst, obgleich sie sich Mühe geben mußten, um nicht laut aufzulachen. Da endlich zog Bratenduft aus dem Küchenverschlag herein, und der Kleine meinte rasch:

»Señores, eine Bitte!« – »Redet!« gebot Landola. – »Darf ich nicht einmal in die Küche treten?« – »Wozu?« – »Ich muß mich doch überzeugen, ob der Wirt seine Pflicht auch so erfüllt, daß die Speise Eurer würdig ist!« – »Versteht Ihr denn etwas davon?« – »Oh, ich brate mir alles selbst.« – »Aber Ihr werdet uns doch nicht entfliehen?« – »Señores, ich schwöre Euch bei allen Heiligen zu, daß so ein Gedanke mir nicht in den Sinn kommt! Ich bin unschuldig und werde mit nach Mexiko gehen, um Euch dies auf das glanzvollste zu beweisen.« – »Na, der Allerschlechteste scheint Ihr allerdings nicht zu sein. Geht also einmal hinaus; aber nur auf fünf Minuten.«

Der Kleine ging.

»Ich bin neugierig, ob er fliehen wird«, meinte Cortejo. – »Natürlich wird er es«, antwortete Landola. – »Aber er schwor bei allen Heiligen!« – »Pah! Das gilt bei uns beiden nichts und bei diesem erst recht nicht. Nicht wahr, aus der Küche geht eine Tür auf den Hausflur?« – »Ich glaube.« – »So wird er sich aus der Küche durch den Flur zum Pferd schleichen und davongaloppieren.« – »Was tun wir da? Wir sind ja froh, ihn los zu sein!« – »Oh, wir geben zum Spaß einige Schüsse hinter ihm ab.« – »Aber doch nicht treffen?« – »Nein. Öffnen wir immer im voraus das Fenster.«

Sie machten dasselbe auf und steckten sich hinter den Mauerpfeiler. Richtig! Da kam der Kleine leise geschlichen, band sein Pferd los, kletterte in höchster Eile hinauf und gab ihm die Sporen.

»Halt!« schrie da Landola zum Fenster hinaus. – »Halt!« brüllte auch Cortejo. »Wir schießen!« riefen beide zugleich.

Aber der Kleine schoß auch, nämlich davon. Da zogen die beiden ihre Pistolen und feuerten beide Läufe hinter ihm her. Er stieß einen Angstruf aus, den sie noch hörten, und dann war er verschwunden.

Der Wirt kam voller Erstaunen in die Stube geeilt und fragte:

»Señores, Ihr schießt? Warum denn, um der Jungfrau willen!« – »Er entflieht ja!« antwortete Cortejo. – »Wer denn?« – »Der Kleine.« – »Der? Er entflieht? Ist er denn Gefangener?« – »Natürlich! Der unsrige.« – »Ah! Wer seid Ihr denn?« – »Geheime Alguazils aus der Residenz.« – »Ach so! Laßt ihn doch fliehen, er hat Euch ja das Essen und den Wein bezahlt!« – »Meint Ihr denn, daß das so viel wert ist?« – »War er denn mehr wert?« – »Das weiß ich nicht.« – »Kennt Ihr ihn Señor?« – »Nein. Aber Ihr kennt ihn?« – »Auch nicht? Nun, warum habt Ihr ihn dann arretiert?« – »Damit er unser Essen bezahlen solle und Ihr am Wein was verdient.«

Der Wirt sah sie eine Zeitlang ganz verblüfft an, brach aber dann in ein lautes Lachen aus und rief:

»Ihr seid bei Gott die klügsten Señores, die mir jemals vorgekommen sind! Aber er hat für drei Personen bestellt.« – »Das hörten wir.« – »Wenn Ihr Eurer Klugheit die Krone aufsetzen wollt, so habt die Güte zu erlauben, daß ich nun der dritte bin.«

Da stimmten alle beide in sein Lachen ein, und Landola meinte:

»Mann, Ihr seid nicht weniger klug als wir, wir passen also füreinander, und so mögt Ihr die Stelle des Entflohenen einnehmen.«

So geschah es. Als die beiden später die Venta verließen, war der Kleine bereits über alle Berge. Sie brauchten seine spionierenden Augen nicht zu fürchten, machten in der Umgebung einen Spazierritt, wobei sie sich über ihre Pläne unterhielten, und kehrten mit Einbruch der Dunkelheit vorsichtig nach dem Kloster zurück.


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