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11. Kapitel.

Als Cortejo und Landola ihren Gasthof erreichten, war es Zeit, das Mittagsmahl einzunehmen. Sie zogen vor, auf ihrem Zimmer zu essen, anstatt dies in der öffentlichen Gaststube zu tun. Es wurde auch für Grandeprise ein Gedeck bestellt, der gerufen wurde.

Die feinen Speisen schienen ihm nicht recht zu munden. Es war ihm überhaupt anzusehen, daß er sich nicht in der rosigsten Laune befand. Als Landola darüber eine Bemerkung machte, antwortete er mürrisch:

»Der Teufel mag gute Laune haben, aber ich nicht, Master!« – »Warum nicht?« – »Was soll ich in Mexiko, diesem langweilen Nest? Schlafen etwa? Ich habe anderes und Besseres zu tun.« – »Ah! Sie haben Langeweile?« – »Ja.« – »Gehen Sie aus! Sehen Sie sich die Stadt an!« – »Ich kenne sie genugsam. Ich muß nach Santa Jaga.« – »Wir reisen ja mit.« – »Aber wann?« – »Sobald wir unsere Angelegenheiten geordnet haben.« – »Wann wird das sein?« – »Hm! Das ist unbestimmt. Eigentlich haben wir nur eine Kleinigkeit vor. Wir könnten bereits morgen fort. Aber es ist eine Schwierigkeit dabei, die die Abreise verzögert.« – »Eine Schwierigkeit? Das ist unangenehm. Aber eine solche läßt sich doch meist überwinden. Vielleicht auch diese.« – »Wir hoffen es. Wir werden schon den Mann finden, dem wir uns anvertrauen können.«

Grandeprise blickte schnell auf, sah Landola forschend an und fragte dann:

»Den richtigen Mann? Dem Sie Vertrauen schenken können? Donnerwetter zu mir hat man also kein Vertrauen?« – »Hm!« brummte Landola bedenklich. »Ja und nein.« – »Warum nein?« – »Das läßt sich nicht sagen.« – »Es handelt sich also um ein Geheimnis?« – »Ja.« – »Um eine Geschäftssache?« – »Nein.« – »Um eine Sache, in der ich Ihnen nicht helfen könnte?«

Landola schüttelte langsam den Kopf und antwortete:

»Sie zwingen mich förmlich zu einer Erklärung. Ich will sie Ihnen geben. Es handelt sich um eine Sache, in der Sie uns allerdings sehr gut helfen könnten und die wir in diesem Fall so schnell beenden würden, daß es uns möglich wäre, bereits morgen früh nach Santa Jaga aufzubrechen, aber – aber ...« – »Was aber?« – »Hm! Wir dürfen uns Ihnen nicht anvertrauen.«

Grandeprise brannte vor Begierde, seinen Bruder zu sehen. Er hoffte, ihn im Kloster della Barbara zu finden, und konnte die Stunde, in der das geschehen sollte, kaum erwarten. Darum war ihm ein längerer Aufenthalt in Mexiko zuwider, und daher meinte er jetzt, indem er die Brauen finster zusammenzog:

»Ich fordere Sie auf, mir den Grund zu sagen, warum Sie kein Vertrauen haben können.« – »Das ist mir kaum möglich! Weil es uns unendlichen Schaden machen kann. Wir müssen gewärtig sein, Sie hindern uns, unser Unternehmen auszuführen.« – »Der Teufel wird Sie hindern, nicht aber ich!« – »O doch! Denn Sie sind ja ein Freund dessen – ah, da bin ich doch bereits zu weit gegangen.«

Das erhöhte die Begierde des Jägers noch mehr.

»Wessen Freund bin ich? Heraus damit!« – »Nun, der Freund Landolas, gegen den unser Unternehmen gerichtet ist.« – »Ich soll dessen Freund sein? Da täuschen Sie sich gewaltig!«

Grandeprise ballte die Rechte und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Speisegeschirr emporsprang. So wollte ihn Landola haben.

»Wissen Sie denn eigentlich, was er ist?« fragte Grandeprise. – »Ich? Ich sollte es nicht wissen? Wissen Sie es denn?« – »Ja.« – »Ein Seeräuber?« – »Richtig! Ein Seeräuber! Aber noch viel, viel mehr. Ich jage ihm nach seit Jahrzehnten. Ich suche und forsche nach ihm, wie der Satan nach der Seele. Und wenn ich ihn finde, soll es allerdings auch ganz so sein, als ob er in die Krallen des Teufels geraten sei.«

Grandeprise hatte das mit knirschenden Zähnen gesprochen. Es überlief Landola doch ein eigentümliches Gefühl, aber er ließ sich nichts merken. Er tat, als ob er über die Worte des Jägers ganz entzückt sei und rief:

»Holla! Wenn wir da in Ihnen einen Verbündeten gefunden hätten! Welch ein Glück für uns!« – »Also Sie wollen ihm wirklich ans Leder?« – »Das versteht sich!« – »Und es ist wahr? Sie täuschen mich nicht?« – »Fällt uns gar nicht ein.« – »Aber warum war sein Agent so freundlich mit Ihnen?« – »Werden wir diesen Menschen etwa einweihen?« – »Das ist richtig. Also wenn Sie wirklich dem Landola in die Haare wollen, so leiste ich Ihnen von Herzen gern Gesellschaft. Sagen Sie nur, was ich tun soll.«

Um den Schein zu wahren, blickte Landola Cortejo fragend an. Dieser nickte zustimmend mit dem Kopf und sagte:

»Ich denke, daß wir ihm vertrauen können. Er hat ein ehrliches Gesicht und wird uns nicht täuschen.« – »Täuschen? Ich Sie täuschen?« rief Grandeprise. »Señores, stellen Sie mich auf die Probe, so werden Sie sehen, daß Sie sich auf mich verlassen können.« – »Wollen wir es wagen?« fragte Landola. – »Ja, ich habe Vertrauen zu ihm«, antwortete Cortejo. – »Wagen Sie es!« bat der Jäger. »Sie werden einen tüchtigen Kameraden und Helfer in mir finden!« – »Nun gut!« meinte Landola. »Sie wissen auch, daß er Seeräuber war?« – »Nur zu gut.« – »Kennen Sie den Namen seines Schiffes?« – »Ja. Der Lion.« – »Ich denke der Kapitän des Lion hieß anders.« – »Er hieß Grandeprise«, antwortete der Jäger grimmig. »Aber dieser Grandeprise war eben kein anderer als Landola.« – »Ah, Sie sind allerdings genau unterrichtet!« – »Vielleicht besser als Sie!« – »Warum mag er sich einen falschen Namen beigelegt haben?« – »Meinetwegen.« – »Ihretwegen? Wieso?« fragte der verkappte Räuber erstaunt. – »Weil ich selbst Grandeprise heiße. Er wollte meinen Namen schänden. Die Welt sollte glauben, daß ich der Räuber sei.« – »Wenn das wirklich wahr ist, so begreife ich Ihren Haß.« – »Ah, Haß ist nur ein Mailüftchen gegen den Sturm, den ich im Innern fühle. Sie sehen also ein, daß ich aufrichtig bin und Sie nicht täusche. Also Ihr gegenwärtiges Unternehmen ist gegen ihn gerichtet?« – »Ja.« – »Um was handelt es sich?« – »Um einen kleinen Spaziergang nur.« – »Wohin?« – »Nach dem Gottesacker.« – »Ich gehe mit.« – »Auch des Nachts?« – »Ist mir ganz gleich. Aber was wollen Sie dort?« – »Einer Teufelei Landolas auf die Spur kommen.« – »Ah, ich beginne zu begreifen!« – »Schön! Wissen Sie, daß Landola früher in der Hauptstadt war?« – »Das ist sehr wahrscheinlich.« – »Er hatte eine Geliebte.« – »Armes Mädchen!« – »Die Sache hatte Folgen; darum drang sie auf die Heirat.« – »Hätte sie doch lieber den Satan geheiratet.« – »Sie heiratete weder den Satan, noch Landola. Sie erhielt einen anderen Bräutigam, und der war nicht weniger grausig als jene beiden.« – »Das möchte ich bezweifeln.« – »O doch, denn es war der Tod!« – »Alle Wetter! Sie starb?« – »Ja.« – »Das heißt, sie mußte sterben?« – »Wir vermuten es.« – »Wieso?« – »Er war aufrichtiger gewesen, als es sich eigentlich mit seiner Sicherheit vertrug.« – »Sie ahnte wohl, wer er sei?« – »So schien es zu sein. Als er sie verlassen wollte, dachte sie, ihn zu verraten. Am Morgen darauf war sie eine Leiche.« – »Ah, er hat sie ermordet?« – »Jedenfalls. Ich hatte eine Ahnung von dem Hergang und ließ Ärzte kommen. Sie untersuchten die Leiche, konnten aber nichts Verdächtiges finden.« – »Keinen Stich?« – »Nein.« – »Keinen Hieb oder Schlag?« – »Nein.« – »Keine Spur von Vergiftung?« – »Gar nichts.« – »Und sie war am Abend noch gesund gewesen?« – »Vollständig.« – »Aber ihr Tod mußte doch eine Ursache haben.« – »Die Ärzte erklärten, daß der Schlag sie getroffen habe.« – »Hm! Es ist doch eigentümlich, daß er am Abend vorher bei ihr war, sich mit ihr stritt und dann des Morgens war sie eine Leiche.« – »Eben das kam auch mir bedenklich vor. Aus diesem Grunde ließ ich sie ja untersuchen!« – »Warum nahmen gerade Sie sich dieser Sache an?« – »Ja. Ah, das habe ich noch gar nicht gesagt? Ich war der Oheim dieses armen Mädchens.« – »Das ist etwas anderes. Es geschah also nichts gegen ihn?« – »Nein. Ich hatte ihn festnehmen lassen. Er wurde freigelassen, und mich bestrafte man wegen böswilliger Anzeige. Von da an verfolgte er mich und die Meinigen unablässig. Ich wurde arm; die Kinder starben auf unbegreifliche Weise, meine Frau ebenso, und stets, wenn ein solcher Fall eintrat, ließ Landola sich sehen.« – »Ja, er ist ein Beelzebub!« – »Nun packte mich ein fürchterlicher Grimm. Ich konnte ihm auf gesetzlichem Weg nichts anhaben, ich schwor, daß er früher oder später meiner Rache verfallen solle.« – »Ganz mein Fall. Geradeso wie bei mir.« – »Ich suchte, ihn zu finden, aber ich traf ihn nie. Jahre vergingen. Da endlich traf ich vor einiger Zeit einen alten Verbrecher, der im Spital starb. Kurz vor dem Tode erzählte er, daß er ein Gehilfe von Landola gewesen sei. Von ihm erfuhr ich den Namen des Agenten Gonsalvo Verdillo in Verakruz. Auch hörte ich, daß Landola sehr bald in Santa Jaga zu treffen sein werde.« – »Ah, wird das stimmen? Wird das wahr sein?« unterbrach ihn Grandeprise eifrig. – »Ich bin überzeugt davon; denn alles, was der Kerl erzählte, hat sich als wahr erwiesen.« – »Es scheint, Sie haben noch mehr erfahren?« – »Allerdings.« – »Wohl auch über den Tod Ihrer Nichte?« – »Ja. Landola hatte einst in Gegenwart seiner Spießgesellen, allerdings in der Betrunkenheit, davon gesprochen.« – »Er war der Mörder? Nicht?« – »Ja.« – »Aber wie kam es, daß man keine Spur fand?« – »Er hatte sie weder erschlagen noch erstochen noch vergiftet. Er hatte ihr den Tod auf eine Weise gegeben, daß man die einzige Spur, die es gab, nur mit größter Mühe hätte finden können.« – »Da bin ich hochbegierig, es zu erfahren.« – »Und doch ist es sehr einfach. Wissen Sie, wie man einen Menschen, der reiches, volles Haar hat, schnell, fast augenblicklich töten kann, ohne daß ein sichtbares Zeichen des Mordes zurückbleibt?« – »Nein. Was hat das Haar dabei zu schaffen?« – »Das Haar ist es eben, das die Spur verbirgt.« – »Ah, nun denke ich daran! Ich habe einmal von einem solchen Fall erzählen hören. Eine Frau hatte ihrem Mann im Schlaf einen feinen Nagel durch den Kopf geschlagen.« – »So ist es. Einen Nagel ohne Kuppe oder Knopf. Den verdeckt das Haar vollständig.« – »Und so soll Ihre Nichte gestorben sein?« – »Ja, an einem Nagel.« – »Aber hat sie denn geschlafen? Sie hatte sich ja mit Landola gestritten und veruneinigt!« – »Vielleicht ist er später wiedergekommen und bei ihr eingestiegen.« – »Hm! Und dieser Sache wollen Sie nachforschen?« – »Ja.« – »Auf dem Kirchhof, und zwar des Nachts?« – »Allerdings.« – »Das heißt doch im geheimen?« – »Freilich.« – »Warum nicht am Tag und öffentlich?« – »Fällt mir nicht ein. Ich würde als Leichenschänder ergriffen und zum zweiten Male unschuldig bestraft eines solchen Halunken wegen!« – »Warum machen Sie nicht Anzeige?« – »Ich hatte damals auch Anzeige gemacht.« – »Man würde nun den Nagel finden.« – »Oder nicht. Es ist möglich, daß Landola gelogen oder der andere sich getäuscht hat. Am besten ist es, nachzusehen, ehe man Anzeige macht.« – »Hm! Sie mögen recht haben. Aber selbst wenn sich der Nagel findet, was nützt es Ihnen?« – »Dann ist ja der Mord erwiesen.« – »Aber der Mörder ist nicht zu haben!« – »Pah! Den finde ich in Santa Jaga.« – »So wollen Sie ein Grab öffnen? Das ist schwer.« – »Kein Grab. Ich habe nur die Tür eines Begräbnisses aufzuschließen und dann hinabzusteigen, um den Sarg zu öffnen.« – »Das ist etwas anderes. Das ist nicht schwer.« – »Wollen Sie uns dabei helfen?« – »Gern. Was soll ich tun?« – »Das Leichteste, was es dabei gibt. Sie sollen Wache stehen, damit wir nicht überrascht werden.« – »Pah! Wenn Sie nichts Schwierigeres verlangen! Das ist ja gar nicht der Rede wert!« – »Es stellt sich nicht gern ein jeder auf den Kirchhof.« – »Ich bin keine Memme. Also Sie nehmen meine Dienste an?« – »Ja.« – »Aber dann ...« – »Wenn der Nagel sich findet, reiten wir sofort nach Santa Jaga, um den Mörder festzunehmen.« – »Das ist es, was ich will. Unternehmen wir also die Sache so bald wie möglich.« – »Gleich heute?« – »Mir am liebsten.« – »Zu welcher Stunde?« – »Um Mitternacht. In der sogenannten Geisterstunde haben wir am wenigsten Störung zu erwarten.« – »Störung wohl überhaupt nicht. Ich wollte, der Abend wäre da, daß die Sache beginnen könnte.«

Dieser Wunsch ging Grandeprise allerdings nur langsam, das heißt mit dem Lauf der Sonne in Erfüllung. Er legte sich wieder hinunter in den Hof, um voller Ungeduld den Einbruch des Abends zu erwarten.

Cortejo ging am Nachmittag aus und brachte mehrere Schlüssel mit, von denen er hoffte, daß einer schließen werde. War das nicht der Fall, so sollte das Begräbnis mit Gewalt geöffnet werden.

»Ist dieser Grandeprise ein leichtgläubiger Kerl!« sagte Landola. – »Er ist unbefangen. Ihre Erzählung hatte viel Unwahrscheinlichkeiten.« – »So haben wir wenigstens einen Wächter.« – »Und dann?« – »Wird es uns nach Santa Jaga begleiten. Er muß als Zeuge dienen, wenn der Pater die Anwesenheit Ihres Bruders in Abrede stellen sollte.«

Endlich wurde es dunkel. Die Sterne stiegen herauf. Die drei nahmen ihr Abendmahl ein und verließen eine Stunde vor Mitternacht den Gasthof. Dies fiel keineswegs auf. Die Bevölkerung der Hauptstadt ist gewöhnt, bis zur späten Abendstunde zu promenieren oder bis zum frühen Morgen auf Festen und Unterhaltungen zu verweilen.

Am Gottesacker angekommen, ließen sie Grandeprise als Wache zurück, trafen ihre Vorbereitungen, und alles ging nach Wunsch, so daß sie mit der Leiche bald am Erbbegräbnis der Rodriganda anlangten.

Es führte eine Treppe hinab.

»So wollen wir machen, daß wir hier zu Ende kommen. Unser Präriejäger wird Langeweile haben.« – »Er wird sich nicht erklären können, warum wir so lange ausbleiben.« – »Er mag denken, daß wir nach dem Nagel suchen müssen.«

Cortejo zog einen der Schlüssel hervor und legte dann die Hand auf den Drücker, um einen festen Halt zu haben. Der Drücker gab nach.

»Santa Madonna!« flüsterte er erschreckt. – »Was gibt es?« fragte Landola. – »Die Tür ist offen!« – »Unmöglich!« – »Doch!« – »Sie irren sich!« – »Greifen Sie her.«

Landola trat näher und überzeugte sich, daß Cortejo sich nicht geirrt hatte.

»Donnerwetter«, sagte er, »es wird doch niemand unten sein!« – »Das wäre ein Schreck!« – »Oder ist der Totengräber heute unten gewesen und hat vergessen, die Tür wieder zu schließen?« – »Auch das ist möglich. Wir müssen horchen.«

Cortejo schob die Tür weit auf, und nun lauschten die beiden eine ganze Weile mit angestrengten Sinnen hinab. Es ließ sich kein Laut vernehmen, und nicht das leiseste Lüftchen regte sich.

»Pah!« meinte Landola. »Ich weiß, wie es zugeht. Es hat einer Ihrer Schlüssel geschlossen, ohne daß Sie es merkten.« – »Sollte das der Fall gewesen sein?« fragte Cortejo, diese Angabe stark bezweifelnd. – »Es ist ja gar nicht anders möglich.« – »Aber ich müßte es doch gefühlt haben, wenn der Riegel dem Druck eines meiner Schlüssel nachgegeben hätte.« – »Es kann Ihnen dies ganz leicht entgangen sein. Sie haben Furcht, Sie sind aufgeregt. Ihre Nerven sind nicht zuverlässig.« – »Möglich. Aber lassen Sie uns noch einmal horchen.«

Sie taten es, hörten aber nichts Beunruhigendes.

»Dieses Horchen ist überflüssig, es bringt uns nur um unsere kostbare Zeit. Lassen Sie uns hinabgehen.« – »Aber vorsichtig! Erst ohne den Toten.« – »Gut. Brennen Sie an!«

Sie traten ein und schoben die Tür leise wieder an. Dann zog Cortejo die Laterne hervor, um sie anzubrennen. Als das Flämmchen aufleuchtete, schritten sie leise und behutsam die Treppe hinab, Landola voran und Cortejo leuchtend hinter ihm her.

Sie erreichten das eigentliche Gruftgewölbe, ohne etwas Verdächtiges zu bemerken.

»Leuchten Sie umher«, gebot Landola.

Cortejo gehorchte. Auch jetzt konnten sie nicht das mindeste Beunruhigende finden.

»Es ist so«, meinte Landola. »Ihr Schlüssel hat geschlossen, ohne daß Sie es gemerkt haben. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen. Wo ist der Sarg Don Ferdinandos?« – »Hier«, antwortete Cortejo.

Er deutete dabei auf einen Sarg, an dessen Fußseite in goldenen Lettern der Name »Don Ferdinando, Graf von Rodriganda« zu lesen war.

»Natürlich leer«, meinte der Gefährte. – »Leider.« – »Warum leider?« – »Ich wollte, der Tote läge darin.« – »Ah!« – »Oder der Teufel, damit ich erfahren könnte, ob Ihre Prahlerei wahr ist, daß Sie ihn, falls er Ihnen entgegenspränge, um Feuer bitten würden.« – »Ich würde es tun, Señor Cortejo.« – »Ich glaube das nicht, Señor Landola. Wenigstens in dieser Verkleidung nicht.« – »Warum nicht?« – »Mit Ihrem natürlichen Gesicht können Sie ihm getrost standhalten, er kennt Sie und weiß, daß Sie ihm auf keinen Fall entgehen können. Mit dem Kleister im Gesicht aber wären Sie ihm unbekannt, und da würde er Sie doch beim Kragen nehmen.« – »Meinen Sie?« lachte Landola. »Wollen es versuchen. Also herab mit dem Deckel und heraus mit dem Teufel!«

Ohne zu beachten, daß der Deckel des Sarges seinem Griff ganz ungewöhnlich schnell nachgab, stieß er denselben herab. Im nächsten Augenblick aber entfloh dem Mund dieser beiden Männer ein Ruf des heftigsten Schrecks. In dem Sarg nämlich lag eine lange Gestalt mit einer Nase, die dem Schnabel des Geiers glich.

Die Augen der beiden Verbrecher drohten aus ihren Höhlen zu treten und starrten mit angstvollem Blick in das Gesicht des rätselhaften Toten.


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