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19. Kapitel.

Cortejo und Landola gehorchten dieser Weisung und entfernten sich. Der Pater trat an das Fenster und sah sie das Kloster verlassen. Kaum war dies geschehen, so erschien sein Neffe, der ein sehr erstauntes Gesicht zur Schau trug.

»Oheim, ich weiß nicht, ob ich mich irre!« sagte er. – »Worin?« fragte der Alte. – »In den beiden Männern, die bei dir waren. Hatten sie jetzt nicht ganz andere Gesichter als vorher?« – »Ja. Hat es noch jemand gesehen?« – »Nein. Ich weiß, was du liebst. Ich habe alle Leute entfernt und allein im Hof auf sie gewartet« – »Das ist gut; ich wußte es. Übrigens kommen sie wieder.« – »Aber was war das mit den Gesichtern?« – »Sie hatten einen sehr triftigen Grund, sich durch Schminke unkenntlich zu machen. Höre, Manfredo, ich muß dir eine Frage vorlegen.« – »Frage nur zu, Oheim!«

Der Alte lehnte sich mit dem Rücken wieder gegen die Tischkante, kreuzte die Arme über der Brust und sagte:

»Du hast mir jahrelang treu gedient, ohne zu fragen, warum ich dies oder jenes wollte; ich bin mit dir stets zufrieden gewesen und habe lange daran gedacht, dich einmal rechtschaffen zu belohnen.« – »Das soll mir lieb sein!« lachte Manfredo. – »Ich wollte nicht davon sprechen, bis ich nicht einmal etwas Ordentliches und Würdiges fände.« – »Und heute ist dies endlich geglückt durch die beiden Männer?« – »Ja; sie haben es mir gebracht.« – »Was ist's?« fragte Manfredo, neugierig im höchsten Grad.

Der Alte sah ihn mit eigentümlichen Blicken an und fragte:

»Willst du Graf werden?« – »Graf?« meinte der Junge, höchst erstaunt. – »Ja, ein Graf!« – »Oheim, du bist heute allerdings bei sehr guter Laune!« – »Das ist wahr; aber was ich sage, ist trotzdem nicht Laune. Also, willst du ein Graf werden?« – »Donnerwetter! Natürlich, wenn es möglich ist! Aber es ist doch nur Spaß!« – »Nein, es ist Ernst.« – »Wirklich?« – »Vollkommen!«

Manfredo warf einen forschenden Blick auf seinen Verwandten. In diesem Blick lag sehr deutlich die Sorge, daß der Pater wohl übergeschnappt sei. Daher fragte dieser lachend:

»Ah, du meinst wohl, ich sei nicht recht bei Sinnen?« – »Beinahe, wenn ich aufrichtig sein soll, Oheim.« – »Und doch bin ich noch niemals so gut bei Überlegung gewesen wie heute, das kannst du mir glauben.« – »Nun gut, ich werde ja erfahren, wie die Sache gemeint ist. Also, was für ein Graf soll ich denn werden?« – »Der von Rodriganda.« – »Himmel! Deren gibt es ja bereits vier!« – »Wieso?« – »Zwei alte, die gestorben sein sollen, ein junger, der es sein will, aber nicht ist, und ein zweiter junger, der es auch nicht ist, aber eigentlich sein sollte.« – »Nun gut, diese sind alle problematisch, und du machst den fünften, der es sein will und auch sein wird.« – »Wieso?« – »Rate, wer die beiden Männer waren, die soeben fortgeritten sind!« – »Wer kann das raten?« – »Du! Ist dir an dem einen nichts aufgefallen?« – »O doch.« – »Was?« – »Eine große Ähnlichkeit mit Pablo Cortejo und eine noch viel größere mit der Fotografie von Gasparino Cortejo, die wir dieser albernen Señorita Josefa abgenommen haben.« – »Diese Ähnlichkeit hat dich nicht getäuscht.« – »Donnerwetter! So war es wirklich Gasparino Cortejo?« – »Ja. Und der andere?« – »Oh, das ist nun sehr leicht zu erraten: Landola?« – »Ja. Auch ich erriet das sofort.« – »Sie sagten dir es nicht freiwillig?« – »Nein. Ich mußte sogar zum Revolver greifen.«

Hilario erzählte nun dem Neffen den ganzen Verlauf des Gespräches. Am Schluß des Berichtes rief Manfredo aus:

»Das ist ganz außerordentlich! Was wirst du tun? Ich hoffe doch, daß du diese beiden Menschen mit zu den übrigen stecken wirst!« – »Das versteht sich von selbst!« – »Sie haben es verdient, mehr als alle anderen.« – »Richtig. Ich gebe ihnen da ihren Lohn und sorge zugleich für mich und dich. Das geschieht noch heute. Von morgen an aber muß ich sämtliche Gefangenen deiner Obhut allein anvertrauen.« – »Wieso?« – »Ich verreise.« – »Wohin?« – »Nach der Hacienda del Erina.« – »Ah, nach der Hazienda? Was, Teufel, willst du dort?« – »Auch für uns sorgen.« – »In welcher Weise?« – »Das wirst du später erfahren. Es ist nicht geraten, bereits jetzt davon zu sprechen.« – »Wie lange wirst du fortbleiben?« – »Fünf bis sechs Tage.« – »So lange werde ich mit den Gefangenen ganz gut verkommen.« – »Oh, du wirst es noch länger versuchen müssen!« – »Noch länger? Warum?« – »Weil ich nach meiner Rückkehr sofort wieder verreise. Ich muß nämlich binnen zehn Tagen in der Hauptstadt sein.« – »In der Hauptstadt?« fragte der Neffe verwundert. »Was sollst du dort?« – »Es ist mir eine bedeutende politische Rolle übertragen worden. Wer weiß, was daraus entsteht. Jetzt bin ich überzeugt, daß es zu unserem Glück sein wird. Ich werde vielleicht Minister und du Graf von Rodriganda. Was willst du mehr?« – »Oheim, bei allen Heiligen, ich fange nun an, zu glauben, daß du im Ernst sprichst!« – »Natürlich.« – »Aber wie willst du es denn anfangen, mich zum Grafen zu machen?« – »Sehr einfach. Du trittst an des richtigen Grafen Stelle.« – »Das wäre Mariano!« – »Ja.« – »Ah, wir sind gleichen Alters und gleicher Gestalt. Aber die Beweise!« – »Die erzwingen wir von unseren Gefangenen, und dann werden alle, die hinderlich sein könnten, beseitigt. Laß nur deinen Oheim sorgen. Kann dieser Pablo Cortejo seinen Neffen zum Grafen Rodriganda machen, so kann ich es wohl noch besser und leichter als er. Was aber die Gefangenen betrifft, so will ich es dir leichter machen sie zu versorgen, während ich hier abwesend bin. Wir nehmen sie einfach aus den Löchern heraus und stecken sie zusammen in den Felsensaal, wo sie angebunden werden.« – »Da wird ihnen auch die Gefangenschaft nicht so schwer. Pablo Cortejo und Josefa mit dazu?« – »Nein. Diese bleiben, wo sie sind, und Landola nebst Gasparino Cortejo werden zu ihnen gesteckt. Das erstere wollen wir gleich jetzt versorgen. Komm!«

Sie stiegen miteinander in die geheimen Keller hinab.


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