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12. Die Stimme der Vergangenheit

Förster Wunderlich war seit Eduard Hausers kurzem Besuch aus der Unruhe nicht mehr herausgekommen. Die Holzberechnung wollte und wollte nicht stimmen; der Alte knurrte mit seiner Frau, knurrte mit dem Försterburschen und mit dem Waldhüter und war froh, als endlich Schritte im Flur erklangen und Arndt ins Zimmer trat.

»Gott sei Dank, daß Sie da sind, Herr Vetter!« begrüßte Wunderlich den Gast seines Hauses. »Der Eduard Hauser war vor einigen Stunden hier.«

»So? Was wollte er denn?«

»Ja, das kann ich selber nicht sagen. Er rückte nicht mit der Sprache heraus. Es schien etwas Geheimnisvolles zu sein.«

»Machten Sie ihn denn nicht darauf aufmerksam, daß er Ihnen auch wichtigste Meldungen anvertrauen dürfte, Herr Förster?«

»Ich hab' ihm schon zugeredet.«

»Und er sagte dennoch nichts?«

»Nur, daß er einen Botengang nach Breitenau übernommen hätte, sonst kein Wort. Um so wichtiger muß also die Sache sein, da er sie nicht einmal mir anvertraut hat.«

»Eine sonderbare Geschichte«, meinte Arndt. »In der Nacht hinüber nach Breitenau! Das gibt mir zu denken. Möglich, daß es etwas gewesen ist, wobei er eigentlich meiner Hilfe oder doch meiner Gegenwart bedurft hätte! Hm – ich werde die Sache untersuchen.«

Der Förster sah den Detektiv verdutzt an.

»Sie können doch unmöglich jetzt bei Nacht und Dunkelheit nach Breitenau laufen ...«

»Denke ja gar nicht daran«, unterbrach ihn Arndt.

»Denke gar nicht daran!« Der brave Förster schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie denn sonst beginnen? Unsereiner sitzt hier, läßt vor Sorgen die Pfeife ausgehn und knobelt und klügelt, daß einem das Hirnschmalz kocht, und wenn es zur Sache kommt, springt trotz alledem nichts heraus. Und der Herr Vetter erklärt ganz einfach ...«

Wunderlich war während dieser Rede im Zimmer auf und ab gelaufen. Jetzt blieb er stehn, stutzte und sah verwundert zur Tür, durch die soeben der Vetter Arndt verschwunden war.

»Ist das eine Art!« brummte der Alte.

Dann horchte er hinaus. Wahrhaftig, sein Gast war fortgegangen, fort in die Winternacht.

Der Sinn dieses Verfahrens wollte dem Förster nicht einleuchten. Arndt aber wußte gar wohl, was er tat. Er stapfte durch den Schnee eilig hinunter nach Hohenthal. Richtig, bei den Hausers war noch Licht. Das traf sich gut. Nun konnte er Näheres über Eduard und seinen seltsamen Botengang nach Breitenau erfragen.

Er trat in die Wohnstube, wo Vater und Mutter nach dem Weggang Hofmanns noch in ernstem Gespräch beisammensaßen, und fragte nach Eduard.

»Der ist leider nicht zu Haus«, erklärte der Vater.

»Und Sie wissen nicht, wo ich ihn treffen könnte?« erkundigte sich der Detektiv, der erfahren wollte, wieweit die Eltern in die Geheimnisse des Sohnes eingeweiht waren.

»Das weiß ich wohl«, erwiderte der Alte, »glaube aber nicht, daß es Ihnen viel nützt, wenn Sie es erfahren. Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Verzeihung, daß ich mich nicht gleich vorstellte!« lächelte der Besucher. »Mein Name ist Arndt. Ich komme vom Förster Wunderlich. Der Förster sagte mir, Ihr Sohn habe dort vorgesprochen, und ich nehme an, daß wir einiges miteinander zu besprechen haben.«

»Der Fremde aus dem Forsthaus!« rief Vater Hauser freudig erregt. »Gott sei Dank! Siehst du, Mutter, schickt uns der liebe Gott nicht gleich einen, den wir brauchen?«

»Sie brauchen mich also?«

»Und wie! Erst heute sprach mein Sohn davon, daß wir uns ins Forsthaus wenden sollten, wenn wir einmal in seiner Abwesenheit eines Rates bedürften.«

»Das hat er recht gemacht. – Nun, hier bin ich, und ich stehe gern zur Verfügung!«

»Herr«, begann der alte Hauser, der schwerblütig und schwerfällig war wie die meisten Erzgebirgler, »Sie haben meinem Sohn erlaubt, mir einiges mitzuteilen. Ich weiß also, daß ich einen Mann vor mir habe, dem wir zu Dank verpflichtet sind und der uns wohl will. Unser Eduard ist verhaftet worden!«

Arndt stutzte.

»Was sagen Sie? Verhaftet?«

»Ja, Herr.«

»Das ist doch einfach nicht denkbar. Warum denn?«

»Als Pascher im Wald am Föhrensteig!«

»Unmöglich!«

»Und doch war es möglich, Herr! Man hat sogar behauptet, er sei das Buschgespenst. Man hat einen Brief entdeckt, den er unvorsichtigerweise geschrieben hat, einen Brief an den Kaufmann Strauch ...«

»Ah! Das habe ich mir gedacht!«

»Wie? Sie wissen von dem Brief?«

»Eduard hat mir selber davon gesprochen.«

»Und Sie haben ihn nicht gewarnt?«

»Weil es zu spät war. Er hatte den Brief schon abgeschickt.«

»Und Sie wissen auch, zu welchem Zweck er den Brief geschrieben hat?«

»Ja, das weiß ich. Aber nun, bitte, weiter! Auf diesen Brief hin hat man ihn doch nicht verhaften können.«

»Nein, das nicht, aber man hat Paschergut bei ihm gefunden.«

Arndt schüttelte ruhig den Kopf.

»Ihr Eduard ist doch kein Pascher!«

»Bei Gott, das ist er nicht! Er selber war sich keines Unrechts bewußt; aber als er untersucht wurde, hat man die Ware doch bei ihm gefunden, und zwar im Rockfutter.«

»Im Rockfutter? Was für Ware?«

»Spitzen, kostbare schwarze Spitzen!«

»Spitzen?«

»Ja. Und nun frage ich Sie: Woher soll Eduard diese Spitzen haben? Barer Unsinn! Das ist das Rätselhafte an der Sache.«

»Hm!« machte Arndt. »Mich kümmert die Sache andersherum. Wie kommt es, daß man grad Eduards Rockfutter so genau untersucht hat?«

»Das hat Fritz Seidelmann veranlaßt.«

Arndt hob überrascht den Kopf.

»Fritz Seidelmann? Hat er etwa Ihren Sohn angezeigt?«

»Ja. Er hat sogar die Beamten bei der nächtlichen Streife begleitet.«

»Das ergibt eine seltsame Rechnung«, brummte Arndt nachdenklich. »Spitzen – Rockfutter – Seidelmann – Angelika – hm!«

Der alte Hauser stutzte. Nur, weil der Name Angelika fiel, griff er zu.

»So wissen Sie auch schon von der Sache mit Engelchen?«

»Wie meinen Sie das?« fragte der Detektiv zurück. »Mir ist die ganze Maskenballgeschichte bekannt ...«

»Nein, nein«, unterbrach ihn der Weber. »Das Mädchen ist doch auch verhaftet worden.«

»Nun hört aber doch alles auf! Was soll denn Fräulein Hofmann verbrochen haben?«

»Sie hat auf Fritz Seidelmann geschossen.«

»Wann? Weshalb? Erzählen Sie!«

Hauser berichtete nun, wie sich der Zwischenfall zugetragen hatte, der zur Festnahme Angelikas führte. Zum Schluß übermannte ihn der Zorn, und er brach in heftige Anklagen gegen die Seidelmanns als die eigentlichen Urheber allen Unglücks aus. Doch Arndt ließ ihn nicht ausreden.

»Soweit ich die Dinge übersehe«, erklärte er ruhig, »liegen sie für das Mädchen gar nicht so schlimm. Sie hat im Affekt gehandelt, wie der juristische Ausdruck lautet. Das macht sie weniger strafbar. Auch ist ja dem jungen Seidelmann nicht viel geschehn.«

»Freilich, dem Schurken hätte ich einen gründlicheren Denkzettel gegönnt.«

»Für das Mädchen ist es schon besser so, mein lieber Hauser. Natürlich verstehe ich Ihren Grimm. Ich weiß, wie Ihnen die Seidelmanns bereits mitgespielt haben.«

Da schüttelte der alte Hauser den Kopf.

»O nein, Herr, das wissen Sie nicht! Da kommen Dinge in Betracht, die weit zurückliegen.«

»Was für Dinge?«

»Ach, man spricht am besten gar nicht davon.«

»Und wenn ich Sie nun recht sehr darum bitte?« drängte Arndt.

»Nun, Ihnen als dem Vertrauten Eduards will ich den Gefallen tun, obgleich ich nicht gern davon rede. Ein Vetter von mir hatte ein Mädchen geheiratet, dem Seidelmann – ich meine jetzt den Vater – nachstellte, obwohl er schon verheiratet war. Der Vetter verunglückte nach ein paar Jahren im Bergwerk und die Base kam zu Seidelmann in Stellung.«

Arndt atmete schwer.

»Weiter!« bat er mit auffällig heiserer Stimme.

»Das übrige ist bald erzählt. Seidelmann setzte seine Nachstellungen fort, wurde jedoch abgewiesen.«

»Aber warum blieb denn die – die junge Frau bei diesem Schurken?«

»Herr«, fragte Hauser zurück, »wissen Sie, was Armut heißt? Haben Sie jemals gehungert? Und, falls Sie selber auch ohne Klage darben sollten, würden Sie sich nicht sogar vor dem ärgsten Feind beugen, wenn Sie Ihr Kind dadurch vor der bittern Not bewahren könnten?«

»Ich verstehe. Ihre Base hatte ein Kind?«

»Einen Knaben. Fränzchen hieß er. Und so blieb sie im Dienst bei den Seidelmanns und wehrte sich tapfer.«

»Das war brav von ihr.«

»Brav wohl«, nickte Häuser, »aber verhängnisvoll. Eines Tages wurde der Frau Seidelmann ein kostbares Armband gestohlen, und ihr Mann beschuldigte meine Base des Diebstahls. Sie kam in Untersuchungshaft und starb bald darauf aus Gram.«

Arndt hatte die Stirn in eine Hand gestützt und schwieg. Die Erzählung Hausers hatte ihn gepackt. Der alte Weber ahnte ja gar nicht, was er dem andern berichtete. Jetzt erst durchschaute Arndt das ganze Treiben, dem seine Mutter zum Opfer gefallen war. So also war es gewesen: Weil seine Mutter die Bewerbungen eines Schurken ausschlug, wurde sie von ihm aus gemeiner Rache in den Tod getrieben. Es bemächtigte sich seiner eine Stimmung, wie er sie noch nie im Leben gefühlt. Am liebsten wäre er mitten in der Nacht hingegangen und hätte Martin Seidelmann an der Kehle gepackt.

Dem Weber war die Bewegung Arndts nicht entgangen.

»Nicht wahr, das sind traurige Sachen?« fragte er. »Ja, es ist für uns arme Leute nicht gut, an diese alten Dinge zu rühren. Es wird einem dann manchmal fast zu schwer, das Leben weiter zu tragen ...«

Arndt raffte sich auf.

»Und die Leute im Dorf?« forschte er. »Haben die an die Schuld Ihrer Verwandten geglaubt?«

»Kein einziger. Aber es hatte ja keiner Gelegenheit, zu ihren Gunsten auszusagen, denn es kam zu keiner Verhandlung. Die Base starb kurz vorher –, wie wir alle sagten: aus Gram.«

»Und was ist aus dem Knaben geworden?«

»Aus dem Fränzchen? Der blieb erst bei den Großeltern. Als diese aber kurz darauf auch starben, wurde er ins Armenhaus gesteckt. Eine reiche Familie hat sich später seiner angenommen. Jedenfalls geht es ihm nicht schlecht, wenn er noch lebt. Wir hier in Hohenthal haben nie wieder etwas von ihm gehört.«

Arndt hatte sich jetzt wieder vollständig in der Gewalt.

»Ich danke Ihnen, lieber Hauser; Ihre Erzählung hat mir über manches im Haus Seidelmann die Augen geöffnet. Ich sehe jetzt klarer als vorher. – Nun aber wieder zurück zu Ihrem Sohn! Haben Sie denn keine Ahnung, was Eduard eigentlich im Wald gewollt hat? Förster Wunderlich sprach von einem Botengang nach Breitenau.«

»So ist es auch. Eduard kam gegen Mittag aus der Stadt heim und teilte mir mit, daß er am Spätnachmittag nach Breitenau müsse; er sagte mir aber nicht, was er dort wolle. Heut abend jedoch, als man ihn verhaftet hatte, erzählte er, er habe im Gasthof ›Zum Goldenen Ochsen‹ in der Kreisstadt einen Herrn getroffen, für den er ein Päckchen Urkunden nach Breitenau habe schaffen sollen.«

»Was für Urkunden?«

»Das habe ich nicht erfahren. Der Kriminalkommissar hat die Papiere beschlagnahmt. Sie müssen doch eigentlich darum wissen?«

»Ich? Wieso?«

»Weil mir aus dem ganzen Hin und Her hervorzugehn schien, daß Eduards Auftraggeber mit Ihnen sehr gut bekannt sein müsse.«

»Schwindel!« rief Arndt laut. »Jetzt beginne ich klar zu sehn. Man ist mir auf die Spur gekommen, und Ihr Sohn ist in die Hände eines Betrügers gefallen, eines Feindes, der ihn verderben will!«

»So ähnlich haben wir's uns auch gedacht. Gott wird ihn in seinen Schutz nehmen.«

»Nun«, sagte Arndt grimmig »hier kann ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung versichern, daß Ihr Gebet schon erhört ist.«

»Wie? Verstehe ich recht: schon erhört?«

»Ja. Sie brauchen keine Sorge um Eduard zu haben. Seine Haft wird nicht von langer Dauer sein.«

»O Herr, wenn das wahr wäre!«

»Es ist wahr. Ihr Sohn ist unschuldig. Erst hat ihm jemand die Spitzen heimlich in den Rock genäht. Dann hat man ihn zu dem nächtlichen Botengang beschwatzt und ihm die Urkunden aufgeredet. So mußte er schließlich grad ins Verderben laufen.«

»Und wer will das beweisen?«

»Ich.«

»Herr, wenn Sie das fertigbrächten!«

»Es wird mir voraussichtlich nicht einmal allzu schwer werden.«

»Oh, wenn Sie das sagen, Herr, dann ist Eduard schon so gut wie gerettet! Dann ist mir um ihn nicht mehr bange und um Engelchen auch nicht. Sie sind unser Retter in der Not. Gott lohne Ihnen, was Sie an uns tun!«

Arndt wehrte ab. Dann erhob er sich mit einem plötzlichen Entschluß und reichte dem Ehepaar Hauser zum Abschied die Hand.

»Also: Zuversicht und ein wenig Geduld! Sie können gewiß sein, daß Eduard bald wiederkommt.«

Der Weber geleitete den späten Besucher noch bis vor die Haustür. Hierauf schritt Arndt eilig durchs Dorf, bog seitlich ab in der Richtung nach dem Wald und erreichte endlich wieder das Forsthaus.

In der Stube des Försters brannte noch Licht, und als Arndt die Haustür aufschloß, trat der alte Wunderlich in die Tür.

»Herein mit Ihnen, Sie Ausreißer!« rief er. »Wo bleiben Sie denn so lange?«

»Aber Alter!« ertönte drin die tadelnde Stimme der Försterin. »Was fällt dir ein, in diesem Ton mit dem Herrn Vetter zu sprechen! Er kann ja auch gar nichts dafür!«

»Das verstehst du nicht«, knurrte Wunderlich, der ganz ungewöhnlich erregt und deshalb wie ausgewechselt war. »Er mag nicht zur Unzeit draußen herumlaufen.«

Damit schob er Arndt einfach in die Stube hinein.

Der Detektiv ließ sich das gutmütig gefallen.

»Was hat es denn gegeben?« fragte er ruhig. »Weshalb sollte ich denn nicht ausreißen, wie Sie es nennen?«

Jetzt besann sich der Förster. Er tat einen tiefen Seufzer und setzte eine klägliche Miene auf.

»Herr Vetter«, sagte er, »wenn Sie wüßten, wie dringend wir Sie hier gebraucht haben! Meine Frau, das Bärbchen, ich, der Försterbub und der Waldhüter, überhaupt alle Leute im Forsthaus und im Dorf haben Sie gebraucht!«

»Wozu?«

»Ja, wozu! Sie werden starr sein vor Schreck wenn Sie es hören. Der Hauser-Eduard ist futsch!«

»Hm!«

»Und das Engelchen von Hofmanns ist futsch! Die beiden sind ins Gefängnis geschleppt worden. Ins Gefängnis! Ist das nicht entsetzlich?«

Der Alte war so vom Mitleid gepackt, daß er vergaß, die halblange Försterpfeife, die ihm kaum einmal ausging wieder zwischen die Zähne zu stecken. So stand er mitten im Zimmer und blickte erwartungsvoll auf Arndt.

Da sah er zu seinem Erstaunen, daß der Detektiv nicht im geringsten aus der Fassung geriet.

»Das alles weiß ich schon«, sagte Arndt, »Und ich habe in dieser Sache das Meinige bereits getan.«

»Sie haben –?«

»Ja. Ich war bei den alten Hausers und habe mir genauen Bericht erstatten lassen über den Stand der Dinge. Dabei hat es sich herausgestellt, daß es mir wohl nicht schwer werden wird, den Fall aufzuklären und die Unschuld Eduards zu beweisen. Auch das Mädchen werde ich herausbeißen können.«

»Donnerwetter!« staunte der Förster. »Das nenne ich eine rasche Tat!«

Und Frau Wunderlich nickte dazu, als wollte sie sagen: Siehst du, Alter, ich habe von Anfang an Vertrauen gehabt zu unserm Herrn Vetter!

Arndt aber lächelte.

»Sind Sie nun wieder ein wenig zufrieden mit mir, Herr Förster?«

Der Alte paffte bereits von neuem in gewaltigen Zügen vor sich hin. Er war also schon halb beruhigt und versöhnt. Aber ohne ein kleines Gebrumm ging es doch nicht ab.

»Hm«, meinte er. »Sie haben da soeben viel versprochen. Werden Sie auch alles halten können?«

»Das wird sich zeigen«, lautete der kurze Bescheid.

»Und darf man nicht Näheres erfahren? Was sagten die Hausers? Wie hat sich alles zugetragen? Einer von den Waldarbeitern brachte die schlimme Kunde mit aus dem Dorf. Gepascht haben soll der Eduard; das ist natürlich Unsinn. Und das Engelchen soll auf den Fritz Seidelmann geschossen haben. Tolle Geschichten, einfach toll!«

Jetzt endlich bequemte sich Arndts aus seiner überlegenen Zurückhaltung herauszugehn und den Förstersleuten Genaueres zu erzählen. Er beachtete dabei die größte Vorsicht und hütete sich, auch nur ein Wort zuviel zu sagen. So kam es, daß die Zuhörer am Schluß noch viele Fragen hatten, die ihnen Arndt je nach Gutdünken beantwortete oder auch nicht.

Endlich wollte der Förster noch herausbringen, wie sich der Herr Vetter nun eigentlich das Rettungswerk für Eduard und Angelika dächte. Hier aber wurde Arndt plötzlich sehr einsilbig.

»Das werden Sie morgen oder übermorgen alles erleben«, sagte er.

»Was?« Die Stirn Wunderlichs umwölkte sich wieder. »Morgen? Übermorgen? Ja, zum Kuckuck, Sie halten uns wohl zum Narren? Erst behaupten Sie so bestimmt, es würde Ihnen nicht schwer werden, die beiden herauszubeißen, und dann ...«

»... dann verspreche ich Ihnen, daß Sie die Befreiung schon in den nächsten Tagen erleben sollen. Stimmt das etwa nicht zusammen?«

»Stimmen oder nicht!« knurrte Wunderlich. »Hören will ich, wie das geschehn soll. Ich mag mich nicht auf die Folter spannen lassen.«

»Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen. Wissen Sie nicht, lieber Wunderlich, daß ein Mann zu gegebener Zeit schweigen muß wie das Grab?«

»Ah! So ist es gemeint! Genau wie der Eduard vor ein paar Stunden! Der war auch so geheimnisvoll, und dann lief er grad in die Patsche.«

»Das wird mir nicht geschehn. Das gelobe ich Ihnen. Morgen in aller Frühe fahre ich in die Kreisstadt ...«

»Fahre ich, fahre ich! Womit? Etwa mit meinem Hundeschlitten?«

»Nein, mein Lieber, vielmehr mit einem richtigen Pferdeschlitten, den Sie mir rechtzeitig beschaffen werden. Es wird wohl einer in Hohenthal aufzutreiben sein. Ich selber kann da nicht herumfragen, weil es nicht auffallen soll. Ich muß vorsichtig sein.«

»So, so! Also wird der alte Wunderlich doch gebraucht. Nun, ich werde mich an den Teichbauer wenden, ob er morgen für Sie fahren will.«

»Recht so.«

»Aber wissen darf man vorher nichts?«

»Nein. Dafür sollen Sie allerlei mit erleben – morgen und übermorgen. Einverstanden, Herr Vetter?«

Brummend legte der Förster seine Hand in die dargebotene Rechte des Detektivs. Er war besiegt und streckte die Waffen, und sein Bärbchen lächelte dazu wie zu all den kleinen Schrullen und Eigenarten ihres gestrengen Herrn Gemahls.


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