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T.

Tao.

In der Sehnsucht nach einer von christlichen Zutaten freien Mystik haben uns feine Menschen seit einigen Jahrzehnten den Taoismus angepriesen. Ellissen gibt viel früher (1840) das chinesische Wort mit Dao wieder: »Wunder wohl müssen vor Dao verschwinden.« Nirgends ist diese durchaus skeptische Mystik hübscher dargestellt, als in den »Reden und Gleichnissen des Tschuang-Tse«, die wir jetzt in der deutschen Auswahl von Buber besitzen. Ich möchte aber hier nur darauf hinweisen, daß wir wirklich trotz aller Untersuchungen doch nicht wissen, was der Meister Lao-Tse und was Tschuang-Tse unter dem Worte Tao verstanden. Es kommt schon in einem der ältesten chinesischen Bücher vor, wo es ungefähr die Verbindung von Yang und Yin bedeutet, den Kreisprozeß zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip. Doch erst im Gegensatz zu dem Moralprediger Confuzius hat sich der Taoismus zum System entwickelt. Wir werden durch Tao an die christliche Logoslehre erinnert, dann wieder an die Verneinungshymnen des Dionysius Areopagita, endlich an die Identitätsphilosophie. Buber hat (S. 100) sehr richtig gesehen, daß die abendländischen Versuche, Tao als eine Welterklärung aufzufassen, stets mit der jeweiligen Zeitphilosophie zusammenfielen; man sah in Tao die Natur, die Vernunft, sogar die Energie. Ich könnte mich versucht fühlen, in Tao eine uralte Sprachkritik zu entdecken; denn Lao-Tse sagt: »Der Name, der genannt werden kann, ist nicht der ewige Name.«

In Wahrheit wissen wir von Tao ebenso wenig wie von λογος, womit Tao gern wiedergegeben wird; wenn das Wort ursprünglich Weg bedeutet hat, so mag das ein Wandertitel für moralische Bücher gewesen sein, den wir im Orient wie im Abendlande oft finden. Was Lao-Tse und Tschuang-Tse dann in das Wort hineinlegten, war die uralte und immer noch lebendige Sehnsucht der Mystik, das Unaussprechliche mit einem Worte auszusprechen. Das Wort sagt nichts, durchaus nichts, was nicht die chinesischen Mystiker aus ihrer (genialischen oder überkommenen) Seelensituation hineingelegt, hineingeheimnist haben. Das Wort ist nicht nur für das Abendland unübersetzbar, es ist auch für China positiv nicht definierbar, höchstens negativ zu umschreiben: es ist nach Buber (S. 105) das Unerkennbare, im Werden die Ungeschiedenheit, die Ungeschiedenheit auch im Sein, in den Dingen. Wer sich im Abendlande zum Taoismus bekennt, der bekennt sich zu einem suggestiv neuen Namen für den ungenannten Gott der Stummen des Himmels.

Ich habe das Wort gebucht, weil es in seiner ganz exotischen Fremdheit noch besser als die griechischen Wörter und ihre Lehnübersetzungen lehrt: die tiefsten Ahnungen der Philosophen lassen sich nicht aussprechen, es geschähe denn in undefinierbaren Worten, deren Gefühlston für die Gläubigen jede Klarheit ersetzen muß, – wie in der Religion.


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