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Monade.

Ich führe den Begriff nur an, um kurz zu sagen, weshalb wir ihn als einen historisch gewordenen und längst veralteten, als einen scholastischen Begriff zu betrachten haben, nicht um die Monadologie von Leibniz zu kritisieren. Leibniz, der ewige Vermittler, sah sich vor die Absicht gestellt, die er für eine Aufgabe hielt, zwischen dem Kirchenglauben und dessen neuen Feinden zu vermitteln; mit seinem seltenen Scharfsinn erkannte er, daß der Kirchenglaube von den beiden extremen Weltanschauungen, die sich damals regten, gleichmäßig bedroht war: von dem wieder lebendig gewordenen Atomismus, der sich der mechanistischen Ontologie von Descartes sehr gut anpassen konnte, und von dem Pantheismus, der neuerdings als Panpsychismus sich sogar dem Atomismus genähert hat. Unsere heutigen Monisten wenigstens, die doch – eine kleine Gruppe von Halben abgerechnet, die sich noch für evangelische Christen halten, – wahrlich erklärte Kirchenfeinde sind, glauben die Weltentstehung durch beseelte Atome erklären zu können. Diese gottlose Anwendung seiner Lehre freilich hat Leibniz nicht vorausgesehen; er hat dem Kirchenglauben gefällig zu sein geglaubt durch die Aufstellung des Begriffs der Monade, die zwischen dem Atomismus und dem Pantheismus so vermittelte, daß die Anhänger des heiligen Thomas hätten zufrieden sein können. Es gab nach dieser Lehre vier Klassen von Monaden: die bewußtlose Körpermonade, die so ziemlich dem passiven Atome des Descartes entsprach; die bewußte Tiermonade, die sich freilich mit der ruchlosen Tierpsychologie des Descartes nicht vertrug; die vernünftige aber endliche Menschenmonade; zuletzt die vollkommene Monade, die monas monadum, die schon 1300 Jahre vorher dem späten Sophisten Synesios, dem Freunde der Hypatia, ein hübscher Ausdruck für den lieben Gott gewesen war. Die Erfindung von Leibniz leistete dem Kirchenglauben für einige Jahrzehnte gute Dienste, wurde dann zum alten Gerümpel der Philosophiegeschichte geworfen, die die unendliche Literatur über das Thema buchen mag. Wir brauchen nicht mehr zu fragen, wie sich Leibniz die Entwicklung oder das Verhältnis seiner vier Monadenklassen gedacht hat; wir brauchen nicht einmal auf den Widerspruch hinzuweisen, in den sich Leibniz bei einem Hauptpunkte verwickelt hat. Ich denke dabei an seinen bildlichen Ausdruck, daß die Monaden keine Fenster haben, d. h. doch wohl keine Einwirkungen von außen erfahren; und an den anderen bildlichen Ausdruck, daß alle Monaden lebendige Spiegel sind, d. h. doch wohl, daß sie Einwirkungen von außen erfahren und wiederum nach außen wirken.

Ich werde den Eindruck nicht los, daß uns und auch dem Erfinder Leibniz der volle und geheimnisvolle Klang des Wortes Monas imponiert hat, daß uns das Fremdwort suggeriert, es müßte etwas Besonderes dahinter stecken. Den Griechen war, ich habe an diese Banalität schon oft erinnern müssen, weil sie wie eine Überraschung wirkt, ihr Griechisch ihre Muttersprache, sie verstanden lange genug unter μονας nichts weiter als die Einheit, und Platon braucht das geläufige Wort, um seine Vorstellung Idee zu erläutern. Leibniz hätte kaum gewagt, der Monas so viele Kräfte und Eigenschaften aufzubürden, wenn er anstatt des Fremdwortes einfach das deutsche Wort Einheit gewählt hätte.

Es ist ja bekannt, daß Leibniz das Fremdwort übernommen hat aus Schriften von Männern, die philosophische Gegenstände noch kaum anders als in lateinischer Sprache behandeln zu dürfen glaubten. Nicolaus von Cusa hatte etwas wie die Monaden sogar schon mit verschieden gekrümmten Spiegeln verglichen, und besonders Bruno hatte schon von beseelten Monaden gesprochen. Die historische Leistung von Leibniz ist darin zu sehen, daß er die anthropomorphe Ausdehnung des Seelenbegriffs auf die übrige Natur in ein sauberes Wortsystem gebracht hat, welches die Sehnsucht der Menschen für einige Jahrzehnte befriedigte. Daß er die uralte Vorstellung eines Makranthropos durch die Annahme unzähliger Mikrokosmen dem Verständnisse scheinbar näher brachte. Hätte er das Anthropomorphe dieser Phantasie zu durchschauen vermocht, so hätte er vielleicht auch erkannt, daß selbst der Begriff, der den Monaden zugrunde lag, daß der Begriff der Einheit selbst nur ein unvorstellbarer Menschenbegriff ist (vergl. Art.  Einheit), eine Illusion wie das menschliche Ichgefühl, daß man die Rätsel der übrigen Natur noch nicht auflösen gelernt hat, wenn man zur Lösung das Rätselwort Einheit benützt. Bei dem Fremdworte Monas vergaßen die Ausarbeiter des Systems noch schneller als sein Erfinder, daß der Einheitsbegriff nur den Sinn eines Maßes für das Zählen hat, daß seine Umdeutung auf die Organismen und dann auf die angenommenen Bestandteile der Organismen und der andern Körper eine sehr kühne Metapher ist, aus welcher nur poetische Schlüsse gezogen werden können.


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