Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Zwanzigstes Kapitel.

Von der letzten Geschichte, die Asmodeus erzählte; und wie er am Ende derselben plötzlich unterbrochen wurde, und auf welche für den Dämon unangenehme Weise Don Cleophas und er getrennt wurden.

Pablos von Bahabon, Sohn eines Dorfalcalden in Altcastilien, hatte mit einem Bruder und einer Schwester das Vermögen getheilt, welches ihm sein Vater hinterlassen und das, obwohl der letztere zeitlebens ein Geizhals gewesen, doch sehr mäßig war; dann zog er gen Salamanca, um die Zahl der Schüler dieser Universität zu vermehren. Er war ein hübscher aufgeweckter Mensch und er trat damals in sein dreiundzwanzigstes Jahr.

Er besaß etwa tausend Dukaten, und da er besten Willens schien, sie in kurzer Zeit zu verzehren, machte er bald in der Stadt von sich reden. Alle jungen Leute bewarben sich wetteifernd um seine Freundschaft, und drängten sich zu den Lustpartien, die Don Pablos täglich veranstaltete. Ich sage Don Pablos, denn er hatte diesen Titel angenommen, um sich auch mit adligen Studenten einen vertraulichen Umgang zu ermöglichen. Er liebte das Vergnügen und gute Mahlzeiten so sehr, und schonte seine Börse so wenig, daß nach Verlauf von fünf Vierteljahren bereits das Geld ihm ausging. Desungeachtet lebte er noch eine Zeitlang in derselben Weise fort, theils von dem Credit, den man ihm schenkte, theils von den kleinen Summen, die er erborgte, doch konnte ihm dies auf die Dauer nicht nützen, und er fand bald jede Hülfsquelle versiegt.

Sobald seine Freunde sahen, daß er ruinirt war, verließen sie ihn, seine Gläubiger hingegen fingen an, ihn zu quälen. Obgleich er diesen nun die Versicherung gab, daß er in nächster Frist Wechsel von Hause erhalten werde, wollten sich doch einige von ihnen nicht gedulden, und reichten ihre Klagen gegen ihn bei Gericht ein. Sie waren schon im Begriff, ihn gefänglich einziehen zu lassen, als er auf einem Spaziergange an den Ufern des Flusses Tormes einem seiner Bekannten begegnete, der ihm sagte: Senhor Don Pablos, nehmt Euch in Acht. Ihr müßt wissen, daß ein Alguazil und mehrere Häscher Euch auf den Fersen sind, sie wollen Euch verhaften, sobald Ihr wieder in die Stadt kommt.

Bahabon erschrak über diese Nachricht, die ihm in Anbetracht seiner zerrütteten Verhältnisse nur zu glaubwürdig schien; er ergriff sofort die Flucht, und schlug zunächst den Weg nach Borita ein. Bald aber verließ er die Straße, die zu diesem Oertchen führte, um ein Gehölz, welches er seitwärts erblickte, zu gewinnen. Er ging tief hinein, und beschloß, sich dort so lange verborgen zu halten, bis er, vom Dunkel der Nacht begünstigt, in größerer Sicherheit seinen Weg fortsetzen könne. Es war in der Jahreszeit, wo die Bäume in ihrer ganzen Blätterfülle prangen, er wählte den belaubtesten von allen aus, stieg hinauf und setzte sich auf einen Ast, der ihn mit seinen grünen Zweigen völlig einhüllte.

Da er sich hier in Sicherheit glaubte, verlor er nach und nach die Angst vor dem Alguazil, und da die Menschen gewöhnlich die schönsten Betrachtungen von der Welt anstellen, wenn der Fehler bereits begangen ist, so machte sich jetzt auch Don Pablos seiner schlechten Aufführung wegen ernste Vorstellungen, und gelobte sich heilig und theuer, daß, wenn er je wieder zu Geld kommen sollte, er einen bessern Gebrauch davon machen wolle. Er schwur insbesondere stets vor falschen Freunden auf der Hut zu sein, die einen jungen Mann zu einem ausschweifenden Leben verleiten, und deren Freundschaft mit dem Dunste des Weines verfliegt.

Während er sich so den verschiedenen Gedanken überließ, die sich ihm einer nach dem andern aufdrängten, brach die Nacht herein. Er machte sich nun aus den ihn verbergenden Zweigen los, und war eben im Begriff, hinabzusteigen, als er bei dem blassen Scheine des aufgehenden Mondes die Gestalt eines Menschen wahrzunehmen glaubte. Dieser Anblick erregte seine Furcht aufs neue; er bildete sich ein, dies könne nur der Alguazil sein, der ihm auf der Spur sei, und ihn nun in diesem Gehölze suche, und sein Schrecken verdoppelte sich, als er sah, daß diese Gestalt sich am Fuße des Baumes, auf welchem er sich befand, niederließ, nachdem sie zwei- bis dreimal um denselben herumgegangen war.

Der hinkende Teufel hielt hier in seiner Erzählung inne. Senhor Zambullo, sagte er zu Don Cleophas, erlaubt, daß ich mich ein wenig an der Spannung weide, in die ich Euch eben versetzt habe. Ihr seid sehr begierig zu erfahren, wer der Unbekannte war, der sich hier zu so ungelegener Zeit einstellte, und was ihn herführte. Das werde ich Euch nun gleich erzählen, denn ich will eure Geduld nicht länger auf die Probe stellen.

Nachdem dieser Mann sich am Fuße des Baumes niedergesetzt hatte, dessen dichtes Laubwerk Don Pablos seinen Blicken entzog, ruhte er einige Augenblicke aus. Dann begann er mit einem Dolch die Erde auszugraben, machte ein tiefes Loch, in welches er einen Beutel von Büffeleder vergrub, warf darauf das Loch wieder zu, bedeckte es vorsichtig mit Rasen, und entfernte sich wieder. Bahabon, der Alles mit der gespanntesten Aufmerksamkeit beobachtet hatte, und dessen Besorgnisse sich nun in die größte Freude verwandelten, wartete nur bis der Mann verschwunden war, um von seinem Baume herabzusteigen, und den Beutel wieder auszugraben, der, wie er nicht zweifelte, Gold oder Silber enthielt. Er bediente sich zu diesem Zwecke seines Taschenmessers, und wenn er eben keines bei sich gehabt hätte, so würde er in dem großen Eifer, den er für diese Arbeit fühlte, mit seinen Händen wohl gar die Eingeweide der Erde aufgewühlt haben.

Als er endlich im Besitz des Beutels war, befühlte er dessen Inhalt, und da er sich überzeugte, daß harte Münze darin sei, eilte er mit seiner Beute das Gehölz zu verlassen; er fürchtete jetzt viel weniger, dem Alguazil zu begegnen als dem Manne, dem der Beutel gehörte. In seinem Freudenrausch über diesen glücklichen Fund ging unser Student die ganze Nacht, ohne einen bestimmten Weg zu verfolgen, weiter und weiter, und die schwere Last, die er trug, verursachte ihm weder Unbequemlichkeit noch Müdigkeit. Aber mit dem anbrechenden Tage machte er unter den Bäumen in der Nähe des Dorfes Molorido Halt, doch weniger weil er des Ausruhens bedurfte, als um endlich seine Neugierde zu befriedigen und zu sehen, was sein Beutel enthalte. Er band ihn also los in jener zitternden Aufregung, in der wir uns befinden, wenn uns eine große Freude zu Theil wird. Er fand schöne Doppelpistolen darin, und zählte deren zu seiner angenehmsten Ueberraschung nicht weniger als zweihundertundfünfzig.

Nachdem er sie mit Wollust betrachtet hatte, fragte er sich ernstlich, was er damit anfangen solle, und als er einen Entschluß gefaßt hatte, steckte er die Goldstücke in seine Taschen, warf den ledernen Beutel fort, und machte sich auf den Weg nach Molorido. Hier ließ er sich ein Gasthaus anweisen, und während man ihm ein Frühstück zubereitete, miethete er sich ein Maulthier, auf dem er noch selbigen Tages nach Salamanca zurückritt.

Aus der Ueberraschung, welche man dort bei seiner Rückkehr verrieth, konnte er deutlich schließen, daß man den Grund seines plötzlichen Verschwindens sehr wohl kenne; er hatte jedoch ein Märchen in Bereitschaft. Er sagte, er habe sich in Geldverlegenheit befunden, und da man ihm keines von Hause geschickt, trotzdem er zwanzigmal darum geschrieben habe, sei er endlich, des Wartens müde, selbst hingereist. Gestern Abend aber, bei seiner Ankunft in Molorido, sei ihm sein Pächter, der ihm Geld habe bringen wollen, begegnet, und so befinde er sich jetzt in der Lage, alle diejenigen eines Bessern zu belehren, die ihn für ruinirt gehalten hätten. Er fügte hinzu, daß er nun seinen Gläubigern zeigen wolle, wie unrecht es von ihnen gewesen sei, rücksichtslos einen ehrlichen Mann zu drängen, der sie längst zufrieden gestellt haben würde, wenn seine Pächter ihm seine Einkünfte pünktlicher zugeschickt hätten.

Tags darauf ließ er wirklich alle seine Gläubiger zu sich kommen, und bezahlte seine Schulden bis auf den letzten Heller. Kaum hatten seine alten Freunde, die ihn in seinem Elend verlassen, erfahren, daß er wieder bei Gelde sei, so stellten sie sich sofort wieder bei ihm ein, und fingen an, ihm zu schmeicheln, in der Hoffnung, sich von neuem auf seine Kosten gütlich thun zu können. Doch jetzt war die Reihe an ihm, sie abzuweisen. Treu dem Schwure, den er in jenem Gehölze geleistet hatte, fertigte er sie mit ernsten Worten ab. Statt seine frühere Lebensweise wieder zu beginnen, dachte er jetzt nur an seine Ausbildung als Jurist, und das Studium wurde seine einzige Beschäftigung.

Uebrigens, werdet Ihr mir sagen, verbrauchte er doch immerhin Geld, welches ihm nicht gehörte. Das ist ganz richtig, er that, was die Mehrzahl der Menschen in gleichem Falle heute thun würden. Er hatte jedoch die beste Absicht, es wieder zu erstatten, wenn er den rechtmäßigen Eigenthümer eines Tages zufällig entdecken sollte, und von diesem Gedanken beruhigt, verzehrte er das Geld ohne Bedenken und wartete geduldig auf diese Entdeckung, welche er ein Jahr darauf wirklich machte.

Es verbreitete sich in Salamanca das Gerücht, daß ein Bürger dieser Stadt, Namens Ambrosio Piquillo, einen Beutel mit Goldstücken in einem Gehölz vergraben habe, und daß er jetzt, wo er hingegangen sei, denselben wieder abzuholen, das Loch leer gefunden habe, und daß dieses Unglück den armen Mann an den Bettelstab bringe.

Ich muß Bahabon zum Lobe nachsagen, daß er gegen die geheimen Vorwürfe, welche ihm sein Gewissen bei dieser Nachricht machte, nicht taub blieb. Er erkundigte sich nach Ambrosios Wohnung und suchte ihn in seinem ärmlichen Stübchen auf, dessen ganze Einrichtung aus einem Stuhle und einer Matratze bestand. Mein Freund, sagte er in salbungsvollem Tone zu ihm, das Gerücht von dem Euch widerfahrenen Unglück ist auch zu mir gedrungen, und da die christliche Liebe uns die Pflicht auferlegt, dem Nebenmenschen nach Kräften beizustehen, so komme ich, Euch eine kleine Unterstützung anzubieten. Ich möchte jedoch die traurige Begebenheit von Euch selbst erfahren. Senhor Caballero, antwortete Piquillo, ich will sie Euch kurz erzählen. Ich hatte einen Sohn, der mich bestahl; ich bemerkte es, und da ich fürchtete, er mochte sich auch an einen büffelledernen Beutel, worin ich zweihundert und fünfzig Doppelpistolen hatte, vergreifen, glaubte ich nichts Besseres thun zu können, als sie in jenem Gehölze zu vergraben, welches ich auch unvorsichtigerweise ausführte. Seit jenem unseligen Tage hat mir mein Sohn Alles, was ich besaß, genommen, und ist mit einem Frauenzimmer, welches er entführte, verschwunden. Als ich mich nun in der kläglichen Lage sah, in die mich die Schlechtigkeit dieses ungerathenen Sohnes oder vielmehr meine einfältige Gutmüthigkeit gegen ihn versetzt hat, wollte ich zu meinem büffelledernen Beutel meine Zuflucht nehmen, doch ach! diese einzige Hilfsquelle, die mir, um zu leben, geblieben war, ist mir von grausamer Hand geraubt worden. Der arme Mann fühlte bei diesen Worten, wie seine Betrübniß sich erneuerte, und brach in einen Strom von Thränen aus. Don Pablos wurde gerührt und sagte ihm: Mein lieber Ambrosio, wir müssen uns über alles Ungemach dieses Lebens zu trösten wissen. Eure Thränen sind vergeblich, sie bringen Euch eure Goldstücke nicht zurück, und wenn irgend ein Spitzbube sie gefunden haben sollte, so sind sie Euch wirklich für immer verloren. Aber, wer weiß? vielleicht sind sie in die Hände eines ehrlichen Mannes gefallen, der sie Euch wiedergiebt, sobald er erfährt, daß sie Euch gehören. Hofft also, daß sie Euch eines Tages redlich wieder erstattet werden. Einstweilen, setzte er hinzu, indem er ihm zehn von denselben Doublonen, die er in dem büffelledernen Beutel gefunden, einhändigte, nehmt dieses Geld, und kommt in acht Tagen zu mir. Dann nannte er ihm seinen Namen und seine Wohnung, und entfernte sich ganz verlegen ob all der Danksagungen und Segenswünsche von Seiten Ambrosios. So verhält es sich mit den meisten großmüthigen Handlungen, man würde sie wahrlich nicht bewundern, wenn man ihre Beweggründe durchschaute.

Nach Verlauf von acht Tagen begab sich Ambrosio, der die Aufforderung Don Pablos nicht vergessen hatte, zu diesem. Bahabon empfing ihn mit großer Freundlichkeit, und sagte ihm in gütigem Tone: Mein Freund, nach all dem Rühmlichen, welches mir über Euch mitgetheilt worden ist, bin ich entschlossen, so viel als es mir möglich ist, dazu beizutragen, Euch wieder auf einen grünen Zweig zu bringen. Ich werde meinen Einfluß und meine Börse dabei zu Hülfe nehmen. Wißt Ihr, was ich bereits gethan habe, um mit der Verbesserung eurer Lage den Anfang zu machen? Ich kenne mehrere vornehme Personen, die sehr wohlthätig sind. Ich habe sie aufgesucht und ihnen so viel Mitleid für Euch einzuflößen gewußt, daß sie sich zu einer Gabe von zweihundert Thalern herbei gelassen haben, die ich Euch gleich übergeben werde. Hierauf ging er in ein Nebenzimmer, und kehrte bald mit einem leinenen Beutel zurück, in den er diese Summe in Silbergeld gezählt hatte, nicht in Doublonen, da er fürchtete, der gute Mann möchte Verdacht schöpfen, wenn er so viele Doppelpistolen von ihm empfange. Don Pablos erreichte durch diese Vorsicht auch sichrer seinen Zweck, nämlich das Geld in einer Weise wiederzuerstatten, daß sein Gewissen beruhigt wurde, ohne daß sein guter Leumund in Gefahr kam.

So war denn Ambrosio weit entfernt zu argwöhnen, daß diese Thaler wiedererstattetes Geld sein könnten. Er nahm sie in dem guten Glauben, daß sie das Ergebniß einer zu seinen Gunsten veranstalteten Collecte seien, und nach wiederholten Danksagungen kehrte er zu seinem ärmlichen Stübchen zurück, und segnete das Geschick, einen Cavalier gefunden zu haben, der so lebhaften Antheil an ihm nehme.

Am folgenden Tage begegnete ihm auf der Straße einer seiner Freunde, der sich in ebenso dürftigen Umständen befand, als er. Dieser sagte zu ihm: Ich reise in zwei Tagen von hier nach Cadix ab, wo ein Schiff nach Neuspanien segelfertig liegt. Ich bin hier im Lande nicht mehr mit meiner Lage zufrieden, und mir ahnt, daß ich in Mexico glücklicher sein werde. Ich würde Euch rathen, mich zu begleiten, wenn Ihr nur über hundert Thaler Herr wäret.

Ich kann sogar über zweihundert verfügen, antwortete Piquillo, und ich würde diese Reise ohne Zögern antreten, wenn ich sicher wäre, in Indien mir meinen Unterhalt erwerben zu können. Hierauf pries ihm sein Freund die Fruchtbarkeit Neuspaniens und stellte ihm so viele Mittel und Wege, dort reich zu werden, in Aussicht, daß er sich überreden ließ, und nur noch an die Vorbereitungen zur Reise nach Cadix dachte. Ehe er jedoch Salamanca verließ, schrieb er einen Brief an Bahabon, in welchem er ihm anzeigte, daß sich ihm eine günstige Gelegenheit nach Indien zu reisen darbiete, und daß er sie benutzen wolle in der Hoffnung, daß ihm das Glück in der Ferne gewogener sein möchte, als in seiner Heimath; er nehme sich die Freiheit, ihn hiervon zu unterrichten, und versichere ihn, daß die Erinnerung an seine Güte nie in seinem Gedächtnisse verlöschen werde.

Die Abreise Ambrosios verursachte Don Pablos einigen Kummer, denn sie vereitelte sein Vorhaben, sich nach und nach seiner Schuld gegen ihn zu entledigen; doch der Gedanke, daß er nach etlichen Jahren vielleicht zurückkommen werde, tröstete ihn allmählich, und er warf sich eifriger als je auf das Studium des bürgerlichen und kanonischen Rechts. Er machte darin vermöge seines Fleißes und seiner großen Geistesgaben so erstaunliche Fortschritte, daß er sich vor allen Andern an der Universität auszeichnete, und endlich sogar zum RectorAuf einigen der ältesten Universitäten wurden die Rectoren aus der Zahl der Schüler erwählt derselben erwählt wurde. Er beschränkte sich nicht darauf, diese Würde durch tiefe Gelehrsamkeit zu behaupten, sein Streben war auch darauf gerichtet, sich alle Tugenden eines edlen Mannes anzueignen.

Während seines Rectorats erfuhr er, daß sich in Salamanca ein junger Mensch im Gefängnisse befinde, der des Weiberraubes angeklagt sei und sein Todesurtheil zu gewärtigen habe. Er erinnerte sich nun, daß der Sohn Piquillos ein Frauenzimmer entführt habe, und erkundigte sich deswegen nach dem Gefangenen. Als er hörte, daß es Ambrosios Sohn sei, übernahm er dessen Vertheidigung. Die Rechtswissenschaft hat das Bewunderungswürdige, daß sie Waffen sowohl für eine Sache als gegen dieselbe liefert, und da unser Rector sie aus dem Grunde verstand, so bediente er sich ihrer zum Vortheil des Angeklagten; freilich nahm er auch den Einfluß seiner Freunde in Anspruch, und ließ es nicht an Empfehlungen bei den Richtern fehlen, welches mehr bewirkte als alles Andere.

Der Schuldige ging also aus diesem Rechtshandel weißer als der Schnee hervor. Er begab sich zu seinem Befreier, um ihm seinen Dank auszudrücken. Dieser sagte ihm: Ich habe Euch diesen Dienst aus Rücksicht gegen euren Vater erwiesen. Ich liebe ihn und um Euch einen neuen Beweis davon zu geben, will ich für euer Fortkommen sorgen, falls Ihr hier in der Stadt bleiben und das Leben eines rechtschaffenen Mannes führen wollt. Wenn Ihr aber vorzieht, eurem Vater nach Indien zu folgen, so dürft Ihr auf fünfzig Pistolen rechnen, die ich Euch schenken werde. Der junge Piquillo antwortete: Da ich so glücklich bin, in Ew. Magnificenz einen Beschützer gefunden zu haben, so würde es thöricht von mir sein, wollte ich mich von einem Orte entfernen, wo ich eines so großen Vortheils genieße. Ich will daher in Salamanca bleiben, und verspreche Euch, daß Ihr mit meiner Aufführung von nun an zufrieden sein sollt. Auf diese Versicherung drückte ihm der Rector einige zwanzig Pistolen in die Hand, indem er sagte: Nun wohl, mein Freund, widmet Euch irgend einem ehrlichen Gewerbe, wendet eure Zeit gut an, und seid überzeugt, daß ich Euch meine Theilnahme nicht entziehen werde.

Zwei Monate nach dieser Begebenheit kam der junge Piquillo, welcher von Zeit zu Zeit Don Pablos seine Aufwartung machte, bitterlich weinend zu ihm. Was fehlt Euch? fragte Bahabon. Senhor, erwiederte er, ich habe eben eine Nachricht erhalten, die mir das Herz zerreißt. Mein Vater ist von algierischen Seeräubern gefangen genommen worden und liegt in Ketten. Ein alter Mann von Salamanca, der nach zehnjähriger Gefangenschaft von den Mönchen von der Barmherzigkeit losgekauft und aus Algier zurückgekommen ist, hat mir gesagt, daß er meinen Vater in der Sklaverei verlassen habe. Ach, fuhr er fort, indem er sich die Brust zerschlug und das Haar ausraufte, ach, ich elender Mensch, ich bin es, der meinen Vater gezwungen hat, sein Geld zu verstecken und sein Vaterland zu verlassen. Ich habe ihn in die Hände der Barbaren geliefert, die ihn in Fesseln geschlagen haben! Ach, Senhor Don Pablos, warum habt Ihr mich aus den Händen der Justiz gerettet? Da Ihr meinem Vater zugethan waret, hättet Ihr als sein Rächer mich mit dem Tode das Verbrechen sühnen lassen sollen, wodurch ich die Ursache seines ganzen Unglücks geworden bin.

Der Rector wurde gerührt bei dem Schmerze des jungen Piquillo, der ihm zeigte, daß er einen reumüthigen Sünder vor sich habe. Mein Sohn, sagte er zu ihm, ich sehe mit Vergnügen, daß Ihr eure begangenen Fehler bereut; trocknet eure Thränen. Nun ich weiß, was aus eurem Vater geworden ist, kann ich Euch die Zusicherung geben, daß Ihr ihn bald wiedersehen werdet. Seine Befreiung hängt nur von einem Lösegelde ab, das ich zu zahlen übernehme, und was er auch immerhin während seiner Sklaverei gelitten haben mag, so bin ich doch überzeugt, daß er sich nicht über sein böses Geschick beklagen wird, wenn er bei seiner Heimkehr einen braven und zärtlichen Sohn findet.

Don Pablos entließ den Sohn Ambrosios durch dieses Versprechen völlig getröstet, und reiste selbst einige Tage später nach Madrid, wo er den Ordensbrüdern von der Barmherzigkeit eine Börse mit hundert Pistolen einhändigte, nebst einem Schreiben folgenden Inhalts: »Diese Summe wird den Redemptoristen übergeben zur Loskaufung eines armen Bürgers von Salamanca, Namens Ambrosio Piquillo, der in Algier gefangen ist.« Die guten Mönche haben nicht verfehlt, den Willen des Rectors auszuführen, sie haben Ambrosio losgekauft, und er ist eben jener Sklave, dessen ruhige Haltung wir bewundert haben.

Es scheint mir aber, sagte Don Cleophas, daß Bahabon diesem Bürger von Salamanca nichts mehr verschuldet. – Don Pablos, antwortete Asmodeus, denkt darüber anders. Er will nicht allein das Kapital, sondern auch die Zinsen ersetzen; seine Gewissenhaftigkeit geht so weit, daß er Bedenken trägt, das Vermögen, welches er als Rector erworben hat, als sein Eigenthum zu betrachten. Er hat die Absicht, dem alten Piquillo, wenn er ihn wiedersieht, zu sagen: Ambrosio, mein Freund, Ihr dürft mich nicht länger als euren Wohlthäter ansehen, ich bin jener Schurke, der das Geld, welches Ihr im Gehölze verstecktet, wieder ausgegraben hat. Es ist nicht genug, daß ich Euch eure zweihundertundfünfzig Doublonen wieder erstatte; da ich mich ihrer bedient habe, um zu der Stellung zu gelangen, die ich jetzt in der Welt einnehme, so gehört Euch Alles, was ich besitze. Ich will nur so viel davon behalten, als Euch gefällt, mir . . . . . . Hier verstummte der hinkende Teufel plötzlich, es ergriff ihn ein Schauder, und er wechselte die Farbe.

Was ist Euch? fragte der Student betroffen. In welche ungewöhnliche Aufregung gerathet Ihr plötzlich, was benimmt Euch die Sprache? – Ach, Senhor Leandro, rief der Dämon mit zitternder Stimme, welch ein Unglück für mich! Der Zauberer, der mich in einer Flasche eingesperrt hielt, hat eben bemerkt, daß ich nicht mehr in seinem Laboratorium bin; er wird mich nun durch so kräftige Beschwörungen zurückrufen, daß ich nicht widerstehen kann. – Das beklage ich außerordentlich, rief Don Cleophas in tiefer Betrübniß, das ist ein harter Schlag für mich! Ach, wir werden uns auf ewig trennen müssen. – Das glaube ich nicht, erwiederte Asmodeus. Der Zauberer bedarf wahrscheinlich meiner Hülfe, und wenn ich so glücklich bin, ihm einen Dienst leisten zu können, schenkt er mir vielleicht zum Dank die Freiheit wieder. Sollte dies der Fall sein, wie ich hoffe, so rechnet darauf, daß ich mich Euch bald wieder zugesellen werde, doch nur unter der Bedingung, daß Ihr keinem Menschen verrathet, was in dieser Nacht unter uns vorgegangen ist, denn wenn Ihr die Unvorsichtigkeit beginget, mit irgend Jemanden davon zu sprechen, so wißt, daß Ihr mich niemals wiedersehen würdet.

Was mich bei unsrer Trennung halbwegs tröstet, fuhr er fort, ist das Bewußtsein, daß ich wenigstens euer Glück begründet habe. Ihr werdet die schöne Seraphine, die ich in Euch sterblich verliebt gemacht habe, heirathen. Don Pedro, ihr Vater, hat die Absicht, sie Euch zur Frau zu geben, laßt Euch eine so gute Partie nicht entgehen. Aber, o Jammer! Ich höre bereits die Stimme des Zauberers, der mich beschwört; die ganze Hölle entsetzt sich bei den schrecklichen Formeln, die dieser furchtbare Cabalist ausspricht. Ich kann nicht länger bei Euch bleiben. Auf Wiedersehen, lieber Zambullo. Bei diesen Worten versetzte er Don Cleophas in seine Wohnung, umarmte ihn und verschwand.



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