Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Zehntes Kapitel.

Dessen Stoff unerschöpflich ist.

Blicken wir nach der Stadtseite hin, und so wie ich Subjekte entdecke, die würdig sind, unter die Zahl derer, welche sich hier befinden, aufgenommen zu werden, will ich Euch ihre Eigentümlichkeiten schildern. Einen seh ich schon, den ich nicht entschlüpfen lassen werde; es ist ein Neuvermählter. Es sind noch nicht acht Tage, daß er voll Wuth zu einer Abenteuerin, die er liebte, stürzte, weil man ihm von ihren Koketterien erzählt hatte, einen Theil ihrer Möbeln zerschlug und den andern durchs Fenster schleuderte – und den Tag darauf heirathete er sie. – Ein solcher Mensch, sagte Zambullo, verdient sicherlich den ersten offenen Platz in diesem Hause!

Er hat einen Nachbar, fuhr der Hinkende fort, den ich gescheuter finde als ihn. Es ist ein Mensch von fünf und vierzig Jahren, der zu leben hat und sich in den Dienst eines Großen begeben will. Ich sehe die Wittwe eines Rechtsgelehrten; die gute Dame hat zwölf volle Lustra hinter sich; ihr Mann ist eben gestorben; sie will sich in ein Kloster zurückziehen, damit, sagt sie, ihr Ruf vor der Verleumdung geborgen sei!

Ich nehme auch zwei Jungfrauen wahr, oder genauer gesagt, zwei Mädchen von fünfzig Jahren; sie richten Gelübde an den Himmel, auf daß er die Güte habe, ihren Vater abzurufen, der sie eingesperrt hält wie Minderjährige; sie hoffen, daß sie nach seinem Tode hübsche Männer, die aus Neigung sie heirathen werden, finden. – Warum nicht? sagte der Student; es giebt Männer von so verrücktem Geschmack. – Einverstanden, antwortete Asmodeus; sie können Männer finden, die sie heirathen, aber schmeicheln dürfen sie sich nicht damit; darin liegt eben ihre Thorheit.

Es giebt kein Land, wo die Frauen sich Rechenschaft über ihr Alter ablegen. In Paris gingen vor einigen Wochen eine Unverheirathete von acht und vierzig Jahren und eine Frau von neun und sechszig als Zeuginnen für eine Wittwe, deren Tugend man angriff, zu einem Commissär. Der Commissär vernahm zuerst die Frau und fragte sie nach ihrem Alter; obwohl sie ihren Taufschein auf der Stirn geschrieben trug, war sie kühn genug zu sagen, daß sie vierzig Jahre alt sei. Nachdem er ihre Aussage erhalten, wandte sich der Beamte an das Mädchen. Und Ihr, Mademoiselle, welches Alter habt Ihr? fragte er. Gehen wir zu den anderen Fragen über, Herr Commissär, antwortete sie ihm. Man muß uns nicht solche Fragen stellen! Daran ist nicht zu denken, entgegnete er; wißt Ihr nicht, daß vor Gericht . . . O, das Gericht thut hier nichts zur Sache, fiel ihm heftig die Dame ins Wort; und was geht es das Gericht an, welches Alter ich habe? hat es sich darum zu kümmern? – Aber ich kann eure Aussage nicht aufnehmen, wenn euer Alter nicht dabei angegeben wird; es ist nun einmal erforderlich! – Wenn es denn durchaus nothwendig ist, versetzte sie, so seht mich aufmerksam an, und bestimmt mein Alter gewissenhaft nach eurer Meinung.

Der Commissär blickte sie an, und war höflich genug, nur acht und zwanzig Jahre zu schreiben. Dann fragte er sie, ob sie die Wittwe seit langer Zeit kenne. – Schon vor ihrer Heirath, antwortete sie. Dann habe ich euer Alter verkehrt aufgeschrieben, erwiederte er, denn ich habe nur acht und zwanzig Jahre angenommen und die Heirath der Wittwe fand vor neun und zwanzig Statt. Wohl denn, rief die Dame, schreibt nur, daß ich dreißig bin; mit einem Jahre habe ich die Wittwe kennen können. Das wäre aber nicht regelrecht, antwortete er; setzen wir ein Dutzend Jahre zu. Nicht doch, bitte, sagte sie. Alles, was ich der Justiz zu gefallen thun kann, ist, noch ein Jahr zuzugeben, aber keinen Monat mehr und wenn es sich um meine Ehre handelte! –

Als die zwei Zeuginnen gegangen waren, sagte die Frau zu der andern: Sieh nur Einer diesen Schlingel an, der uns dumm genug glaubt, genau unser Alter anzugeben; es ist wahrhaftig genug, daß es im Taufregister unsrer Pfarre steht, ohne daß er es noch in seine Papiere zu schreiben braucht, bis alle Welt es kennt. Es wäre wahrhaftig sehr angenehm für uns, in voller Sitzung vorlesen zu hören: Madame Richard, alt sechszig und so viel Jahre, und Mademoiselle Perinelle, fünf und vierzig Jahre, bezeugen das und das. Was mich angeht, ich danke dafür, ich habe gut zwanzig Jahre abgestrichen. Ihr habt sehr wohl gethan, es auch so zu machen.

Es auch so zu machen? antwortete die andre eifrig – ich bitte es mir aus, ich habe höchstens fünf und dreißig Jahre. Oho, meine Kleine, versetzte die Frau mit boshaftem Lächeln, wem sagt Ihr das! Ich habe Euch auf die Welt kommen sehen; ich kann von Dingen, die vor langer Zeit geschahen, mitreden; ich erinnere mich, euren Vater gesehen zu haben; als er starb, war er nicht jung mehr, und es sind fast vierzig Jahre, daß er todt ist. O mein Vater, mein Vater – unterbrach die Dame heftig, von der Freimüthigkeit der Frau gereizt – als mein Vater meine Mutter heirathete, war er schon so alt, daß er keine Kinder mehr erzeugen konnte! – – – –

Ich sehe in einem Hause, fuhr der Dämon fort, zwei Männer, die auch nicht eben Verstand beweisen; der eine ist der Sohn vornehmer Leute, der weder Geld bewahren, noch es entbehren kann; er hat ein gutes Mittel entdeckt, immer welches zu haben. Wenn er seine Kasse gefüllt hat, kauft er Bücher, und sobald Ebbe darin eintritt, verkauft er sie wieder für die Hälfte dessen, was sie ihn kosteten. Der andre ist ein fremder Maler, der Frauenbildnisse anfertigt; er ist geschickt und zeichnet richtig; er malt vortrefflich und faßt ebenso die Aehnlichkeit auf. Aber er schmeichelt nicht; und er bildet sich ein, daß man sich zu ihm drängen wird. Inter stultos referatur.

Wie, rief der Student, Ihr sprecht Latein? – Kann Euch das in Erstaunen sehen, antwortete der Teufel; ich spreche vortrefflich alle Arten von Sprachen; ich verstehe Hebräisch, Türkisch, Arabisch und Griechisch; aber ich bin deshalb nicht stolzer und nicht ein um so größerer Pedant – das ist der Vorzug, den ich vor euren Gelehrten habe!

Blickt in dem großen Hotel zur linken Hand auf die kranke Dame, welche mehrere Frauen, die bei ihr wachen, umgeben; es ist die Wittwe eines berühmten Architekten, eine Frau, die den Adelssparren im Kopfe hat. Eben ist ihr Testament gemacht; sie hat ungeheure Besitzungen, die sie Personen vom höchsten Range, welche sie nicht einmal kennen, vermachte; sie schenkt ihnen Legate um ihrer großen Namen willen. Man hat sie gefragt, ob sie nichts einem Manne hinterlassen wolle, der ihr wesentliche Dienste leistete. Ach nein, hat sie mit trauriger Miene geantwortet, es thut mir leid, ich bin nicht so undankbar, um nicht einzuräumen, daß ich große Verpflichtungen gegen ihn habe; aber er ist ein Bürgerlicher, sein Name würde mein Testament entehren. –

Senhor Asmodeus, unterbrach ihn Leandro hier, thut mir den Gefallen, mir zu sagen, ob der Greis, den ich in einem Cabinet mit Lesen beschäftigt sehe, nicht zufällig der richtige Mann für unser Haus hier sein sollte? – Der richtige Mann ohne Zweifel, versetzte der Dämon; es ist ein alter Licentiat, der einen Druckbogen von einem Werke, das er unter der Presse hat, liest. – Wahrscheinlich ein Buch über Moral oder Theologie? sagte Don Cleophas. – Nein, versetzte der Hinkende; es sind lustige Lieder, die er in seiner Jugend verfertigt hat; statt sie zu verbrennen oder wenigstens mit sich untergehn zu lassen, läßt er sie bei seinen Lebzeiten drucken, aus Furcht, daß seine Erben nach seinem Tode sich versucht fühlen, sie herauszugeben und aus Ehrfurcht vor seinem Andenken alles Pikante und das eigentliche Salz daraus fortnehmen!

Ich hätte Unrecht, wenn ich eine kleine Frau überginge, die bei diesem Licentiaten wohnt; sie ist so überzeugt, daß sie den Männern gefällt, daß sie alle, welche nur mit ihr reden, auf die Liste ihrer Anbeter setzt.

Aber kommen wir zu einem reichen Kanonikus, zwei Schritte von da; er hat einen besondren Sparren; er lebt frugal, nicht um sich abzutödten, noch aus Nüchternheit; er hält sich keinen Wagen und keine Pferde, aber nicht aus Geiz. Und weshalb spart er sein Einkommen? Um Geld zusammen zu häufen. Was beabsichtigt er damit? Almosen zu geben? Nein, er kauft Gemälde, kostbare Möbel, Kleinode. Und Ihr glaubt, in der Absicht, während seines Lebens den Genuß davon zu haben? Ihr täuscht Euch; er will nur damit sein Inventarium schmücken.

Was Ihr da sagt, ist doch übertrieben, unterbrach ihn Zambullo. Giebt es auf der Welt einen Menschen von einem solchen Charakter? – Ja, sag ich Euch, versetzte der Teufel; er hat diese Manie; es macht ihm Vergnügen, zu denken, daß man sein Inventar bewundern wird. Hat er z. B. einen schönen Schreibschrank gekauft, läßt er ihn sauber einpacken, und in eine Möbelkammer bringen, damit er den Augen der Althändler ganz neu erscheine, wenn sie nach seinem Tode zur Auktion kommen.

Gehen wir zu einem seiner Nachbarn über, den Ihr nicht weniger unklug finden werdet; es ist ein alter Junggeselle, der seit Kurzem von den Philippinischen Inseln nach Madrid gekommen ist – zu einer reichen Erbschaft, welche sein Vater, ein Auditor am Audienzhofe zu Madrid, ihm hinterlassen hat. Das Leben, das er führt, ist sonderbar genug; man sieht ihn den ganzen Tag in den Vorzimmern des Königs und der Minister. Haltet ihn nicht für einen Ehrgeizigen, der irgend eine bedeutende Stelle erjagen will; er verlangt keine und begehrt nichts. Wie, werdet Ihr sagen, er sollte ganz einfach dahin gehen, um nur den Hof zu machen? Noch weniger; er spricht nie mit dem Minister; dieser kennt ihn nicht einmal und das rührt ihn nicht im mindesten. Aber was bezweckt er denn? Er will glauben machen, er stehe in Credit!

Der spaßhafte Sonderling! rief der Student laut lachend aus; das heißt sich für geringen Lohn große Mühe machen; Ihr habt Recht, ihn unter die Narren, die man einsperren sollte, zu zählen. – O, fuhr Asmodeus fort, ich will Euch noch viele andre zeigen, die man mit Unrecht für viel gescheuter hielte. Betrachtet Euch in dem großen Hause dort, wo Ihr so viel Lichter angezündet seht, drei Männer und zwei Frauen um einen Tisch sitzen; sie haben zusammen zu Abend gespeist und spielen jetzt Karten, um den Rest der Nacht hinzubringen, und sich dann zu trennen. Das ist das Leben, welches diese Damen und Herren führen; sie versammeln sich regelmäßig alle Abend und gehen auseinander bei Tagesanbruch, um zu schlafen, bis die Dunkelheit den Tag vertreibt; auf den Anblick der Sonne und der Schönheit der Natur haben sie Verzicht geleistet. Sollte man nicht, wenn man sie so von Fackeln umgeben sieht, sagen, sie seien Todte, die erwarten, daß man ihnen die letzten Ehren erweise? – Es ist nicht nöthig, daß man diese Narren einsperre, sagte Don Cleophas, sie sind es schon.

Ich sehe, sprach der Hinkende weiter, in den Armen des Schlummers einen Mann liegen, den ich liebe und der auch auf mich große Stücke hält, ein Wesen aus meinem Teig gebacken; es ist ein alter Junggeselle, der das weibliche Geschlecht vergöttert. Ihr könnt ihm nicht von einer jungen Dame reden, ohne zu bemerken, mit welch außerordentlichem Vergnügen er Euch zuhört; wenn Ihr ihm sagt, sie habe einen kleinen Mund, Lippen von Korallen, Zähne von Elfenbein, einen Teint gleich Alabaster – mit einem Wort, wenn Ihr sie ihm im Einzelnen ausmalt, so seufzt er bei jedem ihrer Züge, den Ihr malt, er verdreht die Augen, er bekommt Anfälle von wollüstigen Begierden. Vor zwei Tagen schritt er in der Straße von Alcala am Laden eines Frauenschusters vorüber und blieb plötzlich stehen, um einen kleinen Pantoffel, den er bemerkte, zu betrachten. Nachdem er ihn mit mehr Aufmerksamkeit, als er verdiente, beschaut hatte, sagte er mit einer verklärten Miene zu einem ihn begleitenden Cavalier: Ach, mein Freund, das ist ein Pantoffel, der meine Phantasie bezaubert; wie muß der Fuß, für den er gemacht ist, hübsch sein! Ich verliere mich zu sehr in seinem Anschaun; machen wir uns fort, es ist gefährlich, hier vorüber zu gehn!

Diesen Junggesellen muß man schwarz anstreichen, sagte Leandro Perez. – Richtig bemerkt, versetzte der Teufel, und ebenso wenig verdient sein nächster Nachbar anders angestrichen zu werden, ein Sonderling von Auditor, der, weil er eine Equipage hält, vor Scham erröthet, wenn er einmal einen Miethwagen nehmen muß. Machen wir eine Gruppe aus diesem Auditor und einem ihm verwandten Licentiaten, der an einer Kirche Madrids eine reich dotirte Pfründe genießt und fast immer im Miethwagen fährt, um zwei sehr hübsche Wagen und vier Maulthiere, welche er zu Hause läßt, zu schonen. –

In der Nähe des Auditors und unsres Junggesellen entdecke ich einen Mann, dem man ohne Ungerechtigkeit einen Platz unter den Narren nicht verweigern kann. Es ist ein Cavalier von sechszig Jahren, der einer jungen Dame den Hof macht; er besucht sie alle Tage und glaubt ihr zu gefallen, indem er sie von den Liebschaften seiner jungen Tage unterhält; er verlangt, daß sie ihm Rechnung trage für seine Liebenswürdigkeit von ehemals!

Stellen wir neben diesen Alten einen Mann, der zehn Schritte von uns im Schlafe liegt, einen französischen Grafen, der nach Madrid gekommen ist, um den spanischen Hof kennen zu lernen; dieser alte Herr steht in seinem vierzehnten Lustrum; in seinen Glanzzeiten hat er am Hofe seines Königs geleuchtet; alle Welt dort bewunderte einst seinen Wuchs, sein galantes Wesen, und vor allem war man bezaubert von dem Geschmack, den er durch seine Art sich zu kleiden an den Tag legte. Seine Kleider hat er wohl erhalten und trägt sie seit fünfzig Jahren, der Mode zum Trotz, die in seinem Lande alle Tage wechselt; spaßhafter aber ist, daß er sich einbildet, auch noch die Anmuth und Schönheit erhalten zu haben, die man in seiner Jugend an ihm rühmte.

Da braucht's kein Bedenken, sagte Don Cleophas, bringen wir diesen französischen Herrn unter die Personen, die würdige Pensionäre der casa de los locos sind. – Ich lege auf eine Zelle darin Beschlag, entgegnete der Teufel, für eine Dame, die in einer Dachkammer zur Seite des Hotels des Grafen wohnt; es ist eine alte Wittwe, die aus Uebermaß von Zärtlichkeit für ihre Kinder die Gutmüthigkeit gehabt hat, ihnen eine Schenkung aus ihrem ganzen Vermögen zu machen, gegen eine kleine Alimentationsrente, welche diese Kinder ihr zu bewilligen verbunden sind und welche sie aus Dankbarkeit sich wohl hüten, ihr zu zahlen.

Auch einen alten Junggesellen aus guter Familie möchte ich hinsenden, der nicht sobald einen Dukaten in die Finger bekommt, als er ihn verzehrt und, da er baares Geld nicht zu entbehren weiß, zu Allem fähig ist, um es sich zu verschaffen. Vor vierzehn Tagen kam seine Wäscherin, der er dreißig Pistolen schuldig war, um ihn zu mahnen, indem sie sagte, daß sie die Summe bedürfe, um sich mit einem Kammerdiener zu verheirathen, der sich um sie beworben habe. Du hast also Geld, erwiederte er ihr – denn wo zum Teufel wäre der Kammerdiener, der um dreißig Pistolen Lust hätte, dein Mann zu werden? I, ja, antwortete sie, ich habe außerdem noch zweihundert Dukaten. Zweihundert Dukaten! versetzte er aufgeregt – Pest – so brauchst du weiter nichts zu thun, als sie mir zu geben; ich heirathe dich und so sind wir vollständig quitt! Er wurde beim Worte genommen und seine Wäscherin ist seine Frau geworden.

Bewahren wir drei Plätze für die drei Personen, die von einem Nachtmahl zurückkommen und die in jenes Hotel rechts treten, worin sie ihre Wohnung haben. Der eine ist ein Graf, der sich für einen Verehrer der schönen Literatur ausgiebt; der andre ist sein Bruder, ein Licentiat und der dritte ein zu ihrer Umgebung gehörender Schöngeist. Sie verlassen sich fast nie; ihre Besuche machen sie überall alle drei zusammen. Der Graf ist nur beflissen, sich zu loben; sein Bruder lobt ihn und lobt auch sich selber; der Schöngeist aber hat drei Aufgaben, sie alle Beide zu loben, und sein Lob dabei mit dem ihren zu verflechten.

Und dann noch zwei Plätze, einen für einen alten Blumenliebhaber aus dem Bürgerstande, der selbst nicht zu leben hat und einen Gärtner und eine Gärtnerin unterhält, um für ein Dutzend Blumen zu sorgen, die er in seinem Garten besitzt; den andren für einen Schauspieler, der, über die kleinen und großen Leiden des Lebens eines Possenreißers klagend, jüngst zu einigen seiner Kameraden sagte: Wahrhaftig, meine Freunde, ich habe das Handwerk herzlich satt: ja, ich möchte lieber nichts als ein kleiner Landedelmann mit einigen tausend Realen Rente sein!

Nach welcher Seite ich die Blicke wende, fuhr der Geist fort, ich entdecke nur gestörte Köpfe. Ich sehe einen Calatrava-Ritter, der so stolz und so eitel darauf ist, geheime Zusammenkünfte mit der Tochter eines Granden zu haben, daß er sich den ersten Großen des Hofes ebenbürtig glaubt. Er gleicht dem Villius, der sich für den Schwiegersohn Sulla's hielt, weil er mit der Tochter des Diktators auf gutem Fuße stand; dieser Vergleich ist um so passender, als der Ritter, sowie der Römer einen Longarenus hat, das heißt einen Rivalen, der gar nichts ist und doch noch höher in Gunst steht als er.

Man sollte behaupten, daß von Zeit zu Zeit dieselben Menschen unter neuen Zügen geboren werden. Ich erkenne in jenem Schreiber eines Ministerialbureaus den Bollanus, der gegen Niemand Rücksichten nahm und den Grobian machte gegen Alle, deren Nähe ihm mißfiel. In jenem Präsidenten sehe ich Fufidius wieder, der sein Geld für monatlich fünf Procent auslieh; und Marsäus, der sein väterliches Haus der Schauspielerin Origo schenkte, lebte in jenem vornehmen Pflastertreter wieder auf, der mit einer Person vom Theater ein Landhaus verzehrt, das er in der Nähe des Escurial besitzt.

Asmodeus wollte fortfahren, aber er hielt inne, da er plötzlich Musik-Instrumente stimmen hörte, und sagte zu Don Cleophas: Am Ende dieser Straße wollen Musiker der Tochter eines Hofalcalden eine Serenade bringen; wenn Ihr das Fest in der Nähe sehen wollt, so habt Ihr's nur zu sagen. – Ich liebe sehr diese Arten von Concerten, antwortete Zambullo; nähern wir uns den Musikern, vielleicht sind gute Stimmen unter ihnen. Er hatte diese Worte nicht geendet, als er sich schon auf einem Hause befand, das dem des Alcalden zunächst lag.

Die Instrumentalisten spielten zuerst einige italienische Musikstücke. Dann trugen zwei Sänger abwechselnd die folgenden Strophen vor:

Si de tu hermosura quieres
Una copia con mil gracias;
Escucha, porque pretendo
      El pintar la
Es tu frente toda nieve,
Y el alabastro, batallas
Ofrecio al Amor, haziendo
      En ella vaya.
Amor labro de tus cejas
Dos arcos para su aljava;
Y debaxo ha descubierto
      Quien le mata.
Eres duegna de el lugar,
Vandolera de las almas,
Iman de los albedrios,
      Linda alhaja.
Un rasgo tu hermosura
Quisiera yo retratar la:
Que es estrella, es cielo, es sol:
      No, es sino el alba.

Wenn du willst von deiner Schönheit
Sehn das Abbild voller Anmuth,
Höre mich, denn ich beginne
          Dir's zu malen.
Schneeig ist sie, alabastern,
Deine Stirn', sie bot dem Amor,
Der es wagte, ihr zu trotzen,
          Krieg und Fehde.
Amor macht' für seinen Köcher
Bogen sich aus deinen Brauen –
So erblickt er, was darunter,
          Das ihn tödtet.
Herrin bist du dieses Ortes
Und die Diebin aller Herzen,
Der Magnet der Seelenwünsche,
          Lichtes Kleinod.
Einen Strahl nur deiner Schönheit
Möcht' ich spiegeln, Licht des Himmels –
Sternbild – Sonne – nein, du bist nur
          Morgenröthe! –

Die Strophen sind zart und fein, rief der Student aus. – Sie scheinen Euch so, sagte der Dämon, weil Ihr Spanier seid; wenn man sie zum Beispiel ins Französische übersetzte, würden sie kein Gewebe vom besten Faden aufweisen; die Leser dieser Nation würden die schwülstigen Ausdrücke nicht billigen und würden eine Überspanntheit der Einbildungskraft darin finden, über die sie lachen würden. Jedes Volk versteift sich auf seinen Geschmack und seinen ihm eigenthümlichen Genius. Aber lassen wir diese Strophen, Ihr sollt eine andere Musik hören.

Folgt mit dem Auge den vier Männern, welche plötzlich in der Straße erscheinen; seht, wie sie sich auf die Musiker zu stürzen kommen. Diese machen sich Schilde aus ihren Instrumenten, die der Gewalt der Streiche nicht widerstehen können und in Stücke fliegen. Seht, wie zwei Cavaliere, von denen der eine das Ständchen bestellt hat, ihnen zur Hülfe herbeistürzen. – Mit welcher Wuth dringen sie auf die Angreifer ein. Aber diese letzteren, die ihnen an Muth und Gewandtheit gleich kommen, bieten ihnen tüchtig die Stirn. Welches Feuer blitzt aus ihren Klingen! Seht, wie Einer, der auf Seiten der Musikanten war, fällt . . . es ist der, welcher das Ständchen gab; er ist tödtlich verwundet. Sein Begleiter nimmt, wie er es gewahrt, die Flucht; die Angreifer ihrerseits machen sich aus dem Staube und alle Musiker verschwinden; auf dem Platze bleibt nur der unglückliche Cavalier, dessen Tod der Preis der Serenade ist. Betrachtet zugleich die Tochter des Alcalden; sie steht an ihrer Jalousie, von wo aus sie Alles, was vorgegangen, beobachtet hat; die Dame ist so stolz und so eitel auf ihre gar nicht ungewöhnliche Schönheit, daß sie, statt die traurigen Wirkungen derselben zu beweinen, sich in ihrer Herzlosigkeit dazu beglückwünscht und um so liebenswürdiger glaubt.

Das ist nicht Alles, fügte er hinzu; seht einen anderen Cavalier, der sich in der Straße bei dem in seinem Blute Schwimmenden aufhält, um ihm beizustehen, wenn es möglich ist; aber während er sich in so christlicher Fürsorge müht . . . merkt Euch, wie er von der Scharwache, die erscheint, überrascht wird; da ist sie und führt ihn ins Gefängniß, wo er lange bleiben wird und es wird ihn die Sache kaum weniger theuer zu stehen kommen, als wenn er der Mörder des Erschlagenen wäre.

Wie viel Unheil ereignet sich in dieser Nacht! sagte Zambullo. – Dies da wird nicht das letzte sein, versetzte der Teufel. Wenn Ihr in diesem Augenblicke an der Puerta del Sol wäret, würdet Ihr erschrocken sein über das Schauspiel, das sich dort entwickelt. Durch die Nachlässigkeit eines Dienstboten ist in einem Hotel Feuer ausgebrochen und hat bereits eine große Zahl kostbaren Geräths in Asche verwandelt; aber wie reiche Habe es auch verzehren kann, der Besitzer des prachtvollen Gebäudes, Don Pedro de Escolano, wird den Verlust nicht bedauern, wenn er nur seine einzige Tochter Seraphine retten kann, die sich in der Gefahr umzukommen befindet!

Don Cleophas wünschte diese Feuersbrunst zu sehen und der Hinkende versetzte ihn im selben Augenblick an die Puerta del Sol auf ein großes Haus, das dem in Flammen stehenden gegenüber lag.



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