Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Drittes Kapitel.

An welchen Ort der hinkende Teufel den Studenten versetzte und von den ersten Gegenständen, die er ihn erblicken ließ.

Asmodeus hatte nicht ohne Grund seine Behendigkeit gerühmt. Er durchschnitt die Luft wie ein von kräftiger Sehne geschleuderter Pfeil und dann ließ er sich nieder auf dem Thurm von San Salvador. Sobald er Fuß gefaßt, sagte er seinem Begleiter: Nun, Senhor Leandro, wenn man von einem hart stoßenden Wagen sagt, das sei ein Teufelswagen, drückt man sich dann nicht außerordentlich falsch aus? – Das habe ich soeben erfahren, antwortete Zambullo höflich. Ich kann versichern, daß euer Gefährt bequemer als eine Sänfte ist und dabei so schnell, daß man nicht Zeit hat, sich auf dem Wege zu langweilen.

Ihr wißt nicht, fuhr der Dämon fort, weshalb ich Euch hierher bringe; ich beabsichtige, Euch Alles zu zeigen, was in Madrid vorgeht; und da ich bei diesem Viertel hier beginnen will, so konnte ich keinen Ort wählen, der zur Ausführung meiner Absicht geeigneter wäre. Ich werde durch meine teuflische Kraft die Dächer von den Häusern fortnehmen und trotz der Finsterniß der Nacht wird das Innere vor euren Blicken offen daliegen. Bei diesen Worten streckte er einfach nur den rechten Arm aus, und im Augenblick verschwanden alle Dächer. Nun sah der Student, wie an hellem Mittage, das Innere der Häuser, ganz so, sagt Luis Velez de Guevara,Der Verfasser des spanischen »Hinkenden Teufels«, der unsrem Autor als Original diente; siehe das Vorwort wie man das Innere einer Pastete sieht, von der man die obere Kruste genommen hat.

Der Anblick war zu neu für ihn, um nicht seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Er ließ seine Blicke nach allen Seiten schweifen, und die bunte Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die ihn umgaben, beschäftigte lange Zeit seine Neugier. Senhor Don Cleophas, sagte der Teufel zu ihm, dieser Wirrwarr von Dingen, den Ihr mit Vergnügen betrachtet, ist in der That sehr unterhaltend anzusehn; aber dies ist nur ein unersprießlicher Zeitvertreib. Es ist nöthig, daß ich Euch denselben nützlich mache; und um Euch eine vollkommene Kenntniß des menschlichen Lebens zu geben, will ich Euch das Thun und Treiben aller der Menschen, die Ihr seht, erklären. Ich will Euch die Beweggründe ihrer Handlungen enthüllen und bis zu ihren geheimsten Gedanken Euch offen legen.

Wo sollen wir beginnen? Fassen wir zuerst in jenem Hause dort rechts diesen Alten ins Auge, der Gold und Silber zählt. Es ist ein Geizhals aus dem Bürgerstande. Seine Carrosse, die er für fast nichts aus dem Nachlaß eines Hofmanns erhalten hat, wird von zwei jämmerlichen Maulthieren gezogen, welche er in seinem Stalle nach dem Gesetz der zwölf Tafeln füttert, das heißt, er giebt jedem täglich ein Pfund Gerste; er behandelt sie wie die Römer ihre Sklaven behandelten. Vor zwei Jahren ist er aus Indien zurückgekommen, beladen mit einer Menge Gold- und Silberbarren, die er in klingende Münze hat verwandeln lassen. Bewundert diesen alten Narren; mit welcher Glückseligkeit weiden sich seine Augen an seinen Reichthümern! Er kann sich gar nicht satt sehen! Aber gebt zu gleicher Zeit Acht auf das, was in einem kleinen Saale desselben Hauses vorgeht. Bemerkt Ihr zwei junge Bursche und eine alte Frau darin? – Ja, antwortete Cleophas, es sind wahrscheinlich seine Kinder! – Nein, entgegnete der Teufel; es sind seine Neffen, die ihn beerben werden und die in ihrer Ungeduld, seines Nachlasses habhaft zu werden, heimlich eine Wahrsagerin haben kommen lassen, um von ihr zu erfahren, wann er sterben werde!

Ich erblicke in dem benachbarten Hause zwei Schauspiele, die ergötzlich genug sind. Das eine bildet eine alte Kokette, die sich zu Bett legt, nachdem sie ihr Haar, ihre Brauen und ihre Zähne auf dem Nachttisch gelassen; das andre ein sechzigjähriger Galan, der heimkommt, nachdem er den Verliebten gemacht. Er hat sein Auge und seinen falschen Schnurrbart sammt der Perrücke, die den kahlen Schädel deckte, schon abgelegt und wartet, daß sein Diener ihm seinen hölzernen Arm und sein Bein abnehme; mit dem Reste will er zu Bette gehn.

Wenn meine Augen mich nicht trügen, sagte Zambullo, so sehe ich in diesem Hause ein hochgewachsenes junges Mädchen, das zum Malen ist. Welch ein reizendes Gesicht! – O, sagte der Hinkende, diese junge Schönheit, die Euch so auffällt, ist die ältere Schwester des Galans, der sich zu Bette begeben will. Man kann sagen, daß sie das Gegenstück zu der alten Kokette sei, die mit ihr in einem Hause wohnt. Die Taille, die Ihr an ihr bewundert, ist eine Maschine, die den Scharfsinn eines Mechanikers erschöpft hat. Ihre Brüste und ihre Hüften sind künstlich und es ist nicht lange her, daß sie in der Kirche während der Predigt ihre Aufpolsterungen fallen ließ. Trotz allem dem weiß sie sich das Ansehn einer Minderjährigen zu geben und zwei junge Cavaliere wetteifern um ihre Gunst. Sie sind sich darüber schon in die Haare gerathen. Die Wahnsinnigen! Sie kommen mir vor wie zwei Hunde, die sich um einen Knochen zanken.

Jetzt aber lacht mit mir über das Concert, das man ziemlich nahe dabei in einem Bürgerhause zum Ende eines Familienmahls aufführt. Man singt Cantaten. Ein alter Rechtsgelehrter hat sie in Musik gesetzt und die Worte sind von einem Alguazil,Ein Alguazil hat ungefähr die Stellung eines Polizei-Commissärs der den Angenehmen spielt, einem Gecken, der zu seinem Vergnügen und zur Marter andrer Leute Verse macht. Eine Sackpfeife und ein Spinett bilden das Orchester. Ein Mensch wie eine Hopfenstange mit heller Stimme macht den Tenor, und ein junges Mädchen, das eine sehr dumpfe Stimme hat, vertritt den Baß. – Welche komische Scene! rief Don Cleophas lachend; wenn man geflissentlich ein Concert als Posse aufführen wollte, würde man kein so gutes zu Stande bringen.

Werft die Augen auf dies prächtige Hotel, fuhr der Dämon fort; Ihr seht darin einen Herrn, der sich in einem glänzenden Apartement zu Bette gelegt hat. Neben ihm steht ein Kistchen, das mit Billets-Doux gefüllt ist. Er liest sie, um sich auf eine wollüstige Art einzuschläfern, denn sie sind von einer Dame, welche er anbetet und die ihn so großen Aufwand machen läßt, daß er bald gezwungen sein wird, sich um eine Vicekönigstelle zu bewerben.

Wenn in diesem Hotel Alles zur Ruhe und still ist, so läßt man es dagegen in dem Nachbarhause zur Linken an Bewegung nicht fehlen. Unterscheidet Ihr darin eine Gestalt in einem Bette von rothem Damast? Es ist eine vornehme Dame, Donna Fabula, die soeben nach der Hebamme geschickt hat und im Begriffe ist, dem alten Don Torribio, ihrem Gemahl, den Ihr neben ihr seht, einen Erben zu schenken. Seid Ihr nicht entzückt über die Gutmüthigkeit dieses Gatten? Das Schreien seiner theuren Hälfte zerschneidet ihm die Seele; er ist in Schmerz aufgelöst, er leidet eben so viel wie sie. Mit welcher Sorge und welchem Eifer müht er sich, ihr beizustehn! – In der That, sagte Leandro, der Mann ist in gewaltiger Aufregung, aber ich erblicke einen andern in demselben Hause, der in tiefem Schlummer zu liegen scheint, sehr unbekümmert um den Ausgang der Geschichte! – Und doch müßte ihn die Sache interessiren, nahm der Hinkende wieder das Wort, denn es ist ein Lakai, der an den Schmerzen seiner Gebieterin allein die Schuld trägt.

Blickt ein wenig weiter hinaus, fuhr er fort, und seht in einem niedern Saale den Heuchler, der sich mit Wagenschmiere einsalbt, um zu einer Versammlung von Zauberern zu eilen, welche diese Nacht zwischen San Sebastian und Fuentarabia gehalten wird. Ich würde Euch auf der Stelle hintragen, um Euch einen angenehmen Zeitvertreib zu gewähren, wenn ich nicht fürchtete, von dem Teufel erkannt zu werden, der bei dieser Feierlichkeit den Bock macht. –

Seid Ihr denn keine guten Freunde, Ihr Beide, dieser Teufel und Ihr? – Wahrhaftig nicht, entgegnete Asmodeus; es ist derselbe Pillardoc, von dem ich Euch erzählt habe. Der Schuft würde mich verrathen, er würde nicht unterlassen, den Zauberer von meiner Flucht zu unterrichten. – Habt Ihr vielleicht noch einen Zank mit diesem Pillardoc gehabt? – Ihr habt es gesagt, erwiederte der Dämon; vor zwei Jahren bekamen wir aufs neue Händel wegen einer jungen Pariser Pflanze, eines Bürschleins, das sich einen Wirkungskreis suchte. Wir gedachten beide die Hand darauf zu legen; er beabsichtigte, einen Commis daraus zu machen, ich einen Menschen, der bei Weibern sein Glück sucht; unsere Kameraden machten einen schlechten Mönch daraus, um dem Streit ein Ende zu setzen. Und dann versöhnte man uns; wir umarmten uns – und seit dieser Zeit sind wir Todfeinde!

So lassen wir diese schöne Versammlung, sagte Don Cleophas; ich begehre durchaus nicht, ihr beizuwohnen; fahren wir lieber fort, das, was sich unsrem Blicke darbietet, zu betrachten. Was bedeuten die Feuerfunken, die aus jenem Keller hervorsprühen? – Es ist eine der verrücktesten Beschäftigungen der Menschen, antwortete der Teufel. Der Mann, der in diesem Keller neben dem glühenden Ofen steht, ist ein Goldkoch; das Feuer verzehrt nach und nach sein reiches Erbe, und er wird doch nie finden, was er sucht.

Unter uns, der Stein der Weisen ist nichts als ein verlockendes Hirngespinnst, das ich selbst ausgedacht habe, um den menschlichen Geist, der die ihm einmal vorgeschriebenen Schranken überschreiten will, zu verhöhnen.

Der Goldkoch hat zum Nachbar einen guten Apotheker, der sich noch nicht zur Ruhe gelegt hat. Ihr seht, wie er mit seinem alten Weibe und seinem Lehrling in seiner Bude arbeitet. Wißt Ihr, was sie machen? Der Mann setzt eine Nachkommenschaft erweckende Pille für einen alten Advokaten, der morgen heirathen will, zusammen. Der Lehrling bereitet eine abführende Tisane, und die Frau stößt in einem Mörser Droguen, die das Gegentheil bewirken.

Ich erblicke in dem Hause, welches dem des Apothekers gegenüber liegt, sagte Zambullo, einen Mann, der sich erhebt und sich hastig ankleidet. – Pest, antwortete der Geist, das ist ein Arzt, den man wegen eines höchst wichtigen Falles beruft. Man hat nach ihm geschickt, um eines Prälaten willen, der seit einer Stunde, daß er zu Bett liegt, zwei oder drei Mal gehustet hat.

Werft eure Blicke darüber hinaus, nach rechts, und sucht in einer Dachkammer einen Mann zu entdecken, der im Hemde, beim düstren Licht einer Lampe, auf und ab schreitet. – Ich sehe ihn, rief der Student – so gut, daß ich das Inventar der Meubeln, die in diesem armseligen Gelaß sind, machen könnte – es ist nichts da, als ein schlechtes Bett, ein Sessel und ein Tisch, und die Wände scheinen mir ganz mit Schwarz beschmiert. – Der Mann, der in solcher Höhe wohnt, ist ein Poet, antwortete Asmodeus, und was Euch schwarz vorkommt, sind tragische Verse seiner Fabrik, womit er seine Kammer tapezirt hat, da er aus Mangel an Papier gezwungen ist, seine Gedichte auf die Wände zu schreiben.

Nach dem Sturm und der Aufregung, in der er auf- und abläuft, sagte Don Cleophas, schließe ich, daß er ein wichtiges Werk componirt. Ihr habt mit dieser Vermuthung nicht Unrecht, antwortete der Hinkende; er legte gestern die letzte Hand an eine Tragödie, betitelt: die Sündfluth. Man wird ihm nicht vorwerfen können, daß er dabei die Einheit des Orts nicht beachtet habe, denn die ganze Handlung geht in der Arche Noah vor.

Ich versichere Euch, daß es ein ausgezeichnetes Stück ist; alle Thiere sprechen darin wie Professoren. Er hat die Absicht, es einem großen Herrn zu widmen; seit sechs Stunden arbeitet er an der Widmungszuschrift; in diesem Augenblick ist er bei der letzten Phrase angekommen; man kann sagen, daß es ein Meisterwerk ist, diese Widmung; aller moralischen und politischen Tugenden Preis, alle Lobeserhebungen, welche man einem durch seine und seiner Ahnen Thaten berühmten Manne ertheilen kann, sind darin verschwendet; niemals hat ein Autor kühner Weihrauch gespendet. – Wem beabsichtigt er denn, ein so großes Lob darzubringen? nahm der Student wieder das Wort. – Das weiß er noch nicht, erwiederte der Teufel; für den Namen hat er die Stelle offen gelassen. Er sucht irgend einen reichen Herrn, der freigebiger ist, als diejenigen, denen er schon andere Bücher gewidmet hat; aber die Leute, welche Widmungsepisteln bezahlen, sind heutzutage selten; es ist ein Fehler, den die großen Herrn sich abgewöhnt haben, und dadurch haben sie einen großen Dienst dem Publikum geleistet, das mit jämmerlichen Geistesprodukten überschüttet wurde; denn die meisten Bücher wurden früher um dessentwillen gemacht, was die Widmung einbrachte.

Bei Gelegenheit der Widmungsepisteln, fügte der Dämon hinzu, muß ich Euch übrigens einen seltsamen Zug mittheilen. Eine Dame vom Hofe, welche die Widmung eines Werkes verstattet hatte, wollte die Zuschrift vor dem Drucke lesen und da sie fand, daß sie nicht genug und so wie sie's verlangte, darin gelobt war, so gab sie sich die Mühe, selber eine nach ihrem Geschmacke zu schreiben und sie dem Verfasser zu schicken, damit er sie seinem Buche vorsetze.

Es scheint mir, rief Leandro aus, ich sehe Diebe, die über einen Balkon in ein Haus einsteigen. – Ihr täuscht Euch nicht, erwiederte Asmodeus, es sind Nachtdiebe. Sie brechen bei einem Banquier ein; halten wir sie im Auge und sehen, was sie machen. Sie durchsuchen das Comptoir, sie stöbern überall umher; aber der Banquier ist ihnen zuvorgekommen; er ist gestern mit allem, was er an Baarem in seinen Kisten hatte, nach Holland abgereist.

Verfolgen wir, sagte Zambullo, einen andern Räuber, der auf einer seidnen Strickleiter zu einem Balkon emporsteigt! – Der da ist nicht, was Ihr voraussetzt, antwortete der Hinkende; es ist ein Marquis, der auf diesem Wege in das Zimmer einer Jungfrau zu kommen versucht, die aufhören will, es zu sein. Er hat ihr sehr leichthin geschworen, daß er sie heirathen werde und sie hat sich natürlich auf seine Eide hin ergeben, denn im Liebeshandel sind die Marquis Geschäftsleute, die einen großen Kredit am Platze haben.

Ich bin neugierig, fuhr der Student fort, zu erfahren, was ein Mensch macht, den ich in der Nachtmütze und im Schlafrock sehe. Er ist sehr fleißig am Schreiben und neben sich hat er eine kleine schwarze Figur, die ihm beim Schreiben die Hand führt. – Der Mann, der schreibt, antwortete der Teufel, ist ein Gerichtsschreiber, der, um sich einen sehr erkenntlichen Vormünder zu verpflichten, ein zu Gunsten eines Minderjährigen ergangenes Urtheil verändert; und die kleine schwarze Gestalt, die ihm die Hand führt, ist Griffael, der Teufel der Gerichtsschreiber. – Dieser Griffael, erwiederte Don Cleophas, bekleidet also die Stelle nur provisorisch; da Flagel der böse Geist der Gerichtsleute ist, so müssen auch die Gerichtsschreiber, scheint mir, zu seinem Sprengel gehören. – Nein, entgegnete Asmodeus, die Gerichtsschreiber sind für würdig gehalten worden, ihren besonderen Teufel zu haben, und ich schwöre Euch, daß er überflüssig zu thun hat.

Beachtet in einem Bürgerhause neben dem des Gerichtsschreibers eine junge Dame, die den ersten Stock bewohnt. Es ist eine Wittwe, und der Mann, den Ihr bei ihr seht, ist ihr Oheim, der im zweiten Stock wohnt. Bewundert die keusche Verschämtheit dieser Wittwe . . . sie will ihr Nachthemd nicht in Gegenwart ihres Oheims anlegen, sie geht dazu in ein Kabinet, um es sich von einem Liebhaber anlegen zu lassen, den sie dort versteckt hält.

Bei dem Gerichtsschreiber wohnt ein ihm verwandter dicker hinkender Junggeselle, der nicht seines Gleichen als Spaßmacher hat. Der von Cicero wegen seiner Schlagwörter und seines feinen Witzes so gepriesene Volumnius war kein so witziger Kopf. Man nennt ihn in ganz Madrid den Baccalaureus par excellence, und alle Leute vom Hofe oder in der Stadt, welche Diners geben, angeln nach Senhor Donoso um die Wette. Er hat ein ganz besonderes Talent, die Gäste zu ergötzen; er macht das Entzücken einer Tafelrunde aus; auch speist er täglich in irgend einem guten Hause, aus dem er nicht vor zwei Uhr nach Mitternacht heimzukehren pflegt. Er ißt heute bei dem Marquis von Alcazinas, zu dem er jedoch nur durch den Zufall gerathen. – Wie so, durch den Zufall? unterbrach Leandro. – Ich will mich deutlicher erklären, entgegnete der Teufel. Heute, gegen die Mittagsstunde, hielten fünf oder sechs Carrossen vor der Thüre des Baccalaureus, die ihn zu verschiedenen großen Herrn abholen sollten. Er hat ihre Lakaien in seine Wohnung heraufkommen lassen und hat ihnen, indem er ein Spiel Karten nahm, gesagt: Meine Freunde, da ich eure Herrschaften nicht alle zugleich befriedigen kann, und da ich einen nicht vor dem andern begünstigen will, so sollen diese Karten darüber entscheiden. Ich werde speisen gehen zum Treffkönig! – –

Welche Absicht mag auf der andern Seite der Straße jener Cavalier haben, fiel Don Cleophas ein, der auf der Schwelle eines Thores sitzt? Harrt er, bis eine Zofe kommt, um ihn ins Haus einzuführen? – Nein, nein, versetzte Asmodeus, es ist ein junger Castilianer, der den vollkommenen Liebhaber vorstellen will; er will aus lauter Galanterie nach dem Beispiel der Liebhaber der Vorzeit die Nacht an der Thüre seiner Geliebten zubringen. Von Zeit zu Zeit klimpert er auf einer Guitarre und singt Romanzen eigner Fabrik dazu; seine Donna aber, die in dem zweiten Stockwerk zu Bett liegt, hört ihm zu und weint über die Abwesenheit seines Nebenbuhlers.

Kommen wir zu diesem neuen Gebäude da, das zwei gesonderte Wohnungen enthält; die eine hat der Eigentümer inne, jener alte Cavalier, der bald in seinem Gemache auf- und abgeht, und sich bald in einen Lehnstuhl fallen läßt. – Er muß, sagte Zambullo, in seinem Kopfe irgend einen großen Plan herumwälzen. Wer ist dieser Mann? Wenn man sich an den Reichthum hält, der in seinen Wohnräumen glänzt, so muß es ein Grande erster Klasse sein. – Und doch ist er nur ein Contador, antwortete der Teufel. Er ist in einträglichen Aemtern ergraut und besitzt ein Vermögen von vier Millionen. Da er nicht ohne Unruhe wegen der Mittel ist, mit denen er es zusammengescharrt hat, und den Augenblick vor sich sieht, wo er in der andern Welt seine Rechnung ablegen muß, so ist er fromm geworden; er gedenkt ein Kloster zu bauen; er schmeichelt sich mit der Hoffnung, nach solch einem guten Werke werde er sein Gewissen beruhigt fühlen. Die Erlaubniß, ein Kloster zu stiften, hat er bereits erhalten; aber er will keine andern Mönche darin aufnehmen als solche, die zugleich sittenrein, nüchtern und von der äußersten Demuth sind, – und ist in großer Verlegenheit, sie zu finden!

Die zweite Wohnung beherbergt eine schöne Dame, die sich eben in Milch gebadet und dann zu Bette gelegt hat. Dieses üppige Geschöpf ist Wittwe eines Ritters von San Jago, der ihr als Vermögen nichts weiter denn einen stattlichen Namen hinterlassen hat; glücklicher Weise hat sie zu Freunden zwei Mitglieder des hohen Raths von Castilien, auf deren gemeinschaftliche Kosten der Aufwand ihres Hauses bestritten wird.

Hört doch, hört, rief der Student, ich vernehme Schreie und Jammerrufe, die durch die Nachtluft schallen; hat sich denn irgend ein Unglück ereignet? – Ich will Euch sagen, was es ist, antwortete der Geist; zwei junge Cavaliere spielten zusammen Karten in jener Spelunke, worin Ihr so viele Lampen und entzündete Kerzen seht. Sie haben sich dabei über einen Stich erhitzt, haben die Degen zur Hand genommen und sich alle Beide tödtlich verwundet; der ältere ist verheirathet und der jüngere einziger Sohn; sie sind im Begriff, den Geist aufzugeben. Die Frau des Einen und der Vater des Andern sind, von dem Unglück unterrichtet, eben herbeigekommen; sie erfüllen mit ihren Weherufen die ganze Nachbarschaft. Unglückseliges Kind, ruft der Vater aus, wie oft habe ich dich ermahnt, das Spiel aufzugeben; wie oft habe ich dir vorausgesagt, daß es dir das Leben kosten würde! Ich bin nicht Schuld daran, daß du so elendiglich umkommst! Die Frau ihrerseits giebt sich der Verzweiflung hin. Obwohl ihr Mann im Spiel Alles, was sie ihm zugebracht, verloren hat, obwohl er alle Schmucksachen, die sie besaß und sogar ihre Kleider verkauft hat, ist sie untröstlich über ihren Verlust; sie flucht den Karten, die Schuld daran sind, sie flucht dem, der sie erfunden, sie flucht der Spielhölle und Allen, die sie bewohnen.

Ich bedaure herzlich die Menschen, welche von der Spielwuth besessen sind, sagte Don Cleophas; sie gerathen oft in furchtbare Gemüthsstimmungen. Dank dem Himmel, ich habe nichts von diesem Laster an mir. – Ihr habt ein anderes, das nicht besser ist, entgegnete der Dämon. Ist es nach eurem Dafürhalten gescheuter, Courtisanen zu lieben? und seid Ihr nicht noch heute Abend Gefahr gelaufen, von Raufbolden getödtet zu werden? Ich bewundre die Herrn Menschen – ihre eigenen Fehler scheinen ihnen Kleinigkeiten, während sie die Andrer mit dem Vergrößerungsglase ansehen.

Ich muß fortfahren, sprach er weiter, Euch traurige Bilder zu zeigen. Sehet in einem Hause, zwei Schritt von dem Spielhause, den dicken Mann, der auf einem Bett ausgestreckt liegt; es ist ein unglücklicher Kanonikus, den eben der Schlag getroffen hat. Sein Neffe und seine Großnichte denken nicht daran, ihm zu Hülfe zu kommen, sie lassen ihn sterben und bemächtigen sich seiner besten Habe, die sie zu Hehlern bringen werden – nachher werden sie Zeit und Muße haben, zu weinen und zu klagen.

Bemerkt Ihr nahe dabei das Begräbniß von zwei Männern? es sind zwei Brüder, die an derselben Krankheit litten; aber sie behandelten sich auf verschiedene Weise; der eine setzte blindes Vertrauen auf seinen Arzt, der andere wollte die Natur wirken lassen; gestorben sind sie alle Beide, der eine, weil er die Mixturen seines Doktors einnahm, der andere, weil er nichts einnahm. – Das ist sehr beunruhigend, sagte Leandro. Was soll denn nun ein armer Kranker machen? – Das weiß ich Euch nicht zu sagen, versetzte der Teufel; ich weiß wohl, daß es gute Mittel giebt, aber nicht, ob auch gute Aerzte!

Suchen wir ein anderes Schauspiel auf, fuhr er dann fort; ich habe Euch ergötzlichere zu zeigen. Hört Ihr in der Straße die Katzenmusik? Eine Frau von sechzig Jahren hat heute Morgen einen Cavalier von siebenzehn geheirathet. Alle Spottvögel im ganzen Viertel haben sich zusammengerottet, um ihre Hochzeit mit einem lauten Concert von Kesseln, Ofenstücken und Becken zu feiern. – Ihr habt mir gesagt, unterbrach ihn der Student, daß Ihr es wärt, der die lächerlichen Ehen machte; doch habt Ihr an dieser da keinen Theil. – In der That nicht, antwortete der Hinkende; ich konnte nichts damit zu schaffen haben, denn ich war nicht frei; aber wenn ich es gewesen wäre, so hätte ich mich doch nicht hineingemischt. Diese Frau ist fromm; sie hat sich nur wieder verheirathet, um ohne Reue Genüsse haben zu können, wie sie sie liebt. Ich befördere solche Verbindungen nicht; mir liegt viel mehr daran, die Gewissen in Unruhe zu bringen als sie zu beruhigen.

Trotz des Lärms dieser tollen Serenade, sagte Zambullo, dringt, scheint mir, ein andrer an mein Ohr. – Der, den Ihr ungeachtet der Katzenmusik vernehmt, antwortete der Hinkende, dringt aus einer Schenke, wo ein dicker flämischer Hauptmann, ein französischer Sänger und ein Offizier der deutschen Garde ein Trio singen. Sie sind bei Tisch seit acht Uhr diesen Morgen, und jeder bildet sich ein, die Ehre seiner Nation hänge davon ab, daß er die beiden andern betrunken mache.

Lenkt eure Blicke auf jenes einsame Haus gegenüber dem des Kanonikus; Ihr werdet drei berühmte Galizierinnen in einer Schwelgerei mit drei Herren vom Hofe sehen. – Ach, wie reizend ich sie finde, rief Don Cleophas; ich wundre mich nicht, wenn die vornehmen Herrn hinter ihnen drein sind. Wie sie zärtlich gegen ihre Anbeter sind! sie müssen gewaltig in sie verliebt sein. – Wie grün seid Ihr! erwiederte der Geist. Ihr kennt diese Art Damen schlecht! Ihr Herz ist noch geschminkter als ihr Gesicht. Welche Liebkosungen sie auch aufwenden, sie haben nicht das geringste Gefühl von Neigung für diese Herrn; sie schmeicheln dem einen, um seine Protektion zu haben und den andern Beiden, um ihnen Rentenzusicherungen abzuschwindeln. So sind alle diese Koketten! Die Männer mögen sich ihretwegen lustig ruiniren, sie gewinnen sich darum von ihrer Neigung nicht das mindeste; im Gegentheil, jeder, der zahlt, wird wie ein Ehemann behandelt; das ist ein Gesetz, welches ich für solche Liebeshändel festgestellt und eingeführt habe. Aber lassen wir diese großen Herren in Genüssen schwelgen, die sie so theuer bezahlen müssen, während ihre Diener, die in der Straße auf sie warten, sich mit der süßen Hoffnung, dieselben umsonst zu haben, trösten.

Ich bitte Euch, unterbrach Leandro Perez, erklärt mir ein anderes Bild, welches mir ins Auge fällt. Alle Welt ist noch auf den Füßen in jenem großen Hause dort links. Woher kommt es, daß die Einen aus vollem Halse lachen, und daß die Andern tanzen? Man feiert sicherlich irgend ein Fest? – Es ist eine Hochzeit, sagte der Hinkende; alle Domestiken sind im Jubel; und vor drei Tagen noch herrschte in diesem selben Hotel die tiefste Niedergeschlagenheit. Es ist eine Geschichte, die ich Lust bekomme, Euch zu erzählen; sie ist allerdings ein wenig lang, aber ich hoffe, sie wird Euch nicht langweilen.

Zugleich begann er folgenderweise:



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