Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Dreizehntes Kapitel.

Die Macht der Freundschaft.

Ein junger Cavalier von Toledo verließ in größter Eile, von seinem Kammerdiener begleitet, seine Vaterstadt, um den Folgen eines tragischen Abenteuers zu entgehen. Er war noch zwei kleine Meilen von der Stadt Valencia entfernt, als er am Eingange eines Gehölzes einer Dame begegnete, die mit großer Hast aus ihrem Wagen stieg; ihr unverschleiertes Gesicht war von blendender Schönheit. Sie schien in großer Bestürzung zu sein, und der Cavalier, welcher daraus schloß, daß sie der Hülfe bedürfe, verfehlte nicht, ihr seine Dienste anzubieten.

Edler Unbekannter, sagte die Dame zu ihm, ich weise euer Anerbieten nicht zurück; es scheint, daß Euch der Himmel hierher gesandt habe, um das Unglück, welches ich befürchte, zu verhüten. Zwei Cavaliere haben sich in diesem Gehölze ein Rendezvous gegeben, und sind eben angekommen, um sich zu schlagen; folgt mir, ich bitte Euch, und helft mir sie auseinander bringen. Nachdem sie diese Worte gesprochen, eilte sie ins Gehölz; der Toledaner übergab sein Pferd seinem Diener, und folgte der Dame nach.

Kaum hatten sie hundert Schritte gemacht, als sie Degengeklirre vernahmen, und bald erblickten sie unter den Bäumen zwei Männer, die sich wüthend schlugen. Der Toledaner lief auf sie zu, um sie zu trennen, und nachdem ihm dieses durch sein Zureden und seine Bemühungen gelungen war, fragte er sie nach der Ursache ihres Zwistes.

Tapfrer Unbekannter, sagte einer der Cavaliere zu ihm, ich heiße Don Fedrigo de Mendoza, und mein Gegner nennt sich Don Alvaro Ponce. Wir lieben Beide Donna Theodora, die Dame, welche Euch begleitet; sie hat unsern Huldigungen immer sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und was wir auch aufbieten mochten, ihre Gunst zu gewinnen, die Grausame hat uns darum nicht besser behandelt. Was mich betrifft, so war ich entschlossen, meine Bewerbung um sie, trotz ihrer Gleichgültigkeit, fortzusetzen; mein Nebenbuhler aber, statt den gleichen Entschluß zu fassen, hat mich zum Zweikampf herausgefordert.

Es ist wahr, unterbrach ihn Don Alvaro, ich habe es für gut gefunden, so zu handeln; ich glaube, daß Donna Theodora mich erhören könnte, wenn ich keinen Nebenbuhler hätte; es liegt mir daher daran, Don Fedrigo aus der Welt zu schaffen und mich eines Mannes zu entledigen, der meinem Glück im Wege steht.

Senhores, sagte hierauf der Toledaner, ich kann euren Zweikampf nicht billigen; er beleidigt Donna Theodora; bald wird man im Königreich Valencia erfahren, daß ihr euch ihretwegen geschlagen habt, und die Ehre eurer Dame muß euch theurer sein, als eure Ruhe und euer Leben. Welchen Erfolg kann übrigens der Sieger von seinem Siege erwarten? Hofft er etwa, daß seine Geliebte ihn mit günstigeren Augen ansehen werde, nachdem er ihren guten Ruf aufs Spiel gesetzt hat? Welch eine Verblendung! Glaubt mir, es ist der edlen Namen, die ihr tragt, würdiger, wenn ihr euch zu beherrschen und eure maßlose Leidenschaft zu zügeln sucht. Verpflichtet euch Beide durch einen feierlichen Eidschwur, den Vergleich, den ich euch vorschlagen will, einzugehen, und euer Streit kann ohne Blutvergießen geschlichtet werden.

Laßt euren Vorschlag hören, rief Don Alvaro. Die Dame, erwiederte der Toledaner, muß sich erklären, und zwischen Euch und Don Fedrigo die Wahl treffen; der verschmähte Liebhaber muß alsdann die Waffen strecken, und seinem Nebenbuhler das Feld räumen. Ich willige darein, sagte Don Alvaro, und ich schwöre bei Allem, was heilig ist, daß ich mich dem Ausspruche Donna Theodoras, wie er auch ausfallen möge, unterwerfen werde; und sollte sie meinem Gegner den Vorzug geben, so wird mir das minder unerträglich sein, als die schreckliche Ungewißheit, in der ich jetzt lebe. Und ich, sagte hierauf Don Fedrigo, ich rufe den Himmel zum Zeugen an, daß wenn Donna Theodora, die ich anbete, sich nicht zu meinen Gunsten erklärt, ich ihre bezaubernde Nähe fliehen werde, und sie nicht wiedersehen will, wenn ich sie auch nicht vergessen kann.

Nun wandte sich der Toledaner zu Donna Theodora. Senhora, sagte er, jetzt ist die Reihe an Euch zu sprechen; Ihr könnt mit einem einzigen Wort diese beiden Nebenbuhler entwaffnen; Ihr dürft nur denjenigen nennen, dessen Beständigkeit Ihr belohnen wollt. Senhor Caballero, erwiederte die Dame, sucht ein anderes Mittel, die Streitenden auszusöhnen. Warum soll ich das Opfer ihrer Ausgleichung werden? Ich achte freilich Don Fedrigo und Don Alvaro, aber ich liebe sie nicht, und ich darf, bloß aus Rücksicht auf meinen guten Ruf, der durch diesen Zweikampf gefährdet werden könnte, keine Hoffnungen erwecken, die mein Herz nicht zu erfüllen vermag.

Die Verstellung ist hier nicht angebracht, Senhora, versetzte der Toledaner, Ihr müßt Euch gefälligst deutlich erklären. Obgleich diese Cavaliere beide gleich stattlich sind, bin ich doch überzeugt, daß Ihr mehr Neigung zu dem Einen, wie zu dem Andern fühlt; ich schließe dies aus der tödtlichen Angst, von der ich Euch vorhin ergriffen sah.

Ihr deutet diese Angst falsch, erwiederte Donna Theodora, ich würde allerdings den Tod des Einen oder des Andern dieser Cavaliere tief beklagen und ihn mir stets zum Vorwurf machen, wenngleich ich unschuldig daran wäre; aber wenn ich Euch so beunruhigt schien, so wißt, daß nur die Gefahr, die meiner Ehre droht, mich in diese Unruhe versetzte.

Don Alvaro Ponce, der von heftiger Natur war, verlor endlich die Geduld. Das ist zu arg, rief er in trotzigem Tone, da Donna Theodora sich weigert, die Sache auf gütlichem Wege zu erledigen, so soll das Loos der Waffen denn entscheiden. Und indem er dies sagte, wollte er aufs neue auf Don Fedrigo eindringen, der sich seinerseits in Bereitschaft setzte, ihn gehörig zu empfangen.

Da aber rief die Dame, mehr erschrocken über diesen Vorgang, als gedrängt von ihrer Neigung, ganz außer sich: Haltet ein, Senhores; ich will thun, was ihr verlangt. Wenn es denn kein anderes Mittel giebt, einen Zweikampf, bei dem meine Ehre betheiligt ist, zu verhindern, so erkläre ich, daß es Don Fedrigo de Mendoza ist, dem ich den Vorzug gebe.

Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als der verschmähte Don Ponce, ohne das Geringste zu erwiedern, eiligst sein Pferd, welches er an einen Baum gebunden hatte, losmachte, sich hinaufschwang und davon jagte, indem er seinem Nebenbuhler und seiner Geliebten wüthende Blicke zuwarf. Der glückliche Mendoza dagegen war auf dem Gipfel seiner Freude; bald warf er sich Donna Theodora zu Füßen, bald umarmte er den Toledaner, und konnte keine Worte finden, ihnen die ganze Dankbarkeit, von der er sich durchdrungen fühlte, lebhaft genug auszudrücken.

Unterdessen hatte sich die Dame nach Don Alvaros Entfernung beruhigt, und der Gedanke wurde ihr nun peinlich, daß sie sich verpflichtet hatte, die Aufmerksamkeiten eines Liebhabers zu dulden, dem sie freilich ihre Achtung nicht versagen konnte, für den ihr Herz aber nichts empfand.

Senhor Don Fedrigo, sagte sie, ich hoffe, daß Ihr den Vorzug, welchen ich Euch gegeben habe, nicht mißbrauchen werdet; Ihr verdankt ihn der Notwendigkeit, in der ich mich befand, mich für Euch oder für Don Alvaro zu erklären. Ich habe Euch zwar immer höher gestellt als ihn, ich weiß, daß er nicht alle die guten Eigenschaften hat, die Ihr besitzt; Ihr seid der vollendetste Cavalier in Valencia; diese Gerechtigkeit lasse ich Euch widerfahren, ich gebe sogar zu, daß die Bewerbung eines Mannes, wie Ihr seid, der Eitelkeit einer Frau schmeicheln kann; aber, wie ehrend sie auch für mich sei, muß ich Euch doch gestehen, daß ich sie mit so geringer Befriedigung entgegennehme, daß Ihr zu beklagen seid, wenn Ihr mich wirklich so zärtlich liebt, als dies der Fall zu sein scheint. Ich will Euch indessen nicht alle Hoffnung nehmen, mein Herz noch rühren zu können; meine Gleichgültigkeit ist vielleicht nur die Folge des Schmerzes über den Verlust meines Mannes, Don Andreas de Cifuentes, der mir vor einem Jahre entrissen ist. Obgleich unser Eheleben nicht lange gewährt, und er bereits bei Jahren war, als meine Eltern, durch seinen Reichthum geblendet, mich zwangen ihn zu heirathen, habe ich mich doch über seinen Tod sehr gegrämt, und ich beweine ihn noch alle Tage.

Und verdient er nicht, daß ich ihn beweine? fügte sie hinzu. Er glich in keiner Weise jenen grämlichen, eifersüchtigen Greisen, welche es nicht glauben können, daß eine Frau vernünftig genug sei, gegen ihre Schwächen Nachsicht zu üben, und entweder selbst die eifrigen Spione all ihrer Schritte sind, oder sie durch eine ihrer Tyrannei ergebene Duegna beobachten lassen. Ach! Er setzte in meine Tugend ein Vertrauen, dessen ein angebeteter junger Ehemann kaum fähig sein würde. Seine Aufmerksamkeiten gegen mich waren ohne Zahl, und ich wage zu behaupten, daß die einzige Aufgabe seines Lebens darin bestand, allen meinen Wünschen zuvorzukommen. So war Don Andreas de Cifuentes! Ihr könnt wohl denken, Don Mendoza, daß man einen Mann von so liebenswürdigem Charakter nicht leicht vergißt; er lebt stets in meiner Erinnerung, und dies trägt ohne Zweifel nicht wenig dazu bei, meine Aufmerksamkeit von allem dem abzuwenden, was man aufbietet, um mir zu gefallen.

Als Don Fedrigo dies hörte, konnte er nicht umhin, Donna Theodora zu unterbrechen. Ach, Senhora, rief er, welch eine Freude ist es mir, aus eurem eignen Munde zu vernehmen, daß es nicht Abneigung gegen meine Person ist, welche Euch bisher so gleichgültig gegen meine Huldigungen machte. Ich darf also hoffen, Euch noch eines Tages durch meine treue Liebe zu gewinnen. Es wird nicht an mir liegen, wenn dies nicht geschieht, erwiederte die Dame, denn ich erlaube Euch, mich zu besuchen, und mir von eurer Liebe zu sprechen; bemüht Euch, mich für eure Huldigungen empfänglich zu machen und mir Gegenliebe einzuflößen; ich werde es Euch nicht verhehlen, wenn es Euch gelingen sollte, zärtliche Gefühle in mir zu erwecken; solltet Ihr aber ungeachtet eurer Bestrebungen dieses Ziel nicht erreichen, so erinnert Euch, Don Fedrigo, daß Ihr nicht berechtigt seid, mir Vorwürfe zu machen.

Don Fedrigo wollte etwas darauf erwiedern, doch es blieb ihm keine Zeit dazu, da die Dame den Arm des Toledaners nahm, und mit raschem Schritte nach ihrem Wagen ging. Don Fedrigo eilte zu seinem Pferde, welches an einen Baum gebunden war, zog es am Zügel nach sich, und folgte Donna Theodora, welche ebenso aufgeregt in ihren Wagen stieg, als sie vorhin herausgestiegen war; die Ursache ihrer Aufregung war freilich jetzt eine andere. Der Toledaner und Don Fedrigo begleiteten sie zu Pferde bis zum Stadtthore, wo sie sich trennten. Sie nahm den Weg nach ihrem Hause, und Don Fedrigo führte den Toledaner nach dem seinigen.

Er bat seinen Gast, sich auszuruhen, und nachdem er ihn gut bewirthet hatte, fragte er ihn im Vertrauen, was ihn nach Valencia geführt habe, und ob er beabsichtige, sich dort lange aufzuhalten. Nicht länger als durchaus nöthig ist, antwortete der Toledaner; ich reise nur durch diese Stadt, um das Meer zu erreichen und mich auf dem ersten Fahrzeuge, welches die Küste Spaniens verläßt, einzuschiffen, denn ich kümmere mich wenig darum, in welchem Theile der Welt ich mein unseliges Leben beschließen werde, vorausgesetzt, daß es nur weit von diesem verwünschten Lande ist.

Was sagt Ihr? rief Don Fedrigo überrascht, was kann Euch so gegen euer Vaterland aufbringen und es Euch so verhaßt machen, da doch die Liebe zum Vaterlande jedem Menschen ins Herz gelegt ist? Nach dem, was ich erlebt habe, erwiederte der Toledaner, ist mir meine Heimath verleidet, und ich verlange nichts anderes, als sie für immer zu verlassen.

Ach, Senhor Caballero, rief Don Fedrigo von Mitleiden bewegt, wie begierig bin ich, euer Unglück, zu erfahren, und wenn ich euren Schmerz nicht zu lindern vermag, so bin ich doch wenigstens bereit, ihn zu theilen. Euer Gesicht hat mich vom ersten Augenblick an für Euch eingenommen, und ich fühle, daß ich den lebhaftesten Antheil an eurem Schicksale nehme.

Das ist der größte Trost, den Ihr mir geben könnt, Senhor Don Fedrigo, antwortete der Toledaner, und um mich einigermaßen für die Theilnahme, die Ihr mir erweist, dankbar zu bezeigen, will ich Euch sagen, daß auch ich mich gleich zu Euch hingezogen fühlte, als ich Euch und Don Alvaro sah. Ein Gefühl der Zuneigung, wie ich es bisher nie bei einem ersten Begegnen empfunden, ließ mich fürchten, daß Donna Theodora eurem Nebenbuhler den Vorzug geben möchte; und wie freute ich mich, als sie sich zu euren Gunsten entschied! Ihr habt seither diesen ersten vortheilhaften Eindruck so sehr erhöht, daß ich, anstatt Euch meinen Kummer zu verbergen, das Bedürfniß fühle, mich gegen Euch auszusprechen, und eine süße Befriedigung darin finde, Euch mein Herz zu entdecken. Vernehmt denn meine unglückliche Geschichte:

Ich bin in Toledo geboren und heiße Don Juan de Zarate. Ich war fast noch ein Kind, als ich meine Eltern verlor, so daß ich sehr früh in den Besitz von 4000 Dukaten jährlichen Einkommens gelangte, die sie mir hinterließen. Da ich über meine Hand verfügen konnte, und mich reich genug glaubte, um bei der Wahl einer Gattin nur mein Herz zu befragen, heirathete ich ein sehr schönes Mädchen, ohne zu berücksichtigen, daß sie unbemittelt und von geringer Herkunft war. Ich war berauscht vor Glück, und um das Vergnügen, die Geliebte zu besitzen, in noch höherem Grade zu genießen, führte ich sie wenige Tage nach unserer Hochzeit auf ein Landgut, welches ich in der Nähe von Toledo besitze.

Wir lebten dort miteinander in der schönsten Eintracht, als der Herzog von Naxera, dessen Schloß nicht weit von meinem Landgute liegt, eines Tages, als er jagte, bei mir einkehrte, um sich in meinem Hause zu erfrischen. Er sah meine Frau und verliebte sich in sie; ich glaubte es wenigstens und wurde vollends in diesem Glauben bestärkt, als er sich angelegentlichst um meine Freundschaft bewarb, was er bisher sehr vernachlässigt hatte; er lud mich zu seinen Jagdpartien ein, und überhäufte mich mit Geschenken, und mehr noch mit Anerbietungen seiner Dienste.

Anfänglich machte mich seine Leidenschaft sehr besorgt; ich beschloß, mit meiner Gattin nach Toledo zurückzukehren, und ohne Zweifel hatte mir der Himmel diesen Gedanken eingegeben; denn, in der That, hätte ich dem Herzog jede Gelegenheit, meine Frau zu sehen, genommen, so würde ich all das Unglück, das mich getroffen hat, vermieden haben; doch das Vertrauen, welches ich in sie setzte, beruhigte mich. Es schien mir unmöglich, daß eine Person, die ich ohne Mitgift geheirathet und aus ihrem niedrigen Stande zu mir erhoben hatte, so undankbar sein sollte, meine Güte zu vergessen. Ach! wie wenig kannte ich sie! Ehrgeiz und Eitelkeit, die allen Weibern mehr oder minder eigen sind, waren grade die größten Fehler meiner Frau.

Als der Herzog Gelegenheit gefunden hatte, sie von seinen Empfindungen für sie in Kenntniß zu setzen, fühlte sie sich sehr befriedigt, eine so bedeutende Eroberung gemacht zu haben. Die Zuneigung eines Mannes, der den Titel Excellenz führte, schmeichelte ihrem Stolz, und erfüllte ihren Kopf mit eitlen Träumen; sie stieg dadurch in ihren Augen an Werth, und liebte mich um so weniger. Was ich für sie gethan, hätte ihre Dankbarkeit gegen mich erwecken sollen; statt dessen zog es mir nur ihre Verachtung zu; sie betrachtete mich als einen Gatten, der ihrer Schönheit unwürdig sei, und bildete sich ein, daß wenn der vornehme Herr, den sie durch ihre Reize bezaubert hatte, sie vor ihrer Verbindung mit mir gesehen hätte, er sie gewiß geheirathet haben würde. Berauscht von solchen thörichten Gedanken, und verführt durch verschiedene Geschenke, die ihr schmeichelten, gab sie dem geheimen Drängen des Herzogs nach.

Sie schrieben sich häufig, doch ich hegte nicht den mindesten Verdacht, daß sie im Einverständniß mit einander lebten, bis ich endlich so unglücklich war, aus meiner Blindheit herausgerissen zu werden. Eines Tages kam ich früher als gewöhnlich von der Jagd zurück; ich trat in das Zimmer meiner Frau, sie hatte mich nicht so früh erwartet, und war im Begriff, einen Brief des Herzogs, den sie eben erhalten hatte, zu beantworten. Bei meinem Anblick konnte sie ihre Verwirrung nicht verbergen; ich erschrak, da ich Papier und Dinte auf dem Tische sah und daraus schloß, daß sie mich verrathe. Ich verlangte, daß sie mir zeigen solle, was sie schreibe, aber sie verweigerte es, so daß ich endlich gezwungen war, Gewalt zu gebrauchen, um meine eifersüchtige Neugierde zu befriedigen; ich zog trotz ihres heftigen Widerstandes einen Brief aus ihrem Busen, der folgende Zeilen enthielt:

»Wie lange soll ich in der Erwartung einer zweiten Zusammenkunft schmachten? Wie grausam seid Ihr, mir die süßesten Hoffnungen zu geben und mit deren Verwirklichung so lange zu zögern! Don Juan geht täglich auf die Jagd, oder nach Toledo; müßten wir nicht diese Gelegenheit benutzen? Habt Mitleid mit der Sehnsucht, die mich verzehrt und beklagt mich, Senhora, bedenkt, daß wenn es eine Wonne ist, das, was man wünscht, zu erreichen, es eine Qual ist, lange darauf harren zu müssen.«

Kaum konnte ich dieses Billet zu Ende lesen, denn es versetzte mich in die heftigste Wuth. Ich legte die Hand an meinen Degen und war in der ersten Aufwallung in Versuchung, die untreue Gattin zu durchbohren; doch besann ich mich, daß ich auf diese Weise keine vollständige Rache nehme, da mein Zorn noch ein andres Opfer verlangte. Ich suchte also meine Wuth zu bemeistern, ich stellte mich gelassen und sagte zu meiner Frau in so ruhigem Tone als es mir möglich war: Senhora, es war gefehlt von Euch, dem Herzoge Gehör zu schenken; der Glanz seines Standes hätte Euch nicht verblenden sollen. Aber die Jugend liebt den Glanz. Ich nehme an, daß darin eure ganze Schuld bestehe, und daß Ihr mir den äußersten Schimpf nicht angethan habt. Ich will euren Leichtsinn entschuldigen, vorausgesetzt, daß Ihr zu eurer Pflicht zurückkehren werdet, und Euch in Zukunft allein gegen meine zärtliche Liebe empfänglich zeigen und nur daran denken wollt, sie zu verdienen. Nach diesen Worten verließ ich ihr Zimmer, nicht allein, um ihr Zeit zu lassen, sich von ihrer Bestürzung zu erholen, sondern um die Einsamkeit aufzusuchen, deren ich selbst bedurfte, um den Zorn zu besänftigen, der mich durchglühte. Wenn ich auch meine Gemüthsruhe nicht wiederfinden konnte, so suchte ich doch während zwei Tagen ruhig zu scheinen; am dritten Tage schützte ich ein Geschäft in Toledo von der höchsten Wichtigkeit vor, und sagte meiner Frau, daß ich mich genöthigt sehe, sie auf einige Zeit zu verlassen, und bat sie, während meiner Abwesenheit ihre Ehre nicht in Gefahr zu bringen.

Ich reiste ab; statt aber meinen Weg nach Toledo fortzusetzen, kehrte ich heimlich bei einbrechender Nacht nach Hause zurück, und verbarg mich in dem Zimmer eines treuen Dieners, von wo aus ich Jeden, der in mein Haus trat, sehen konnte. Ich zweifelte nicht, daß der Herzog bereits von meiner Abreise unterrichtet sei, und daß er gewiß nicht versäumen werde, sich meine Abwesenheit zu Nutzen zu machen. Ich hoffte beide mit einander zu überraschen und versprach mir eine vollständige Rache. Nichtsdestoweniger wurde ich in meinen Erwartungen getäuscht. Weit entfernt zu bemerken, daß man im Hause Vorbereitungen traf, einen Liebhaber zu empfangen, sah ich im Gegentheil, daß man die Thüren pünktlich verschloß, und als sich nach Ablauf von drei Tagen weder der Herzog, noch einer seiner Leute gezeigt hatte, hielt ich mich überzeugt, daß meine Frau ihren Fehler bereut, und jeden Verkehr mit dem Herzoge abgebrochen habe.

In diesem Glauben verlor ich den Wunsch, mich zu rächen, und überließ mich wieder den Empfindungen einer Liebe, die der Zorn eine Zeit lang unterdrückt hatte. Ich begab mich in das Zimmer meiner Frau, umarmte sie zärtlich und sagte: Senhora, nehmt meine Achtung und Liebe zurück. Ich bekenne Euch, daß ich nicht in Toledo war, diese Reise hat mir nur zum Vorwand gedient, Euch auf die Probe zu stellen. Ihr müßt einem Manne, dessen Eifersucht nicht ungegründet war, verzeihen, daß er Euch diese Falle stellte, ich fürchtete, daß Ihr, verführt durch die glänzenden Vorspiegelungen eurer Einbildungskraft, nicht im Stande sein würdet, eure Verblendung einzusehen. Aber dem Himmel sei Dank, Ihr habt euren Irrthum erkannt, und ich hoffe, daß nunmehr nichts unsern Frieden stören werde.

Meine Frau schien von diesen Worten sehr ergriffen zu sein, und ließ ein Paar Thränen fallen. – Wie unglücklich bin ich, rief sie aus, Euch Veranlassung gegeben zu haben, meine Treue zu beargwöhnen! Wie sehr ich nun auch verabscheuen mag, was Euch so gerechterweise gegen mich aufgebracht hat, wie viele Thränen ich auch seit zwei Tagen vergossen habe, all mein Schmerz, all meine Gewissensbisse sind doch vergeblich; nie werde ich euer Vertrauen wieder gewinnen können. – Ich schenke es Euch wieder, Senhora, unterbrach ich sie, ganz gerührt von der Betrübniß, welche sie zeigte; ich will des Vorgefallenen nicht mehr gedenken, da Ihr es bereut.

Von diesem Augenblicke an behandelte ich sie in der That mit derselben Rücksicht, die ich früher für sie gehabt hatte; ich genoß aufs neue das Glück, welches auf eine so grausame Art getrübt worden war; es wurde sogar noch erhöht, denn meine Frau gab sich mehr Mühe, mir zu gefallen wie bisher, als wollte sie jede Spur der Beleidigung, die sie mir zugefügt hatte, aus meinem Gedächtnisse verwischen. Ich fand ihre Liebkosungen viel feuriger und es fehlte nicht viel, so hätte ich mich wohl gar über den Kummer gefreut, den sie mir verursacht hatte.

In dieser Zeit wurde ich krank. Obgleich meine Krankheit nicht gefährlich war, schien meine Frau doch auffallend ängstlich; sie pflegte mich den ganzen Tag, und kam zwei- bis dreimal in der Nacht in mein Zimmer, welches von dem ihrigen getrennt lag, um sich selbst nach meinem Befinden zu erkundigen. Kurz, sie zeigte eine außerordentliche Aufmerksamkeit für alle meine Bedürfnisse, und suchte ihnen zuvorzukommen; es schien, als ob ihr Leben von dem meinigen abhinge. Was mich betrifft, so war ich so gerührt von allen den Beweisen ihrer Zärtlichkeit, daß ich nicht müde wurde, ihr meinen Dank dafür auszudrücken. Und doch, Don Fedrigo, sie meinte es nicht so ehrlich, wie ich wähnte.

Eines Nachts, als ich bereits auf dem Wege der Genesung war, weckte mich mein Kammerdiener. Senhor, sagte er mit bewegter Stimme, es thut mir leid, eure Ruhe stören zu müssen, aber ich bin Euch zu treu ergeben, um Euch verheimlichen zu wollen, was in diesem Augenblicke in eurem Hause vorgeht: Der Herzog von Naxera ist bei eurer Gemahlin.

Ich war über diese Nachricht wie betäubt und starrte meinen Diener an, ohne eine Silbe hervorbringen zu können; je mehr ich über das, was ich vernommen hatte, nachdachte, desto schwerer wurde es mir, daran zu glauben. Nein, Fabio, rief ich, es ist unmöglich, daß meine Frau eines so schrecklichen Verrathes fähig sei! Du bist deiner Sache nicht gewiß. Senhor, erwiederte Fabio, wollte Gott, daß ich noch daran zweifeln dürfte, aber der falsche Schein hat mich nie getrogen. Seit eurer Krankheit habe ich den Argwohn, daß man den Herzog fast jede Nacht in das Zimmer eurer Gemahlin einführe; ich habe mich versteckt, um die Wahrheit zu erfahren, und bin nur zu sehr überzeugt, daß mein Verdacht gegründet ist.

Bei diesen Worten sprang ich wüthend auf, warf mich in meine Kleider, nahm meinen Degen und eilte, von Fabio begleitet, der das Licht trug, nach dem Zimmer meiner Frau. Bei dem Geräusch unsrer Schritte hatte sich der Herzog, welcher auf ihrem Bette saß, erhoben; er griff nach dem Pistol, das er in seinem Gürtel trug, trat mir entgegen, und feuerte es auf mich ab, doch geschah dieses in so großer Hast und Bestürzung, daß der Schuß fehl ging. Da aber stürzte ich heftig auf ihn los, und durchbohrte ihn mit meinem Degen, und wandte mich dann an meine Frau, die mehr todt als lebendig war. Und du, rief ich, schändliches Weib, hier nimm den Lohn all deiner Treulosigkeit. Indem ich dies sagte, stieß ich ihr den vom Blute ihres Geliebten noch rauchenden Degen in die Brust.

Ich verdamme meinen Jähzorn, Senhor Don Fedrigo, ich sehe ein, daß ich ein treuloses Weib auf andre Weise als durch den Tod hätte strafen können: doch welcher Mann könnte in einer solchen Lage die Fassung bewahren? Stellt Euch dies falsche Weib vor, denkt an ihre Aufopferung während meiner Krankheit, an alle die zärtliche Besorgniß, die sie mir bezeigte, denkt an alle die Umstände, die diese ungeheure Verrätherei begleiten, und urtheilt dann, ob ein Mann, der, von gerechter Wuth ergriffen, einem solchen Weibe den Tod gegeben hat, nicht Verzeihung verdient. Das Ende meiner traurigen Geschichte ist bald erzählt. Nachdem ich meine Rache vollständig befriedigt hatte, kleidete ich mich eilends an, denn ich dachte wohl, daß ich keine Zeit zu verlieren haben würde, um mich den Verfolgungen der Verwandten des Herzogs zu entziehen. Da seine Familie bei weitem mächtiger ist, als die meinige, so konnte ich nur im Auslande auf Sicherheit rechnen, und deswegen wählte ich zwei meiner besten Pferde, versah mich mit Geld und Edelsteinen und verließ vor Tagesanbruch mein Haus. Mein Diener, dessen Treue erprobt war, begleitete mich. Ich schlug die Straße nach Valencia ein, in der Absicht, mit dem ersten besten Schiffe nach Italien abzusegeln. Als ich heute an dem Gehölze, worin Ihr Euch befandet, vorüberkam, begegnete ich Donna Theodora, welche mich bat, ihr zu folgen und ihr beizustehen, Euch und Don Alvaro zu trennen.

Als der Toledaner seine Geschichte beendet hatte, sagte Don Fedrigo: Ihr habt an dem Herzog von Naxera eine gerechte Rache genommen, Senhor Don Juan; seid unbesorgt der Nachsuchungen wegen, welche seine Verwandten anstellen könnten; bleibt bei mir, wenn Euch das gefällt, bis sich eine Gelegenheit findet, nach Italien abzureisen. Mein Onkel ist der Gouverneur von Valencia, Ihr seid hier in größerer Sicherheit als an jedem andern Ort, und in dem Hause eines Mannes, welcher den Wunsch hegt, daß ihn in Zukunft die innigste Freundschaft mit Euch verbinde.

Zarate antwortete Mendoza in den Ausdrücken der wärmsten Dankbarkeit, und nahm die ihm angebotene Zufluchtsstätte an. Bewundert die Macht der Sympathie, Senhor Don Cleophas, fuhr Asmodeus fort, diese beiden jungen Cavaliere fühlten gegenseitig eine so große Zuneigung, daß sie in wenigen Tagen eine Freundschaft schlossen, gleich der des Orestes und Pylades. Sie hatten Beide dieselben Gesinnungen und Neigungen; was dem Einen gefiel, gefiel auch dem Andern, sie waren gleichen Charakters, kurz, sie waren geschaffen, einander zu lieben. Don Fedrigo besonders war entzückt von dem Wesen seines Freundes, und konnte nicht umhin, ihn bei jeder Gelegenheit der Donna Theodora zu rühmen.

Sie gingen Beide häufig zu dieser Dame, welche die eifrigen Bemühungen des Don Fedrigo noch immer sehr gleichgültig aufnahm. Er war darüber oft sehr mißmuthig, und beklagte sich zuweilen bei seinem Freunde, der ihm zum Troste sagte, daß die stolzesten Frauen sich doch am Ende rühren ließen; daß dem Liebhaber nur die Geduld, den günstigen Augenblick abzuwarten, nicht ausgehen, und er den Muth nicht verlieren dürfe, da seine Dame doch, früher oder später, seine Ergebenheit belohnen werde. Obgleich die Erfahrung lehrt, daß diese Ansichten richtig sind, konnte doch der schüchterne Mendoza nicht dadurch beruhigt werden, er verzweifelte daran, der Wittwe des Cifuentes je gefallen zu können. Eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich seiner, die Don Juans Mitleid rege machte. Bald war indessen Don Juan noch mehr zu bedauern, als sein Freund.

Obgleich der Toledaner alle Ursache hatte, gegen das weibliche Geschlecht empört zu sein, nachdem ihn seine Frau so schändlich verrathen hatte, konnte er dennoch nicht widerstehen, Donna Theodora zu lieben; aber weit entfernt, sich einer Leidenschaft hinzugeben, welche seinen Freund beleidigt hätte, dachte er nur daran, wie er dieselbe bekämpfen könnte. Da er überzeugt war, daß er Donna Theodora meiden müsse, wenn er der Leidenschaft, die sie ihm einflößte, Herr werden wolle, beschloß er, sie nicht mehr zu besuchen, und wenn Mendoza ihn zu ihr führen wollte, wußte er immer unter irgend einem Vorwande diese Aufforderung abzulehnen.

Don Fedrigo dagegen besuchte die Dame nie, ohne daß sie ihn gefragt hätte, warum Don Juan nicht mehr zu ihr komme. Eines Tages, als sie diese Frage an ihn richtete, antwortete er ihr lächelnd, daß sein Freund seine Gründe dazu habe. Und was für Gründe kann er haben, mich zu meiden? fragte Donna Theodora. Senhora, erwiederte Mendoza, als ich ihn heute zu Euch führen wollte, und ihn meine Befremdung merken ließ, daß er sich abermals weigerte, mich zu begleiten, hat er mir ein Geständniß gemacht, welches ich Euch mittheilen muß, um ihn zu rechtfertigen. Er sagte mir, daß er eine Liebschaft angeknüpft habe, und da er nicht lange in dieser Stadt bleiben werde, seien ihm die Augenblicke kostbar.

Diese Entschuldigung genügt mir nicht, erwiederte die junge Wittwe erröthend, das ist kein Grund, seine Freunde zu verlassen. Don Fedrigo bemerkte das Erröthen der Dame sehr wohl und schrieb es der gekränkten Eitelkeit zu, wie dem Verdrusse, sich vernachläßigt zu sehen. Er irrte sich aber in dieser Vermuthung, ein anderes stärkeres Gefühl als das der Eitelkeit erregte die Bewegung, die sie verrathen hatte, aber aus Furcht, daß er ihre wahren Empfindungen entdecken möchte, gab sie dem Gespräch eine andere Wendung, und zeigte während der ferneren Unterhaltung eine solche Heiterkeit, daß Mendozas Scharfblick dadurch hätte irre geleitet werden müssen, wenn er überhaupt der Wahrheit auf der Spur gewesen wäre.

Sobald, die Wittwe des Cifuentes sich wieder allein befand, versank sie in schwermüthige Gedanken, und wurde sich alsbald der ganzen Gewalt der Liebe, die sie für Don Juan gefaßt hatte, bewußt. Sie hielt sich für verschmäht und sagte seufzend: Welche ungerechte und grausame Macht gefällt sich darin, zwei Herzen zu entflammen, die nicht übereinstimmen! Ich liebe Don Fedrigo nicht, der mich anbetet, und ich glühe für Don Juan, der einer Anderen ergeben ist! O, Mendoza, höre auf, mir meine Gleichgültigkeit vorzuwerfen, dein Freund rächt dich genug!

Schmerz und Eifersucht erpreßten ihr einige Thränen, doch die Hoffnung, welche den Kummer der Liebenden zu besänftigen versteht, führte ihr bald andere Bilder vor die Seele. Sie redete sich ein, daß ihre Nebenbuhlerin nicht sehr gefährlich sei, daß Don Juan wohl mehr durch ihre Zuvorkommenheit, als durch ihre Liebenswürdigkeit gefesselt werde, und daß so schwache Bande sich leicht zerreißen ließen. Um aber selbst zu urtheilen, wie sich die Sache verhalte, beschloß sie, den Toledaner im Geheimen zu sprechen. Sie ließ ihn ersuchen, sich zu ihr zu begeben; er kam, und als sie Beide allein waren, nahm Donna Theodora das Wort:

Ich hätte nie gedacht, sagte sie, daß die Liebe einen galanten Mann die Pflichten vergessen lassen könnte, die er den Damen schuldig ist; nichtsdestoweniger habt Ihr eure Besuche bei mir eingestellt, seit Ihr verliebt seid. Ich habe Ursache, wie mir scheint, mich über Euch zu beklagen. Doch will ich glauben, daß Ihr mich nicht aus eignem Antriebe meidet, es ist ohne Zweifel eure Dame, die Euch verboten hat, zu mir zu gehen. Gesteht es nur, Don Juan, und ich entschuldige Euch, ich weiß, daß Liebhaber nicht die Freiheit haben, zu thun, was sie wollen, und daß sie nicht wagen dürfen, den Wünschen ihrer Geliebten zuwider zu handeln.

Senhora, antwortete der Toledaner, ich gebe zu, daß mein Benehmen Euch befremden muß, aber, ich bitte Euch, verlanget nicht, daß ich mich rechtfertige, laßt es Euch genug sein zu erfahren, daß ich triftige Gründe habe, eure Nähe zu fliehen. Was für Gründe Ihr auch haben mögt, erwiederte Donna Theodora, ich will sie wissen. Nun denn, Senhora, versetzte Don Juan, ich muß Euch also gehorchen, aber beklagt Euch nicht, wenn Ihr mehr vernehmt, als Ihr zu wissen wünscht.

Don Fedrigo, fuhr er fort, wird Euch den Vorfall erzählt haben, der mich aus Castilien vertrieben hat. Als ich Toledo verließ, erfüllte mich die tiefste Erbitterung gegen das weibliche Geschlecht, und ich glaubte mich gewaffnet gegen jede neue Leidenschaft. In diesem stolzen Bewußtsein näherte ich mich Valencia, ich begegnete Euch, und was vielleicht noch Niemand vermocht hat, ich hielt eure ersten Blicke aus ohne in Verwirrung zu gerathen. Ich sah Euch seitdem ungestraft wieder, aber ach! wie theuer mußte ich die wenigen Tage des Stolzes bezahlen! Ihr habt endlich meinen Widerstand bezwungen, eure Schönheit, euer Geist, all eure Reize haben ihre Macht auf einen Rebellen ausgeübt, mit einem Wort, ich fühle für Euch all die Liebe, die Ihr einflößen vermögt.

Das ist es, Senhora, was mich von Euch fern hält. Das Liebesverhältniß, wovon man Euch gesagt hat, besteht nicht in der Wirklichkeit, es ist nur eine Erfindung, eine Unwahrheit, die ich Don Fedrigo gesagt, um dem Verdacht vorzubeugen, der durch meine beständige Weigerung, ihn zu Euch zu begleiten, in ihm erweckt werden konnte. – Dies Geständnis hatte Donna Theodora nicht erwartet; es erfüllte sie mit einer so großen Freude, daß es ihr unmöglich war, dieselbe zu unterdrücken. Sie gab sich indessen auch keine Mühe, sie vor dem Toledaner zu verbergen und statt sich ernst und zurückhaltend gegen ihn zu zeigen, sah sie ihn mit zärtlichem Blicke an und sagte: Ihr habt mir euer Geheimniß mitgetheilt; ich will Euch jetzt das meinige entdecken. Hört mich an.

Gleichgültig gegen Mendozas Verehrung, ungerührt von den Seufzern Don Alvaros, führte ich ein ruhiges zufriedenes Leben, bis der Zufall Euch an dem Gehölze vorüberführte, wo wir uns begegneten. Ungeachtet der Gemüthsaufregung, in der ich mich damals befand, entging es mir doch nicht, daß Ihr mir eure Dienste mit dem feinsten Anstande anbotet, und die Art, wie Ihr die beiden wüthenden Nebenbuhler zu trennen verstandet, flößte mir eine hohe Meinung von eurer Gewandtheit und eurem Muthe ein. Das Mittel friedlichen Ausgleichs aber, welches Ihr vorschlugt, mißfiel mir; ich konnte mich nicht ohne Widerstreben entschließen, Einen von Beiden zu wählen, aber, um Euch nichts zu verschweigen, ich glaube, daß Ihr an meinem Widerwillen ein wenig Theil hattet, denn in demselben Augenblicke, wo ich, von der Nothwendigkeit gezwungen, den Namen Don Fedrigos nannte, fühlte ich, daß mein Herz sich für den Unbekannten entschied. Seit jenem Tage, den ich nach dem eben empfangenen Geständnisse einen glücklichen nennen darf, hat eure Handlungsweise die Achtung, die ich bereits für Euch hegte, noch gesteigert.

Ich mache Euch, fuhr sie fort, aus meinen Gefühlen kein Geheimniß; ich gestehe sie Euch mit derselben Offenheit, womit ich Mendoza sage, daß ich ihn nicht liebe. Eine Frau, welche das Unglück hat, eine Neigung zu einem Manne zu fühlen, der ihr nicht angehören kann, hat alle Ursache, sich Zwang anzuthun, und ihre Schwäche mit einem ewigen Schweigen zu bedecken; aber ich glaube, daß man ohne Skrupel einem Manne, der nur redliche Absichten hat, eine unschuldige Zuneigung bekennen darf. Ja, ich bin glücklich, daß Ihr mich liebt, und ich danke dem Himmel dafür, der uns ohne Zweifel für einander bestimmt hat.

Nach diesen Worten schwieg die Dame, um Don Juan sprechen zu lassen. Sie erwartete einen Ausbruch seiner Freude und Dankbarkeit; doch statt von dem, was er gehört hatte, entzückt zu sein, blieb er traurig und nachdenklich.

Was sehe ich, Don Juan, sagte sie. Nachdem ich, um Euch ein Loos zu bereiten, das jeder Andere als Ihr beneidenswerth finden würde, den Stolz meines Geschlechts vergessen, und Euch mein entzücktes Herz entdeckt habe, beobachtet Ihr ein kaltes Stillschweigen! Ihr empfindet keine Freude bei der Erklärung meiner Liebe, ich sehe sogar Schmerz in euren Zügen. Ach, Don Juan, welch einen seltsamen Eindruck macht meine Hingebung auf Euch!

Und welch andern Eindruck, erwiederte traurig der Toledaner, könnte sie auf ein Herz wie das meinige machen? Je mehr Zuneigung Ihr mir bezeigt, desto elender fühle ich mich. Ihr wißt, was Mendoza für mich thut, Ihr wißt, welch eine zärtliche Freundschaft uns verbindet, wie könnte ich mein Glück auf den Trümmern seiner süßesten Hoffnungen gründen wollen? Ihr habt zu viel Zartgefühl, sagte Donna Theodora; ich habe Don Fedrigo keine Versprechungen gemacht, ich kann Euch mein Jawort geben, ohne seine Vorwürfe zu verdienen, und Ihr könnt meine Hand annehmen, ohne einen Raub an ihm zu begehen. Ich begreife, daß Euch der Gedanke an einen unglücklichen Freund schmerzlich sein muß; vermag er aber das Glück, welches eurer wartet, aufzuwiegen? Ja, Senhora, antwortete er mit festem Tone, ein solcher Freund, wie Mendoza, hat mehr Gewalt über mich, wie Ihr denkt. Wenn es Euch möglich wäre, Euch eine Vorstellung von der Innigkeit und Größe unsrer Freundschaft zu machen, würdet Ihr mich beklagenswerth finden. Don Fedrigo hat kein Geheimniß vor mir, meine Interessen sind die seinigen geworden, die geringfügigsten Dinge, die mich betreffen, entgehen seiner Aufmerksamkeit nicht, oder um Alles in einem Worte zu sagen, ich theile seine Seele mit Euch.

Ach! um das Glück eurer Liebe zu genießen, hätte es mir verheißen werden müssen, ehe ich einen so festen Freundschaftsbund schloß. In der Gewißheit, Euch zu gefallen, hätte ich alsdann Mendoza nur als meinen Nebenbuhler betrachtet, mein Herz würde die Zuneigung, die er mir bewies, nicht erwiedert haben, und ich würde ihm heute nicht so viel Dank schuldig sein; jetzt aber, Senhora, ist es zu spät, ich habe alle die Dienste, die er mir anbot, angenommen, ich bin der Neigung, welche ich für ihn empfand, gefolgt, Dankbarkeit und Freundschaft fesseln mich und versehen mich in die grausame Notwendigkeit, dem glücklichen Loose, das Ihr mir anbietet, zu entsagen.

Bei diesen Worten brach Donna Theodora in Thränen aus und nahm ihr Taschentuch, um sie zu trocknen. Als der Toledaner das sah, wurde er sehr bewegt; er fühlte seinen Muth wanken, und vermochte kaum seine Fassung zu bewahren. Adieu, Senhora, rief er mit einer von Seufzern erstickten Stimme, lebt wohl, ich muß Euch fliehen, um meine Tugend zu retten; ich kann eure Thränen nicht ansehen, sie machen Euch zu gefährlich. Ich werde mich für ewig aus eurer Nähe entfernen und den Verlust so vieler Reize beweinen, auf welche meine unerbittliche Freundschaft mich zu verzichten zwingt. Als er diese Worte gesprochen, entfernte er sich, mit großer Mühe einen Rest von Festigkeit behauptend.

Die Wittwe des Cifuentes aber wurde nach seiner Entfernung ein Raub der verwirrendsten Gefühle. Sie schämte sich, einem Manne ihre Liebe gestanden zu haben, den sie nicht hatte fesseln können; da sie indeß nicht daran zweifeln durfte, daß er heftig in sie verliebt sei, und daß er nur aus Rücksicht gegen einen Freund ihre ihm angebotene Hand ausgeschlagen hatte, war sie vernünftig genug, eine so seltene Freundschaft zu bewundern, statt sich darüber beleidigt zu fühlen. Da sich aber niemand einer trüben Stimmung erwehren kann, wenn seine Angelegenheiten nicht den gewünschten Erfolg haben, beschloß sie gleich folgenden Tages aufs Land zu gehen, um ihren Kummer zu zerstreuen, oder vielmehr ihn zu vergrößern, denn die Einsamkeit ist viel geeigneter, die Liebe zu nähren als zu schwächen.

Don Juan seinerseits, der Mendoza nicht zu Hause getroffen, hatte sich in seinem Zimmer verschlossen, um sich ungestört seinem Schmerze hingeben zu können. Nach dem, was er für das Glück seines Freundes gethan hatte, glaubte er, daß es ihm wenigstens erlaubt sei, über sein eignes Unglück zu seufzen. Doch bald kam Don Fedrigo und unterbrach seine Träumerei, und da er aus seinem verstörten Aussehen schloß, daß er sich übel befinde, zeigte er so viel Besorgniß, daß Don Juan, um ihn zu beruhigen, genöthigt war, ihm zu sagen, daß er nur des Alleinseins bedürfe. Mendoza verließ ihn sofort, um ihm Ruhe zu lassen, doch ging er mit einem so bekümmerten Blick, daß der Toledaner, davon ergriffen, nur um so lebhafter sein Mißgeschick empfand. O Himmel! rief er aus, warum muß die zärtlichste Freundschaft von der Welt das ganze Unglück meines Lebens werden!

Am folgenden Tage war Don Fedrigo noch nicht aufgestanden, als man ihn benachrichtigte, daß Donna Theodora mit ihrer ganzen Dienerschaft nach ihrem Schlosse Villareal abgereist sei, und daß es den Anschein habe, als werde sie sobald nicht wieder zurückkehren. Diese Nachricht war ihm weniger schmerzlich, weil er nun durch die Abwesenheit seiner Geliebten zu leiden hatte, als weil ihm aus dieser Abreise ein Geheimniß gemacht worden war. Ohne zu wissen, was er davon denken solle, beschlich ihn eine trübe Ahnung. – Er stand auf, um zu seinem Freunde zu gehen, nicht allein um mit ihm über diesen Vorfall zu sprechen, als auch um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Doch kaum hatte er sich angekleidet, als Don Juan in sein Zimmer trat und sagte: Ich komme, um die Besorgniß, die ich Euch gemacht habe, zu verscheuchen; ich befinde mich heute ziemlich gut. Diese gute Nachricht, antwortete Mendoza, tröstet mich einigermaßen über die schlechte, welche ich erhalten habe. Der Toledaner fragte, welche schlimme Nachricht dies sei, und Don Fedrigo erwiederte, nachdem er seine Leute hinausgeschickt hatte: Donna Theodora ist diesen Morgen nach ihrem Landgute abgereist, und man glaubt, daß sie lange dort bleiben werde. Diese Abreise befremdet mich, warum hat man sie mir verheimlicht? Was denkt Ihr davon, Don Juan? Habe ich nicht Ursache, mich darüber zu beunruhigen? Zarate hütete sich wohl, ihm hierüber seine Meinung zu sagen, und versuchte ihn zu überzeugen, daß Donna Theodora aufs Land gezogen sein könnte, ohne daß ein Grund vorhanden sei, darüber zu erschrecken. Doch Mendoza, der die Gründe, welche Don Juan zu seiner Beruhigung anführte, nicht wollte gelten lassen, unterbrach ihn: Ich habe den Verdacht, sagte er, und nichts kann mich davon befreien, daß ich mir durch irgend eine Unbedachtsamkeit das Mißfallen Donna Theodoras zugezogen habe; um mich zu strafen, verläßt sie mich ohne sich herabzulassen, mir zu sagen, worin mein Vergehen besteht.

Wie dem auch sein möge, ich kann nicht länger in dieser Ungewißheit leben. Kommt, Don Juan, wir wollen sie aufsuchen, ich will die Pferde satteln lassen. Ich rathe Euch, sagte der Toledaner, Niemand mit Euch zu nehmen; eure Verständigung muß ohne Zeugen stattfinden. Don Juan kann uns nie störend sein, erwiederte Don Fedrigo; es ist Donna Theodora nicht unbekannt, daß Ihr Alles wißt, was in meinem Herzen vorgeht; sie achtet Euch, und statt mich in Verlegenheit zu setzen, werdet Ihr mir vielmehr helfen, sie zu meinen Gunsten wieder zu besänftigen.

Nein, Don Fedrigo, versetzte er, meine Gegenwart kann Euch von keinem Nutzen sein. Reiset allein hin, ich beschwöre Euch. Nein, mein lieber Don Juan, erwiederte Mendoza, wir wollen zusammen gehen, ich erwarte diese Gefälligkeit von eurer Freundschaft. Welch eine Tyrannei! rief der Toledaner unmuthig; warum verlangt Ihr von meiner Freundschaft, was sie Euch nicht gewähren darf?

Diese Worte, welche für Don Fedrigo unverständlich waren, und der heftige Ton, worin sie gesprochen worden, überraschten und befremdeten ihn. Er sah seinen Freund forschend an: Don Juan, sagte er, was bedeutet das, was ich soeben vernommen? Welcher entsetzliche Argwohn steigt in mir auf! Ach, eure Zurückhaltung quält mich zu sehr, sprecht, woher kommt der Widerwille, den Ihr fühlt, mich zu begleiten?

Ich wollte es Euch verbergen, antwortete der Toledaner, aber weil Ihr mich selbst gezwungen habt, Euch diesen Widerwillen zu zeigen, so will ich ihn auch nicht leugnen. Wir müssen aufhören, mein lieber Don Fedrigo, uns über die Gleichheit unsrer Neigungen Glück zu wünschen; sie ist leider nur zu vollkommen. Die Pfeile, welche Euch verwundet haben, haben auch euren Freund nicht verschont. Donna Theodora . . . . . . Was, Ihr wart mein Nebenbuhler! unterbrach ihn Mendoza erblassend. – Von dem Augenblicke an, wo ich mir meiner Liebe bewußt wurde, habe ich sie bekämpft. Ich habe die Wittwe des Cifuentes beständig gemieden, Ihr wißt es, Ihr selbst machtet mir einen Vorwurf daraus; ich überwand wenigstens meine Leidenschaft, wenn ich sie auch nicht zu zerstören vermochte.

Gestern aber ließ mir die Dame sagen, daß sie mich in ihrem Hause zu sprechen wünsche; ich begab mich zu ihr. Sie fragte mich, warum ich sie so lange schon gemieden hätte. Ich suchte nach Entschuldigungen, sie nahm sie nicht an. Endlich sah ich mich genöthigt, ihr die wahre Ursache zu offenbaren. Ich glaubte, daß sie nach dieser Erklärung meine Absicht, sie zu fliehen, billigen würde; aber mein Unglücksstern wollte – darf ich es Euch sagen? – ja, Mendoza, ich muß es Euch sagen, ich fand Donna Theodora mir zugethan.

Obgleich Don Fedrigo der sanftmüthigste und vernünftigste Mensch von der Welt war, so gerieth er doch bei diesen Worten in Wuth, und ließ seinen Freund nicht ausreden: Haltet ein, Don Juan, rief er, durchbohrt mir lieber die Brust, als daß Ihr mit diesen unseligen Mittheilungen fortfahrt. Es ist Euch nicht genug, mir zu gestehen, daß Ihr mein Nebenbuhler seid, Ihr laßt mich auch noch erfahren, daß Ihr geliebt werdet! Gerechter Himmel! welch ein Geständniß wagt Ihr mir zu machen! Ihr stellt unsre Freundschaft auf eine zu harte Probe. Doch was sage ich, unsre Freundschaft? Ihr habt sie gebrochen, indem Ihr die treulosen Gefühle nährtet, die Ihr mir bekennt. In welchem Wahne habe ich gelebt! Ich glaubte Euch hochherzig, großmüthig, und Ihr seid nichts als ein falscher Freund, da Ihr fähig waret, eine Liebe in Euch aufkommen zulassen, die mich beschimpft. Ich fühle mich überwältigt von diesem unvorhergesehenen Schlag, ich empfinde ihn um so lebhafter, als eine Hand ihn mir versetzt hat, die . . . . . . Laßt mir mehr Gerechtigkeit widerfahren, unterbrach ihn der Toledaner, mäßigt Euch einen Augenblick; ich bin nichts weniger als ein falscher Freund. Höret mich an, und Ihr werdet es bereuen, mich so genannt zu haben.

Hierauf erzählte er ihm, was zwischen der Wittwe des Cifuentes und ihm vorgefallen war, das zärtliche Geständniß, welches sie ihm gemacht, und wie sie ihm vorgestellt habe, daß er sich ohne Bedenken seiner Leidenschaft überlassen könne. Er wiederholte ihm, was er darauf entgegnet; und wie Don Fedrigo nach und nach hörte, welche Festigkeit sein Freund gezeigt hatte, fühlte er seinen Zorn schwinden. Kurz, fügte Don Juan hinzu, die Freundschaft hat über die Liebe gesiegt, ich schlug Donna Theodoras Hand aus. Sie weinte darüber vor Verdruß, und Gott weiß, in welche Verwirrung mich ihre Thränen brachten! Ich kann nicht an die Gefahr denken, in der ich mich befand, ohne zu zittern. Ich fing an, mich grausam zu finden, und während einiger Augenblicke, Mendoza, war Euch mein Herz ungetreu. Doch unterlag ich meiner Schwäche nicht; ich entzog mich durch eine schnelle Flucht ihren so gefährlichen Thränen. Es ist aber nicht genug, diese Gefahr vermieden zu haben, die Zukunft flößt mir Furcht ein, und deswegen will ich meine Abreise beschleunigen; ich will Donna Theodoras Blicken nicht wieder begegnen. Wird nun Don Fedrigo mich noch ferner der Undankbarkeit und der Treulosigkeit beschuldigen?

Nein, erwiederte Mendoza ihn umarmend, ich weiß jetzt, daß Ihr unschuldig seid. Die Augen gehen mir auf; verzeiht die ungerechten Vorwürfe der ersten Aufwallung eines Liebenden, der sich all seiner Hoffnungen beraubt sieht. Ach! konnte ich es auch glauben, daß Donna Theodora Euch lange sehen würde, ohne durch euer liebenswürdiges Wesen, dessen Macht ich selbst empfunden habe, bestrickt zu werden? Ihr seid ein wahrer Freund, wenn ich unglücklich bin, darf ich nur mein böses Geschick deswegen anklagen; und weit entfernt, Euch zu hassen, fühle ich meine Zärtlichkeit für Euch sich verdoppeln. Wie! Ihr verzichtet meinetwegen auf den Besitz Donna Theodoras? Ihr bringt unsrer Freundschaft ein so großes Opfer, und ich sollte nicht davon gerührt sein? Ihr könnt eure Liebe überwinden, und ich sollte Euch an Edelmuth nachstehen wollen, Don Juan? folgt der Neigung, die Euch beherrscht, heirathet die Wittwe des Cifuentes, wenn auch mein Herz darüber bricht. Ich selbst dränge Euch dazu. – Ihr drängt mich vergebens, erwiederte Zarate, ich gestehe, daß ich für sie eine heftige Leidenschaft fühle, aber eure Ruhe ist mir theurer als mein Glück. Und die Ruhe Theodorens, entgegnete Don Fedrigo, darf Euch die gleichgültig sein? Täuschen wir uns nicht, die Neigung, welche sie zu Euch hat, entscheidet über mein Schicksal. Wenn Ihr Euch auch von ihr entfernen würdet, und, um mir euer Glück zu opfern, in weiter Ferne ein unseliges Leben dahinschleppen wolltet, so wäre mir dadurch doch nicht geholfen, denn ich habe ihr bisher nicht gefallen und werde ihr auch wohl niemals gefallen. Dieses Glück hat der Himmel Euch beschieden, nicht mir. Sie hat Euch vom ersten Augenblick an, wo sie Euch gesehen, geliebt, sie fühlt sich zu Euch unwillkürlich hingezogen, mit einem Wort, sie kann nur mit Euch glücklich werden. Nehmt also die Hand, die sie Euch bietet, an, erfüllt ihre und eure eignen Wünsche, überlaßt mich meinem Mißgeschick, und macht nicht drei Menschen unglücklich, wo Einer allein die ganze Strenge des Schicksals auf sich laden kann.

Asmodeus wurde hier in seiner Erzählung durch den Studenten unterbrochen, welcher ihm sagte: Was Ihr mir da erzählt, überrascht mich außerordentlich. Giebt es in der That so edle Charaktere? Ich sehe im Leben nur Freunde, die sich entzweien, und das nicht um eine Geliebte wie Donna Theodora, sondern um ausgemachte Koketten. Verzichtet wohl ein Liebender auf das Wesen, welches er anbetet, und das ihn liebt, aus Furcht, einen Freund unglücklich zu machen? Ich glaubte, das sei nur in Romanen möglich, wo man die Menschen so schildert, wie sie sein sollten, und nicht wie sie in der Wirklichkeit sind. – Ich gebe zu, antwortete der Teufel, daß dies keine gewöhnliche Erscheinung ist, doch nicht allein der Roman bringt sie hervor, sondern auch die edle Natur des Menschen. Und daß dies wahr ist, habe ich seit der Sündfluth an zwei Beispielen gesehen, das vorliegende einbegriffen. Doch laßt uns auf unsre Geschichte zurückkommen.

Die beiden Freunde ließen nicht nach, sich ihre Liebe gegenseitig zum Opfer bringen zu wollen und da der Eine der Großmuth des Andern nicht weichen wollte, so verbargen sie sich während einiger Tage ihren Liebeskummer. Sie vermieden es, von Donna Theodora zu sprechen, und wagten nicht einmal, ihren Namen zu nennen. Aber während die Freundschaft in der Stadt Valencia den Sieg über die Liebe errang, herrschte, gleichsam als ob sie sich dafür rächen wollte, die Liebe an einem andern Orte desto tyrannischer, und verlangte, daß man ihr unbedingt gehorche.

Donna Theodora überließ sich in ihrem Schlosse Villareal, welches am Meere liegt, ganz ihrer Neigung, Sie dachte ohne Unterlaß an Don Juan, und konnte die Hoffnung, noch einst die Seine zu werden, nicht aufgeben, obgleich sie nicht darauf bauen durfte nach der Erklärung, die er ihr in Beziehung auf seine Freundschaft für Don Fedrigo gegeben hatte. Eines Tages, als sie nach Sonnenuntergang mit einer ihrer Kammerfrauen am Strande des Meeres einen Spaziergang machte, erblickte sie ein kleines Fahrzeug, welches sich dem Ufer näherte. Es schien ihr anfänglich, daß sich sieben bis acht Männer von unheimlichem Aussehen darin befänden; nachdem dieselben aber nähergekommen und sie sie aufmerksamer betrachtet hatte, sah sie, daß sie Masken für Gesichter gehalten hatte. In der That, es waren maskirte Männer und sämmtlich mit Säbeln und Bajonnetten bewaffnet. Sie entsetzte sich bei ihrem Anblick, und da ihr eine Ahnung nichts Gutes weissagte, wandte sie ihre Schritte hastig gegen das Schloß zurück. Sie sah sich von Zeit zu Zeit nach ihnen um, um sie zu beobachten, und fing aus allen Kräften zu laufen an, als sie bemerkte, daß sie ans Land gestiegen waren und sie verfolgten. Da sie aber nicht so leichtfüßig war wie Atalante, die Masken dagegen leicht und stark waren, wurde sie von ihnen am Thore des Schlosses erreicht und festgehalten.

Die Dame und ihre Begleiterin erhoben ein Angstgeschrei, welches sofort einige Leute herbeirief. Diese brachten dann das ganze Schloß in Alarm, und bald stürzten sämmtliche Diener Donna Theodoras mit Knitteln und Heugabeln versehen herbei. Unterdessen hatten aber bereits zwei der stärksten Männer der maskirten Bande Donna Theodora und ihre Kammerfrau ergriffen, und trugen sie trotz ihres Widerstandes dem Boote zu, während die Uebrigen sich gegen die Leute vom Schlosse zur Wehr setzten, welche mit großer Heftigkeit auf sie eindrangen: Der Kampf währte lange, doch endlich gelang es den Vermummten, sich nach ihrem Boote zurückzuziehen, nachdem ihr Unternehmen glücklich vollführt war. Es war übrigens Zeit, daß sie sich aus dem Staube machten, denn sie waren noch nicht alle an Bord, als sie in der Richtung von Valencia vier oder fünf Reiter heransprengen sahen, die das Aeußerste aufboten, um, wie es schien, der Donna Theodora noch rechtzeitig zu Hilfe zu kommen. Bei ihrem Anblick beeilten sich die Räuber, die hohe See zu gewinnen, so daß die Eile der Cavaliere vergeblich wurde. Diese Cavaliere waren Don Fedrigo und Don Juan. Ersterer hatte selbigen Tages einen Brief erhalten, worin ihm mitgetheilt wurde, daß man aus zuverlässiger Quelle erfahren, daß Alvaro Ponce sich auf der Insel Majorca aufhalte, daß er eine Art Tartane ausgerüstet und die Absicht habe, mit Hilfe von etwa zwanzig nichtsnutzigen Gesellen, die Wittwe des Cifuentes zu entführen, sobald sich ihm eine Gelegenheit dazu böte. Auf diese Nachricht hin waren Don Fedrigo und der Toledaner, von ihren Dienern begleitet, sofort von Valencia abgereist, um Donna Theodora von diesem schändlichen Plane in Kenntniß zu setzen. Sie hatten von Weitem den stattgefundenen Kampf erblickt und da sie vermutheten, daß ihre Befürchtungen bereits eingetroffen, ließen sie ihren Pferden die Zügel schießen, um das Vorhaben Alvaros noch vereiteln zu können. Trotz ihrer Eile erreichten sie ihr Ziel aber nur, um Zeugen der Entführung zu sein, die sie hatten verhindern wollen.

Unterdessen entfernte sich Don AIvaro, stolz auf das Gelingen seiner verwegenen That, mit seiner Beute von der Küste, und sein Boot erreichte bald ein kleines bewaffnetes Fahrzeug, welches ihn auf offner See erwartete. Unmöglich kann der Schmerz geschildert werden, den Mendoza und Don Juan empfanden. Sie stießen tausend Verwünschungen gegen Don Alvaro aus, und erfüllten die Luft mit ihrem ebenso kläglichen als vergeblichen Jammergeschrei. Die sämmtliche Dienerschaft des Schlosses folgte diesem schönen Beispiel und stimmte in ihr Wehklagen ein; das ganze Ufer widerhallte von ihrem Geschrei; Wuth, Verzweiflung und Trostlosigkeit herrschten an dem traurigen Gestade. Der Raub der Helena am Hofe zu Sparta kann kaum eine größere Bestürzung verursacht haben.



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