Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Zwölftes Kapitel.

Von den Gräbern, den Schatten und dem Tode.

Bevor wir mit unsern Betrachtungen über die Lebendigen fortfahren, sagte der Teufel, wollen wir einige Augenblicke die Ruhe der in dieser Kirche beerdigten Todten stören. Laßt uns die Reihen der Gräber durchwandern, sie sollen uns enthüllen, was sie einschließen, und die Leichensteine sollen uns sagen, wer sie gesetzt hat.

Das erste Grab rechter Hand enthält die traurigen Ueberreste eines Generals, der, gleich einem zweiten Agamemnon, bei seiner Rückkehr aus dem Kriege einen Aegist in seinem Hause fand. In dem zweiten Grabe ruht ein junger Cavalier von vornehmer Herkunft, der bei einem Stiergefechte seiner Geliebten seine Gewandtheit und seinen Muth zeigen wollte und dabei von den Thieren auf eine schreckliche Art zerrissen wurde, und in dem dritten ruht ein alter Prälat, der vor der Zeit aus dieser Welt scheiden mußte, weil er bei voller Gesundheit sein Testament gemacht, und es seinen Dienstleuten, denen er als guter Herr einige Vermächtnisse bestimmte, vorgelesen hatte. Sein Koch konnte es nicht abwarten, die Erbschaft anzutreten.

Das vierte Grab ist das eines Höflings, der niemals in seinem Eifer, seinem Herrn die Aufwartung zu machen, erkaltete. Man sah ihn sechszig Jahre lang täglich beim Lever, beim Mittag- und Abendessen und beim Schlafengehen des Königs, der ihn mit Gunstbezeigungen überhäufte, um seinen Amtseifer zu belohnen. – War dieser Höfling auch gegen Andere so dienstfertig? fragte Don Cleophas.– Gegen Niemand, antwortete der Teufel; er versprach zwar viel, um sich angenehm zu machen, hielt aber niemals sein Wort. – Der Elende! rief Leandro aus; wenn man die menschliche Gesellschaft von unnützen Subjekten befreien wollte, so müßte man wahrlich mit Menschen seines Schlages den Anfang machen. – Das fünfte Grab, fuhr Asmodeus fort, deckt die sterbliche Hülle eines Edelmanns, dem das Wohl der spanischen Nation und der Ruhm seines Königs sehr am Herzen lag; er war sein ganzes Leben Gesandter, bald in Rom, bald in Frankreich, bald in England, bald in Portugal, und verschleuderte in dieser Stellung so viel Geld, daß sich bei seinem Tode nicht so viel mehr vorfand, um ihn, seinem Stande gemäß, begraben zu lassen. Doch der König übernahm in Anerkennung seiner Verdienste die Beerdigungskosten.

Jetzt wollen wir uns zu den auf der andern Seite befindlichen Grabmälern wenden. Das erste ist das eines reichen Kaufherrn, der seinen Kindern große Schätze hinterließ. Da er aber fürchtete, sie möchten ihre Abstammung vergessen, ließ er seinen Namen und Stand auf dem Denkstein aushauen, und das scheint seinen Nachkommen durchaus nicht zu gefallen.

Das Grabmal, welches nun folgt und alle übrigen an Pracht übertrifft, ist ein Kunstwerk, das die Fremden mit Bewunderung betrachten. – In der That, sagte Zambullo, es scheint mir vortrefflich; ich bin entzückt davon, besonders aber gefallen mir die beiden knieenden Figuren, welche sehr gut gearbeitet sind. Der Bildhauer, der sie gemacht hat, muß ein tüchtiger Künstler sein. Aber, ich bitte Euch, sagt mir, wer die Personen, die sie darstellen sollen, bei ihren Lebzeiten waren. – Ein Herzog und seine Gemahlin, versetzte der Hinkende. Er war Hofkellermeister, und versah seinen Posten mit großer Gewissenhaftigkeit; seine Frau war ungemein fromm. Ich muß Euch doch von dieser guten Herzogin ein Stückchen erzählen, welches Ihr für eine Frömmlerin wohl ein wenig lustig finden werdet.

Sie hatte seit langer Zeit einen Mönch zum Beichtvater mit Namen Hieronymus Aguilar, der nicht allein ein braver Mann, sondern auch ein ausgezeichneter Kanzelredner war. Sie war sehr von ihm eingenommen, bis ein Dominikaner zu Madrid erschien, der so vortrefflich predigte, daß Jedermann davon entzückt wurde. Dieser neue Redner hieß Bruder Placidus; man drängte sich zu seinen Predigten, wie zu denen des Cardinals Ximenes. Er wurde auch zum Hofe beschieden, wohin sein Ruf gedrungen war, und fand dort noch mehr Beifall wie in der Stadt.

Unsre Herzogin hielt es anfangs für eine Ehrensache, sich nicht von der allgemeinen Begeisterung für den Bruder Placidus hinreißen zu lassen, und widerstand dem Verlangen, sich selbst von seiner Beredsamkeit zu überzeugen. Sie wollte ihrem Beichtvater dadurch beweisen, daß sie als feinfühlendes Beichtkind den Aerger und die Eifersucht theile, welche dieser neue Ankömmling in ihm erregen mußte. Indessen war es nicht möglich, ihre Neugierde für immer zu unterdrücken. Der Dominikaner machte so viel Aufsehen, daß sie endlich der Versuchung, ihn zu sehen, nachgab. Sie sah ihn, hörte ihn predigen, fand ihn nach ihrem Geschmack, besuchte eifrig seine Andachten und faßte endlich den Entschluß, ihn zu ihrem Beichtvater zu machen.

Zuvor aber mußte sie sich des Paters Hieronymus entledigen, und das war eben nicht leicht. Einen geistlichen Führer kann man nicht wie einen Geliebten verabschieden; eine Frömmlerin will auch nicht für unbeständig gelten, und die Achtung des Beichtvaters, dem sie untreu wird, verlieren. Was that also die Herzogin? Sie ging zum Pater Hieronymus und sagte ihm mit so trauriger Miene, als ob sie wirklich betrübt wäre: Ehrwürdiger Vater, ich bin in Verzweiflung, Ihr seht mich in einer unbeschreiblichen Betrübniß und Verwirrung. – Was ist Euch denn begegnet? fragte Aguilar. Könnt Ihr es glauben, erwiederte sie; mein Mann, welcher stets ein unbedingtes Vertrauen in meine Tugend setzte, und mich so lange schon unter eurer Leitung sah, ohne die geringste Unruhe darüber zu zeigen, überläßt sich plötzlich der Eifersucht, und will nicht, daß Ihr länger mein Beichtvater bleibt. Habt Ihr je von einer solchen Laune gehört? Ich habe ihm vorgeworfen, daß er nicht allein mich beleidige, sondern auch einen Mann von großer Frömmigkeit, der keineswegs unter der tyrannischen Herrschaft der Leidenschaften stehe; doch habe ich sein Mißtrauen nur gesteigert, indem ich eure Partei ergriff.

Ungeachtet seiner Klugheit schenkte Pater Hieronymus diesen Mittheilungen Glauben; freilich verstand die Herzogin ihre Rolle so gut zu spielen, daß sie die ganze Welt hätte hintergehen können. Obgleich es ihm leid that, ein so vornehmes Beichtkind zu verlieren, unterließ er doch nicht, sie zu ermahnen, sich dem Willen ihres Gemahls zu fügen. Als er aber später erfuhr, daß die Dame den Bruder Placidus zu ihrem Beichtvater gewählt hatte, da gingen Seiner Hochwürden die Augen auf, und er sah, wie er sich hatte bethören lassen.

Neben dem Mausoleum des Herzogs und seiner durchtriebenen Gemahlin, fuhr der Teufel fort, sehen wir die bescheidene Grabstätte eines an Jahren sehr verschiedenen Ehepaares, nämlich eines Präsidenten des Raths von Indien und seiner jungen Frau. Dieser gute Mann heirathete in seinem drei und sechzigsten Jahre ein zwanzigjähriges Mädchen. Er hatte zwei Kinder aus erster Ehe, und war eben im Begriff, deren Enterbung in seinem Testamente zu unterzeichnen, als er vom Schlage gerührt ward und verschied. Seine Frau starb vier und zwanzig Stunden nach ihm, aus Aerger, daß er nicht drei Tage später gestorben war.

Nunmehr kommen wir zu dem ehrwürdigsten Monumente dieser Kirche, vor dem die Spanier eben so viel Ehrfurcht empfinden wie die Römer vor dem Grabe des Romulus. – Welcher berühmten Persönlichkeit ist es denn errichtet worden? fragte Leandro Perez. – Einem Premierminister der Krone Spaniens, antwortete Asmodeus, wie vielleicht die Monarchie nie wieder einen gleichen bekommen wird. Der König übergab diesem großen Manne die Zügel der Regierung, und er wußte sie so geschickt zu führen, daß der Monarch wie die Unterthanen mit ihm zufrieden waren. Der Staat blühte unter seiner Verwaltung und das Volk war glücklich. Dieser treffliche Minister war sehr religiös und human gesinnt, und zitterte doch beständig bei dem Gedanken an die große Verantwortlichkeit seines Postens, wenn er sich auch auf seinem Sterbebette nichts vorzuwerfen hatte.

Ein wenig oberhalb der Ruhestätte dieses Ministers, der es so sehr verdient, betrauert zu werden, bemerken wir in einer Ecke eine an einen Pfeiler befestigte schwarze Marmortafel. Soll ich Euch die darunter befindliche Gruft öffnen, um Euch die Ueberreste einer Bürgertochter zu zeigen, die in der Blüthe ihrer Jahre starb, und deren Schönheit Jedermann bezauberte? Jetzt ist sie in Staub zerfallen! Sie war bei ihren Lebzeiten ein so reizendes Wesen, daß ihr Vater in beständiger Angst lebte, irgend ein Liebhaber möchte sie ihm entführen, was sich freilich hätte ereignen können, wenn sie länger gelebt hätte. Drei Cavaliere, welche sie anbeteten, waren untröstlich über ihren Verlust, und nahmen sich das Leben, um ihre Verzweiflung an den Tag zu legen. Ihre tragische Geschichte ist mit goldenen Buchstaben auf diese Marmortafel eingegraben, nebst drei kleinen Figuren, welche diese drei verzweifelnden Liebhaber darstellen sollen; sie sind eben im Begriff, sich umzubringen, der Eine verschluckt eine Dosis Gift, der Zweite durchbohrt sich mit seinem Degen, und der Dritte legt sich eine Schnur um den Hals, um sich zu erhängen.

Da der Teufel bemerkte, daß der Student bei dieser Geschichte herzlich lachte und es sehr ergötzlich fand, daß man die Grabschrift der Bürgerstochter mit diesen drei Figuren geschmückt hatte, sagte er: Weil Euch diese Idee belustigt, möchte ich Euch an die Ufer des Tajo versetzen, um Euch das Monument zu zeigen, welches sich ein dramatischer Dichter errichten ließ, und zwar in einer Dorfkirche bei Almaraz, wohin er sich zurückzog, nachdem er viele Jahre hindurch in Madrid ein lustiges Leben geführt hatte. Dieser Dichter hat eine große Anzahl Stücke für das Theater geschrieben, die voll von Zweideutigkeiten und derber Witze sind. Auf seinem Todesbette empfand er Reue darüber, und um das Aergerniß, welches sie erregt hatten, abzubüßen, ließ er auf sein Grabmal eine Art Scheiterhaufen malen, welcher aus Büchern, die einige seiner Werke darstellen, aufgebaut ist; man sieht daneben die Göttin der Keuschheit, wie sie eine brennende Fackel schwingt, den Scheiterhaufen anzuzünden.

Außer den Todten, welche in den Gräbern liegen, auf die ich Euch aufmerksam gemacht habe, befinden sich hier eine große Menge Anderer, welche ganz einfach bestattet wurden. Ich sehe ihre Schatten umherirren, sie wandern auf und nieder, sie kommen und gehen, ohne die tiefe Ruhe, die an diesem heiligen Orte herrscht, zu stören. Sie reden nicht miteinander, doch lese ich in ihrem Schweigen all ihre Gedanken. – Ach, wie beklage ich, rief Don Cleophas aus, nicht wie Ihr im Stande zu sein, diese Schatten sehen zu können! – Dazu kann ich Euch verhelfen, sagte Asmodeus, nichts ist mir leichter als das. Bei diesen Worten berührte der Teufel seine Augen und ließ ihn durch einen Zauber eine große Menge weißer Fantome erblicken.

Bei der Erscheinung dieser Gespenster schauderte Zambullo. Was, sagte der Teufel, Ihr zittert? Jagen Euch diese Schatten Angst ein? Vor ihrem Anzuge dürft Ihr Euch nicht entsetzen, Ihr müßt Euch von nun an daran gewöhnen, denn Ihr werdet ihn ja auch einmal tragen; das ist die Uniform der abgeschiedenen Seelen. Beruhigt Euch also, und fürchtet nichts. Wie kommt es doch, daß Euch jetzt der Muth verläßt, der Euch doch nicht fehlte, als es galt, meinen Anblick zu ertragen? Und diese hier sind nicht so schlimm als ich!

Bei diesen Worten ermannte sich der Student und wagte kühn, die Geister anzusehen. Betrachtet Euch aufmerksam all diese Schatten, sagte der Teufel. Diejenigen, welche prachtvolle Grabmäler haben, bewegen sich unter denen, welche nur in einem armseligen Sarge beerdigt wurden, wie unter ihres Gleichen. Der Standesunterschied, welcher sie während ihres Lebens von einander fern hielt, hat jetzt aufgehört. Der Premierminister und der Hofkellermeister stehen jetzt nicht höher mehr im Range als die niedrigsten Bürger, die in dieser Kirche begraben liegen. Das Ansehen dieser vornehmen Entschlafenen hat mit ihrem Leben geendet, wie das eines Theaterhelden, wenn das Stück ausgespielt ist.

Ich bemerke einen Schatten, sagte Leandro, der ganz allein umherwandert, und die Gesellschaft der übrigen zu fliehen scheint. – Sagt vielmehr, erwiederte der Teufel, daß die Andern ihm auszuweichen suchen, denn so verhält es sich. Wißt Ihr, wer dieser Schatten ist? Er ist der eines alten Notars, der die Eitelkeit hatte, sich in einem Sarge von Blei begraben zu lassen. Das hat die übrigen bürgerlichen Todten, die in ganz einfacher Weise hier bestattet wurden, verdrossen, und um seinen Hochmuth zu demüthigen, wollen sie nicht, daß sich sein Schatten unter sie mische.

Da habe ich eben noch eine andere Beobachtung gemacht, sagte Don Cleophas. Zwei Schatten begegneten sich, blieben einen Augenblick stehen, um sich einander zu betrachten, und setzten dann ihren Weg weiter fort. – Das sind die Schatten von zwei intimen Freunden, erwiederte der Teufel, deren einer Maler, der andere Musiker war; sie waren ein wenig dem Trunke ergeben, im Uebrigen aber ganz ehrenwerthe Leute. Sie starben Beide in einem und demselben Jahre, und wenn ihre Geister sich nun begegnen, so durchzuckt sie die Erinnerung an vergangene Zeiten, und ihr trauriges Schweigen sagt: Ach, mein Freund, daß wir nun nie mehr trinken werden! – Seht dorthin, rief der Student plötzlich aus, was erblicke ich da? Im Hintergrunde dieser Kirche sehe ich zwei Schatten, die miteinander auf und abgehen; sie scheinen mir schlecht zusammen zu passen, ihre Gestalt und ihr Gang sind sehr verschieden, der Eine ist übermäßig groß und schreitet bedächtig einher, während der Andere klein und sehr behende ist. – Der große Schatten, sprach der Teufel, ist der eines Deutschen, welcher sein Leben bei einem Zechgelage einbüßte, wo er drei Gesundheiten in Wein trank, der mit Tabak gewürzt war; der Kleine ist der Schatten eines Franzosen, der, getreu der Galanterie seiner Nation, sich beim Eintritt in eine Kirche einfallen ließ, einer jungen Dame, die eben hinausgehen wollte, in höflicher Weise Weihwasser anzubieten. Noch selbigen Tages erhielt er als Lohn für seine Galanterie einen Pistolenschuß, der ihn todt zur Erde niederstreckte. – Ich meinerseits, fuhr Asmodeus dann fort, unterscheide unter der Menge drei bemerkenswerthe Geister. Ich muß Euch erzählen, auf welche Weise sie ihrer irdischen Hülle beraubt worden sind. Sie belebten früher die schönen Körper von drei Schauspielerinnen, die zu ihrer Zeit in Madrid eben so viel Aufsehen erregten wie Origo, Eitheris und Arbuscula ehemals zu Rom, und welche ebensowohl wie diese die Kunst verstanden, die Männer öffentlich zu ergötzen und im Geheimen zu ruiniren. Wollt Ihr wissen, welch ein Ende diese berühmten spanischen Schauspielerinnen nahmen? Die Eine starb plötzlich aus Neid, als sie den rauschenden Beifall hörte, der einer neuen Darstellerin bei ihrem ersten Auftreten zu Theil wurde; die Zweite hielt übermäßig viel auf gute Mahlzeiten und erlag den Folgen ihrer Unmäßigkeit, und die Dritte, welche sich auf der Bühne in der Rolle einer Vestalin zu sehr erhitzt hatte, starb hinter den Coulissen an einer unzeitigen Niederkunft. – Doch lassen wir jetzt diese Schatten in Ruhe, fuhr der Teufel fort, wir haben uns genug mit ihnen beschäftigt. Ich will Euch jetzt ein neues Schauspiel vorführen, welches einen noch stärkern Eindruck auf Euch machen wird als das erste. Ich will Euch durch dieselbe Macht, welche Euch die Schatten wahrnehmen ließ, den Tod sichtbar machen. Ihr sollt diesen grausamen Feind des Menschengeschlechts betrachten, welcher unaufhörlich die Sterblichen umkreist, ohne daß sie ihn sehen, welcher in einem Augenblick alle Theile der Welt durcheilt, und die verschiedenen Völker, die auf ihr wohnen, seine Macht fühlen läßt.

Wendet eure Blicke nach Osten; der Tod ist's, welcher dort erscheint. Eine Schaar Vögel von schlimmer Vorbedeutung fliegt unheilkrächzend vor ihm her, und verkündet sein Nahen durch ein unheimliches Geschrei. Seine unermüdliche Hand ist mit der furchtbaren Sense bewaffnet, unter der nach und nach alle Geschlechter fallen. Auf dem einen seiner Flügel befinden sich die Sinnbilder des Krieges, der Pest, der Hungersnoth, des Schiffbruchs und all der andern Unglücksfälle, die ihm jeden Augenblick eine neue Beute liefern; auf dem andern seiner Flügel erblickt man junge Aerzte, die in Gegenwart des Todes die Doktorwürde erhalten; er setzt ihnen selbst den Doktorhut auf, nachdem er sie hat schwören lassen, daß sie die medicinische Wissenschaft niemals auf eine andere Art anwenden wollen, als wie es heutzutage geschieht.

Obgleich Don Cleophas überzeugt war, daß das, was er erblickte, keine Wirklichkeit sei, und daß der Teufel ihm nur zu seinem Vergnügen den Tod unter dieser Gestalt zeigte, konnte er ihn doch nicht ohne Furcht ansehen; er faßte sich indessen und sagte zum Teufel: Diese entsetzliche Gestalt wird ohne Zweifel nicht über Madrid hinwegeilen ohne ihre Spuren zurückzulassen. – Gewiß nicht, antwortete der Hinkende, sie kommt nicht umsonst hierher, und es hängt nur von Euch ab, ob Ihr Zeuge von dem sein wollt, was sie anrichten wird. – Ich nehme Euch beim Wort, rief der Schüler, laßt uns ihre Spur verfolgen und sehen, gegen welche unglückliche Familien sie ihre Wuth richten wird. Ach, wie viele Thränen werden fließen! – Daran zweifle ich nicht, erwiederte Asmodeus, doch werden auch viele erzwungene darunter sein. Der Tod verursacht ungeachtet des Schreckens, der ihn begleitet, ebenso viel Freude als Schmerz.

Unsere beiden Zuschauer folgten alsbald dem Tode auf seinem Fluge, um sein Thun zu beobachten. Er trat zunächst in eine bürgerliche Wohnung, worin der Hausherr in den letzten Zügen lag. Er berührte ihn mit seiner Sense, und der Kranke verschied in der Mitte seiner Familie, welche alsbald in ein rührendes Wehklagen und Jammern ausbrach. Das ist keine Verstellung, sagte der Teufel; dieser Bürger wurde von seiner Frau und seinen Kindern zärtlich geliebt, außerdem bedurften sie seiner als ihres Ernährers; ihr Kummer ist also nicht erheuchelt. Anders verhält es sich mit dem, was sich in diesem zweiten Hause ereignet. Hier seht Ihr, wie der Tod sich einem bettlägrigen Greise naht. Es ist ein Rathsherr, der immer im ehelosen Stande gelebt und sich sehr eingeschränkt hat, um ein beträchtliches Vermögen zu sammeln, das er drei Neffen hinterläßt, die sich auf die Nachricht von seinem nahen Ende eiligst bei ihm eingefunden haben. Sie haben eine außerordentliche Betrübniß an den Tag gelegt, und ihre Rolle sehr gut gespielt. Jetzt aber legen sie die Maske ab, und wenn sie bisher die Miene betrübter Verwandten gezeigt haben, so treten sie jetzt als Erben auf, und fangen an alles zu durchsuchen. Sie finden sehr viel Gold und Silber und einer der Erben sagt eben zu den andern: Welch ein Vergnügen ist es, alte Knauser von Oheimen zu haben, die allen Genüssen des Lebens entsagen, um sie später ihren Neffen zu verschaffen. – Das ist eine schöne Leichenrede! sagte Leandro Perez. – Meiner Treu, erwiederte der Teufel, die Mehrzahl der reichen Väter, welche lange leben, dürfen von ihren eignen Kindern keine andere erwarten.

Während diese lachenden Erben die Schätze des Verstorbenen nachsuchen, eilt der Tod nach einem großen Hotel, wo ein junger Edelmann wohnt, der die Blattern hat. Er ist einer der liebenswürdigsten Cavaliere des Hofes und muß in der Blüthe seiner Jahre sterben, ungeachtet des berühmten Arztes, der ihn behandelt, oder vielleicht eben, weil ihn dieser Doktor behandelt. Überseht, mit welcher Geschwindigkeit der Tod seine Arbeit vollbringt: kaum hat er das Schicksal dieses jungen Edelmannes entschieden, als er schon wieder nach einer andern Beute ausspäht. Er hält über einem Kloster an, er steigt in eine Zelle hinab, stürzt sich auf einen guten Mönch, und zerschneidet den Faden des bußfertigen Lebens, welches dieser seit vierzig Jahren geführt hat. So schrecklich der Tod auch ist, so hat er doch diesen frommen Mann nicht erschreckt. Dafür wird er aber das Hotel, welches er jetzt betritt, mit Entsetzen erfüllen. Er nähert sich einem angesehenen Licentiaten, der vor Kurzem zum Bischofe von Albarazin ernannt ist. Dieser Prälat ist einzig und allein mit den Vorbereitungen zu seinem Einzug in seine Diöcese beschäftigt, den er mit all dem Pompe halten will, mit welchem sich heut die Kirchenfürsten umgeben. Er denkt an nichts weniger, als an den Tod, und doch wird er gleich die Reise in jene Welt antreten müssen, und dort gleich jenem armen Pater ohne Gefolge ankommen. Wer weiß, wer von den Beiden daselbst die günstigste Aufnahme finden wird!

O Himmel, rief Zambullo plötzlich aus, der Tod nimmt jetzt seinen Weg nach dem Palaste des Königs, ich fürchte, daß der Barbar durch einen Streich seiner Sense ganz Spanien in Bestürzung versetze. – Ihr habt alle Ursache zu zittern, sagte der Hinkende, denn der Tod hat eben so wenig Rücksicht gegen die Könige wie gegen ihre Kammerdiener. Aber beruhigt Euch, er hat es diesesmal noch nicht auf den König abgesehen; er wird über einen seiner Höflinge herfallen, einen jener Müßiggänger, deren einzige Beschäftigung darin besteht, ihrem Herrn den Hof zu machen. Das sind eben nicht die Staatsmänner, die schwer zu ersetzen sind. – Es scheint mir aber, bemerkte der Student, daß der Tod es nicht dabei bewenden lasse, diesen Höfling aus der Welt geschafft zu haben, er verweilt auch noch auf jener Seite des Palastes, wo die Gemächer der Königin liegen. – Das ist wahr, erwiederte der Teufel, der Tod will dort ein gutes Werk verrichten, und einem boshaften Weibe, welches sich beständig ein Vergnügen daraus machte, am Hofe der Königin Unfrieden zu stiften, den Mund für immer verschließen. Sie wurde krank vor Aerger, als sie sah, wie sich zwei Damen, die sich verfeindet hatten, aufrichtig wieder aussöhnten.

Ihr werdet sogleich ein durchdringendes Geschrei hören, fuhr der Teufel fort; der Tod ist eben in ein schönes Hotel linker Hand getreten; es wird dort eine der traurigsten Scenen, die man auf der Bühne der Welt sehen kann, stattfinden. – In der That, sagte Don Cleophas, ich erblicke eine Dame, die sich das Haar ausrauft, und kaum von ihren Frauen zu halten ist. Warum ist sie so außer sich? – Seht Euch in dem gegenüberliegenden Gemach um, antwortete der Teufel, und die Ursache wird Euch klar werden. Ihr seht dort einen Mann auf einem prachtvollen Bette ausgestreckt: das ist ihr Gemahl, der seinen Geist aufgiebt; sie ist untröstlich. Ihre Geschichte ist rührend und verdient aufgezeichnet zu werden. Ich hätte wohl Lust, sie Euch zu erzählen.

Das wird mir lieb sein, erwiederte Leandro, das Traurige bewegt mich nicht weniger, als mich das Lächerliche erheitert. – Die Geschichte ist ein wenig lang, versetzte Asmodeus, doch ist sie zu anziehend, um Euch langweilen zu können. Ueberdieß muß ich gestehen, daß ich, so sehr ich auch Teufel bin, es doch nachgerade müde werde, dem Tode zu folgen. Lassen wir ihn weiter ziehen, um neue Opfer zu suchen. – Ich bin damit zufrieden, sagte Zambullo, ich will lieber die Geschichte, die Ihr mir erzählen wollt, anhören, als das ganze Menschengeschlecht nach und nach zu Grunde gehen sehen. Nachdem der Teufel den Studenten auf eins der höchsten Häuser in der Alcalastraße versetzt hatte, begann er seine Erzählung folgendermaßen:



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