Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Zweites Kapitel.

Weiteres von der Befreiung des Asmodeus.

Der Dämon sah, daß sein Anblick den Studenten nicht zu seinen Gunsten einnahm und sagte lächelnd: Hier, Senhor Don Cleophas Leandro Perez Zambullo, seht Ihr den reizenden Liebesgott, den souveränen Beherrscher der Herzen vor Euch. Wie scheint Euch mein Aussehn und meine Schönheit? Sind die Dichter nicht ausgezeichnete Schilderer? – Offen gestanden, antwortete Don Cleophas, sie schmeicheln ein wenig. Ich darf voraussetzen, daß Ihr nicht in dieser Gestalt Psychen erschient! – Das in der That nicht, fiel der Teufel ein; ich nahm die eines kleinen französischen Marquis an, um sie plötzlich in mich verliebt zu machen. Wenn das Laster keine angenehme Hülle annähme, würde es nicht anlocken. Ich schlüpfe nach Belieben in jede Gestalt und ich hätte mich euren Augen in einer schöneren und idealeren Form darstellen können; aber da ich mich Euch ganz ergeben habe und Euch nichts zu verhüllen beabsichtige, so habe ich gewollt, daß Ihr mich in der Gestalt sähet, welche mit der Meinung, die man von mir und meinen Beschäftigungen hat, in Einklang steht.

Ich bin nicht überrascht, sagte Leandro, daß Ihr ein wenig häßlich seid . . . verzeiht mir den Ausdruck; der Verkehr, den wir zusammen haben werden, fordert Offenheit. Aber eure Züge stimmen sehr wenig zu der Vorstellung, welche ich mir von Euch machte; und ich bitte Euch, erklärt mir, weshalb Ihr denn hinkt?

Das stammt, antwortete der Teufel, von einem Streit her, den ich einst in Frankreich mit Pillardoc, dem Teufel des Eigennutzes, hatte. Es handelte sich darum, wer von uns beiden einen jungen, aus der Provinz Maine nach Paris gekommenen und da sein Glück suchenden Menschen besitzen sollte. Da es ein ausgezeichnetes Subjekt, ein Bursche von großen Talenten war, so geriethen wir in heftigen Zank seinetwegen. Wir schlugen uns in der mittleren Luftregion. Pillardoc war der stärkere und warf mich auf die Erde nieder in derselben Weise, wie einst Jupiter nach der Poeten Behauptung den Vulkan zur Erde niederschleuderte.

Die Aehnlichkeit dieser Geschichten war die Ursache, daß meine Genossen mich den hinkenden Teufel nannten. Sie gaben mir diesen Beinamen, um mich zu verhöhnen, und seitdem ist er mir geblieben. Uebrigens bin ich trotz dieses Fehlers flink genug auf den Beinen. Ihr werdet schon Zeuge meiner Behendigkeit werden.

Aber, fuhr er fort, beenden wir dieses Geplauder. Machen wir, daß wir aus dieser Bude fortkommen; der Zauberer wird bald heraufgestiegen kommen, um an der Unsterblichkeit einer schönen Sylphide zu arbeiten, die ihn jede Nacht hier besucht. Wenn er uns überraschte, würde er, ohne viel Umstände zu machen, mich wieder in die Flasche stecken, und wäre im Stande, Euch ebenso unterzubringen. Werfen wir vorher die Trümmer der zerbrochenen Phiole durchs Fenster, damit der Hexenmeister meine Befreiung nicht gewahr werde.

Wenn er sie nach unserer Entfernung bemerkte, sagte Zambullo, was würde dann die Folge sein? – Was die Folge sein würde? antwortete der Hinkende – man sieht wohl, daß Ihr das Buch vom Höllenzwang nicht gelesen! Wenn ich mich auch bis zu den Enden der Welt oder der Region, welche die Salamander in Flammen bewohnen, flüchtete, um mich zu verbergen; wenn ich niederstiege zu den Gnomen oder in die tiefsten Abgründe des Meeres, so würde ich da vor seiner Rache nicht geschützt sein. Er würde Beschwörungen anstellen, so stark, daß die ganze Hölle davon erbebte. Ich möchte ihm noch so hartnäckig widerstreben, ich müßte vor ihm erscheinen, um die Strafe über mich ergehen zu lassen, die er mir auferlegen würde.

Wenn das ist, nahm der Student das Wort, dann, fürchte ich, wird unsere Verbindung nicht von langer Dauer sein. Dieser fürchterliche Schwarzkünstler wird eure Flucht bald entdecken. – Das kann ich nicht wissen, versetzte der Geist, weil uns unbekannt ist, was sich ereignen wird. – Wie, rief Leandro Perez aus, die Dämonen blicken nicht in die Zukunft? – Nein, entgegnete der Teufel; diejenigen, welche sich in dieser Beziehung auf uns verlassen, sind große Narren. Darum auch bringen die Wahrsager und Wahrsagerinnen so viel Dummheiten vor und lassen so viele von den vornehmen Damen begehen, die von ihnen Aufschluß über zukünftige Ereignisse verlangen. Ich weiß also nicht, ob der Zauberer meine Entfernung bald bemerken wird; aber ich hoffe, daß er es nicht thun wird. Es sind mehrere solcher Phiolen wie die, worin ich eingesperrt war, da; es wird ihm nicht auffallen, daß diese fehlt. Zudem kann ich Euch sagen, daß ich in seinem Laboratorium bin wie ein Rechtsbuch in der Bibliothek eines Wucherers; er denkt nicht an mich; und wenn er an mich dächte – er erweist mir nie die Ehre, sich mit mir zu unterhalten; er ist der stolzeste Hexenmeister, den ich kenne. Seit der Zeit, daß er mich eingeschlossen hielt, hat er sich nicht ein einziges Mal herabgelassen, das Wort an mich zu richten.

Welch ein Mann! sagte Don Cleophas. Was habt Ihr denn gethan, Euch seinen Haß zuzuziehen? – Ich habe einen von seinen Plänen durchkreuzt, antwortete Asmodeus. Es war eine Stelle in einer gewissen Akademie erledigt; er verlangte sie für einen seiner Freunde; ich wollte sie einem Anderen ertheilen lassen; der Zauberer machte einen Talisman, zusammengesetzt aus den mächtigsten Charakteren der Kabala; ich dagegen brachte meinen Mann in den Dienst eines großen Ministers, dessen Name den Sieg davon trug über den Talisman. –

Nachdem er so geredet, raffte der Dämon alle Stücke der zerbrochenen Phiole zusammen und warf sie durchs Fenster. Senhor Zambullo, sagte er dann zu dem Studenten, machen wir uns jetzt so bald wie möglich aus dem Staube; nehmt den Zipfel meines Mantels und fürchtet nichts. So gefährlich dieser Vorschlag dem Don Cleophas auch erschien, so zog er doch vor, ihn anzunehmen, als der Rache des Zauberers ausgesetzt zu bleiben; er klammerte sich so gut er konnte an den Teufel an, der ihn im Augenblick hinwegführte.



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