Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Sechszehntes Kapitel.

Von Träumen.

Als Asmodeus die Erzählung dieser Geschichte geendet hatte, sagte ihm Don Cleophas: Das ist ein sehr seltenes Gemälde der Freundschaft; aber wenn es selten, zwei Leute sich lieben zu sehen, wie Don Juan und Fedrigo, so glaube ich, daß man noch mehr Mühe hätte, zwei Freundinnen zu finden, die als Nebenbuhlerinnen sich so edelmüthig das gegenseitige Opfer eines Geliebten brächten.

Das, antwortete der Teufel, hat man ohne Zweifel noch nicht gesehen, und man wird es vielleicht niemals sehn. Die Frauen lieben sich nicht. Nehmen wir zwei, die vollkommen einig sind; ich räume sogar ein, daß eine von der andern in deren Abwesenheit nicht das geringste Ueble sagt, so sehr sollen sie Freundinnen sein; Ihr besucht sie alle Beide, Ihr neigt Euch mehr der einen Seite zu – und augenblicklich haben wir auf der andren die Wuth; nicht weil die Wüthende Euch liebte – aber sie wollte den Vorzug. So ist der Charakter der Weiber; sie sind zu eifersüchtig auf einander, um zur Freundschaft fähig zu sein.

Die Geschichte dieser zwei Freunde ohne Gleichen, bemerkte Leandro Perez, ist ein wenig romantisch und hat uns weitab geführt. Die Nacht ist sehr vorgerückt; wir werden in einem Augenblick die ersten Strahlen des Tages erscheinen sehn; ich erwarte von Euch ein neues Vergnügen. Ich sehe viele Personen, die im Schlafe liegen; ich möchte aus Neugier, daß Ihr mir die verschiedenen Träume, die sie haben mögen, sagtet. – Sehr gern, antwortete der Teufel; Ihr liebt die wechselnden Bilder und ich werde Euch zufrieden stellen.

Ich glaube, sagte Zambullo, ich werde von sehr lächerlichen Träumen hören. – Weshalb? antwortete der Hinkende; Ihr habt doch euren Ovid inne, wißt Ihr nicht, daß dieser Dichter sagt, um Tagesanbruch enthielten die Träume mehr Wahrheit, weil um diese Zeit die Seele der aus dem Magen kommenden Dünste entledigt ist? – Was mich angeht, versetzte Don Cleophas, so mag Ovid sagen, was er will, ich glaube nicht an Träume. – Das ist Unrecht, sagte Asmodeus, man muß sie weder als Chimäre behandeln, noch an alle glauben; es sind Lügner, die zuweilen die Wahrheit sagen. Der Kaiser Augustus, der wohl so gescheut war, wie ein Student, verachtete Träume, welche ihn betrafen, nicht; und es ist ihm sehr wohl bekommen, daß er bei der Schlacht von Philippi in Folge eines Traumes, den man ihm erzählt hatte, sein Zelt verließ. Ich könnte Euch tausend andre Beispiele aufzählen, die Euch die Verwegenheit eures Urtheils zeigten; aber ich übergehe sie, um das neue Verlangen, das Euch quält, zu erfüllen.

Beginnen wir in diesem Hotel zur rechten Hand. Der Herr des Hauses, den Ihr in diesem reichen Apartement schlafen seht, ist ein freigebiger und galanter Graf. Er träumt, er sei im Schauspielhause, wo er eine junge Schauspielerin singen hört und sich der Stimme dieser Sirene ergiebt.

In dem daranstoßenden Apartement ruht die Gräfin, seine Gemahlin, die wüthend das Spiel liebt. Sie träumt, sie habe kein Geld und daß sie Schmucksachen bei einem Juwelier verpfände, der ihr gegen einen sehr ansehnlichen Profit dreihundert Pistolen leihe.

In dem nächsten Hotel auf derselben Seite wohnt ein Marquis von demselben Charakter, wie der Graf, der in eine berühmte Kokette verliebt ist. Er träumt, daß er eine beträchtliche Summe aufnehme, um ihr ein Geschenk zu machen; und sein Intendant, der ganz oben im Hotel schläft, träumt, daß er sich in demselben Maß, wie sein Herr sich ruinire, bereichere. Was scheint Euch nun von diesen Träumen? Nennt Ihr sie aberwitzig? – Nein, wahrhaftig, antwortete Don Cleophas, ich sehe wohl, daß Ovid Recht hat; aber ich möchte wissen, wer der Mann ist, den ich wahrnehme – er hat den Schnurrbart in Haarwickeln und behält im Schlafe eine Miene von Gewichtigkeit bei, die mich annehmen läßt, daß er etwas Besonderes sein muß. – Es ist ein Edelmann aus der Provinz, antwortete der Dämon, ein aragonesischer Viconde; ein eitler und stolzer Mensch; seine Seele schwimmt in diesem Augenblick in Wonne. Er träumt, daß er mit einem Grande zusammen ist, der ihm bei einer öffentlichen Ceremonie den Vorrang läßt.

Aber ich sehe im selben Hause zwei Brüder, die Aerzte sind und sehr niederschlagende Träume haben. Der eine träumt, daß man ein Gesetz verkünde, welches verbietet, Aerzte zu bezahlen, wenn sie ihre Kranken nicht geheilt haben; und sein Bruder träumt, daß der Befehl ergeht, die Aerzte sollen den Trauerzug bei jedem Begräbniß eines Kranken anführen, der unter ihren Händen gestorben ist. – Ich wünschte, sagte Zambullo, daß dieser letzte Befehl wirklich erginge, und daß ein Arzt sich beim Begängniß seines Kranken einfände, wie ein Criminallieutenant in Frankreich der Hinrichtung eines Verbrechers, den er verurtheilt hat, beiwohnen muß. – Der Vergleich gefällt mir, sagte der Teufel; man könnte behaupten, daß der Eine ginge, seine Sentenz ausführen zu lassen und daß der Andere sie schon habe ausführen lassen.

Ach, rief der Student, wer ist die Gestalt da, die sich die Augen reibt und hastig aufspringt? – Es ist ein Mann von Stande, der sich um eine Statthalterstelle in Neuspanien bewirbt. Ein fürchterlicher Traum hat ihn aufgeschreckt; er träumte, daß der Premierminister ihn schief anblicke. – Ich sehe auch eine junge Dame, die erwacht und mit dem Traum, den sie gehabt hat, nicht zufrieden ist. – Es ist ein vornehmes, junges Mädchen, ebenso tugendhaft als schön, das zwei Anbeter hat, welche sie belagern; den einen davon liebt sie zärtlich und gegen den andern hat sie eine Abneigung, die bis zum Abscheu geht. In ihrem Traume sah sie eben den Anbeter, welchen sie verabscheut, zu ihren Knien; er war so leidenschaftlich, so drängend, daß, wenn sie nicht erwacht wäre, sie ihm eine Gunst gewährt haben würde, wie sie sie nie dem Geliebten erwiesen. Die Natur schüttelt während des Schlummers das Joch der Vernunft und Tugend ab!

Werft eure Augen auf das Haus, welches die Ecke dieser Straße bildet; es ist die Wohnung eines Procurators. Ihr seht ihn mit seiner Frau zu Bette liegen, in einer Kammer, worin eine alte gewirkte Tapete mit Figuren und zwei neben einander stehende Betten sind. Er träumt, daß er einen seiner Clienten im Hospital besuchen will, um ihm aus seiner eigenen Tasche beizustehen; und die Procuratorin träumt, daß ihr Gatte einen großen Schreiber, auf den er eifersüchtig geworden, zum Hause hinausjagt.

Ich höre in der Nähe schnarchen, sagte Leandro Perez, und ich glaube, daß es der dicke Mensch ist, den ich in einem kleinen Gebäudetheile wahrnehme, welcher an die Wohnung des Procurators stößt. – Richtig, antwortete Asmodeus, es ist ein Kanonikus, der träumt, daß er sein »Benedicite« sagt.

Er hat zum Nachbar einen Seidenhändler, der seine Waare sehr theuer verkauft, aber an vornehme Leute auf Kredit. Er hat mehr als hundert tausend Dukaten ausstehen. Er träumt, daß alle seine Schuldner ihm Geld bringen, und seine Correspondenten ihrerseits glauben, daß er im Begriff ist, Bankerott zu machen. – Diese beiden Träume, sagte der Student, sind nicht aus demselben Thore im Tempel des Traumgotts hervorgegangen! – In der That nicht, antwortete der Dämon; der erste ist sicherlich durch das Thor von Elfenbein gekommen und der zweite durch das hörnerne Thor.

Das Haus, welches an das des Kaufmannes stößt, wird von einem berühmten Buchhändler bewohnt. Er hat kürzlich ein Buch verlegt, das einen großen Erfolg hatte. Bei der Ausgabe desselben versprach er dem Verfasser fünfzig Pistolen, falls sein Werk eine zweite Auflage erlebte, und er träumt eben, daß er diese veranstaltet, ohne jenen davon zu benachrichtigen.

O bei dem Traume braucht man nicht zu fragen, sagte Zambullo, aus welchem Thore er gekommen; ich zweifle nicht, daß er sich vollständig erfüllen wird. Ich kenne die Herrn Buchhändler – sie machen sich kein Gewissen daraus, die Schriftsteller zu betrügen. – Nichts ist wahrer, versetzte der Hinkende; aber Ihr müßt auch die Herrn Schriftsteller kennen lernen; sie sind nicht gewissenhafter, als die Buchhändler. Ein kleiner Vorfall, der sich in Madrid ereignet hat, ohne daß hundert Jahre darüber verflossen wären, wird es Euch beweisen.

Drei Buchhändler aßen in einem Wirthshause zu Abend; das Gespräch kam auf die Seltenheit der guten neuen Bücher. Meine Freunde, äußerte darüber einer der Gäste, ich will Euch im Vertrauen sagen, daß ich in den letzten Tagen einen hübschen Schnitt gemacht habe. Ich habe ein Manuscript gekauft, das freilich ein wenig theuer ist – aber es ist von einem Verfasser . . . das reine gediegene Gold! Ein anderer Buchhändler nahm darauf das Wort und rühmte sich gleicherweise, einen vortrefflichen Einkauf am vergangenen Tage gemacht zu haben. Und ich, meine Herrn, rief seinerseits der dritte, ich will an Offenheit nicht hinter euch zurückstehen; ich will euch die Perle aller Manuscripte zeigen; ich habe heute das Glück gehabt, es ankaufen zu können. Zugleich zog Jeder aus seiner Tasche das kostbare Manuscript hervor, das er gekauft haben wollte, und da es sich herausstellte, daß es ein neues Theaterstück, betitelt: »Der ewige Jude« war, so fühlten sie sich höchlich überrascht, zu sehen, daß es ein und dasselbe Werk sei, das jedem einzeln verkauft worden war.

Ich entdecke in einem andern Hause, fuhr der Teufel fort, einen schüchternen und ehrfurchtsvollen Liebhaber, der eben aufwacht. Er liebt eine Wittwe vom lebhaftesten Naturell; er träumte, er sei mit ihr in einem einsamen Gehölze und er habe ihr die zärtlichsten Redensarten gesagt und sie habe ihm geantwortet: Ach, wie verführerisch seid Ihr; Ihr würdet mich bethören, wenn ich nicht auf der Hut wäre gegen die Männer; aber sie sind Betrüger, ich verlasse mich nicht auf ihre Worte, ich will Thaten sehen. Und welche Thaten, Senhora, verlangt Ihr von mir? hat der Liebhaber entgegnet; soll ich, um Euch die Heftigkeit meiner Liebe zu beweisen, die zwölf Arbeiten des Hercules unternehmen? O nein, Don Nicasio, hat die Dame geantwortet, so viel verlange ich von Euch nicht! Darüber ist er aufgewacht.

Erklärt mir, ich bitte Euch, sagte der Student, weshalb jener in einem braunen Bette liegende Mann wie ein Besessener um sich schlägt. – Das ist, antwortete der Hinkende, ein geschickter Licentiat, der einen Traum hat, welcher ihn furchtbar aufregt. Er träumt, daß er eine Disputation hält und die Unsterblichkeit der Seele gegen einen kleinen Doktor der Medicin vertheidigt, welcher ebenso guter Katholik als Arzt ist. Im zweiten Stock bei dem Licentiaten wohnt ein Edelmann aus Estremadura, genannt Don Baltasar Fanfarronico, der mit der Post gekommen ist, um bei Hofe eine Belohnung zu erwirken, weil er durch einen Büchsenschuß einen Portugiesen erlegt hat. Wißt Ihr, welchen Traum er hat? Er träumt, daß man ihm die Statthalterei von Antequera überträgt, und dennoch ist er nicht zufrieden; er glaubt, ein Vicekönigthum verdient zu haben!

Ich nehme in einem Hotel garni zwei Personen von Bedeutung wahr, die sehr unangenehme Träume haben. Der Eine, der Gouverneur einer Festung ist, träumt, er sei darin belagert und nach kurzer leichter Gegenwehr sei er gezwungen, sich mit seiner Garnison als Kriegsgefangen zu ergeben. Der Andere ist der Bischof von Murcia; der Hof hat diesen beredten Prälaten mit der Leichenrede für eine Prinzessin beauftragt, und er muß sie in zwei Tagen halten. Er träumt, er stehe auf der Kanzel und bleibe gleich nach dem Eingang seiner Rede stecken. – Es ist nicht unmöglich, sagte Don Cleophas, daß dies Unglück ihm in der That zustößt. – Nein, wirklich nicht, fiel der Teufel ein, und es ist sogar noch nicht lange her, daß es bei einer ähnlichen Gelegenheit Seinen bischöflichen Gnaden so ergangen ist.

Soll ich Euch einen Nachtwandler zeigen? Ihr braucht nur in die Ställe dieses Hotels zu blicken; was seht Ihr darin? – Ich sehe, antwortete Leandro Perez, einen Mann im Hemde, der geht und, wie es scheint, eine Striegel in der Hand hält. – So ist es, versetzte der Dämon, es ist ein Reitknecht, der im Schlafe ist. Er hat die Gewohnheit, sich des Nachts aus seinem Bette zu erheben und im Schlafe seine Pferde zu striegeln, wonach er sich wieder niederlegt. Man bildet sich im Hotel ein, es sei die Arbeit eines Kobolds und der Reitknecht selber glaubt es wie die andern.

In einem großen Hause, dem Hotel garni gegenüber, wohnt ein alter Ritter des goldnen Vließes, der einst Vicekönig von Mexico war. Er ist krank und da er sein Ende bevorstehen glaubt, beginnt sein Vicekönigthum ihn zu beunruhigen; allerdings hat er es in einer Weise verwaltet, die seine Unruhe rechtfertigt. Die Chronik von Neuspanien hat nicht viel Rühmliches von ihm aufgezeichnet. Eben hat er einen Traum gehabt, dessen ganze Schrecken sich noch nicht verflüchtigt haben, und der vielleicht Schuld an seinem Tode sein wird. – Dann muß dieser Traum, sagte Zambullo, ganz besonderer Art gewesen sein. – Ihr sollt ihn hören, entgegnete Asmodeus; er hat in der That etwas Seltsames. Der alte Herr träumte eben, er sei im Thale der Todten, wo alle Mexikaner, die Opfer seiner Ungerechtigkeit und Grausamkeit geworden, sich um ihn geschaart und auf ihn gestürzt haben, um ihn mit Vorwürfen und Schmähungen zu überhäufen; sie haben ihn sogar in Stücke reißen wollen, aber er hat die Flucht ergriffen und hat sich vor ihrer Wuth gerettet. Darauf hat er sich in einem großen, ganz mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Saale befunden, in welchem er seinen Vater und seinen Großvater an einem Tische sitzen gesehen, auf welchem drei Couverts standen. Die beiden düstren Gäste haben ihn zu sich heran gewinkt und sein Vater hat mit dem Ernst, den alle Verstorbene haben, zu ihm gesprochen: Wir haben dich seit langer Zeit erwartet; komm, deinen Platz neben uns einzunehmen.

Welch häßlicher Traum! rief der Student aus; ich verzeihe dem Kranken, daß er davon erschüttert ist. – Im Gegensatz dazu, sagte der Hinkende, bringt seine Nichte, die in einem Gemache über dem seinigen schläft, die Nacht sehr angenehm zu; der Schlummer malt ihr die reizendsten Bilder aus. Es ist ein Mädchen von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, häßlich und schlecht gewachsen. Sie träumt, daß ihr Onkel, dessen einzige Erbin sie ist, nicht mehr lebt, und daß sie eine Schaar liebenswürdiger Herrn um sich sehe, welche sich den Ruhm streitig machen, ihr zu gefallen.

Wenn ich mich nicht täusche, sagte Don Cleophas, so höre ich hinter uns lachen. – Ihr täuscht Euch nicht, versetzte der Teufel, es ist eine Frau, die dicht in unsrer Nähe im Schlafe lacht, eine Wittwe, die die Spröde spielt und nichts so sehr liebt, als Klatscherei. Sie träumt, daß sie sich mit einer alten Frömmlerin unterhält, deren Geschwätz ihr so viel Vergnügen macht.

Ich, für mein Theil, muß lachen, indem ich in einer Kammer unter dieser Frau einen Bürger sehe, der Mühe hat, sich ehrlich mit dem wenigen Vermögen, das er besitzt, durchzuschlagen. Er träumt, daß er Gold- und Silberstücke aufraffe und je mehr er aufrafft, desto mehr findet er aufzuraffen; er hat schon einen großen Koffer damit angefüllt. – Der arme Bursche! sagte Leandro; er wird seinen Schatz nicht lange genießen. – Bei seinem Erwachen, versetzte der Hinkende, wird er wie ein in Wirklichkeit Reicher sein, der stirbt – er wird seinen Reichthum verschwinden sehn.

Wenn Ihr neugierig seid, die Träume von zwei Comödiantinnen zu erfahren, die zusammen wohnen, so will ich sie Euch sagen. Die eine träumt, daß sie mit der Lockpfeife Vögel auf der Leimruthe fängt, daß sie sie pflückt wie sie ihr in die Hände gerathen, und daß sie sie einem schönen Kater zu verschlingen giebt, in den sie vernarrt ist und der allen Vortheil davon hat. Die andere träumt, daß sie Windspiele und dänische Hunde aus ihrem Hause vertreibt, an denen sie sich lange ergötzt hat und die sie nicht länger haben will, um nur noch einen kleinen, ganz allerliebsten Spitz zu halten, den sie in ihr Herz geschlossen hat.

Das sind ein Paar verrückte Träume, rief der Student aus; ich glaube, daß wenn es in Madrid, wie ehemals in Rom, Traumdeuter gäbe, sie sehr in Verlegenheit gerathen würden, diese Träume auszulegen. – Nicht zu sehr, antwortete der Teufel; wenn sie nur ein wenig in das heutige Treiben des Comödiantenvolks eingeweiht wären, würden sie bald Sinn und Verstand darin finden.

Was mich angeht, so begreife ich nichts davon, und kümmere mich auch nicht darum, entgegnete Don Cleophas; ich möchte lieber erfahren, wer jene Dame ist, die in einem prächtigen Bette von gelbem mit silbernen Franzen besetzten Sammt schläft, und neben der sich auf einem Gueridon ein Buch und ein Armleuchter befinden. – Das ist, erwiederte der Dämon, eine hochgeborene Dame, die eine sehr glänzende Equipage hat und Gefallen daran findet, ihre Livree von hübschen jungen Leuten getragen zu sehen. Eine ihrer Gewohnheit ist, im Bette zu lesen; ohne das würde sie die ganze Nacht das Auge nicht schließen können. Am gestrigen Abende las sie die Verwandlungen des Ovid, und diese Lectüre ist Ursache, daß sie in diesem Augenblicke einen sehr verwunderlichen Traum hat; sie träumt, daß Jupiter in sie verliebt geworden ist, und daß er sich unter der Gestalt eines großen, außerordentlich wohlgebauten Pagen in ihre Dienste begiebt.

Aber da wir von Verwandlungen reden, so vernehmt von einer andern, die mir ergötzlicher scheint. Ich sehe einen Schauspieler, der in tiefem Schlafe sich eines Traums erfreut, welcher ihm außerordentlich schmeichelt. Dieser Schauspieler ist so alt, daß Niemand in Madrid ist, welcher sagen könnte, ihn zuerst auftreten gesehen zu haben. Er ist nun seit so langer Zeit auf der Bühne erschienen, daß er so zu sagen vollständig verbühnt ist. Er hat Talent und ist so stolz und eitel darauf, daß er sich einbildet, ein Wesen wie er stehe über den Menschen. Wißt Ihr, welchen Traum dieser Coulissenheld eben hat? Er träumt, daß er stirbt, und daß er alle Gottheiten des Olymp versammelt sieht, um zu berathen, was sie aus einem Sterblichen von solcher Bedeutung wie er machen sollen. Er hört Merkur, der dem Götterrath auseinander setzt, dieser berühmte Schauspieler habe so oft die Ehre gehabt, Jupiter und die andern Häupter der Unsterblichen auf der Bühne darzustellen, daß er dem allgemeinen Schicksale irdischer Wesen nicht überlassen werden dürfe, und daß er verdiene, in die himmlische Gesellschaft aufgenommen zu werden. Momus ruft der Ansicht Merkurs Beifall zu; aber einige andre Götter und Göttinnen empören sich wider den Vorschlag einer solchen noch nicht dagewesenen Apotheose; und Jupiter verwandelt, um sie beiderseits zufrieden zu stellen, den alten Schauspieler in eine Decorationsfigur.

Der Teufel wollte fortfahren, aber Zambullo unterbrach ihn, indem er sagte: Halt, Senhor Asmodeus, Ihr achtet nicht darauf, daß es Tag ist; ich fürchte, daß man uns hier oben auf diesem Hause bemerkt. Wenn das Volk einmal eure Senhoria gewahren sollte, so würden wir einen Lärm hören, der nicht sobald zu Ende wäre!

Man wird Euch nicht sehen, erwiederte der Teufel, ich habe dieselbe Macht wie jene fabelhaften Gottheiten, von denen ich eben redete, und just so wie auf dem Berge Ida der verliebte Sohn des Saturn sich in eine Wolke hüllte, um dem Weltall die Zärtlichkeiten, die er Juno erweisen wollte, zu verbergen, werde ich einen dichten Dunst um uns bilden, den der Blick der Menschen nicht durchdringen kann, und der Euch nicht verhindern wird, die Dinge zu sehen, auf welche ich Euch aufmerksam zu machen vorhabe. Und in Wirklichkeit wurden sie plötzlich von einem Rauch umgeben, der, wie dicht er auch war, doch den Augen des Studenten nichts verhüllte. –

Kehren wir zu den Träumen zurück, fuhr der Hinkende fort . . . aber ich bedenke nicht, fügte er hinzu, daß die Art und Weise, wie ich Euch die Nacht habe zubringen lassen, Euch ermüdet haben muß. Ich glaube, es ist das Beste, ich bringe Euch in eure Wohnung und lasse Euch da einige Stunden ruhen; während dieser Zeit werde ich die vier Welttheile durchlaufen und hie und dort einen meiner Streiche ausführen; hernach werde ich Euch wieder aufsuchen, um mich mit Euch aufs neue zu ergötzen. – Ich habe durchaus kein Bedürfniß zu schlafen und bin nicht ermüdet, antwortete ihm Don Cleophas; statt mich zu verlassen, gewährt mir das Vergnügen, mich von den verschiedenen Absichten zu unterrichten, welche diese Leute haben, die ich aufgestanden sehe und die sich, wie mir scheint, anschicken, auszugehn. Was haben sie so früh am Morgen vor? – Was Ihr zu wissen wünscht, entgegnete der Dämon, ist allerdings der Beobachtung werth; Ihr werdet ein Gemälde der Sorgen, der Anstrengungen und Mühen wahrnehmen, welche die armen Sterblichen sich im irdischen Leben auferlegen, um so angenehm wie es ihnen möglich ist, den kleinen Raum auszufüllen, der zwischen ihrer Geburt und ihrem Tode liegt.



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