Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Siebentes Kapitel.

Von den Gefangenen.

Bevor ich aber auf das Einzelne eingehe, betrachtet ein wenig die Schließer, die sich am Eingang dieses schrecklichen Gebäudes aufhalten. Die Dichter des Alterthums haben nur Einen Cerberus an das Thor ihrer Unterwelt gestellt; hier sind ihrer mehr, viel mehr, wie Ihr wahrnehmen könnt. Diese Schließer sind Leute, die jedes menschliche Gefühl verloren haben; der boshafteste von meinen Mitbrüdern könnte kaum einen von ihnen ersetzen. Aber ich bemerke, fuhr er fort, daß Ihr mit Schaudern diese Kammern betrachtet, worin nichts ist, als ein dürftiges Lager; diese schrecklichen Löcher scheinen Euch eben so viel Gräber. Mit Recht seid Ihr überrascht über das Elend, das Ihr vor Euch seht, und bemitleidet das Schicksal derer, welche die Gerechtigkeit darin festhält. Doch sind sie nicht alle gleich sehr zu beklagen und das wollen wir näher untersuchen.

Zuerst in jener großen Kammer rechts liegen vier Männer in zwei schlechten Betten; der eine ist ein Schenkwirth, angeklagt, einen Fremden vergiftet zu haben, der vor einigen Tagen in seiner Schenke Todes verblich. Man behauptet, daß die Qualität des Weines den Unglücklichen ums Leben brachte; der Wirth betheuert, es sei die Quantität gewesen und die Justiz wird ihm Glauben schenken, denn der Fremde war ein Deutscher. – Und wer hat Recht, der Schenkwirth oder seine Ankläger? sagte Don Cleophas. – Die Sache ist ungewiß, antwortete der Teufel. Es ist allerdings richtig, daß der Wein verfälscht war; aber der deutsche Herr hat wirklich davon so viel getrunken, daß die Richter den Wirth mit ruhigem Gewissen in Freiheit setzen können.

Der zweite Gefangene ist ein Mörder von Handwerk, einer jener Schufte, die man valientes nennt und die für vier oder fünf Pistolen bereitwillig ihre Dienste allen denen bieten, welche so viel aufwenden wollen, um sich im Geheimen Jemandes zu entledigen; der dritte ein Tanzmeister, der sich wie ein Stutzer kleidet und der eine seiner Schülerinnen zu einem falschen Schritte verführt hat, und der vierte ein Galan, den in der vorigen Woche die Runde beim Kragen nahm, als er eben über den Balkon in die Wohnung einer Frau einstieg, die er kennt und deren Mann abwesend ist. Es hängt nur von ihm ab, sich den Hals aus der Schlinge zu ziehn, indem er sein Liebesverhältniß eingesteht; aber er will lieber als Dieb gelten und sich der Gefahr aussetzen, das Leben zu verlieren, als die Ehre seiner Dame Preis geben.

Das ist ein verschwiegener Liebhaber, sagte der Student; man muß gestehen, daß im Fache der Galanterie wir Spanier die andern Nationen übertreffen. Ich möchte wetten, daß ein Franzose z. B. nicht im Stande wäre wie wir, sich aus Rücksicht auf die Geliebte hängen zu lassen. – Nein, wahrhaftig nicht, sagte der Teufel, es sähe ihm ähnlicher, auf einen Balkon zu steigen, nur um einer Frau, die ihm ihre Gunst geschenkt, den Ruf zu verderben.

In einer Zelle neben diesen vier Männern, fuhr er fort, sitzt eine berüchtigte Zauberin, die im Rufe steht, unmögliche Dinge bewirken zu können. Durch die Macht ihrer Künste finden, sagt man, alte Wittwen junge Leute, die sich auf dem Fleck in sie verlieben, werden die Männer ihren Frauen treu und die Koketten wirklich verliebt in die reichen Cavaliere, die ihnen nachgehn. Aber nichts ist unwahrer wie das. Sie besitzt kein anderes Geheimniß als das, den Leuten einreden zu können, daß sie eines besitzt, und bequem von diesem Glauben zu leben. Die Inquisition hat sich dies Geschöpf übergeben lassen und läßt sie vielleicht im nächsten Auto-da-Fé verbrennen.

Unter der Zelle ist eine dunkle Keuche, die einem jungen Schenkwirth zum Aufenthalt dient. – Wieder ein Schenkwirth, rief Leandro aus, will diese Menschensorte die ganze Welt vergiften? – Der da, entgegnete Asmodeus, ist wegen andrer Dinge hier. Man verhaftete diesen Unglücklichen vorgestern und die Inquisition fordert ihn ebenfalls vor ihren Richterstuhl. Ich will Euch in wenig Worten den Grund seiner Verhaftung erzählen.

Ein alter Soldat, der sich durch seinen Muth oder vielmehr durch seine Geduld bis zum Sergeanten in seiner Kompagnie aufgeschwungen, kam, um Rekruten anzuwerben, nach Madrid. Er ging in eine Schenke, um Herberge zu verlangen; man sagte ihm, daß freilich Zimmer unbesetzt seien, aber daß man ihm keines einräumen könne, weil jede Nacht im Hause ein Gespenst umgehe, welches die Fremden fürchterlich mißhandle, wenn sie die Verwegenheit hätten, darin schlafen zu wollen. Diese Mittheilung schreckte den Sergeanten nicht ab. Bringt mich in welches Zimmer ihr wollt, sagte er; gebt mir Licht, Wein, eine Pfeife und Tabak und habt im Uebrigen keine Sorge; die Gespenster haben vor Kriegsleuten, die im Koller grau geworden sind, Respekt.

Weil der Sergeant so entschlossen schien, führte man ihn in ein Zimmer und brachte ihm Alles, was er verlangt hatte. Er begann zu rauchen und zu trinken. Schon war es Mitternacht und der Geist hatte noch immer nicht die tiefe Stille, die im Hause herrschte, gestört; es schien, daß er in der That Rücksicht auf diesen neuen Gast nehmen; aber zwischen ein und zwei Uhr vernahm der alte Degenknauf plötzlich einen entsetzlichen Lärm wie Kettengerassel, und sah bald darauf in sein Zimmer ein fürchterliches, schwarz verhülltes und ganz mit eisernen Ketten umwundenes Fantom treten. Unsern Schnauzbart versetzte diese Erscheinung weiter in keine Aufregung; er zog seinen Degen, trat dem Gespenst entgegen und gab ihm einen tüchtigen Hieb über den Schädel.

Das Gespenst, wenig daran gewöhnt, so verwegene Gäste zu finden, stieß einen Schrei aus; und da es sah, daß der Soldat im Begriffe war, weiter darauf loszuschlagen, warf es sich höchst demüthig vor ihm nieder und rief flehentlich: Ich bitte Euch, Senhor Sergeant, haltet ein; erbarmt Euch eines armen Teufels, der sich Euch zu Füßen wirft, um eure Gnade zu erflehen; ich beschwöre Euch bei San Jago, der wie Ihr eine große Kriegsgurgel war. Wenn du dein Leben behalten willst, antwortete der Soldat, mußt du mir bekennen, wer du bist, und mir mit der Wahrheit herausrücken, sonst hau' ich dich von oben bis unten in zwei Stücke auseinander, wie die Ritter der Vorzeit die Riesen, die ihnen in den Wurf kamen, spalteten. Bei dieser Erklärung entschloß sich das Gespenst, welches sah, mit wem es zu thun hatte, Alles zu gestehen.

Ich bin der Oberkellner in dieser Wirtschaft, sagte es; ich heiße Guillelmo; ich liebe Juanilla, die die einzige Tochter des Hausherrn ist, und auch sie will mir wohl; aber da ihre Eltern eine bessere Verbindung für sie in Aussicht haben, als die mit mir, so sind wir, das junge Mädchen und ich, übereingekommen, wir wollten sie dadurch zwingen, mich zum Schwiegersohn zu nehmen, daß ich alle Nacht die Rolle spiele, in der Ihr mich seht; ich hülle mich in einen langen schwarzen Mantel und ich hänge mir an den Hals eine Bratspießkette, mit der ich durch das ganze Haus laufe, vom Keller bis auf den Speicher und das Geräusch mache, das ihr vernommen habt. Wenn ich an die Thüre des Herrn und der Frau vom Hause komme, halte ich inne und rufe: Hofft nicht, Ruhe vor mir zu erlangen, bis ihr Juanilla mit eurem Oberkellner verheirathet habt.

Wenn ich diese Worte mit einer Stimme gerufen, die ich so dumpf und hohl wie möglich mache, setze ich mein Getöse fort und ich steige sodann durch ein Fenster in ein Gemach, worin Juanilla allein schläft und statte ihr Bericht ab über das, was ich gethan habe. Senhor Sergeant, fuhr Guillelmo fort, Ihr seht wohl, daß ich Euch die Wahrheit sage; ich weiß, daß Ihr mich nach diesem Bekenntniß verderben könnt, indem Ihr meinem Herrn mittheilt, was vorgeht; aber wenn Ihr, statt mir diesen üblen Dienst zu leisten, mich unterstützen wolltet, so schwöre ich, daß meine Dankbarkeit . . . Und welche Unterstützung kannst du von mir erwarten? unterbrach ihn der Soldat. Ihr hättet nur zu sagen, versetzte der junge Mann, daß Ihr den Geist gesehen habt, und daß er Euch so große Furcht eingejagt . . . Wie, alle Wetter, große Furcht, unterbrach ihn noch einmal die Kriegsgurgel; der Sergeant Hannibal Antonio Quebrantador soll sagen, er hätte Furcht gehabt? Lieber sollen mich hunderttausend Teufel . . . Das ist auch nicht durchaus nothwendig, fiel ihm Guillelmo ins Wort, und es ist mir sehr wenig daran gelegen, auf welche Weise Ihr Euch ausdrückt, wenn Ihr nur meinen Wunsch unterstützt; wenn ich Juanilla erhalten haben werde und mein eigenes Geschäft führe, sollt Ihr alle Tage, das verspreche ich Euch, freie Zeche bei mir haben, Ihr und eure Freunde. – Ihr versteht zu verführen, Senhor Guillelmo, rief der alte Soldat; Ihr muthet mir zu, eine Spitzbüberei zu unterstützen; die Geschichte hat ihre ernste Seite; aber Ihr wißt den Dingen eine Wendung zu geben, die mich über die Folgen hinwegsehen läßt. Geht, fahrt fort euren Lärm zu machen – und Juanilla Bericht darüber zu erstatten – das Uebrige nehme ich auf mich!

In der That sagte schon am andern Morgen der Sergeant zu dem Wirthe und der Wirthin: Ich habe den Geist gesehen und mich mit ihm unterhalten. Es läßt sich mit ihm reden. Ich bin, hat er mir gesagt, der Urgroßvater des Herrn dieser Schenke. Ich hatte eine Tochter, die ich dem Urgroßvater seines Kellners verlobte; nichts destoweniger habe ich, ohne Rücksicht auf mein gegebenes Wort, sie mit einem Andern verheirathet und ich starb kurze Zeit darauf. Seitdem leide ich und trage die Strafe meines Meineids, ich werde nicht eher Ruhe haben, als bis einer meines Stammes einen Gatten aus der Familie Guillelmo's erhält. Darum erscheine ich in jeder Nacht in diesem Hause. Doch ich habe gut reden, daß man Juanilla und den Oberkellner verheirathe, der Sohn meines Enkels steift die Ohren, und seine Frau ebenfalls; aber sagt ihnen, Senhor Sergeant, daß wenn sie nicht schleunigst thun, was ich verlange, ich wider sie zu Tätlichkeiten übergehen werde; ich werde den Einen wie die Andre auf unerhörte Weise peinigen.

Der Wirth ist ein ziemlich einfältiger Mensch; er wurde von diesen Worten erschüttert und die Wirthin, die noch schwächer als ihr Mann ist, glaubte das Gespenst sich schon im Nacken zu fühlen. Sie gaben ihre Einwilligung zu der Heirath, die am folgenden Tage gefeiert wurde. Guillelmo etablirte sich kurze Zeit darauf in einem andern Stadtviertel. Der Sergeant Quebrantador unterließ nicht, sich häufig bei ihm einzustellen, und der neue Schenkwirth gab ihm anfangs aus Dankbarkeit so viel Wein, wie er begehrte; dies gefiel dem alten Degenknauf so wohl, daß er alle seine Freunde in diese Schenke führte; er nahm darin sogar seine Anwerbungen vor und machte seine Rekruten dort betrunken.

Endlich aber wurde der Wirth es müde, so viel durstigen Kehlen den Durst zu löschen. Er sagte dem Soldaten seine Meinung darüber, und ohne daran zu denken, daß er den Vertrag in der That gebrochen, war dieser ungerecht genug, Guillelmo einen undankbaren Menschen zu nennen. Der letztere antwortete, der andere blieb nicht stumm, und die Unterhaltung endigte mit einigen flachen Hieben, die dem Wirth verabreicht wurden. Mehrere Vorübergehende wollten sich auf die Seite des Bürgers schlagen – Quebrantador verwundete zwei oder drei von ihnen und hätte dabei nicht inne gehalten, wenn er nicht plötzlich von einer starken Streifwache gefaßt worden wäre, die ihn als Störer der öffentlichen Ruhe verhaftete. Sie führten ihn ins Gefängniß, wo er Alles, was ich Euch eben erzählte, bekannt hat, und auf seine Aussage hin hat sich die Justiz Guillelmos bemächtigt. Der Schwiegervater verlangt, daß die Ehe für nichtig erklärt werde; und das Santo Offizio, welches weiß, daß Guillelmo ein hübsches Vermögen besitzt, will in der Sache erkennen.

Gott weiß es, sagte Don Cleophas, die heilige Inquisition ist hurtig bei der Hand. Sobald sie etwas vor sich aufdämmern sieht, das wie ein Vortheil für sie ausschaut . . . Sacht, sacht, unterbrach ihn der Hinkende; nehmt Euch wohl in Acht, eurer Zunge wider diesen Gerichtshof freien Lauf zu lassen; überall sind Spione; man hinterbringt ihm Worte, die nie gesprochen worden sind und ich selber zittre, wenn ich von ihm rede!

Ueber dem unglücklichen Guillelmo in der ersten Zelle links befinden sich zwei Leute, die euer Mitleid verdienen. Der Eine ist ein junger Kammerdiener, den die Frau seines Herrn im Geheim als ihren Geliebten behandelte. Eines Tages überraschte der Gemahl sie zusammen; die Frau beginnt sogleich um Hülfe zu schreien und sagt, der Kammerdiener habe ihr Gewalt angethan. Man verhaftete den Unglücklichen, der aller Wahrscheinlichkeit nach dem Rufe seiner Herrin zum Opfer fallen wird.

Der Schicksalsgenosse des Kammerdieners ist noch weniger schuldig als er, und im Begriff, das Leben zu verlieren. Er ist Stallmeister einer Herzogin, der man einen großen Diamant gestohlen hat. Man hat deßwegen den Stallmeister angeklagt und man wird ihn morgen auf die Folter spannen, und ihn so lange peinigen, bis er gesteht, den Diebstahl begangen zu haben; und doch ist das Verbrechen begangen von einer in höchster Gunst stehenden Kammerfrau, auf die man nicht wagen würde, einen Verdacht zu werfen.

Ach, Senhor Asmodeus, sagte Leandro, ich bitte Euch, helft diesem Unglücklichen, dessen Unschuld mich mit Theilnahme erfüllt. Entzieht ihn durch eure Macht den ungerechten und grausamen Qualen, die ihn bedrohen; er verdient, daß . . . Denkt nicht daran, mein Herr Student, unterbrach ihn der Teufel; könnt Ihr verlangen, daß ich mich einer ungerechten That widersetze und einen Unschuldigen vom Verderben rette? das wäre ja, als ob Ihr einen Prokurator bätet, eine Wittwe oder eine Waise nicht zu ruiniren!

Nein, fuhr er fort, erweist mir den Gefallen und verlangt nicht von mir, daß ich etwas thue, was wider meine Interessen sein würde, falls Ihr nicht etwa einen beträchtlichen Vortheil für Euch daraus zöget. Uebrigens, wenn ich diesen Gefangenen befreien wollte, würde ich es können? – Wie, fiel Zambullo ein, hättet Ihr nicht die Macht, einen Menschen aus der Gefangenschaft zu befreien? – Ganz und gar nicht, versetzte der Hinkende. Wenn Ihr das Enchiridion oder den Albertus Magnus gelesen hättet, würdet Ihr wissen, daß ich ebenso wenig wie meine Höllenbrüder einen Gefangenen in Freiheit setzen kann; ich selbst würde, wenn ich das Unglück hätte, in die Fänge der Justiz gefallen zu sein, mich nicht anders daraus retten können, als indem ich den Geldbeutel zöge.

In der nächsten Zelle auf derselben Seite sitzt ein Chirurg, überwiesen, aus Eifersucht an seiner Frau einen Aderlaß wie der des Seneka vorgenommen zu haben. Er ist heute auf der Folter gewesen, und nachdem er das Verbrechen, dessen man ihn beschuldigt, eingestanden, hat er erklärt, daß er sich seit zehn Jahren eines ziemlich neuen Mittels bediente, um sich Kundschaft zu verschaffen. Er verwundete in der Nacht die Vorübergehenden mit einem Bajonette und flüchtete sich dann durch eine Hinterthüre in sein Haus. Unterdeß stießen die Verwundeten Hülferufe aus, welche die Nachbarn zu ihrem Beistande herbeiriefen; der Chirurg kam selbst, wie die andren herbeigeeilt und einen in seinem Blute schwimmenden Menschen findend, ließ er ihn in seine Bude tragen, wo ihn dieselbe Hand, die ihn verwundet hatte, verband.

Obwohl dieser ruchlose Wundarzt dies Bekenntniß abgelegt hat und tausend Tode verdient, so schmeichelt er sich doch, daß man ihn begnadigen werde und das kann in der That sehr wohl möglich sein, da er ein Vetter der Wiegenfrau des Infanten ist; überdies kann ich Euch anvertrauen, daß er ein Wunderwasser besitzt, welches er allein zu bereiten versteht, ein Wasser, das die Kraft hat, die Haut weiß zu machen, und einem verlebten Gesichte die Farben der Kindheit zu geben; und dies unvergleichliche Wasser dient als Jungbrunnen drei Palastdamen, die sich zusammengethan haben, um ihn zu retten. Er zählt so zuversichtlich auf ihren Einfluß, oder wenn Ihr wollt, auf sein Wasser, daß er ruhig eingeschlafen ist, in der Hoffnung, bei seinem Erwachen werde er die angenehme Nachricht seiner Befreiung erhalten.

Ich sehe auf einem Bette in derselben Kammer, sagte der Student, einen andern Mann, der, wie mir scheint, ebenfalls in ruhigem Schlummer liegt; seine Sache muß danach nicht übel stehen! – Sie ist sehr heiklich, antwortete der Dämon. Der Mann ist ein biscajischer Edelmann, der sich durch einen Büchsenschuß bereichert hat; ich will Euch erzählen, auf welche Weise: Es sind vierzehn Tage, daß er in einem Walde mit seinem älteren Bruder, der eine bedeutende Rente bezieht, auf der Jagd war und diesen unglücklicher Weise, indem er auf Rebhühner zielte, erschoß.– Welch glückliches Quiproquo für einen nachgeborenen Sohn! rief Don Cleophas lachend aus. – Allerdings, fuhr Asmodeus fort, aber die Seitenverwandten, die auch die Nachlassenschaft des Verstorbenen haben möchten, verfolgen seinen Mörder vor Gericht und behaupten, er habe den Schuß gethan, um der alleinige Erbe der Familie zu werden. Er hat sich selbst als Gefangenen gestellt und scheint so betrübt über den Tod seines Bruders, daß man unmöglich glauben kann, er habe die Absicht gehabt, ihm das Leben zu nehmen. – Und hat er sich wirklich bei der Sache nichts vorzuwerfen, als seinen Mangel an Vorsicht? fragte Leandro. – Nein, entgegnete der Hinkende, er hat keinen üblen Willen gehabt; aber wenn ein ältester Sohn alles Vermögen einer Familie besitzt, so thut er immer gut, mit einem nachgeborenen Bruder nicht auf die Jagd zu gehn.

Schaut Euch näher die beiden jungen Leute an, welche sich in einem kleinen Winkel neben dem Edelmann aus Biscaja so gemüthlich unterhalten, als wären sie in Freiheit. Es sind zwei richtige Picaros.Schelme, Glücksritter Einer von ihnen besonders könnte eines Tages dem Publikum eine Schilderung seiner Schelmenstücke geben; es ist ein zweiter Guzman d'Alfarache . . . der, welcher ein Wams von braunem Sammt und einen Federbusch an seinem Hute trägt!

Es sind noch nicht drei Monate, daß er hier in Madrid Page des Grafen von Onate war und er würde noch im Dienste dieses Herrn sein, wenn er sich nicht durch eine Spitzbüberei, die ich Euch erzählen will, ins Gefängniß gebracht hätte.

Dieser Bursche, der Domingo heißt, erhielt eines Tages bei dem Grafen hundert Hiebe, die der Haushofmeister in seiner Eigenschaft als Pagen-Aufseher ihm für einen Streich, der es vollständig verdiente, gehörig aufzählen ließ. Lange wurmte ihn diese kleine Zurechtweisung und er beschloß, sich dafür zu rächen. Er hatte mehr als einmal bemerkt, daß der Senhor Don Cosmo, das ist des Haushofmeisters Name, sich die Hände mit Orangenblüthenwasser wusch und sich den Körper mit Veilchen- und Jasminteig einrieb, daß er mehr Sorgfalt für seine Person hatte, wie eine alte Kokette und endlich, daß er einer von jenen Narren war, die sich einbilden, eine Frau könnte sie nicht sehen, ohne sich in sie zu verlieben. Diese Beobachtung gab ihm einen Plan zur Rache ein, den er einer jungen Zofe in der Nachbarschaft mittheilte, da er zur Ausführung seines Anschlags des jungen Mädchens bedurfte, mit dem er übrigens auf einem Fuße stand, der nicht vertrauter sein konnte.

Floretta, so hieß diese Zofe, ließ ihn für ihren Vetter gelten, um ungehinderter mit ihm verkehren zu können – im Hause ihrer Gebieterin, der Donna Luziana, deren Vater damals abwesend war. Der boshafte Domingo unterrichtete seine vorgebliche Cousine von dem, was sie zu thun habe, und eines Morgens trat er dann in das Zimmer des Don Cosmo, wo er den Haushofmeister beim Anprobiren eines neuen Anzugs fand, sich mit Wohlgefallen im Spiegel betrachtend und, wie es schien, ganz entzückt über sein Aussehn. Der Page stellte sich, als ob er den neuen Narcissus bewunderte und sagte mit erheucheltem Entzücken: Wahrhaftig, Senhor Don Cosmo, Ihr seht aus wie ein Prinz. Ich sehe täglich große Herrn in glänzendsten Costümen, aber trotz ihrer reichen Anzüge kommen sie Euch nicht an Adel des Auftretens gleich. Ich weiß nicht, fügte er hinzu, ob es meine unbegrenzte Ergebenheit für Euch macht, daß ich Euch mit zu günstigen Augen ansehe; aber um es gerade heraus zu sagen, ich sehe am Hofe keinen Cavalier, den Ihr nicht überglänztet und in den Schatten stelltet!

Der Haushofmeister lächelte bei dieser Rede, die seiner Eitelkeit sehr wohl that, und antwortete mit huldvoller Miene: Du schmeichelst mir, mein Freund, oder du mußt in der That eine Vorliebe für mich haben und in deiner Freundschaft mir Vorzüge beilegen, welche mir die Natur nicht gegeben hat. – Das glaube ich nicht, versetzte der Schmeichler, denn es giebt Niemanden, der nicht eben so vortheilhaft von Euch redete, als ich. Ich wollte, Ihr hättet gehört, was mir noch gestern eine meiner Cousinen sagte, die im Dienst einer vornehmen Dame steht.

Don Cosmo unterließ nicht, zu fragen, was diese Cousine gesagt habe. Nun, antwortete der Page, sie sprach sich über die Schönheit eures Wuchses, über das Anziehende, das über eure ganze Gestalt gebreitet sei, aus; und was noch besser ist, sie sagte mir im Vertrauen, daß Donna Luziana, ihre Herrin, Vergnügen daran fände, Euch hinter ihrer Jalousie her zu beobachten, so oft Ihr an ihrem Hause vorüberginget.

Wer kann diese Dame sein, und wo wohnt sie? sagte der Haushofmeister. – Wie, antwortete Domingo, Ihr wißt nicht, daß sie die einzige Tochter des Obristen Don Fernando, unsers Nachbars, ist? – Ah, ich weiß jetzt, wen du meinst, antwortete Don Cosmo. Ich erinnere mich, den Reichthum und die Schönheit dieser Luziana rühmen gehört zu haben, sie ist eine glänzende Partie. Aber wäre es möglich, daß ich ihre Aufmerksamkeit auf mich gezogen hätte? – Daran zweifelt nicht, entgegnete der Page; meine Cousine hat es mir anvertraut; obwohl eine Zofe, ist sie doch keine Lügnerin und ich stehe Euch für sie, wie für mich selbst. – Wenn das ist, sagte der Haushofmeister, so hätte ich Lust, unter vier Augen mit deiner Cousine zu reden, und sie, wie es herkömmlich, durch einige kleine Geschenke für mein Interesse zu gewinnen; und wenn sie mir räth, ihrer Gebieterin Aufmerksamkeiten zu erweisen, so will ich mein Glück versuchen! Weshalb nicht! Ich räume ein, daß zwischen mir und Don Fernando einiger Unterschied des Ranges ist; aber einmal bin ich Edelmann und dann habe ich fünfhundert vollwichtige Dukaten Rente. Es kommen täglich außergewöhnlichere Heirathen als diese vor!

Der Page bestärkte seinen Vorgesetzten in seinem Vorhaben und verschaffte ihm eine Unterredung mit der Cousine, die den Haushofmeister voll Bereitwilligkeit fand, Alles zu glauben, und ihn versicherte, daß ihre Herrin Gefallen an ihm fände. Sie hat mich oft über Euch ausgefragt, sagte sie ihm, und was ich ihr dann antwortete, hat Euch schwerlich in ihren Augen geschadet; kurz, Herr Haushofmeister, Ihr dürft Euch damit schmeicheln, daß Donna Luziana eine stille Liebe für Euch hegt. Sprecht ihr kühnlich eure ehrlichen Absichten aus; beweist ihr, daß ihr der galanteste Cavalier in Madrid seid, wie der schönste und wohlgebildetste von Allen, bringt ihr Serenaden, was sie in hohem Grade erfreuen wird; ich meinerseits werde eure Aufmerksamkeiten bei ihr ins rechte Licht stellen und ich hoffe, daß meine Dienste Euch nicht unnütz sein werden. Don Cosmo war entzückt zu sehen, daß die Zofe so warmes Interesse für ihn nahm und überhäufte sie mit Umarmungen; dabei steckte er ihr einen Ring von geringem Werth, den er, um ihr damit ein Geschenk zu machen, mitgebracht hatte, an den Finger und sagte: Meine theure Floretta, ich schenke Euch diesen Diamanten, um unsere Bekanntschaft einzuleiten; aber durch eine gewichtigere Erkenntlichkeit werde ich die Dienste, die Ihr mir erweisen werdet, belohnen.

Es ist nicht möglich zufriedener zu sein, als er es nach seiner Unterredung mit der Zofe war. Auch dankte er nicht allein Domingo, daß er ihm diese Zusammenkunft verschafft habe, sondern er schenkte ihm auch ein Paar seidener Strümpfe und einige mit Spitzen besetzte Hemden und versprach ihm, daß er sich keine Gelegenheit, ihm nützen zu können, entgehen lassen werde. Und dann fragte er ihn um seine Meinung über das, was er zu thun habe. Mein Freund, sagte er, was ist deine Ansicht? Räthst du mir mit einem leidenschaftlichen und geistvollen Briefe zu beginnen? – Just das scheint mir das richtige, antwortete der Page; macht Donna Luziana eine pathetische Liebeserklärung; ich habe die Ueberzeugung, daß sie sie nicht übel aufnehmen wird. – Ich glaube es auch, fuhr der Haushofmeister fort, und ich will auf gut Glück damit beginnen. Sofort begann er zu schreiben; und nachdem er wenigstens zwanzig Entwürfe zerrissen hatte, kam er mit einem Billetdoux zu Stande, mit dem er zufrieden war. Er las es Domingo vor, der es mit der Miene der Bewunderung anhörte und es übernahm, dasselbe ohne Zeitverlust seiner Cousine zu überbringen. Es war in folgenden blüthenreichen und gezierten Wendungen abgefaßt:

»Seit langer Zeit, bezaubernde Luziana, hat der Ruf, der überallhin die Kunde von Euren glänzenden Eigenschaften trägt, mein Herz mit brennender Liebe für Euch entflammt. Nichtsdestoweniger und trotz des Feuers, das mich verzehrt, habe ich nicht gewagt, Euch eine Aufmerksamkeit zu erweisen; aber da es mir kund geworden ist, daß Ihr die Gnade habt, Eure Blicke auf mir haften zu lassen, wenn ich vor der Jalousie vorübergehe, die Eure himmlische Schönheit den Augen der Menschen verbirgt, und daß Ihr sogar durch den Einfluß Eures, mir so günstigen Gestirns mir wohlzuwollen geneigt seid, so nehme ich mir die Freiheit, Euch um die Erlaubniß zu bitten, mich Eurem Dienste widmen zu dürfen. Wenn ich glücklich genug bin, sie zu erhalten, so verzichte ich auf alle Schönen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Don Cosmo de la Higuera.«

Der Page und die Zofe erheiterten sich nicht wenig auf Kosten des Senhor Don Cosmo und seines Briefes. Sie blieben dabei nicht stehen; sie setzten gemeinschaftlich ein zärtliches Billet auf, das die Kammerfrau mit ihrer Hand schrieb und das Domingo den folgenden Tag dem Haushofmeister als eine Antwort von Donna Luziana übergab. Es enthielt die folgenden Worte:

»Ich weiß nicht, wer Euch so gut von meinen geheimen Gefühlen unterrichtet haben kann. Es ist ein Verrath, den mir Jemand gespielt hat; aber ich verzeihe ihm denselben, da er Euch dahin geführt hat, mir zu sagen, daß Ihr mich liebt. Von allen Menschen, welche ich meine Straße durchschreiten sehe, seid Ihr derjenige, den ich zu erblicken das größte Vergnügen empfinde und ich nehme Euch gern zu meinem Liebhaber an; vielleicht sollte ich es nicht wollen, und noch viel weniger es Euch sagen. Aber wenn ich darin fehle, so sind Euer Werth und Eure Vorzüge meine Entschuldigung.

Donna Luziana.«

Obwohl diese Antwort gar wenig zurückhaltend war für die Tochter eines Obristen – denn die Verfertiger hatten sich nicht viel Kopfzerbrechens dabei gemacht – schöpfte der eitle Don Cosmo keinen Verdacht; er schätzte sich genug, um sich einzubilden, daß eine Dame sich seinetwillen über den Anstand hinwegsetzen könne. Ach Domingo! rief er mit triumphirender Miene aus, nachdem er den Brief laut gelesen, du siehst, mein Freund, wie die Nachbarin anbeißt; ich werde nächstens Schwiegersohn des Don Fernando sein, oder ich will nicht Don Cosmo de la Higuera heißen!

Daran ist kein Zweifel, sagte der Schelm von Vertrautem, Ihr habt auf seine Tochter einen rasenden Eindruck gemacht. Aber, daß ich es nicht vergesse, mir fällt ein, daß meine Verwandte mir anempfohlen hat, Euch zu sagen, es sei nöthig, daß Ihr spätestens morgen eurer Geliebten eine Serenade bringt, um sie vollends in Euch vernarrt zu machen. – Dazu bin ich bereit, erwiederte der Haushofmeister. Du kannst deiner Cousine versichern, daß ich ihren Rath befolgen werde und daß sie zuverlässig morgen inmitten der Nacht in der Straße eines der auserlesensten Concerte hören wird, die man je in Madrid vernommen. Und in der That ging er einen trefflichen Musiker aufzusuchen und nachdem er ihm seinen Wunsch mitgetheilt, beauftragte er ihn, für die Ausführung desselben zu sorgen.

Während er mit seiner Serenade beschäftigt war, sagte Floretta, die von dem Pagen unterrichtet worden und ihre Herrin in heitrer Laune gefunden, zu dieser: Senhora, ich bereite Euch eine angenehme Unterhaltung vor. Luziana fragte, worin dieselbe bestehen würde. O, wahrhaftig, entgegnete mit ausgelassenem Lachen die Zofe, man erlebt merkwürdige Geschichten! Ein Original, das sich Don Cosmo nennt und Hofmeister der Pagen des Grafen von Onate ist, hat sich einfallen lassen, Euch zur souveränen Dame seiner Gedanken auszuerwählen und wird morgen Abend, um es Euch kund zu thun, ein bewundernswürdiges Vocal- und Instrumental-Concert vor euren Fenstern aufführen lassen. Donna Luziana, die ein heitres Temperament hatte und übrigens die Galanterien eines Hofmeisters als harmlos betrachtete, nahm die Sache von der lustigen Seite und versprach sich ein Vergnügen vom Anhören seiner Serenade. So bestärkte diese Dame, ohne es zu wissen, Don Cosmo in einem Irrthum, über den sie sich empört gefühlt haben würde, wenn sie ihn gekannt hätte.

Richtig erschienen denn in der Nacht des folgenden Tages vor dem Balkon Luzianas zwei Carossen, aus denen der galante Haushofmeister und sein Vertrauter stiegen, begleitet von sechs Männern, Sängern wie Musikern, und diese begannen ihr Concert. Es dauerte sehr lange. Sie spielten eine große Menge neuer Compositionen und sangen viele Liederverse, welche sämmtlich die Macht der Liebe, die über den Unterschied von Rang und Stand hinweghilft, feierten; und bei jeder Gesangstrophe, die die Tochter des Obristen auf sich anwandte, lachte sie von ganzem Herzen.

Als die Serenade beendigt war, sandte Don Cosmo die Musiker in denselben Carossen, in denen sie gekommen, nach Hause und blieb mit Domingo in der Straße, bis sich die Gaffer, welche die Musik angelockt hatte, verlaufen. Danach nahte er dem Balkon, von welchem herunter die Zofe mit Bewilligung ihrer Herrin ihm durch ein kleines Fenster in der Jalousie sagte: Seid Ihr es, Senhor Don Cosmo? – Wer richtet diese Frage an mich? antwortete er mit einer schmelzenden Stimme. – Donna Luziana ist es, versetzte die Zofe, die zu wissen wünscht, ob das Concert, welches wir eben gehört haben, in der That ein Beweis eurer Galanterie ist? – Es ist, erwiederte der Haushofmeister, nur ein Pröbchen der Feste, welche meine Liebe für dies Wunder unserer Zeit bereitet, wenn sie sie gnädig annehmen will von einem liebenden Opfer auf dem Altar ihrer Schönheit.

Bei dieser zierlichen Redewendung hatte die Dame nicht wenig Lust zu lachen; sie hielt sich jedoch zurück und an das kleine Fenster tretend, sagte sie so ernsthaft wie sie konnte zu dem Haushofmeister: Senhor Don Cosmo, man sieht, daß Ihr nicht ein Neuling im Hofmachen seid; von Euch sollten die verliebten Cavaliere lernen, wie man den Damen dient. Ich bin sehr erfreut über eure Serenade und werde sie nicht vergessen; aber jetzt, fuhr sie fort, zieht Euch zurück; es könnten Lauscher da sein; ein andres Mal werden wir Gelegenheit zu einer längeren Zwiesprache finden. Nach diesen Worten schloß sie das Fenster und ließ den Haushofmeister sehr erfreut über die Gunst, die sie ihm erwiesen, und den Pagen sehr erstaunt, sie eine Rolle in diesem Lustspiel übernehmen zu sehn, auf der Straße stehn!

Das kleine Fest zusammt den Carossen und der unglaublichen Masse Wein, den die Musiker tranken, kostete Don Cosmo hundert Dukaten; und zwei Tage nachher verlockte sein Vertrauter ihn zu einer neuen Ausgabe, und zwar auf folgende Weise. Er wußte, daß Floretta in der St. Johannisnacht, die in dieser Stadt so berühmt ist, mit andern Mädchen ihres Gelichters zur fiesta del sotilloEin Tanz, den man in der Frühe des Johannistages an den Ufern der Flüsse in Spanien aufführte gehen werde und er beschloß, ihnen auf Kosten des Haushofmeisters ein glänzendes Frühstück zu geben.

Senhor Don Cosmo, sagte er ihm am Tage vor dem St. Johannisfeste, Ihr wißt, welches Fest morgen gefeiert wird. Ich kann Euch verrathen, daß Donna Luziana beabsichtigt, bei Sonnenaufgang am Ufer des Manzanarez zu sein, um den Sotillo zu sehen; ich glaube, mehr brauche ich dem Musterbild galanter Cavaliere nicht zu sagen; Ihr seid nicht der Mann, eine so schöne Gelegenheit vorübergehen zu lassen; ich bin überzeugt, daß eure Dame und ihre Gesellschaft morgen glänzend bewirthet werden. – Dafür kann ich dir bürgen, antwortete ihm sein Hofmeister; ich danke dir für den Wink; du wirst sehn, ob ich den Ball zu greifen weiß, wenn er springt. In der That, am andern Tage, in frühester Frühe langten vier von Domingo geführte Diener des Hotels, beladen mit allen Sorten kalter, in verschiedenster Weise zubereiteter Fleischspeisen, mit einer Unzahl kleiner Brode und Flaschen kostbaren Weins am Ufer des Manzanarez an, wo Floretta und ihre Gesellschafterinnen wie Nymphen beim Aufgange der Morgenröthe tanzten.

Sie waren nicht wenig erfreut, als der Page erschien, ihre leichten Reihentänze zu unterbrechen und ihnen von Seiten des Don Cosmo ein reichliches Frühstück anzubieten. Sie nahmen sogleich auf dem Rasen Platz und begannen unter unmäßigem Gelächter über den Gefoppten, dem sie dies Fest verdankten, ihm Ehre anzuthun; denn die menschenfreundliche Cousine Domingos hatte nicht ermangelt, sie einzuweihn.

Als sie im besten Zuge waren, sah man den Haushofmeister auf einem Zelter aus den Ställen des Grafen und in stattlichstem Aufputz erscheinen. Er kam, seine Vertrauten aufzusuchen und die Gesellschaft zu begrüßen, die sich zu seinem Empfange erhob und ihm für seine Aufmerksamkeit dankte. Er suchte mit seinen Blicken unter den Mädchen Donna Luziana, um das Wort an sie zu richten und ihr ein schönes Compliment, das er unterwegs ausgedacht hatte, zu machen; aber Floretta flüsterte ihm zu, daß eine Unpäßlichkeit ihre Herrin abgehalten habe, sich beim Feste einzufinden. Don Cosmo zeigte sich sehr betroffen über diese Nachricht und wollte wissen, woran seine theure Luziana leide. Sie ist sehr erkältet, sagte die Zofe, und zwar weil sie fast die ganze Nacht nach eurer Serenade ohne Schleier auf dem Balkon blieb, um mir von Euch zu reden. Getröstet über ein Leiden, das aus einer für ihn so schmeichelhaften Quelle floß, bat der Haushofmeister die Zofe, ihm ferner bei ihrer Herrin das Wort zu reden, und kehrte in sein Hotel zurück, sich mehr und mehr über seine Eroberung beglückwünschend.

Um dieselbe Zeit erhielt Don Cosmo einen Wechsel und darauf hin tausend Goldthaler ausbezahlt, die man ihm aus Andalusien als seinen Antheil an der Erbschaft eines seiner Oheime in Sevilla zuschickte. Er zählte diese Summe und legte sie in einen Koffer, – in Gegenwart Domingos, der sehr aufmerksam zusah und so heftig von der Versuchung erfaßt wurde, diese schönen Goldthaler sich zuzueignen, daß er beschloß, damit nach Portugal durchzugehen. Er vertraute Floretta seine Absicht an und machte ihr den Vorschlag zur Theilnahme an seiner Reise. Obwohl die Sache sehr verdiente, überlegt zu werden, ging die Zofe, die just so viel taugte wie der Page, ohne Bedenken darauf ein. Und in einer der folgenden Nächte, während der Haushofmeister in ein Kabinet eingeschlossen sich damit beschäftigte, einen schwülstigen Brief an seine Geliebte aufzusetzen, fand Domingo Mittel, den Koffer, worin die Goldthaler waren, zu öffnen; er nahm sie an sich, verließ das Hotel, begab sich unter den Balkon Luzianas und begann zu miauen wie eine Katze. Die Dienerin ließ sich, als sie das vorher verabredete Zeichen hörte, nicht lange erwarten und bereit, ihm überallhin zu folgen, verließ sie an seiner Seite Madrid.

Sie hatten darauf gerechnet, daß sie die Grenze Portugals erreichen würden, bevor man im Falle der Verfolgung sie einholen könnte; aber zum Unglück für sie hatte Don Cosmo schon in derselben Nacht den Raub und die Flucht seines Vertrauten wahrgenommen; sofort wandte er sich an die Polizei, die nach allen Seiten hin ihre Spürhunde losließ, um den Dieb zu entdecken. Man erfaßte ihn zusammt seiner Nymphe bei Zebreros und brachte beide zurück; die Zofe ist bei den Büßerinnen eingesperrt und Domingo in diesem Gefängnisse hier.

Es scheint also, sagte Don Cleophas, daß der Haushofmeister seine Goldthaler nicht verloren hat; man hat sie ihm sicherlich zurückgegeben. – Was denkt Ihr, antwortete der Teufel, die Goldstücke sind das Corpus delicti, das den Diebstahl beweist, die Justiz wird sie nicht aus den Händen geben und Don Cosmo, dessen Geschichte sich die ganze Stadt erzählt, hat den Schaden und den Spott von aller Welt obendrein.

Domingo und der mit ihm spielende Gefangene, fuhr der Hinkende fort, haben zum Nachbar einen jungen Castilianer, den man eingesteckt hat, weil er in Gegenwart guter Zeugen seinem Vater eine Ohrfeige gegeben hat. – Das ist beim Himmel stark, rief Leandro aus. Wie schlecht ein Sohn auch sein mag, wider seinen Vater kann er die Hand nicht erheben. – O weshalb nicht, sagte der Dämon; wir haben Beispiele davon! Unter der Herrschaft Don Pedro's I., zubenannt des Gerechten oder des Grausamen, des achten Königs von Portugal, wurde ein Bursche von zwanzig Jahren wegen derselben That in die Hände der Justiz geliefert. Don Pedro, von der Thatsache so überrascht, wie Ihr es seid, wollte die Mutter des Schuldigen verhören und benahm sich dabei so geschickt, daß er sie gestehen machte, sie habe dieses Kind von einer vorsichtigen Hochwürdigkeit empfangen. Wenn die Richter unsres Kastilianers seine Mutter mit demselben Geschick ausfragten, würden sie ihr ein gleiches Geständniß entlocken.

Lassen wir unsere Blicke hinabsteigen in ein großes Gefängniß unterhalb dieser drei Gefangenen, die ich Euch zeigte, und beobachten wir das, was darin vorgeht. Seht Ihr diese drei Elenden? Es sind Straßenräuber; sie sind im Begriff auszubrechen; man hat ihnen in einem Brode eine Feile zukommen lassen, eine dicke Stange haben sie schon durchfeilt – an einem Fenster, durch das sie sich in einen Hof, der sie in die Straße führen wird, niederlassen können. Sie sind über zehn Monate in Gefangenschaft; seit mehr als acht hätten sie den öffentlichen Lohn für ihre Thaten empfangen müssen; aber Dank der Saumseligkeit der Justiz werden sie nun von neuem unglückliche Reisende morden!

Folgt mir in diesen niedern Saal, wo Ihr zwanzig oder dreißig Leute auf dem Stroh liegen seht; es sind Diebe und gefährliche Menschen von jeder Art. Ein halbes Dutzend von ihnen beschäftigen sich eben damit, eine Art von Handwerker durchzubläuen, der heute eingesperrt ist, weil er einen Hatschier durch einen Steinwurf verwundet hat. – Weshalb schlagen sie ihn denn? fragte Zambullo. – Weil er ihnen den Willkomm noch nicht bezahlt hat, antwortete Asmodeus. Aber, setzte er hinzu, verlassen wir jetzt alle diese Elenden und diesen Schreckensort dazu; gehen wir, anderswo unsre Blicke auf heitrere Gegenstände zu werfen!



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