Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel.

Fortsetzung und Schluß der Liebesgeschichte des Grafen von Belflor.

Don Luis verließ zu früher Stunde das Haus und begab sich zu dem Grafen, der, ohne Ahnung davon, daß er bemerkt worden, von diesem Besuche überrascht war. Er schritt dem Greise entgegen und nachdem er ihn mit Umarmungen überhäuft, rief er aus: Welche Freude für mich, den Don Luis hier zu sehn! Käme er, mir eine Gelegenheit zu bieten, ihm einen Dienst zu leisten? Senhor, antwortete ihm Don Luis, habt die Güte zu befehlen, daß man uns allein läßt.

Belflor that, was er wünschte. Sie setzten sich beide und der Greis nahm jetzt das Wort. Senhor, sagte er, meine Ehre und meine Ruhe verlangen eine Aufklärung, um welche ich Euch zu bitten komme. Ich habe Euch an diesem Morgen das Zimmer Leonorens verlassen sehn. Sie hat mir alles gestanden. Sie hat mir gesagt . . . Sie hat Euch gesagt, daß ich sie liebe, unterbrach ihn der Graf, um eine Eröffnung abzuschneiden, die er nicht anhören wollte; aber sie hat Euch nur schwach das, was ich für sie empfinde, ausgedrückt; ich bin bezaubert von ihr, sie ist ein anbetungswürdiges Geschöpf; Geist, Schönheit, Tugend, nichts fehlt ihr. Man hat mir gesagt, daß Ihr auch einen Sohn besäßet, der zu Alcala studirt; gleicht er seiner Schwester? Wenn er ihre Schönheit und sonst nur ein wenig von seinem Vater hat, muß er ein vollkommner Cavalier sein; ich sterbe vor Begierde, ihn zu sehn und biete Euch all meinen Einfluß für ihn an.

Ich bin Euch verbunden für dies Anerbieten, sagte ernst Don Luis, aber kommen wir zu dem, was . . . Man muß ihn sogleich in den Dienst eintreten lassen, unterbrach wieder der Graf, ich nehme dann seine Laufbahn auf mich; er soll nicht im Range der Subalternoffiziere grau werden, dafür kann ich Euch gutstehn! – Antwortet mir, Graf, sagte jetzt lebhaft der Greis, und hört auf, mir ins Wort zu fallen. Habt Ihr die Absicht oder habt Ihr sie nicht, euer Versprechen zu halten? – Ja, ohne Zweifel, unterbrach ihn Belflor zum dritten Male, ich werde das Versprechen halten, das ich Euch gebe, eurem Sohn meine ganze Gunst zuzuwenden; zählt auf mich, ich bin ein Mann, auf den man bauen darf. – Nun wird mir's zuviel, Graf, rief Cespedes sich erhebend aus; nachdem Ihr meine Tochter verführt habt, wagt Ihr noch, mich zu höhnen; aber ich bin ein Edelmann und die Beleidigung, die Ihr mir zugefügt habt, wird nicht ungerächt bleiben! Nach diesen Worten schritt er hinaus und ging heim, das Herz voll Gedanken der Rache und tausend Pläne, diese Rache zu vollführen, entwerfend.

Sobald er in seinem Hause war, sagte er in größter Aufregung zu Leonore und zu der Dame Marcella: Der Graf war mir nicht ohne guten Grund verdächtig; er ist ein Verräther, an dem ich mich rächen will. Was euch angeht, so wandert ihr schon morgen alle beide ins Kloster; bereitet euch ohne Weiteres darauf vor und dankt dem Himmel, daß mein Zorn euch nicht noch strenger züchtigt. Dann begab er sich in sein Cabinet und schloß sich darin ab, um über die Schritte nachzudenken, die er in einer so schwierigen Lage zu thun habe.

In welche Verzweiflung gerieth Leonore, als sie vernommen hatte, daß Belflor treulos sei! Sie blieb eine Weile wie erstarrt; eine tödtliche Blässe ergoß sich über ihr Gesicht, ihre Lebensgeister verließen sie und sie sank ohnmächtig in die Arme ihrer Gouvernante, die glaubte, daß sie verscheiden werde. Die Duegna bot alle Sorgfalt auf, um sie aus ihrer Betäubung zum Bewußtsein zurückzurufen. Es gelang ihr. Leonore fand die Besinnung wieder, öffnete die Augen und als sie ihre Gouvernante beflissen sah, ihr beizustehn, rief sie aus: O wie grausam seid Ihr – weshalb habt Ihr mich aus dem glücklichen Zustande, in dem ich war, gerissen – ich fühlte die Schrecken meiner Lage nicht mehr! Warum ließet Ihr mich nicht sterben? Ihr könnt, ja all die Schmerzen, welche die Ruhe meines Lebens vernichten werden, ermessen, weshalb wollt Ihr mir dies Leben erhalten?

Marcella versuchte sie zu trösten, aber sie bewirkte nichts, als sie nur zu erbittern. Alle eure Reden sind eitel, rief die Tochter des Don Luis – ich will nichts davon hören; verliert die Zeit nicht, meine Verzweiflung bekämpfen zu wollen; Ihr solltet sie lieber stacheln, Ihr, die Ihr mich in den entsetzlichen Abgrund, in dem ich bin, gestürzt habt! Ihr seid es, die mir für die Aufrichtigkeit des Grafen gebürgt hat; ohne Euch würde ich der Neigung, die ich für ihn hatte, nicht nachgegeben haben; ich hätte sie nach und nach besiegt; wenigstens hätte er niemals den geringsten Vortheil daraus gezogen. Aber, fuhr sie fort, ich will Euch mein Unglück nicht zuschreiben, ich klage nur mich selbst deshalb an; ich hätte eure Rathschläge nicht befolgen und die Schwüre eines Mannes nicht anhören sollen, ohne daß mein Vater darum wußte. Wie sehr mir auch die Bewerbung des Grafen Belflor schmeicheln konnte, ich hätte ihn eher verachten, als ihm auf Kosten meiner Ehre Gehör schenken sollen; mit einem Wort, ich hätte ihm mißtrauen sollen, wie Euch und mir selber. Nachdem ich so jämmerlich schwach war, mich von seinen treulosen Schwüren fangen zu lassen, nach dem Kummer, den ich dem unglücklichen Don Luis mache und der Schande, die ich über meine Familie bringe, verabscheue ich mich selbst. Weit entfernt die Einsperrung zu fürchten, womit man mich bedroht, möchte ich meine Schmach in dem schaurigsten Aufenthalte der Welt verbergen!

Indem sie so sprach, begnügte sie sich nicht damit, Ströme von Thränen zu vergießen; sie zerriß ihre Kleider und schien an ihrem schönen Haar die Gewissenlosigkeit ihres Geliebten rächen zu wollen. Die Duegna sparte dabei, um sich dem Schmerze ihrer Herrin anzuschließen, die Grimassen nicht, sie erpreßte sich glücklich einige Thränen und häufte tausend Verwünschungen auf die Männer im Allgemeinen und auf den Grafen Belflor insbesondere. Ist es möglich, rief sie aus, daß der Graf, der voll aufrichtigster Ehrlichkeit schien, so lasterhaft sein kann, um uns alle beide zu betrügen! Ich kann noch immer nicht daran glauben!

In der That, sagte Leonore, wenn ich ihn mir vorstelle, wie er zu meinen Füßen lag, welches Mädchen hätte nicht seiner zärtlichen Miene, seinen Schwüren bei allen Mächten des Himmels, seinem immer neu ausbrechenden Verzücktsein getraut? Seine Augen strahlten mir eine noch glühendere Liebe aus, als sein Mund sie schwur! mit einem Wort, er schien bezaubert von meinem Anblick; nein, er betrog mich nicht, ich kann es nicht glauben! Mein Vater hat vielleicht nicht mit hinreichender Schonung zu ihm geredet; sie sind gereizt, verletzt gewesen alle beide und der Graf hat ihm weniger als Liebhaber wie als großer Herr geantwortet. Aber vielleicht täusche ich mich auch. Ich muß aus dieser Ungewißheit heraus; ich will Belflor schreiben und ihm sagen, daß ich ihn diese Nacht hier erwarte; ich will, daß er kommen soll, mein geängstigtes Herz zu beruhigen – oder um mir selbst seinen Verrath zu gestehen!

Die Dame Marcella pflichtete diesem Entschlusse bei; sie faßte selbst einige Hoffnung, daß der Graf trotz all seines Ehrgeizes von den Thränen, die Leonore bei dieser Gelegenheit vergießen würde, gerührt werden könnte, und sich entschlösse, sie zu heirathen.

Während dessen sann der Graf Belflor, des Biedermanns Don Luis entledigt, in seinem Zimmer über die Folgen nach, welche die Aufnahme, die er ihn bei sich hatte finden lassen, für ihn selber haben könnte. Er verhehlte sich nicht, daß alle Cespedes im Zorn über die empfangene Beleidigung sie zu rächen suchen würden; das aber beunruhigte ihn nur wenig; das Interesse seiner Liebe beschäftigte ihn weit mehr. Er dachte sich, daß Leonore in ein Kloster gebracht oder wenigstens, daß sie von nun an unter scharfer Bewachung gehalten werden würde; daß er sie aller Wahrscheinlichkeit nach niemals wieder sehen würde. Dieser Gedanke betrübte ihn und er suchte in seinem Geiste ein Mittel, solch einem Unglück vorzubeugen, als sein Kammerdiener ihm einen Brief brachte, den die Dame Marcella ihm eben übergeben hatte; es war ein Billet Leonorens in folgenden Ausdrücken:

Ich werde gezwungen, morgen aus der Welt zu scheiden, um mich in einem Kloster zu begraben. Ich sehe mich entehrt, von meiner Familie verabscheut und von mir selbst verachtet – das ist der traurige Zustand, in den ich gebracht bin, weil ich Euch angehört habe. Ich erwarte Euch zum letzten Male an diesem Abende. In meiner Verzweiflung suche ich neue Qualen; kommt, um mir zu gestehen, daß Euer Herz keinen Theil hatte an den Schwüren Eures Mundes, oder kommt, sie zu rechtfertigen durch eine Handlungsweise, die allein die Härte meines Geschicks sänftigen kann. Da bei dieser Begegnung nach dem, was zwischen Euch und meinem Vater vorgefallen, Gefahr zu befürchten sein kann, so laßt Euch durch einen Freund begleiten. Obwohl Ihr das Unglück meines Lebens ausmacht, fühle ich mich noch um das Eure besorgt.

Leonore.«

Der Graf las zwei oder drei Mal diesen Brief, und sich die Tochter des Don Luis in der Lage, worin sie sich beschrieb, vorstellend, fühlte er sich gerührt. Er hielt Einkehr bei sich selber, die Vernunft, die Redlichkeit, die Ehre, deren Gesetze ihn seine Leidenschaft insgesammt hatte mit Füßen treten lassen, begannen die Herrschaft über ihn zu gewinnen. Er fühlte plötzlich seine Verblendung schwinden und wie ein Mann, der aus einem heftigen Fieberanfall aufwacht und nun über die Worte und den Wahnsinn erröthet, der ihm entschlüpfte, schämte er sich all der elenden Kunstgriffe, deren er sich bedient hatte, um Befriedigung für seine Sinne zu finden.

Was that ich, ich Elender? Welcher Dämon hat mich besessen? Ich habe versprochen, Leonoren zu heirathen; ich habe den Himmel dabei zum Zeugen angerufen; ich habe gethan, als ob der König mir eine Partie vorgeschlagen hätte; Lüge, Falschheit, Meineid, ich habe alles aufgewendet, um die Unschuld zu verderben! Welche Tollheit! War es nicht besser, so viel aufzubieten, um meine Liebe zu unterdrücken, statt sie durch so verbrecherische Mittel zu befriedigen? Aber es ist nun einmal geschehen – ein Mädchen von Rang verführt, und von mir dem Zorn ihrer Verwandten bloß gestellt, die ich mit ihr entehre; ich habe sie elend gemacht zum Lohn dafür, daß sie mich glücklich machte! Welche Undankbarkeit! Muß ich nicht statt dessen die Schmach, die ich ihr angethan, wieder gut machen? Ja, es ist meine Pflicht, und ich will dadurch, daß ich sie heirathe, das Wort lösen, das ich ihr gegeben habe. Wer könnte sich einer so redlichen Handlung widersetzen? Soll ihre Güte gegen ihre Tugend zeugen? Nein – ich weiß, wie viel es mich gekostet hat, ihren Widerstand zu besiegen. Sie hat sich weniger meiner Leidenschaft, als meinen Treueschwüren ergeben . . . . Freilich andrerseits schade ich mir ganz bedeutend durch solche Wahl. Soll ich, der die reichsten und vornehmsten Erbinnen im Königreich freien kann, mich mit der Tochter eines einfachen Edelmanns, der so geringes Vermögen hat, begnügen? Was wird man von mir am Hofe denken? Man wird sagen, ich hätte eine lächerliche Heirath geschlossen.

So zwischen Liebe und Ehrgeiz getheilt, wußte Belflor nicht, wofür sich entscheiden, aber obwohl er noch mit sich selber stritt, ob er Leonore heirathen solle oder nicht, war er doch sofort entschlossen, daß er sie den nächsten Abend aufsuchen wolle, und er beauftragte seinen Kammerdiener, die Dame Marcella davon in Kenntniß zu setzen.

Don Luis seinerseits brachte den Tag damit zu, an die Wiederherstellung seiner Ehre zu denken. Die Lage der Dinge schien ihm sehr schwierig. Seine Zuflucht zu den Gesetzen nehmen, das hieß seine Schande öffentlich machen; und obendrein hatte er allen Grund anzunehmen, daß die Gerechtigkeit auf der einen Seite und die Richter auf der anderen sein würden. Ebenso wenig wagte er, sich dem Könige zu Füßen zu werfen; da er glaubte, daß dieser Fürst die Absicht habe, Belflor zu verheirathen, so fürchtete er einen vergeblichen Schritt zu thun; und so blieb ihm nichts übrig, als zu den Waffen zu greifen, und bei diesem Entschlusse beharrte er.

In der Hitze seiner Entrüstung war er versucht, den Grafen herauszufordern; aber weil er sich gestand, daß er zu alt und zu schwach sei, um wagen zu können, sich auf seinen Arm zu verlassen, zog er vor, es seinem Sohn zu übertragen, der sicherere Hiebe als er selber zu führen verstand. Er sandte deshalb einen seiner Diener nach Alcala mit einem Briefe, in welchem er seinen Sohn aufforderte, sofort nach Madrid zu kommen, um einen der Familie der Cespedes angethanen Schimpf zu rächen.

Dieser Sohn, der Don Pedro heißt, ist ein Cavalier von achtzehn Jahren, von schöner Gestalt und so tapfer, daß er in der Stadt Alcala für den gefürchtetsten Studenten der Universität gilt. Aber Ihr kennt ihn ja, fügte der Teufel hinzu, und es ist nicht nöthig, daß ich mich darüber verbreite. – Es ist wahr, sagte Don Cleophas, er hat allen Muth und alle ausgezeichneten Eigenschaften, die man nur besitzen kann.

Dieser junge Mann, hob Asmodeus wieder an, war damals nicht in Alcala, wie sein Vater es voraussetzte. Das Verlangen, eine Dame, die er liebte, wiederzusehen, hatte ihn nach Madrid geführt. Das letzte Mal, wo er seine Familie besucht, hatte er diese Eroberung im Prado gemacht. Er kannte ihren Namen noch nicht; man hatte von ihm verlangt, daß er keinen Schritt thun solle, um ihn zu erfahren, und er hatte sich dieser grausamen Notwendigkeit, wenn auch mit vielem Schmerz, unterworfen. Es war ein Mädchen von Stande, die eine Neigung für ihn gefaßt und die in der Ueberzeugung, der Verschwiegenheit und Treue eines Studenten mißtrauen zu müssen, es für gerathen hielt, ihn tüchtig auf die Probe zu stellen, bevor sie sich zu erkennen gab.

Er war mit seiner Unbekannten mehr als mit der Philosophie des Aristoteles beschäftigt und die kurze Strecke zwischen hier und Alcala war Ursache, daß er oft, wie Ihr selbst, die Schule schwänzte; mit dem Unterschied, daß er es um eines Gegenstandes willen that, der es besser als eure Donna Thomasa verdiente. Um Don Luis, seinem Vater, die Kenntniß seiner Reisen in Liebesangelegenheiten zu entziehen, pflegte er in einem Wirthshause am letzten Ende der Stadt, wo er sich sorglich unter einem falschen Namen verborgen hielt, Herberge zu nehmen. Nur zu einer bestimmten Stunde des Morgens verließ er es; er mußte sich dann zu einem Hause begeben, wo die Dame, die ihn so löblich in seinen Studien förderte, die Güte für ihn hatte, in Begleitung einer Kammerfrau zu erscheinen. Während des übrigen Tages blieb er also in seiner Herberge eingeschlossen; um sich zu entschädigen, spazierte er, sobald die Nacht gekommen war, in der ganzen Stadt umher.

Während einer Nacht nun, als er eine entlegene Straße durchschritt, hörte er Stimmen und Instrumente, die ihm seiner Aufmerksamkeit würdig erschienen. Er blieb stehen, um zu horchen; es war eine Serenade; der Cavalier, der sie brachte, war betrunken und ein roher Gesell. Er hatte kaum unsern Studenten gewahrt, als er auf ihn zugeeilt kam und ohne zu grüßen in grobem Tone sagte: Mein Freund, geht eures Weges; neugierigen Leuten weist man hier ihre Wege! – Verletzt von diesen Worten antwortete Don Pedro: Ich würde mich zurückziehen können, wenn Ihr mich höflicher darum ersucht hättet; aber jetzt werde ich bleiben, um Euch zu lehren, wie man seine Ausdrücke wählt! Sehen wir, entgegnete der Ständchenveranstalter seinen Degen ziehend, wer von uns beiden vor dem andern vom Platze weicht!

Don Pedro erfaßte nun auch den Degen, und sie begannen sich zu schlagen. Obwohl der Herr von der Serenade sich gewandt genug dabei benahm, vermochte er doch nicht, einen tödtlichen Stich, der ihm versetzt wurde, abzuwehren, und er stürzte auf's Pflaster hin. Alle die, welche bei dem Concert mitwirkten und längst ihre Instrumente verlassen und ihre Degen gezogen hatten, um ihm beizustehen, drängten jetzt heran, ihn zu rächen. Sie fielen alle zusammen über Don Pedro her, der bei dieser Gelegenheit bewies, was er vermochte. Er wehrte mit einer wunderbaren Geschicklichkeit alle Stiche, die man gegen ihn führte, ab und fiel selbst dabei wüthend aus und beschäftigte alle seine Feinde zu gleicher Zeit.

Jedoch, sie waren so erbittert und in so großer Zahl, daß er trotz all seiner Fechtergewandtheit nicht lebend von der Stelle gekommen wäre, wenn der Graf von Belflor, der in diesem Augenblick durch die Straße daherkam, sich nicht zu seinem Vertheidiger aufgeworfen hätte. Der Graf war brav und edelmüthig. Er konnte nicht so viel Leute gegen einen Einzigen bewaffnet sehen, ohne Theilnahme für ihn zu fühlen. Er zog seinen Degen und rasch sich neben Don Pedro stellend, drang er so lebhaft auf die Serenadenkünstler ein, daß sie alle die Flucht ergriffen, die einen verwundet und die andern in der Furcht, es zu werden.

Nach ihrem Rückzuge wollte der Student dem Grafen für den Beistand danken, den er von ihm empfangen; aber Belflor unterbrach ihn: Lassen wir diese Reden, sagte er zu ihm; seid Ihr nicht verwundet? Nein, versetzte Don Pedro. Entfernen wir uns von hier, fuhr der Graf fort; ich sehe, Ihr habt einen Menschen getödtet; es ist gefährlich, länger in dieser Straße zu verweilen, die Gerechtigkeit könnte Euch hier überraschen. Mit langen Schritten eilten sie nun davon und gelangten in eine andere Straße; erst als sie weit von der Stelle waren, wo der Kampf statt gefunden, hielten sie an.

Im Drange einer sehr natürlichen Dankbarkeit bat Don Pedro den Grafen, ihm nicht länger den Namen des Cavaliers vorzuenthalten, gegen den er eine so große Verpflichtung habe. Belflor machte keine Schwierigkeit, ihm denselben mitzutheilen und ersuchte ihn auch um den seinigen; der Student aber wollte sich nicht zu erkennen geben; er antwortete, daß er Don Juan de Maros heiße und versicherte, daß er nimmer vergessen werde, was Belflor für ihn gethan.

Ich will Euch schon diese Nacht eine Gelegenheit bieten, Euch gegen mich bezahlt zu machen, sagte der Graf darauf. Ich habe ein Stelldichein, das nicht ohne Gefahr ist, und ich war auf dem Wege zu einem Freunde, der mich begleiten sollte; ich war Zeuge eures Muths – darf ich Euch vorschlagen, mit mir zu kommen, Don Juan? Ein Zweifel würde mich beleidigen, entgegnete der Student; ich würde keinen bessern Gebrauch von dem Leben, das Ihr mir erhalten habt, machen können, als es für Euch auf's Spiel zu setzen! Gehen wir, ich bin bereit, Euch zu folgen. So führte Belflor selber den Don Pedro zum Hause des Don Luis und sie stiegen alle beide über den Balkon in die Wohnung Leonorens ein.

Don Cleophas unterbrach den Teufel hier; Senhor Asmodeus, sagte er, wie ist es denn aber möglich, daß Don Pedro seines Vaters Haus nicht erkannte? – Es konnte keine Rede von erkennen sein, antwortete der Teufel, denn es war eine neue Wohnung. Don Luis war umgezogen und wohnte in diesem Hause seit acht Tagen, was Don Pedro nicht wußte; ich wollte es eben bemerken, als Ihr mich unterbracht. Ihr seid zu lebhaft, Ihr habt die böse Angewohnheit, den Leuten in die Rede zu fallen; bessert Euch darin!

Don Pedro, fuhr der Hinkende fort, ahnte also nicht, daß er bei seinem Vater war; eben so wenig, daß die Person, welche sie einführte, die Dame Marcella war, weil sie die beiden Cavaliere ohne Licht in einem Vorzimmer empfing, wo Belflor seinen Begleiter zurückzubleiben und zu warten bat, während er im Zimmer seiner Dame sei. Der Student war damit einverstanden und nahm Platz auf einem Stuhl, den entblößten Degen aus Furcht vor einem Ueberfall in der Hand. Er begann sich in Gedanken mit der Gunst zu beschäftigen, welche die Liebe, wie er sich vorstellte, Belflor gewähren werde und er wünschte sich ebenso glücklich als dieser zu sein. Obwohl er von seiner unbekannten Dame nicht mißhandelt wurde, so hatte sie für ihn doch noch nicht die ganze Hingebung, die Leonore für den Grafen hatte.

Während er darüber alle die Betrachtungen anstellte, die ein leidenschaftlicher Liebhaber sich machen kann, hörte er, daß man sacht eine Thüre, welche nicht die zum Zimmer des Liebespaars war, zu öffnen suchte und er sah durch das Schlüsselloch Licht erglänzen. Er erhob sich hastig, eilte zu der Thüre, die sich öffnete und streckte die Spitze seines Degens seinem Vater entgegen, denn dieser war es, der in das Gemach Leonorens kam, um zu sehen, ob der Graf nicht da sei. Der gute Mann glaubte nach dem, was geschehen, nicht, daß seine Tochter und Marcella wagen würden, diesen noch bei sich einzulassen; darum hatte er nicht für nöthig gefunden, sie in einem anderen Gemache schlafen zu lassen; doch war der Gedanke in ihm aufgestiegen, daß sie vielleicht zum letzten Male mit ihm zu reden gewünscht hätten, bevor sie am folgenden Tage, ins Kloster gebracht würden.

Wer du auch seist, sagte der Student laut, tritt nicht herein oder es kostet dich das Leben. Bei diesen Worten sah Don Luis dem Don Pedro ins Gesicht, der seinerseits ihn anstarrte. Sie erkannten sich. O, mein Sohn, rief der Greis, mit welcher Ungeduld erwartete ich dich! Warum hast du mir keine Nachricht von deiner Ankunft gegeben? Fürchtetest du mich in meinem Schlaf zu stören? Ach, er naht sich mir nicht, in der verzweiflungsvollen Lage, in der ich mich befinde! O, mein Vater! sagte Don Pedro ganz niedergedonnert – seid Ihr es, den ich erblicke? Täuscht nicht eine trügerische Ähnlichkeit meine Sinne? – Woher kommt dir dieses Ueberraschtsein? fuhr Don Luis fort. Bist du nicht im Hause deines Vaters? Habe ich dir nicht geschrieben, daß ich seit acht Tagen in diesem Hause wohne? – Gerechter Himmel, fiel der Student ein – was höre ich? Ich bin also hier in der Wohnung meiner Schwester?!

Als er diese Worte gesprochen, trat der Graf, der Geräusch gehört hatte und glaubte, daß man seinen Begleiter angreife, mit dem Degen in der Hand aus Leonorens Zimmer. Sobald der Greis ihn erblickte, gerieth er in Raserei, und ihn seinem Sohne zeigend rief er aus: Da siehst du den frechen Räuber, der mir den Schlummer stiehlt und unsrem Hause seine Ehre! Rächen wir uns, strafen wir auf der Stelle den Verräther! Bei diesen Worten zog er den Degen hervor, den er unter seinem Schlafrocke verborgen hatte und wollte auf Belflor losstürzen; aber Don Pedro hielt ihn zurück. Haltet ein, mein Vater, rief er aus, mäßigt, ich bitte Euch, die Wallungen eures Zornes; was wollt Ihr thun? – Mein Sohn, antwortete der Greis, du hältst meinen Arm zurück? Du glaubst ohne Zweifel, daß ihm die Kraft mangelt, um uns zu rächen. Nun wohl, nimm dir denn selber Genugthuung für die Beleidigung, die man uns zugefügt hat; ich habe dich ja auch deshalb nach Madrid zurückberufen. Wenn du umkommst, werde ich an deine Stelle treten; der Graf muß unter unsern Streichen fallen oder uns Beiden das Leben nehmen, nachdem er uns die Ehre genommen!

Mein Vater, entgegnete Don Pedro, ich kann eurer Ungeduld nicht so willfahren, wie sie von mir verlangt. Weit entfernt, dem Grafen ans Leben zu wollen, bin ich nur hierher gekommen, um sein Leben zu schützen. Mein Wort ist dabei verpfändet; meine Ehre verlangt es. Entfernen wir uns, Graf, fuhr er zu Belflor gewendet fort. – Ah, Elender, unterbrach ihn Don Luis, indem er Don Pedro wüthend anblickte, du widersetzest dich einer Rache, nach der du mit allen Kräften verlangen solltest? Mein Sohn, mein eigener Sohn ist im Einverständniß mit dem Ruchlosen, der meine Tochter verführt hat? Aber hoffe nicht meinem Zorne zu entgehen; ich werde alle meine Diener zusammen rufen; ich werde mich durch sie rächen lassen, an seinem Verrath und deiner Niederträchtigkeit!

Senhor, antwortete Don Pedro, laßt eurem Sohn mehr Gerechtigkeit widerfahren. Hört auf, ihn als einen Niederträchtigen zu behandeln; er verdient dieses Schimpfwort nicht! Der Graf hat mir diese Nacht das Leben gerettet. Er hat mir, ohne mich zu kennen, vorgeschlagen, ihn zu diesem Stelldichein zu begleiten. Ich habe mich erboten, die Gefahren, die er dabei laufen könne, zu theilen, ohne zu ahnen, daß meine Dankbarkeit unkluger Weise meinen Arm gegen die Ehre meiner Familie in Beschlag nehme. Mein Wort also zwingt mich, an dieser Stelle sein Leben zu vertheidigen; dadurch werde ich gegen ihn quitt. Aber ich fühle nicht minder lebhaft als Ihr die Beleidigung, die er uns zugefügt hat und schon morgen werdet Ihr mich bestrebt sehen, sein Blut zu vergießen – mit demselben Eifer, von dem Ihr mich jetzt belebt seht, es zu behüten.

Der Graf hatte bisher kein Wort hervorbringen können, so sehr war er bestürzt von der Seltsamkeit dieses Zusammentreffens; jetzt sagte er, zum Studenten sich wendend: Mit der Schneide der Waffen könntet Ihr diese Beleidigung nur schlecht rächen; ich will Euch ein sichreres Mittel bieten, eure Ehre wieder herzustellen. Ich will Euch eingestehn, daß ich bis auf diese Stunde nicht die Absicht gehabt habe, Leonore zu heirathen; aber am heutigen Morgen habe ich von ihr einen Brief erhalten, der mich gerührt hat und ihre Thränen haben eben das Übrige gethan; das Glück, ihr Gatte zu werden, macht das theuerste Ziel meiner Wünsche aus! – Wenn aber der König Euch eine andere Frau zudenkt, sagte Don Luis, wie werdet Ihr Euch dem entziehen können? . . . Der König hat mir keine Partie vorgeschlagen, unterbrach ihn Belflor erröthend; ich bitte Euch diese Vorspiegelung einem Manne, dessen Vernunft durch die Liebe verwirrt war, zu verzeihen; sie ist ein Verbrechen, das die Heftigkeit meiner Leidenschaft mich hat begehen lassen und das ich sühne, indem ich es Euch gestehe.

Senhor, erwiederte der Greis, nach diesem Geständniß, das einem großen Herzen so wohl ansteht, zweifle ich nicht mehr an eurer Aufrichtigkeit; ich sehe, daß Ihr in Wirklichkeit die Schmach, so uns geschehen, wieder gut machen wollt; mein Zorn weicht den Versicherungen, die Ihr uns darüber macht; laßt mich deshalb meinen Groll in euren Armen vergessen. Nach diesen Worten näherte er sich dem Grafen, der heran getreten war, um ihm zuvorzukommen. Sie umarmten sich Beide zu wiederholten Malen; dann wandte sich Belflor zu Don Pedro: Und Ihr, falscher Don Juan, Ihr, sagte er, der schon meine Hochachtung besitzt wegen seines unvergleichlichen Muths und seiner hochherzigen Gesinnungen, kommt, laßt mich Euch die Freundschaft eines Bruders geloben. Indem er dies sagte, umschloß er auch Don Pedro, der mit der Haltung der Ergebenheit und der Ehrfurcht seine Umarmungen aufnahm und ihm antwortete: Senhor, indem Ihr mir eine so hoch zu schätzende Freundschaft versprechet, gewinnt Ihr Euch die meinige; Ihr mögt auf einen Mann bauen, der Euch ergeben sein wird bis zum letzten Augenblick seines Lebens.

Während die Männer solche Reden wechselten, verlor Leonore, die sich neben der Thüre ihres Zimmers hielt, kein Wort von Allem, was man sagte. Im Anfang hatte sie sich versucht gefühlt, sich zu zeigen und sich ohne Besinnung zwischen die entblößten Degen zu werfen. Marcella hatte sie daran verhindert; aber diese schlaue Duegna sah bald, daß die Dinge friedlich verliefen und hielt deshalb dafür, daß die Gegenwart ihrer Herrin und ihre eigene nichts dabei schlimmer machen könne. Deshalb erschienen sie alle Beide, das Schnupftuch in der Hand und eilten, sich weinend Don Luis zu Füßen zu werfen. Sie fürchteten mit Recht, daß, nachdem er sie die vorherige Nacht überrascht hatte, er ihnen wenig Dank für diesen Rückfall wissen würde. Aber er hob Leonore vom Boden auf und sagte: Meine Tochter, trockene deine Thränen, ich werde dir keine neuen Vorwürfe machen; weil dein Geliebter die Treue bewahren will, die er dir geschworen, so willige ich darein, das Vergangene zu vergessen.

Ja, Senhor Don Luis, sagte der Graf, ich werde Leonoren meine Hand reichen und um die Beleidigung, die ich Euch angethan, noch besser wieder gut zu machen, um Euch eine noch vollständigere Genugthuung und zugleich eurem Sohne ein Pfand der Freundschaft zu geben, die ich für ihn hege, trage ich ihm die Hand meiner Schwester Eugenia an. O, Senhor, rief Don Luis mit Entzücken aus, wie dankbar bin ich für die Ehre, die Ihr meinem Sohne erweist! Welcher Vater war je glücklicher! Ihr gebt mir so viel Freude, wie Ihr mir Schmerz bereitet habt!

Wenn der Alte bezaubert schien von dem Anerbieten des Grafen, so war es nicht eben so mit Don Pedro. Da er sehr verliebt in seine Unbekannte war, blieb er so verwirrt, so bestürzt, daß er kein Wort hervorbringen konnte; aber ohne auf seine Verwirrung zu achten, nahm Belflor Abschied, um, wie er sagte, die Zubereitungen zu dieser doppelten Verbindung einleiten zu lassen, da er es nicht abwarten könne, mit Leonore und Pedro durch so enge Bande vereint zu werden.

Nach seinem Fortgehen ließ Don Luis Leonore in ihrer Wohnung und stieg mit Don Pedro in die seine hinauf, wo der letztere ihm mit aller Unumwundenheit eines Studenten sagte: Senhor, ich bitte Euch, mich nicht zu zwingen, die Schwester des Grafen zu heirathen; es ist genug, daß er Leonore heirathet. Diese Verbindung genügt, um unsere Familienehre zu wahren. – Wie, mein Sohn, antwortete der Greis, du widerstrebtest einer Heirath mit der Schwester des Grafen? – Ja, mein Vater, entgegnete Don Pedro, ich gestehe es, diese Verbindung wäre eine grausame Qual für mich und ich will Euch den Grund davon nicht verbergen. Ich liebe, oder besser gesagt, ich bete seit sechs Monaten eine bezaubernde Dame an; ich werde von ihr erhört und sie allein vermag das Glück meines Lebens auszumachen.

In welch unglückliche Lagen ein Vater geräth, sagte nun Don Luis. Fast nie findet er seine Kinder geneigt, das zu thun, was er wünscht! Aber wer ist diese Person denn, die einen so gewaltigen Eindruck auf dich gemacht hat? – Ich weiß es noch nicht, antwortete Don Pedro; sie hat versprochen, es mir zu sagen, wenn sie mit meiner Treue und Verschwiegenheit zufrieden sei; aber ich zweifle nicht, daß ihr Haus eines der erlauchtesten Spaniens ist.

Und du glaubst, erwiederte der Greis, indem er einen anderen Ton annahm, daß ich die Gefälligkeit haben werde, diese romantische Liebe zu billigen? Ich sollte dulden, daß du auf die glorreichste Partie verzichtest, welche das Glück dir darbieten kann, damit du einem Gegenstande deiner Neigung treu bleiben kannst, dessen Namen du nicht einmal kennst? So viel erwarte nicht von meiner Güte; du hast die Gefühle zu ersticken, die du für eine Person hegst, welche vielleicht gänzlich unwürdig ist, sie einzuflößen; du hast nur daran zu denken, wie du die Ehre verdienst, die der Graf uns erweisen will. – Alle diese Worte sind vergeblich, mein Vater, erwiederte der Student; ich fühle, daß ich niemals meine Unbekannte werde vergessen können; nichts wird im Stande sein, mich von ihr loszureißen. Wenn man mir eine Infantin anböte . . . Halt ein, rief heftig Don Luis, das heißt zu unverschämt eine Treue rühmen, die meinen Zorn erregt. Entferne dich und erscheine nicht eher vor meinen Augen, als bis du bereit bist, mir zu gehorchen.

Don Pedro wagte nicht auf diese Worte zu antworten, um sich nicht noch härtere zuzuziehen. Er zog sich in ein Zimmer zurück, wo er den Rest der Nacht damit zubrachte, eben so schwermütigen als angenehmen Gedanken nachzuhängen. Er dachte mit Schmerz daran, daß er durch seinen Verzicht auf die Heirath mit der Schwester des Grafen seine ganze Familie wider sich aufbringen werde; aber er war ganz getröstet darüber, wenn er sich vorstellte, wie ihn seine Unbekannte für ein so großes Opfer entschädigen würde. Er schmeichelte sich sogar, daß sie nach einer solchen Erprobung seiner Treue nicht mehr Anstand nehmen würde, ihm ihren Stand, den er sich dem Eugeniens wenigstens ganz gleich dachte, zu enthüllen.

In dieser Hoffnung verließ er das Haus sobald es Tag wurde und ging im Prado umherzuschlendern, in der Erwartung der Stunde, wo er sich zur Wohnung der Donna Juana begeben konnte – das ist der Name der Dame, bei der er alle Morgen seine Geliebte zu treffen pflegte. Er erwartete diesen Augenblick mit großer Ungeduld, und als er gekommen, eilte er zu dem Stelldichein. –

Er fand seine Unbekannte, die heute zu früherer Stunde als gewöhnlich gekommen, schon dort; aber er fand sie mit Donna Juana in Thränen aufgelöst und wie einem tiefen Schmerze zur Beute. Welches Schauspiel für einen Liebenden! Er nahte ihr ganz bestürzt und sich ihr zu Füßen werfend sagte er: Senhora, wie soll ich mir den Zustand deuten, in welchem ich Euch sehe? Welches Unheil verkünden mir diese Thränen, die mir das Herz brechen? – Ihr könnt nicht gefaßt sein, antwortete sie ihm, auf die Schreckenskunde, die ich Euch mittheilen muß. Das grausame Geschick will uns für immer trennen; wir werden uns nicht wieder sehen!

Sie begleitete diese Worte mit so vielen Seufzern, daß ich nicht weiß, ob Don Pedro mehr von dem, was sie sagte, erschüttert wurde, oder von dem Schmerz, der sie dabei zu erfüllen schien. Gerechter Himmel, rief er mit einem Ausbruch von Raserei, den er nicht beherrschen konnte – kannst du dulden, daß man einen Bund trenne, dessen Unschuld du kennst? Aber, Senhora, fügte er hinzu, vielleicht seid Ihr unnütz in Furcht; ist es gewiß, daß man Euch dem treuesten Liebhaber, der je gewesen, entreißen will? Bin ich in der That der unglücklichste aller Menschen? – Unser Unglück ist nur zu gewiß, antwortete die Unbekannte, mein Bruder, der meine Hand zu vergeben hat, verheirathet mich heute; er hat es mir soeben angekündigt. – Und wer ist dieser glückliche Bräutigam? fragte Don Pedro hastig, nennt ihn mir, Senhora, ich werde in meiner Verzweiflung . . . Ich weiß seinen Namen noch nicht, unterbrach ihn die Unbekannte, mein Bruder hat es mir nicht sagen wollen, er hat mir nur gesagt, daß er wünsche, ich sähe den Cavalier vorher.

Aber, Senhora, sagte Don Pedro, unterwerft Ihr Euch ohne Widerstreben dem Willen eines Bruders? Wollt Ihr Euch zum Altar schleppen lassen, ohne Euch über eine so grausame Opferung zu beklagen? Werdet Ihr mir zu liebe nichts versuchen? Ach, ich habe nicht gefürchtet, mich dem Zorn meines Vaters auszusetzen, um mich Euch zu erhalten. Seine Drohungen haben meine Treue nicht erschüttern können, und mit welcher Härte er mich auch behandeln wird, ich werde die Dame, die man mir bestimmt, nicht heirathen, so glänzend diese Partie auch sein mag. – Und wer ist diese Dame? sagte die Unbekannte. – Es ist die Schwester des Grafen Belflor, antwortete der Student. – Ah, Don Pedro, rief die Unbekannte mit allen Zeichen der höchsten Überraschung aus – Ihr irrt Euch ohne Zweifel, Ihr könnt nicht die Wahrheit gesagt haben . . . ist es in der That Eugenie, die Schwester des Grafen Belflor, die man Euch bestimmte?

Ja, Senhora, versetzte Don Pedro, der Graf selbst hat mir ihre Hand angetragen. – Wie, rief sie aus, wäre es möglich, daß Ihr der Cavalier wäret, dem mein Bruder mich zugedacht hat? – Was höre ich, rief der Student jetzt seinerseits, die Schwester des Grafen Belflor wäre meine Unbekannte? – Ja, Don Pedro, entgegnete Eugenie, aber ich bin versucht, in diesem Augenblick zu zweifeln, ob ich es denn wirklich sei, so schwer wird es mir, an das Glück, von dem Ihr mir sprecht, zu glauben.

Bei diesen Worten umfaßte Don Pedro ihre Knie, dann ergriff er eine ihrer Hände, und küßte sie mit all der Inbrunst, die ein Liebender empfinden kann, der plötzlich vom tiefsten Schmerz zur höchsten Freude übergeht. Während er sich so den Eingebungen seiner Liebe hingab, erwies ihm Eugenie ihrerseits tausend Liebkosungen, die sie mit eben so viel Worten der Zärtlichkeit und Schmeichelei begleitete. Welche Folter hätte mir mein Bruder erspart, sagte sie, wenn er mir den Bräutigam genannt hätte, dem er mich bestimmt! Welchen Widerwillen hatte ich schon gegen diesen Gatten gefaßt! Ach, mein theurer Don Pedro, wie habe ich Euch gehaßt! – Schöne Eugenie, erwiederte er, wie wohl thut mir dieser Haß! Ich will ihn verdienen, indem ich Euch mein ganzes Leben hindurch anbete!

Nachdem die beiden Liebenden sich die rührendsten Beweise gegenseitiger Zärtlichkeit gegeben, wollte Eugenie wissen, wie der Student sich die Gunst ihres Bruders habe gewinnen können. Don Pedro verhehlte ihr die Liebe des Grafen und seiner Schwester nicht und erzählte ihr alle Vorgänge der verflossenen Nacht. Es war für sie eine Freude mehr, zu hören, daß ihr Bruder die Schwester ihres Geliebten heirathen werde. Donna Juana nahm am Schicksale ihrer Freundin zu viel Theil, um ungerührt zu bleiben bei diesem glücklichen Ereigniß; sie drückte jener sowohl als Don Pedro ihre Freude aus. Don Pedro aber trennte sich endlich von Eugenie, nachdem er mit ihr verabredet hatte, daß sie sich stellen wollten, als kennten sie sich nicht, wenn sie sich in Gegenwart des Grafen sähen.

Don Pedro kehrte zu seinem Vater zurück, der um so erfreuter war, ihn zum Gehorsam geneigt zu finden, als der Greis diese Unterwerfung den ernsten Worten zuschrieb, die er in der verflossenen Nacht zu seinem Sohne gesprochen. Sie erwarteten Nachrichten von Belflor, als sie ein Billet von ihm erhielten. Er schrieb ihnen, daß er die Einwilligung des Königs zu seiner und seiner Schwester Vermählung, mit einer ehrenvollen Anstellung für Don Pedro erhalten; daß schon am folgenden Tage die Trauungen vorgenommen werden könnten, weil die Befehle, die er zu diesem Behufe gegeben, mit solchem Eifer vollzogen würden, daß die Zurüstungen schon weit vorgerückt seien. Den Nachmittag kam er selbst zu bestätigen, was er ihnen geschrieben und um ihnen Eugenie vorzustellen.

Don Luis erwies dieser Dame alle erdenkbaren Höflichkeiten und Leonore konnte nicht müde werden, sie zu umarmen. Was Don Pedro angeht, so bezwang er sich hinlänglich, um den Grafen ihr Einverständniß nicht im mindesten ahnen zu lassen, – so berauscht von Liebe und Glück er auch war.

Da Belflor sich besonders zur Aufgabe gemacht, seine Schwester zu beobachten, so glaubte er trotz des Zwanges, den sie sich anthat, zu bemerken, daß Don Pedro ihr nicht mißfalle. Um desto sichrer darüber zu sein, nahm er sie einen Augenblick zur Seite und ließ sie eingestehen, daß sie den Cavalier ziemlich nach ihrem Geschmacke finde. Er theilte ihr darauf seinen Namen und seine Herkunft mit, was er ihr vorher nicht hatte sagen wollen aus Furcht, daß die Ungleichheit des Ranges sie wider ihn einnehme; sie aber stellte sich, als ob sie darüber in völliger Unkenntniß sei.

Nach vielen höflichen Redensarten von beiden Seiten wurde endlich beschlossen, daß die Hochzeit bei Don Luis statt finden solle. Und das ist diesen Abend geschehen, und geschieht noch in diesem Augenblick . . . daher der Jubel in diesem Hause. Alle Welt darin giebt sich der Freude hin. Die einzige Dame Marcella nimmt keinen Theil an diesen Lustbarkeiten; sie weint in diesem Augenblick, während die anderen lachen; denn nach der Trauung hat der Graf Belflor Don Luis Alles gestanden und dieser hat die Duegna in das Kloster de las Arepentidas sperren lassen, wo die tausend Pistolen, die sie annahm, um Leonora zu verführen, ihr ermöglichen, den Rest ihrer Tage hindurch ihre Treulosigkeit zu bereuen.



 << zurück weiter >>