Alain René Lesage
Der hinkende Teufel
Alain René Lesage

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Neunzehntes Kapitel.

Von Gefangenen.

Sie hielten beide an auf einem Hause, das nahe bei diesem Kloster lag, vor dessen Thore ein großer Zusammenlauf von Leuten jedes Geschlechts Statt fand. Welche Volksmenge! rief Leandro Perez; zu welcher Feierlichkeit strömen alle diese Menschen hier zusammen? – Zu einer Feierlichkeit, antwortete der Dämon, wie Ihr nie eine gesehen habt, obwohl sie von Zeit zu Zeit in Madrid veranstaltet wird. Es werden dreihundert Sklaven, alle Unterthanen des Königs von Spanien, im nächsten Augenblick eintreffen; sie kommen aus Algier zurück, wo die Väter von der »Redemption« sie losgekauft haben. Alle Straßen, durch welche sie ziehen, werden sich mit Zuschauern anfüllen.

Es ist wahr, entgegnete Zambullo, daß ich bis jetzt nicht sehr neugierig auf ein solches Schauspiel war; und wenn es dies ist, was eure Senhoria mir vorbehält, so sage ich Euch offen, daß Ihr es mir nicht so hoch anzurechnen braucht. – Ich kenne Euch zu gut, versetzte der Teufel, um nicht zu wissen, daß Ihr nicht viel Vergnügen daran findet, Unglückliche zu beobachten. Aber wenn ich Euch sage, daß ich sie Euch zeigen will, um Euch die merkwürdigen Umstände, die bei der Gefangennahme des Einen vorkamen und die Verlegenheiten, in welche Andere bei ihrer Rückkehr nach Hause gerathen werden, zu berichten, so bin ich überzeugt, daß Ihr mit dem Vergnügen, welches ich Euch gewähren will, nicht so unzufrieden sein werdet. – O, dann allerdings nicht, erwiederte der Student; was Ihr da sagt, verändert die Dinge und Ihr werdet mir ein wahres Vergnügen machen, wenn Ihr euer Versprechen haltet.

Während sie sich so unterhielten, hörten sie plötzlich laute Schreie, welche die Volksmasse beim Anblick der Gefangenen ausstieß, die in folgender Weise daherschritten: sie gingen zu Fuß, zwei und zwei, in ihren Sklavenkleidern und jeder seine Kette auf der Schulter tragend. Eine ziemlich große Anzahl von Mönchen de la Merced, die ihnen entgegen gegangen waren, zog vor ihnen einher, reitend auf schwarz behangenen Maulthieren, und einer dieser guten Väter trug die Fahne der »Redemption«. Die jüngsten Gefangenen waren an der Spitze; die älteren folgten ihnen; hinter diesen erschien auf einem kleinen Pferde ein Mönch vom selben Orden wie die vorausziehenden, der ganz das Aussehn eines Propheten hatte. Auch war er der Vorsteher der Mission. Er zog die Augen der Zuschauer durch seinen strengen Ernst und einen langen grauen Bart auf sich, der ihn ehrwürdig erscheinen ließ; auf dem Antlitz dieses spanischen Moises las man die unaussprechliche Freude, die er bei der Zurückführung so vieler Christen in ihr Vaterland empfand.

Diese Gefangenen, sagte der Hinkende, sind nicht alle gleicher Weise entzückt, die Freiheit wieder gefunden zu haben. Wenn einige sich freuen, bald ihre Eltern oder Verwandten wieder zu sehen, so sind andere darunter, die fürchten zu erfahren, daß während ihrer Abwesenheit im Kreise ihrer Familie sich Dinge ereignet haben, die für sie grausamer als die Sklaverei sind.

Die Beiden, die an der Spitze einherschreiten, sind zum Beispiel in diesem Falle; der eine, der aus der kleinen Stadt Velilla in Aragonien stammt und zehn Jahre in der türkischen Sklaverei war, ohne eine Nachricht von seiner Frau zu bekommen, wird diese in zweiter Ehe verheirathet als Mutter von fünf Kindern finden, an denen er kein Theil hat. Der andere, der Sohn eines Wollhändlers zu Segovia, wurde vor fast vier Lustren durch einen Corsaren geraubt. Er besorgt, daß in so vielen Jahren seine Familie ein ganz andres Ansehn bekommen hat; und seine Sorge ist nicht ungegründet; seine Eltern sind gestorben und seine Brüder, die sich in das ganze Erbe theilten, haben es durch ihre schlechte Aufführung durchgebracht.

Ich betrachte aufmerksam einen Sklaven, sagte der Student, und schließe aus seiner Miene, daß er entzückt ist, der Bastonade nicht mehr ausgesetzt zu sein! – Der Gefangene, den Ihr im Auge habt, antwortete der Teufel, hat große Ursache, über seine Befreiung erfreut zu sein; er weiß, daß eine Tante, deren einziger Erbe er ist, starb und daß ihn ein glänzendes Vermögen erwartet; das beschäftigt ihn in angenehmster Weise und giebt ihm dies Aussehn von Zufriedenheit, das Ihr an ihm wahrnehmt.

Anders steht es um den unglücklichen Cavalier, der an seiner Seite schreitet; eine grausame Unruhe quält ihn ohne Aufhören und Folgendes ist die Ursache. Als er durch einen algierischcn Piraten auf der Fahrt von Spanien nach Italien gefangen wurde, liebte er eine Dame, deren Gegenneigung er gewonnen hatte; er fürchtet, daß während seiner Abwesenheit die Treue seiner Schönen nicht unerschütterlich geblieben. – Und ist er lange Sklave gewesen? fragte Zambullo. – Achtzehn Monate, erwiederte Asmodeus. – Dann, versetzte Leandro, glaub ich doch, daß dieser Cavalier sich einer eitlen Furcht hingiebt; er hat die Treue seiner Dame nicht einer hinreichend starken Probe ausgesetzt, um sich so beunruhigen zu müssen! – Darin irrt Ihr Euch, entgegnete der Hinkende; seine Prinzessin hat nicht sobald erfahren, daß er von den Barbaresken gefangen, als sie sich einen andern Liebhaber angeschafft hat.

Würdet Ihr denken, fuhr der Dämon fort, daß die Gestalt, welche unmittelbar den zwei, von denen die Rede war, folgt, und die ein dicker rother Bart so scheußlich entstellt, ein sehr hübscher Mensch war? Und doch ist nichts wahrer und Ihr seht in dieser häßlichen Figur den Helden einer ziemlich sonderbaren Geschichte, die ich Euch erzählen will.

Der große Bursche nennt sich Fabricio. Er hatte kaum fünfzehn Jahre, als sein Vater, ein reicher Ackerbauer in dem großen Flecken Cinquello im Königreich Leon, starb, und bald darauf verlor er auch seine Mutter, so daß er als einziges Kind in den Besitz eines bedeutenden Vermögens kam, dessen Verwaltung einem seiner Oheime, einem redlichen Manne, anvertraut wurde. Fabricio beendete seine bereits begonnenen Studien in Salamanca, er lernte dort ferner Reiten und Fechten, mit einem Worte er vernachlässigte nichts, was dazu dienen konnte, ihn der Gunst der Donna Hippolyta würdig zu machen, der Schwester eines kleinen Edelmanns, der sein Strohdach-Edelhöflein zwei Büchsenschuß weit von Cinquello hatte.

Diese Dame war von vollkommner Schönheit und von demselben Alter wie Fabricio, der sie von Kindesbeinen an gesehen und so zu sagen mit der Muttermilch die Liebe eingesogen hatte, in der er für sie erglühte. Hippolyta ihrerseits hatte sehr wohl wahrgenommen, welch hübscher Bursche er war; aber da sie ihn als den Sohn eines Ackersmanns kannte, so ließ sie sich nicht herab, ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken; sie war von einem unerträglichen Stolze, eben so wie ihr Bruder, Don Thomas von Xaral, der vielleicht an Bettelarmuth und Adelshochmuth nicht seines Gleichen in Spanien hatte.

Dieser stolze Krautjunker bewohnte ein Haus, das er sein Schloß nannte und das eigentlich nur eine alte Baracke war, die auf allen Seiten den Einsturz drohte. Dennoch, obwohl sein Vermögen zu einer Wiederherstellung nicht ausreichte, obwohl er Mühe hatte zu leben, hielt er einen Lakaien zu seinem Dienst und seiner Schwester eine maurische Zofe zur Aufwartung.

Es war ein ergötzliches Schauspiel, Don Thomas an Sonn- und Festtagen im Flecken erscheinen zu sehen, in einem Kleide von schäbigem karmoisinrothen Sammt und in einem kleinen, mit einem alten gelben Federbusch geschmückten Hute, die er während der andern Wochentage wie Reliquien bei sich aufbewahrte. Mit diesem Plunder angethan, der ihm das Zeugniß seiner adligen Herkunft schien, spielte er den großen Herrn, und glaubte die tiefen Verbeugungen, welche man ihm machte, hinreichend zu belohnen, wenn er sie mit einem Blicke zu erwiedern sich herabließ. Seine Schwester war nicht weniger ahnenstolz und vernarrt als er und verband mit dieser Lächerlichkeit noch die, so eitel auf ihre Schönheit zu sein, daß sie in der glorreichen Hoffnung lebte, irgend ein Grande werde kommen, und sie als Gemahlin heimführen.

So waren Don Thomas und Hippolyta; Fabricio wußte es nur zu gut, und um sich den zwei hochmütigen Leuten angenehm zu machen, gebrauchte er das Mittel, ihrer Eitelkeit durch übertriebene Ehrfurcht zu schmeicheln, was er mit so viel Geschicklichkeit that, daß der Bruder und die Schwester endlich für gut befanden, ihm die Ehre zu gewähren, ihnen recht oft in ihrem Hause seine Huldigungen darbringen zu dürfen. Da er eben so gut wie ihren Stolz ihre Armuth kannte, fühlte er sich täglich versucht, ihnen seine Börse anzubieten; aber die Furcht, ihren Hochmuth wider sich zu empören, hielt ihn davon ab. Nichtsdestoweniger fand sein listiger Edelmuth die Wege aus, ihnen beizustehen, ohne daß sie dabei zu erröthen brauchten. Senhor, sagte er eines Tages dem Edelmann unter vier Augen, ich habe zwei tausend Dukaten unterzubringen; erweist mir den Gefallen, sie für mich aufzubewahren; ich möchte Euch diese Verbindlichkeit schulden.

Man braucht nicht zu fragen, ob Xaral darein willigte; neben dem, daß er nicht bei Gelde war, hatte er die Gewissenhaftigkeit eines Depositars: Er übernahm sehr gern die Summe und hatte sie nicht sobald in Händen, als er einen Theil davon aufwendete, um seine Baracke wieder herzustellen und sich alle seine kleinen Bequemlichkeiten zu verstatten; ein neuer Anzug von sehr schönem blauem Sammt wurde angeschafft und in Salamanca verfertigt, und eine grüne Feder, die eben dort erstanden wurde, raubte dem gelben Federbusch die Ehre, die er seit unvordenklichen Zeiten genossen, das adlige Haupt des Don Thomas zu schmücken. Die schöne Hippolyta erhielt auch ihre Verehrung und wurde vollständig aufgeputzt. Auf diese Art verschwendete Xaral die ihm anvertrauten Dukaten, ohne zu bedenken, daß sie ihm nicht gehörten, und daß er sie niemals werde zurückgeben können. Er machte sich nicht das geringste Gewissen daraus, so zu verfahren; er hielt es sogar für gerecht, daß ein Bürgerlicher für die Ehre zahle, mit einem Edelmann zu verkehren.

Fabricio hatte dies sehr wohl vorausgesehen, aber zugleich hatte er sich mit der Hoffnung geschmeichelt, daß seinem baaren Gelde zu Liebe Don Thomas mit ihm auf vertraulichem Fuße verkehren und daß Hippolyta sich nach und nach daran gewöhnen würde, seine Aufmerksamkeiten zu dulden, und daß sie ihm endlich die Kühnheit, seine Augen bis zu ihr erhoben zu haben, vergeben würde. In der That hatte er von nun an freieren Zutritt zu ihnen; sie bezeigten ihm mehr Freundschaft, als sie es früher gethan. Ein reicher Mann findet die Großen immer sehr gnadenreich, wenn er sich von ihnen als ihre Milchkuh gebrauchen läßt. Xaral und seine Schwester, die bislang den Reichthum nur dem Namen nach gekannt, hatten nicht sobald die Annehmlichkeit desselben erfahren, als sie räthlich fanden, Fabricio sich warm zuhalten; sie hatten Rücksichten und Aufmerksamkeiten für ihn, die ihn entzückten. Er glaubte, daß seine Persönlichkeit ihnen nicht mißfalle und daß sie sich sicherlich das Geständniß gemacht, daß tagtäglich Edelleute gezwungen seien, ihre Zuflucht zu bürgerlichen Verbindungen zu nehmen, um ihren Adel aufrecht zu erhalten. In dieser Voraussetzung, die seiner Leidenschaft schmeichelte, entschloß er sich, Hippolytas Hand zu begehren.

Bei der ersten günstigen Gelegenheit, welche er finden konnte, mit Don Thomas zu reden, sagte er ihm, daß er leidenschaftlich wünsche, sein Schwager zu werden, und daß er, um dieser Ehre willen, ihm nicht allein das anvertraute Kapital überlassen, sondern auch noch ein Geschenk von tausend Pistolen machen werde. Der stolze Xaral erröthete bei diesem Anerbieten, das seinen Stolz erregte, und war in der ersten Bewegung nahe daran, die ganze Verachtung zu zeigen, welche er für den Sohn eines Bauern hatte. Doch so empört er über die Verwegenheit Fabricios war, hielt er doch an sich und ohne ein Zeichen von Verachtung an den Tag zu legen, antwortete er ihm, daß er in einer solchen Angelegenheit sich nicht auf der Stelle entscheiden könne, daß es nöthig sei, Hippolyta dabei zu Rathe zu ziehen und sogar einen Familienrath zusammen zu berufen.

Er entließ den Liebhaber mit dieser Antwort und berief in der That eine Versammlung aus mehreren Hidalgos der Nachbarschaft, die mit ihm verwandt waren und die sämmtlich wie er die Wuth der Hidalguia hatten. Er berathschlagte mit ihnen, nicht, um von ihnen zu erfahren, ob sie der Meinung, er solle seine Schwester Fabricio gewähren, sondern um zu besprechen, auf welche Art man am besten den verwegenen jungen Mann strafe, der trotz der Niedrigkeit seiner Geburt wagte, nach dem Besitze eines Mädchens von dem Range Hippolytas zu streben.

Sobald er diese Keckheit der Versammlung mitgetheilt hatte, hättet Ihr die Augen all' dieser adligen Herrn sich bei dem bloßen Namen Fabricio, und Sohn eines Ackersmanns, entflammen sehen müssen! Jeder spie Feuer und Flammen gegen den Verwegenen; alle waren einstimmig, daß er unter Stockschlägen umkommen müsse, um die Schmach, die er der Familie durch einen solch entehrenden Antrag zugefügt, zu sühnen. Nachdem man jedoch die Sache reiflicher bedacht, war das Ergebniß der Beratschlagung, daß man den Schuldigen am Leben lassen, aber daß man ihm einen Streich spielen wolle, an den er sich lange erinnern solle, um ihn zu lehren, sich niemals wieder höher zu versteigen, als ihm zukomme. –

Man schlug verschiedene Bosheiten vor und folgende wurde endlich beschlossen: Hippolyta sollte den Schein annehmen, als ob sie durch Fabricios Neigung gerührt sei; unter dem Vorwande, ihn trösten zu wollen in seinem Schmerz über Don Thomas Weigerung, ihn zum Schwager anzunehmen, sollte sie ihm in einer Nacht ein Rendezvous in ihrem Hause gewähren; im Augenblicke aber, wo die maurische Zofe ihn einführte, sollten versteckte Leute ihn mit der Zofe überraschen und man wollte ihn dann mit Gewalt zwingen, diese zu heirathen.

Die Schwester Xarals gab sich anfangs zu diesem Bubenstück ohne Widerstreben her; sie glaubte, ihre Ehre erfordere, daß sie die Bewerbung eines so viel niedriger geborenen Menschen als eine Beleidigung betrachte. Aber diese gereizte Stimmung wich bald einer Regung des Mitleids, oder vielmehr, die Liebe machte sich plötzlich den Hochmuth Hippolytas unterwürfig.

Von diesem Augenblicke an erschienen ihr die Dinge in einem andern Lichte; sie fand die niedere Geburt Fabricios aufgewogen durch seine guten Eigenschaften und erblickte in ihm nur noch einen ihrer ganzen Neigung würdigen Cavalier. Bewundert, mein Herr Student, die merkwürdige Verwandlung, welche diese Leidenschaft hervorzubringen vermag; dasselbe Mädchen, welches sich einbildete, ein Fürst sei kaum würdig, sie zu besitzen, wird in einem Augenblick auf einen Bauernsohn versessen und frohlockt über Bewerbungen, die sie anfangs als eine Schmach betrachtet hat!

Sie gab sich der Neigung hin, von welcher sie erfaßt worden, und weit entfernt, der Rachsucht ihres Bruders zu dienen, unterhielt sie ein heimliches Verständniß mit Fabricio, den ihre maurische Zofe zuweilen Nachts in ihr Haus einließ. Aber Don Thomas faßte Argwohn wider das, was vorging; seine Schwester wurde ihm verdächtig; er beobachtete sie und überzeugte sich mit seinen eigenen Augen, daß sie die Absichten der Familie, statt ihnen zu entsprechen, verrieth. Er unterrichtete davon sofort zwei seiner Vettern, die dabei in den Harnisch gerathend: Rache, Don Thomas, Rache! schrien. Xaral, der nicht nöthig hatte, angespornt zu werden, um sich Genugthuung für eine Beleidigung dieser Art zu verschaffen, sagte ihnen mit spanischer Bescheidenheit, daß sie sehen würden, wie er seinen Degen, zu gebrauchen wisse, wenn es sich darum handle, seine Ehre zu rächen; darauf bat er sie, sich an einem bestimmten Tage bei Eintritt der Nacht in seinem Hause einzufinden.

Sie erschienen sehr pünktlich. Er führte sie ein, und verbarg sie in einer kleinen Kammer, ohne daß irgend Jemand im Hause es bemerkte. Dann verließ er sie mit dem Versprechen, daß er sofort zu ihnen zurückkehren werde, wenn der Liebhaber in das Schloß gekommen – vorausgesetzt, daß er in dieser Nacht sich einfallen lasse zu kommen; und dies war allerdings der Fall, da der böse Stern unsrer Liebenden gewollt, daß sie diese selbe Nacht sich ein Stelldichein gegeben hatten.

Don Fabricio war bei seiner theuren Hippolyta. Sie begannen Reden zu tauschen, die sie schon hundertmal getauscht hatten, aber die, wenn auch noch so oft wiederholt, stets den Zauber der Neuheit haben, als sie aufs unangenehmste durch die Cavaliere unterbrochen wurden, die sich vorgenommen, sie zu überraschen. Don Thomas und seine Vettern stürzten sich alle drei mit gewaltigem Muth auf Fabricio, der nur eben noch Zeit hatte, seinen Degen zu ziehen, und der, aus ihrem Auftreten schließend, daß sie ihn ermorden wollten, sich wie ein Verzweifelter wehrte. Er verwundete sie alle drei und ihnen die Spitze seines Degens vorhaltend, gewann er glücklich die Thüre und rettete sich.

Als Xaral sah, daß sein Feind, ohne für die Entehrung seines Hauses gestraft zu sein, ihm entging, wandte er seine Wuth wider die unglückliche Hippolyta und stieß ihr seinen Degen ins Herz; seine beiden Vettern aber zogen sich sehr gedemüthigt über den schlechten Ausfall ihres Complotts mit ihren Wunden nach Hause zurück.

Bleiben wir dabei stehen, fuhr Asmodeus fort; wenn alle Gefangenen an uns vorübergezogen sein werden, wollen wir zu diesem da zurückkehren. Ich werde Euch erzählen, wie sich bei Gelegenheit dieses traurigen Ereignisses die Justiz seines ganzen Vermögens bemächtigte und er das Unglück hatte, bei einer Fahrt übers Meer Sklave zu werden.

Während eurer Erzählung, sagte Don Cleophas, habe ich unter jenen Unglücklichen einen jungen Menschen bemerkt, der so traurig und niedergeschlagen aussah, daß ich nahe daran war, Euch zu unterbrechen, um Euch nach der Ursache zu fragen. – Ihr sollt nicht darum verkürzt werden, antwortete der Dämon; ich kann Euch das, was Ihr zu wissen wünscht, berichten. Der Gefangene, dessen Niedergeschlagenheit Euch auffiel, gehört einer guten Familie in Valladolid an. Er war zwei Jahre lang in der Sklaverei, bei einem Herrn, der eine sehr hübsche Frau hat; sie war aufs heftigste in diesen Sklaven verliebt, der ihre Liebe aufs Wärmste erwiederte. Da der Herr es ahnte, beeilte er sich, den Christen zu verkaufen, aus Sorge, daß er bei ihm für die Vermehrung der türkischen Race arbeite. Der zärtliche Castilianer weint seitdem ohne Unterlaß über den Verlust seiner Herrin; die Freiheit hat nicht die Macht, ihn zu trösten.

Ein Greis von gewinnendem Aussehen zieht meine Blicke auf sich, sagte Leandro Perez. Wer ist dieser Mann? – Der Teufel antwortete: Es ist ein Barbier aus Guipuzcoa, der nach Biscaja heimkehren wird, nachdem er vierzig Jahre in der Sklaverei verlebte. Als er auf einer Reise von Valencia nach der Insel Sardinien in die Gewalt eines Corsaren fiel, hatte er eine Frau, zwei Knaben und eine Tochter; von ihnen allen ist ihm nur ein Sohn geblieben, der, glücklicher als er in der Fremde war, von Peru mit unermeßlichem Reichthum in sein Vaterland zurückkehrte und sich in seinem Geburtslande zwei hübsche Landgüter ankaufte. – Welche Freude, fiel der Student ein, welches Entzücken für diesen Sohn, seinen Vater wiederzusehn und im Stande zu sein, ihm seine letzten Tage angenehm und sorgenlos zu machen!

Ihr sprecht, versetzte der Hinkende, wie ein Kind voll Zärtlichkeit und Gefühl; der Sohn des biscajischen Barbiers ist von einem borstigeren Naturell. Die unvermuthete Ankunft seines Vaters wird ihm mehr Verdruß als Freude bereiten; statt ihn in seinem Hause in Guipuzcoa zu behalten und nichts zu sparen, um ihm zu zeigen, daß er entzückt ist, ihn zu besitzen, wird er ihn vielleicht zum Hausmeister auf einem seiner Güter machen.

Hinter diesem Gefangenen, der Euch von so einnehmendem Aussehen erscheint, geht ein andrer, der wie ein Tropfen dem andern einem alten Affen gleicht; es ist ein kleiner Heilkünstler aus Aragonien, der nicht vierzehn Tage in Algier war. Sobald die Türken erfahren haben, welches Handwerk er trieb, haben sie ihn nicht bei sich dulden wollen; sie haben vorgezogen, ihn ohne Lösegeld den Vätern de la Merced zu überlassen, die sicherlich kein Geld für ihn ausgelegt hätten, und ihn nur widerwillig nach Spanien zurückbrachten.

Aber wie werdet Ihr, die Ihr so mitfühlend bei den Schmerzen Andrer seid, jenen Sklaven dort beklagen, der auf seinem kahlen Kopf ein braunes Käppchen trägt, wenn Ihr all die Qualen kenntet, die er bei einem englischen Renegaten, seinem Herrn, während zwölf Jahren in Algier erduldet hat! – Und was ist dieser arme Gefangene? sagte Zambullo. – Es ist ein Franziskaner aus Navarra, antwortete der Dämon; ich gestehe Euch, daß es mir Vergnügen macht, daß er so jämmerlich hat leiden müssen, weil er durch seine Moralpredigten mehr als hundert Christensklaven abgehalten hat, den Turban zu nehmen.

Und ich sage Euch mit derselben Offenheit, versetzte Don Cleophas, daß ich betrübt darüber bin, daß dieser gute Alte so lange in der Gewalt eines Barbaren war. – Wir haben beide Unrecht, Ihr, Euch zu grämen, und ich, mich zu freuen, entgegnete Asmodeus. Dieser gute Mönch hat seine zwölf Leidensjahre so gut angewandt, daß es ihm mehr Vortheil bringt, diese ganze Zeit in Qualen zugebracht zu haben, als wäre er in seiner Zelle geblieben, um Versuchungen zu bekämpfen, denen er nicht immer widerstanden haben würde.

Der nächste Gefangene nach dem Franziskaner, sagte Leandro Perez, sieht für einen Mann, der aus der Sklaverei zurückkommt, sehr gelassen aus; es reizt meine Neugier, zu wissen, wer er ist. – Ihr kommt mir zuvor, antwortete der Hinkende, ich wollte Euch auf ihn aufmerksam machen. Ihr seht in ihm einen Bürger von Salamanca, einen unglücklichen Vater, einen Sterblichen, der so viel Schmerz erfahren, daß er unempfindlich dagegen geworden. Ich fühle mich versucht, Euch seine trübselige Geschichte mitzutheilen, und den Rest dieser Gefangenen ziehen zu lassen; es sind auch wenige darunter, deren Erlebnisse nach denen des Mannes, von dem wir reden, noch der Mühe des Erzählens werth sind.

Der Student begann schon sich zu langweilen bei dem Anschauen von so vielen trübseligen, an ihm vorüberziehenden Gestalten und sagte deshalb, daß er nichts Besseres verlange. Darauf theilte ihm der Teufel die in dem folgenden Kapitel enthaltene Geschichte mit.



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