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Fünfundzwanzigstes Kapitel

. Zwei Tage darauf, Jan war gerade auf dem Feld, klopfte Hopsassa an die Haustüre.

»Kommt, gute Hopsassa, eßt und trinkt,« sagte Roose zu ihr. »Freude ist jetzt in unserem Haus. Ich werde jetzt bald Madame Lamm sein.«

Die Alte begann zu singen und zu tanzen, um zu zeigen, wie sehr sie sich über das Glück der hübschen Roose freute.

»Eh, hi … hi … hidelhidel hopsassa!«

»Und Ihr kommt mit auf den Pachterhof, Mutter! Ihr bekommt da auch immer Schweinefleisch und Kartoffeln, Kaffee und Bier.«

Die Alte schüttelte ihr verrunzeltes Gesicht und wimmerte:

»Ihr werdet mich nicht mehr lange sehen, gutes Herz. Der Tag ist nah' wo man die Landstreicherin auf einem Feld finden wird, erschlagen wie einen tollen Hund! Hahaha! Aber das wird ihnen nichts nützen. Sie werden das Geld doch nicht haben.« Sie setzte sich an den Feuerherd, und Roose reichte ihr Brot und Kaffee. Sie aß und trank, und als sie satt war, ließ sie sich die Kassette geben, weil sie damit etwas Besonderes vorhalte. Und Roose ging sie holen. Da nahm die Alte einen Spaten, grub eine Grube in die Erde unter dem Apfelbaum und versenkte die Kassette gerade an derselben Stelle, wo sie sie gefunden hatte, nur etwas weniger tief.

»Es wird ihm schon sicherlich etwas sagen, daß sein Geld da ist,« murmelte sie durch die Zähne.

Sie ging, ihre Hände öffnend und wieder schließend mit weitausholenden Bewegungen gleich einem Säemann.

In einer Stubenecke jammerte Ursula in ihren Schmerzen.

Boer Jan kam vom Feld zurück, grämlich wie immer.

Der Abend legte seinen roten Schein auf das Land.

Vor seinem Fenster sah Jan den Apfelbaum sich in der Abendglut purpurn färben.

»Verfluchter Apfelbaum! Gesegneter Baum!« Seine Augen glühten.

Allmählich stieg der Schein immer höher, ein Dunst begann die Umrisse der Zweige zu verschleiern.

Boer Jan stahl sich mit Wolfsschritten hinaus; seine magere Gestalt wurde noch schmäler im Abenddämmer. Auf Umwegen schleicht er bis an den Apfelbaum heran.

Ha! Man hatte die Erde hier angerührt!

Er fuhr zusammen: mit rotem Kopf, schlotternd vor Angst und vor Freude zugleich, wühlte er mit seinen Fingerspitzen in der Erde herum, und plötzlich tauchte die Kassette vor seinen Augen auf. Sein gieriges Herz schmolz in Wonne, und er weinte wohltuende Tränen.

»Ha!« sagte er sich, »ich hab' gut daran getan bei dem Herrn Pfarrer keine Messe zu bestellen. Das Geld wäre weggeworfen gewesen, weil ich doch meine Kassette wiedergefunden habe.«

Am selben Abend meinte ein Bauer, der sich verspätet hatte und an einem Waldsaum vorbei mußte, nicht weit von Boer Jans Haus einen verdächtigen Lärm in den Büschen gehört zu haben. Jemand hatte da geschrien. Da hatte er gehorcht. Die rauhe Stimme eines Strolches schien irgendwem zu drohen.

»Wo hast du es? Gleich sagst du es, alte Hexe! Wo ist das Geld?«

»Eher schlägst du mich tot, Hundesohn!« kreischte eine Allweiberstimme.

Dann hörte man abermals ein Aufheulen, ein Gewimmer und die dumpfen Geräusche eines Kampfes.

Den Bauer packte die Angst, und da die Stunde schon spät war, suchte er rasch das Weite; aber er hatte dann sein Abenteuer an die Nachbarn erzählt, und als das Gerede immer mehr angewachsen war, begab sich am nächsten Morgen der Feldhüter in den betreffenden Teil des Waldes.

In einem zerwühlten Gebüsch sah man die Erde voller Abdrücke wie in Lehm. Es mußte hier ein wütender Kampf stattgefunden haben. Abdrücke von nackten Füßen, die lang und schmal waren und breite Zehen hatten, waren in diesen Lehm eingestampft, es durchkreuzte sie die Spur von großen, mit gewaltigen Nägeln beschlagenen Sohlenabdrücken, neben denen hier und da Abdrücke von alten, schiefgelaufenen Stiefeln zu erkennen waren.

Etwas wie blutige Masse klebte an einem Erdklumpen und sah wie gefrorener Vogelleim aus, der von roter Weinhefe durchzogen war; und graues filziges Haar lag hin und wieder in steifen Büscheln herum.

Etwas weiter nach hinten, zwischen Heidekraut mitten in einer Blutlache lag ein fast völlig nackter Leichnam mit dem Hintern frech nach oben gekehrt. Aus dem gespalteten Schädel war die Gehirnmasse in den weit aufgerissenen Mund geflossen, dessen Lippen ganz zurückgezogen waren.

»Ein feines Maul!« murmelte der Feldhüter, indem er das Protokoll aufnahm.

Man wußte zuvörderst nicht, wohin Uyltje und ihr Liebster, der Ziegelarbeiter, sich gewandt hatten.


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