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Neunzehntes Kapitel

. Die Nacht sank schon nieder, als man plötzlich irgend etwas an der verschlossenen Haustür kratzen hörte. Ein Hund war es nicht, eine Katze auch nicht. Und einige Minuten darauf erzitterte die Tür von unter her unter einer Anzahl von Fußtritten.

»Herein!« schreit Santje, aber von draußen hört man nur das Rufen einer dünnen, heiseren Stimme:

»Boer Jan!«

»Boer Jan ist zu Hause,« sagte dieser selbst, »was will man von ihm?«

Darauf tritt ein junges Mädchen, ein halbes Kind noch, in die Stube mit kohlschwarzen Augen, wirrem Kraushaar und ganz zerlumpt. Sie kommt langsam näher geschlichen und sieht jeden mit einem dreisten bösen Gesicht an. Man kennt sie in den Dörfern. An den Abenden sieht man sie auf den Rüben- und Kartoffelfeldern herumstreifen, und am Tage schläft sie in irgendeinem Loch hinter einer Hecke. Aber am häufigsten begleitet sie die alte Hopsassa. Man nennt sie Uyltje, was kleine Eule heißen soll.

»Fort von hier! Hexenbalg!« kreischt Jan Slim auf sie ein.

Aber es hat den Anschein, als ob sie ihn nicht fürchtete. Einen Finger im Mund, und der Finger ist rot und schmutzig, verschlingt sie gierig mit ihren Blicken ein Stück Brot, das vergessen auf einer Tischecke liegen geblieben ist. Ihre Hände verschwinden in einem Nu hinter ihrem Rücken, und schon hat sie sich dem Tisch genähert, das Gesicht den Leuten zugedreht, die in der Stube sind. Ehe man etwas gemerkt hat, hat sie auch schon ihre Hand ausgestreckt und das Brot ergriffen, das sie dann in einem der Löcher ihres Kleides verschwinden läßt.

»Ich habe mit Boer Jan zu reden,« sagt sie schließlich, und ihre spitzen weißen Zähne, die wie Rattenzähne sind, scheinen ihre Worte zu zerbeißen, wie sie nach und nach aus ihrem Munde kommen.

Sie heftet ihre funkelnden Augen auf den Bauer und geht in der Richtung der Tür rückwärts, ganz langsam, ohne ihn auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen. Sie sieht ihn so hartnäckig an, daß er ihr bis auf den Weg folgt, und da sagt sie ihm endlich:

»Kommt mit mir, die Großmutter wartet auf uns.«

Er erinnert sich plötzlich, daß sie so die alte Hopsassa nannte.

»Was da!« sagt er, »hat sie mir etwa was Eiliges zu sagen?«

Uyltje sieht ihm frech ins Gesicht und zerrt gierig das Stück Brot hervor, das sie vorhin gestohlen hatte, dann stößt sie ihre gefräßigen Zähne hinein, und als nicht mehr übriggeblieben ist als ein kleiner Bissen, tut sie als wollte sie es Boer Jan anbieten, sie lacht boshaft dabei.

»Ich gehe nicht weiter,« sagt Boer Jan, nachdem sie eine Weile über die Felder gegangen sind, sie sind aber so rüstig ausgeschritten, daß schon die Lampe hinter den Fensterscheiben seines Hauses nur ein kleiner Schein in der Ferne ist.

Sie greift sogleich mit ihrer festen, eisenharten kleinen Faust nach seinem Rockzipfel und zerrt ihn mit einer entschlossenen Gebärde vorwärts, dabei läßt sie ein leises Pfeifen durch die Zähne hören. Er hat nur seine Holzschuhe an, der Schnee macht ihm das Vordringen kaum möglich, und er fühlt seine Socken naß werden.

Für sie aber scheint weder die Kälte noch der Schnee etwas Lästiges zu haben. Ihre Beine sind mit einem Schafsfell umwickelt, das bis oben zum Knie verschnürt ist, und ihre Holzpantinen trägt sie in einer Hand, die sie noch frei hat, ganz befriedigt davon, mit ihren vor Frostbeulen brennenden Füßen die Berührung der eisigen Erde zu fühlen.

Das ebene Land dehnt sich rings um sie grau und trüb unter einem mondlosen Himmel, manchmal geht es an einem Tannenwald vorbei, dessen Stämme zur einen Seite schwarz und an der anderen Seite ganz weiß sind, und der Nordost, der wie Peitschenhiebe durch die Luft schneidet, macht die Zweige knacken. In der Ferne tauchen rote Lichter auf und verschwinden wieder rasch wie neugierige Augen.

»Ich werd' jetzt nicht mehr weiter gehen, nein!« ruft Boer Jan zum zweiten Male.

Und er überlegt sich, daß er sehr unvorsichtig gewesen ist, in so später Stunde aus seinem Hause zu gehen, ohne selbst einmal mit einem Stock bewaffnet zu sein, aber wieder zieht ihn Uyltje mit einer solchen Gewalt an seinem Rock, daß er wohl sieht, daß sein Rock in den Händen des jungen Dinges zurückbleiben würde, wenn er sich weigerte weiter mitzugehen. Er bückt sich und hebt einen Ziegelstein auf, den irgendein Kärrner auf dem Weg verloren hat. Die kleine Nachteule hat seine Bewegung eräugt, und ein Stückchen Wegs weiter hebt sie nun ebenfalls einen großen Stein auf.

Jan Slim fürchtet sich, aber die Hoffnung, sein Geld wiederzufinden, ist stärker als seine Furcht. Sein Geld! Und weswegen hatte sie ihn zu einer so späten Stunde sonst rufen lassen können, wenn sie ihm nicht etwas über das Geld zu sagen hätte?

Boer Jan sah, wie sich in diesem Augenblick ein blutiger Schein über den Schnee reckte. Er sperrte die Augen auf. Vor ihm hoben sich die Reste einer elenden halbverkohlten Hütte. Etwas Reisigholz brannte auf den Fliesen, und in geduckter, kniender Stellung mit aufgestützten Fäusten sah er Hopsassa davor hocken und blasend das Feuer anfachen.

Der kleine Mann machte geschwind das Zeichen des Kreuzes und sagte:

»Die Zeit scheint mir nicht recht geeignet, um über Land zu laufen.«

Die Alte griff nach ihrem Stock und stieß ihn zwischen die Feuerscheite. Sofort durchzuckte eine helle, lustige Flamme den Qualm und stieg knisternd hoch. Jan Slim fand sich plötzlich im hellen Licht: sie sah ihn an und lachte.

»Jan Slim, das ist doch nicht umsonst, wenn Ihr Eure Hände so in den Taschen hält. Darin ist sicher ein Stein oder ein Messer.«

Er machte mit dem Kopf ein verneinendes Zeichen und zog seine Hände aus den Taschen, jedoch Uyltje hatte den Ziegelstein in seiner Tasche gesehen; mit einer Bewegung, die jäh wie der Blitz war, zog sie ihm den Stein heraus, dann übersprang sie das Feuer mit einem Satz und fing hinter dem Feuer an zu tanzen, indem sie ihm die Zunge ausstreckte, zu guter Letzt legte sie den Stein auf die Erde, setzte ihre Füße darauf und sah mit einem mißtrauischen Blick zu ihm herüber.

Boer Jan, den die Furcht wieder gepackt hatte, zuckte nur die Schultern und spie in die Glut, um der Dirne zu zeigen, daß er sie verachtete. Er wandte sich darauf an die Landstreicherin und sagte mit einer Stimme, die er möglichst sanft zu machen versuchte:

»Ich bin ein alter Mann, Messer und Steine könnten in meiner Hand doch nichts taugen.«

»Dieser heimtückische Mensch; man weiß, was die Leute von dir reden!« kreischte Hopsassa ganz zornig, »ich fürchte mich nicht vor dir; ich werde dich wie diesen Stecken zerbrechen.«

Sie raffte einen Ast auf, zerbrach ihn in zwei Stücke und warf die beiden Teile, etwas vor sich hinmurmelnd, weg.

»Die Teufelskralle liegt auf deinem Haus. Die Kartoffeln werden dir keimen vor der Zeit, es wird Hagel auf dein Korn kommen im Augustmonat, deine Kühe werden krepieren, alle nacheinander, die Schnecken werden deinen Kohl fressen, die Milch wird dir in den Zubern verderben! Skorpione und Kröten werden unter jedem Stein deines Hauses hausen, und alles kommt zu seiner Stunde, wie ich es dir gesagt habe! Aber der Vogel, der mitten im Käfig in Rauch und Flammen singt, soll frei sein: es wird eine Hand kommen, die ihm die Käfigtüre öffnet, und er wird davonfliegen …«

Und ganz unerwartet hob sie die Hände und sagte:

»Oh, Roose! Gute Seele! Gottesseele!«

»Ja, Gottesseele, ja ja,« stimmte Boer Jan bei.

»Jan Slim, Ihr sollt nicht davon reden: es ist schon lange her, daß Ihr Eure eigene Seele dem Teufel um des Geldes wegen verkauft habt!«

Hopsassa machte sich abermals daran, das Feuer anzublasen, und sagte nach einer Weile:

»Es war Geld unter dem Apfelbaum. Die alte Hopsassa hätte trinken und essen können und in einem Bett schlafen eine gute Reihe von Tagen. Sie hat es aber vorgezogen das Geld zu behalten.«

Boer Jan, als er diese Worte gehört hatte, konnte nicht mehr an sich halten und schrie:

»Wo ist es? Wo? Wo?«

»Dicht, du geiziger Hund! So nahe, daß es dir die Füße brennen wird, aber ehe du es findest, wirst du nicht weniger als zehn Wegstunden Land umgraben müssen und danach nochmals zehn und dann, wie es kommt.«

»Oh! Gebt mir es wieder. Ich will Euch ein schönes gewürfeltes Kopftuch schenken, das könnt Ihr um Euren Kopf tun.«

Die Alte grinste, indem sie etwas vor sich hinmurmelte, und das Mädchen begleitete sie mit ihrem schrillen Gelächter, das aufquietschte wie das Gekreisch einer Knarre.

»Ihr bekommt einen guten Tuchmantel mit Wolle gefüttert, Hopsassa!«

»Ich brauch' ihn nicht!«

»Einen festen Krückstock, wo Ihr Euch drauf stützen könnt.«

»Ich werd' ihn auf deinem Rücken in Stücke schlagen.«

»Zwei Säcke voll Kartoffeln.«

»Haha! Es hat doch welche auf den Feldern.«

»Die freie Wohnung für ein Jahr!« schrie Jan heraus, und seine Stimme hörte sich an, wie das klagende Keuchen eines Blasebalges in der Schmiede.

»Das ist noch nicht genug,« antwortete darauf die Alte.

»Schön,« schrie er wütend, »Ihr werdet also nichts bekommen. Ich pfeif' auf die Kassette! Behaltet es für Euch, das Geld, das drin ist. Aber ich werd' Euch von den Gendarmen einbringen lassen, wie die erste beste Diebin, und Ihr geht dann ins Gefängnis für den Rest Eurer Tage.«

Hopsassa ergriff ein Feuerscheit, warf ihn in einen Haufen trockenen Heidekrauts, und der Haufen flammte auf mit lautem Geknister.

»An diesem Tag, Teufels-Slim, wird dein Haus in Flammen aufgehen, wie dieses Holz da. Deine Speicher, deine Schuppen, deine Ackergeräte, deine Ställe, alles wird in Rauch aufgehen!«

»Ach ja! Und von weitem wird man zugucken können, wenn es brennt!« kreischte das Kind.

Ihre Augen glühten wild. Sie klatschte in die Hände.

»Schön,« sagte der Bauer achselzuckend, »ich weiß, was ich Euch sagen soll. Zum Lachen ist das.«

»Mann,« sagte die Alte, »hört mich wohl an und zieht Euren Nutzen aus dem, was ich Euch sagen werde. Eure Tochter Roose mag den Kobe Snipzel nicht zum Mann nehmen, weil er zu alt ist und weil sie einen anderen lieb hat, der jung ist. Ihr werdet zum Pachter gehen und ihm sagen, daß Ihr das Heiratsversprechen brecht. Er wird Euch dafür welche überhauen, und damit wird alles zwischen Euch erledigt sein.«

»Und meine Kassette? Häh?«

»Ihr fragt darauf bei Roose an, wer das ist unter den jungen Leuten vom Dorf, den sie am liebsten hat, und Ihr werdet ihr sagen: nimm ihn nur, er ist dein!«

»Und meine Kassette?«

»Habgieriger Mann! An dem Tag wird Euch Euer Geld wieder zukommen.«

»Ha, gib es mir sofort, und ich geb' dir ein feines Fünffrankenstück dafür.«

»Keine fünf und keine hundert. Ich will dein Geld nicht.«

»Das geht nicht richtig zu, Hopsassa! Ihr narrt mich nur. Es gibt keinen, der nicht eine Summe Geld verlangt, wenn er das tut, was Ihr getan habt; und Ihr schlagt das aus, was ich Euch biete!«

»Hopsassa,« antwortete die Alte, »ist schon bezahlt worden durch Roose. Wenn sie Hunger gehabt hat und Durst, war es Roose, die ihr Essen und Trinken gegeben hat, und Roose hat auch mehr als einmal ihr alte Kleider gegeben, damit sie nicht umkäme in der Kälte wie die Fliegen im Oktober. Die alte Hündin hat ein gutes Gedächtnis.«

»Ha!« sagte Boer Jan, nachdem er etwas überlegt hatte, »und wenn Euch einer einen Schlag über den Kopf gäbe und ließe Euch am Weg liegen, oder wenn Ihr jetzt auf natürlichem Weg sterben würdet, würde die Kassette für immer in der Erde bleiben, und keiner würde sagen können, wo sie wäre.«

»Nicht doch! Nein!« rief die Alte und klopfte mit dem Stock auf den Boden, »das Geheimnis stirbt nicht mit Hopsassa! Dem Baum entsprießt ein junger Trieb. Uyltje kennt den Ort. Sie wird ihn nennen, wenn mir ein Unglück zustößt.«

Und den Stock gegen den Bauer erhebend, sagte sie:

»Fort von hier! Soll es ja sein, oder nein? Ich kehr' mich was um Euch!«

»Hebt es mir gut auf,« sagte darauf Boer Jan mit einem demütigen Gesicht. »Ich werde tun wie es ausgemacht ist.« Und er wandte sich heimwärts.

»Roose,« sagte er beim Eintritt, »ich hab' mir gedacht, wenn Ihr den Pachter nicht zum Mann habt nehmen wollen, habt Ihr dazu vielleicht Eure Gründe gehabt?«

Das hübsche Mädchen war so sehr überrascht, ihn so sprechen zu hören, daß sie einen Krug, den sie in der Hand hielt, fallen ließ; sie stand da und starrte ihn an, ohne ein Wort zu sagen.

»Tochter,« sprach er weiter, »es ist nichts Schlechtes dabei, einem alten Mann wie der Pachter einen jungen Burschen mit glattem Gesicht vorzuziehen.«

Santje, die eine Falle witterte, zog ihre Herrin am Rockzipfel und antwortete:

»Unrecht ist sicher wohl nicht dabei, aber ein Mädchen ist manchmal glücklicher dran mit einem Mann im Alter des Pachters, als mit einem jungen Fant.«

»Nein, Santje,« rief Roose, ohne sich zu besinnen. »Sag' das nicht! Es darf doch kein allzu großer Unterschied zwischen dem Alter der Frau und dem Alter des Mannes sein.«

»Sie hat recht!« sagte Boer Jan dazu.

Santje zuckte die Achseln und stampfte mit dem Fuß auf.

»Das ist sicher, der Bauer hat hier eine List im Sinn,« sagte sie ganz leise zu Roose. »Laß uns auf der Hut sein.«

»Meine Meinung ist die,« fing Boer Jan abermals an, »wenn Ihr nichts von dem Manne wissen wollt, den ich Euch ausgesucht habe, dann würdet Ihr gewiß einen anderen haben wollen.«

»Und welchen anderen,« unterbrach ihn Rooses Beschützerin, »meint Ihr denn, könne sie sich wünschen, der mehr Hab und Gut hätte und noch mehr geachtet wäre?«

»Schweig still! Wetterfliege! Rooses Meinung will ich doch wissen.«

»Dann will ich es denn sagen«, meinte Roose mit einer schüchternen Stimme, »meine Meinung ist, daß das Pachtergut wohl wert ist, daß man sich danach umsieht.«

Boer Jan stieß einen Seufzer aus und sagte:

»Es ist der reichste Pachterhof in der Gegend hier, aber der Reichtum macht doch nicht das Glück aus.«

»Roose kriegt dann Kleider aus Seide, Mützen aus feinen Spitzen, eine Kette von Gold …« mischte sich Santje ein.

»Pah! Der Pachter ist nicht freigebig,« ächzte der Bauer, »der schnürt nur gar zu gern den Geldbeutel zu.«

»Man kommt bei ihm nicht zu kurz,« sagte Roose. »Eure Tochter wird da im Überfluß leben.«

»Das habt Ihr aber so nicht gedacht damals, in der Zeit, als ich die Heirat gewollt hab'. Jetzt, wo ich das nun nicht mehr will, scheint Ihr das zu wollen?«

»Vater,« sagte Roose, »ich habe genug Tränen geweint, ehe ich mich da hineingefunden habe, aber es hat sich doch darum gehandelt, Euch vor dem Elend zu retten …«

»Ihr hattet alles verloren,« brach Santje los, »Ihr wart ruiniert, Euer Geld hatte man Euch genommen; Ihr hattet nichts zum Leben. Tralala! Roose hat gut daran getan, sich für Euch zu opfern, um Euch die Ruhe wiederzugeben. Seid ruhig, Bauer, an Brot wird es Euch nie fehlen!«

»Ach!« sagte der Bauer verwirrt, »ich hab' vielleicht etwas übertrieben. Ja, im ersten Augenblick … aber ich will doch nicht das Unglück von meiner Roose.«

Dem Mädchen wurde es ganz weich zumute bei dieser List des alten Geizhalses. Sie war schon nahe daran ihm ihr Geheimnis zu verraten, als Santje, nachdem sie ihr einen Wink gegeben hatte, zu lachen anfing und ausrief:

»Das alles riecht nach Narrenpossen, Roose. Dein Vater hat geschworen, dich mit Kobe Snipzel zu verheiraten, da wird er schon nicht von ablassen. Wenn er jetzt den Faden länger läßt, dann ist es nur, um den Fisch besser fangen zu können.«

»Das soll denn also dabei bleiben, Ihr sollt die Wahrheit hören: ich habe mein Herz im Pachterhof untergebracht, und für nichts in der Welt nehme ich es wieder zurück!«

»Ich bin hart gestraft worden, und Roose ist zu meinem Unglück zu gehorsam gewesen. Was tu ich nun?« dachte Boer Jan im stillen. Dann fing er an mit lauter Stimme zu klagen:

»Gestern war es mein Vorteil, diese Heirat zu wollen, heute bin ich verloren, wenn sie zustande kommt. Roose, es kommen seltsame Dinge vor in dieser Welt.«

Sie zuckte etwas die Schultern, und nach Santje einen Blick werfend, als wollte sie um Verzeihung bitten, sagte sie mit einem Male, die Augen voller Tränen und ganz außer sich:

»Ach, Vater, ich hab' doch mein Herz in dem Pachter seinem Hause drin, aber es ist doch nicht der Pachter, den ich mir zum Mann wünsch'.«

Jan Slim seine Augen erglänzten vor Freude.

»Meine Tochter,« sagte er, »ich bin tot gewesen, und du gibst mir das Leben wieder. Nenne mir den Namen des Mannes, in dessen Haus du einziehen willst.«

Sie stammelte den Namen von Lamm.

Das richtet sich alles zum besten ein, dachte sich Slim, denn Snipzel stirbt wohl nicht, ohne seinem Neffen Vermögen zu hinterlassen.

Und er machte sich davon, um bei sich nachzugrübeln, wie er dem Pachter diese Neuigkeit mitteilen sollte, die geeignet war, ihn in den größten Zorn zu versetzen.

Er war kaum einige Minuten fort, als sich eine bekannte Stimme an der Tür hören ließ:

»Hidelhidel hopsassa!«

»Tretet ein, alte Mutter,« rief Roose noch in demselben Augenblick.

Und die Alte sprach beim Eintritt:

»Das Haus sei gesegnet!«

Dann gab sie noch hinzu:

»Ein guter Wind führt mich her. Slim läuft wohl den Körnern nach, die ich ihm über den Weg gestreut habe, wie die Ratten, die man so von einer Ortschaft zur anderen lockt. He! Hia! Ich hab' sein Geheimnis! Ich führ' ihn an der Nase herum.«

Und als die Frauen sie argwöhnisch ansahen, sagte sie zu Roose:

»Herrin, sanfte, gute Herrin, gebt einmal Eure Hand der alten Hopsassa zum Zeichen, daß Ihr ihr vertraut … Nur ein kleines einziges Mal … Eure Hand ist mild, wie der Wind, der weht im Paradies.«

Sie nahm die Hand des jungen Mädchens in ihre alten Hände, die gelb und gefurcht waren, indem sie sie streichelte und mit ihren welken, wie dürre Stöcklein trockenen Fingern beklopfte, und ganz unerwartet hob sie sie plötzlich bis an ihr Herz und von da an ihren Mund und verzog dabei den Mund ganz zärtlich.

»Hopsassa, sagt uns doch das Geheimnis, das Ihr habt.«

»Da ist es!« sagte die Alte.

Und sie zerrte aus ihrem Henkelkorb die Kassette von Jan Slim hervor.

»Ach! Ihr wart es, alte Mutter, die ihn beraubt hat!« rief Roose vorwurfsvoll.

Die alte Bettlerin jedoch begann zu lachen und sagte:

»Ich habe ihn bestohlen … Haha! Vor seiner Nase weggestohlen, vor seinem Bart … Der Teufel hat zu mir gehalten bei diesem Geschäft.«

Und sie fügte dann noch mit einer ganz sachten Stimme hinzu, indem sie ein geheimnisvolles Wesen annahm:

»Ich habe sie gestohlen, weil es kein anderes Mittel gab, um einer Heirat hinderlich zu sein, die Euch in ein Unglück gebracht hätte, Kindchen … Und dann hab' ich zu Eurem Vater gesagt: Schlechter Mensch, Ihr sollt Eurer Tochter den Mann zur Ehe geben, den sie liebt, und das Geld bekommt Ihr dann wieder. Er hat es mir zugesichert. Jawohl, jawohl! Er wird schon sein Versprechen halten.«

Santje klatschte in die Hände und rief:

»Jetzt begreif' ich endlich, warum die Katze Samtpfoten gemacht hat.«

»Ja,« sprach die Alte, indem sie lebhafte Bewegungen machte und dabei allerhand Fratzen schnitt, »das bin ich gewesen, die den Streich gemacht hat. Mag er die Gendarmen kommen lassen, sie werden nichts finden. All dies Geld hat mich wie Feuer gebrannt, ich hatte es wo untergraben gehabt. Aber Uyltje, die kleine Schlampe, hat sich hinter mir hergemacht. Sie hätte doch das Geld ihrem Liebsten geben können. Sie hätten mich vielleicht auch noch umgebracht. Das ist es, warum ich zu Euch komme, und ich sage es auch: Versteckt sie gut, die Kassette, sie ist aus Eisen, aus grobem schwarzen Eisen, aber wenn sie selbst aus Gold und Diamanten sein würde, so könnte sie doch nicht wichtiger sein für Euer Glück.«

»Ach, gute Mutter, wie soll ich Euch nur all das heimzahlen!« sagte Roose. »Ich habe kein Geld, aber nehmt dieses Brot und Kartoffeln und Gemüse und Fleisch. Einmal, wenn Gott mir hilft, wenn ich reich bin, dann wird mein Herz alle Eure Wünsche erfüllen, ehe Ihr sie noch gesagt haben werdet, und ich werde Euch vom Brot der Roose essen lassen, als wär' es Euer eigen Brot …«

»Gute Worte sind für die alte Hopsassa, wie Nahrung für einen hungrigen Magen,« entgegnete die Alte.

Und als sie wegging, war sie mit den besten Sachen beladen, die es im Hause gab.

»Kann ich denn dieses Geld behalten,« sagte Roose später zu Santje, »ohne gegen die Ehrlichkeit zu sündigen, und wäre es nicht mehr nach dem Herzen einer Tochter, wenn ich dem Vater ein Ding wiedergäbe, dessen Verlust ihm so nahe gegangen ist?«

Santje bemächtigte sich jedoch schnell der Kassette und schrie:

»Meine Hände haben keinen Grund zu finden, daß dieses Geld brennt. Wenn es für Euch Feuer ist, für mich ist es Samt. Laß es mir nur. Ich will es mir so gut zähmen, daß es mir nicht aus dem Käfig fliegt, bei Gott!«

Und sie versteckte es im Dachstroh.


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